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The Prince of Nothing 2 - The Warrior-Prophet
Bewertung:
(4.5)
Von: Dominik Stieler
Alias: Doombrand
Am: 22.05.2007
Autor:R. Scott Bakker
Typ:Buch
VerlagOrbit (UK)
ISBN/ASIN:1841494100
Inhalt:740 Seiten, Broschiert
Sprache:Englisch

Erwartungen und erster Eindruck:

Enthusiastisch nahm ich das Buch auf und betete zu Gott, dass Bakker sich weder in seinem Schreibstil, noch den Tiefen der Story verheddert und den Leser verwirrt, denn nach dem viel versprechenden ersten Teil soll es laut Klappentext nun richtig zur Sache gehen: Der Heilige Krieg ist in vollem Gange und Kellhus, die entscheidende Person im Kampf der Religionen, enthüllt seine wahre Natur – sei es zum Guten oder zum Bösen.

Dabei hoffte ich natürlich weiter, dass Bakker sich treu bleibt, indem er weitgehend auf eine Moralisierung verzichtet und so die inneren Konflikte der Charaktere weiter glaubwürdig darstellen kann.

Inhalt:

Die Handlung dreht sich inzwischen nur noch um den räumlichen und zeitlichen Fortschritt des Krieges zwischen den Anhängern der Propheten Inri Sejenus und Fane, wobei diesmal auch die „Consult“, die Diener des „No-Gods“, eine etwas aktivere Rolle spielen. Dabei wird die Frage, an der fast die gesamte Spannung des Plots hängt, bereits auf dem Klappentext gestellt:

Ist Kellhus, der „Warrior-Prophet“, wirklich der Mann, der die zweite Apokalypse verhindern kann, oder ist er nur ein demagogischer Wahnsinniger, der die Religion spalten und seine Anhänger für eigennützige Ziele manipulieren will? Was plant er eigentlich überhaupt? Wer ist Kellhus’ Vater, den er unablässig sucht und bei dem er in Gedanken Rat erfragt, und was für eine Rolle spielt er im Ablauf der Ereignisse?

Der Leser ist ständig hin- und hergerissen zwischen Zu- und Abneigung ihm gegenüber, der, moralisch aufgrund seiner manipulativen Natur sowieso nicht akzeptabel, sich nun sogar gegen seinen Lehrer Achamian wendet, welcher sich wiederum im Laufe des Romans in den tiefsten Sinnkrisen seiner ohnehin leidgeplagten Existenz wieder findet. Dem Plot würde es jedoch vielleicht gut tun, wenn der Zauberer endlich über seinen Schatten springen und eine aktivere Rolle im Geschehen einnehmen würde.

Kellhus jedenfalls zieht in seiner neuen Rolle eine immer größere, ihm bis zum Tode loyale Gefolgschaft an, wodurch oben erläuterte Grundfrage für alle religiösen und weltlichen Führer der Armee zum Scheideweg wird.

Schließlich scheint nichts mehr sicher, weder der einst so selbstverständliche Triumph des Heiligen Krieges, noch das Verbleiben jeglicher Prinzipien und Leitlinien, an denen sich die haltlosen Krieger immer wieder aufrichten konnten.

Mit dem Selbstvertrauen und der Einigkeit ihrer Anführer sinkt auch der Wille der hunderttausenden Krieger, die sich im Namen ihres Propheten auf den Weg gemacht oben, die heilige Stadt Shimeh zurückzuerobern. Dennoch vereint die gespaltene Armee im Kampf gegen den gemeinsamen Feind eine Art verzweifelter Wille, denn nach der gewaltigen Strecke, die das Kontingent bereits zurückgelegt hat, ist eine Rückkehr nicht mehr möglich.

Während sich also die Schlinge um den Heiligen Krieg immer weiter zuzieht, kommt es zu epischen Schlachten voller Dramatik, von Bakker packend in Szene gesetzt, die jede für sich das Schicksal der Mission besiegeln könnten, was dem Roman ein Gefühl des Dranges und der Endgültigkeit verleiht: Es ist nicht möglich, sich den Schicksalen Cnaiürs, Achamians, Esmenets und der anderen Protagonisten zu entziehen und ihre wiederum sprachlich und dramaturgisch herausragend geschriebenen Dialoge und inneren Konflikte mitzufühlen.

Der ständige Perspektivwechsel ist ebenfalls sehr bereichernd, ohne das Buch mit Langatmigkeit zu füllen, selten beleuchtete Schauplätze werden immer kurz eingeschoben, um den Leser mit Informationen zu füttern, ohne die Haupthandlung zu bremsen.

Einige Kritikpunkte gibt es nach all diesen Superlativen von meiner Seite allerdings doch: Die Handlung ist an manchen Stellen doch sehr vorhersehbar geraten, gerade im Zusammenhang mit Kellhus, wobei sich dieser im Laufe des Romans wieder zu einer unberechenbareren Persönlichkeit entwickelt.

Thematisch aus einer ganz anderen Ecke kommt mein zweiter Punkt, nämlich die sexuelle Gewalt, die rein zur Illustration der Welt oder von diversen bösen Mächten zum Erpressen von Informationen verwendet wird. Vielleicht bin ich prüde, aber ich bin der Meinung, dass man dieselben Ergebnisse auch mit etwas – ein bisschen würde schon reichen – dezenteren Mitteln erreichen könnte.

Fazit:

„The Warrior-Prophet“! Wenn diese Serie so weitergeht und Bakker die Spannung weiter aufbauen kann, hat sie wirklich das Zeug, zu einem Klassiker zu werden, wenn auch zu einem etwas ungewöhnlichen. Ich liebe Bakkers Stil, sein Setting, seine Beschreibungen und seine Charaktere – wenn jetzt noch die Story an Abwechslung und Dichte gewinnt, bin ich dem Kanadier endgültig verfallen.

Mehr ist an dieser Stelle nicht zu sagen, bis auf: Lesen und selbst einen Eindruck machen!