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Fables – 1001 Schneeweiße Nächte
Bewertung:
(4.0)
Von: Gordon Gurray
Alias: Talamar
Am: 29.04.2008
Autor:B. Willingham, M. Buckingham, B. Bolland, J. Bolton, C. Vess u.a.
Übersetzer:Gerlinde Althoff
Typ:Graphic Novel / Comic
Setting:Fabletown
VerlagPanini Comics
ISBN/ASIN:978-3-86607-548-1
Inhalt:148 Seiten, Softcover, Sammelband
Sprache:Deutsch

Fables

Vorab:

„Fables“ ist eine monatliche Reihe, die schon seit einigen Jahren von Bill Willingham geschrieben wird und die bisher unbekannten Geschichten von bekannten Fabel- und Märchenwesen erzählt. Die meisten Wesen sind uns allen bekannt: Schneeweißchen und der große böse Wolf sind nur zwei der zahlreichen Märchengestalten, von denen hier erzählt wird. Die eigentlichen Geschichten kennen wir alle, doch Bill Willingham erzählt, was vor oder nach diesen bekannten Märchen geschehen ist. Was ist z.B. aus Schneeweißchens Ehe mit dem jungen Prinzen geworden und warum ist der große böse Wolf überhaupt so groß und böse? Solche Dinge werden hier in humorvollen und teilweise bitterbösen Fabelgeschichten erzählt.

Außerdem sind die Märchengestalten, die sich selbst nur als „Fables“ bezeichnen, aus ihren magischen Welten vor einem Kriegsherrn, der nur unter dem Namen „Der Feind“ bekannt ist, geflohen und haben im Untergrund von New York eine neue Stadt gegründet: Fabletown.

Mehr zu Fabletown findet man in den vorangegangen Heften der Reihe und im Vorwort des vorliegenden Sammelbandes. Die Ereignisse in diesem Sammelband spielen übrigens vor den Ereignissen der eigentlichen Fabletown-Reihe.

 

Inhalt: (Vorsicht, Spoiler!)

Schneeweißchen reist ins ferne Arabien, um dort den regierenden Kalifen um Hilfe und Unterstützung für die Fables zu bitten. Doch der Kalif will nichts davon wissen, sondern nur eine Nacht mit dem schönen Schneeweißchen verbringen, um sie am nächsten Morgen hinrichten zu lassen, so wie er es mit allen jungen Frauen seines Reiches handhabt. Doch Schneeweißchen weiß sich zu helfen und erzählt dem Sultan in ihrer Verzweiflung jeden Abend eine neue Geschichte aus Fabletown. Sie deckt Geheimnisse auf, wie sie nie ein Mensch zuvor gehört hat. Zum Beispiel erzählt sie die wahre Geschichte des Froschkönigs Ambrosius und was nach den bekannten Ereignissen mit ihm und seiner Familie geschah oder was mit der bösen Hexe passierte, nachdem Hänsel und Gretel sie in den Ofen geworfen haben (dabei wird dann auch aufgedeckt, wie die böse Hexe eben zur bösen Hexe wurde, denn sie war nicht immer so).

 

Qualität, Stil & Übersetzung:

Insgesamt werden in diesem Sammelband von Schneeweißchen elf humorvolle Fabelgeschichten erzählt. Dabei sind die Stories von Bull Willingham teilweise bitterböse und voll von triefendem, schwarzem Humor. Dennoch erkennt man schnell, dass es sich nicht einfach um Geschichten handelt, sondern diese durchaus einen Märchen- und Fabelcharakter haben, denn es sind viele Anleihen aus und Kritiken an unserer Gesellschaft und unserer heutigen Welt erkennbar.

„Fables“ ist definitiv ein Märchen für Erwachsene, das steht außer Frage, denn Willingham präsentiert nicht nur für Kinder unverständliche, sondern eben auch oft grausame Geschichten, die aber einen hohen Unterhaltungswert haben.

Jede einzelne Episode wurde von einem anderen Zeichner illustriert, was bedeutet, dass an diesem Band elf Künstler gearbeitet haben. Dabei haben alle recht passende Stile, die sehr gut zum Märchencharakter der Graphic Novel passen. Eigentlich alle Zeichner sind bekannt und haben schon an diversen Projekten gearbeitet. Unbeschriebene Blätter sind nicht dabei. Natürlich kommt auch hier wieder der persönliche Geschmack zum Tragen, den einen Stil mag man sehr, den anderen nicht ganz so, aber wirklich schlecht ist keiner der in diesem Sammelband dargebotenen Zeichenstile.

Das ganze Buch ist dabei übrigens wie ein tatsächliches Märchenbuch aufgemacht. Jeder Geschichte ist ein schickes Vorblatt vorangestellt, das mit schwungvollen Lettern den Titel des Märchens präsentiert. Außerdem wird mit kurzen, knappen Phrasen beschrieben, was in diesem Märchen passiert (Beispiel: Fechtstunden - Worin ein Hochzeitsgeschenk gemacht, finstere Machenschaften enthüllt und von zwei benachbarten Königreichen die Kriegstrommeln gerührt werden.) Eben ganz so, wie man es von Märchenbüchern kennt.

 

Die Übersetzung ist wieder recht gut gelungen. Fehler sind nicht aufgefallen. Einzig und allein warum beispielsweise der Name „Snow White“ nicht ins Deutsche übersetzt wurde, bleibt ein Rätsel. Aber das ist zu verschmerzen und schmälert nicht die Güte des Comics.

 

Fazit:

„Fables“ ist mal etwas Anderes. Hier wird erzählt, was vor oder nach bekannten Märchen (wie zum Beispiel „Schneeweißchen und Rosenrot“ oder „Der Froschkönig“) geschieht. Was ist aus dem Froschkönig und seiner Familie geworden, hat die Ehe von Schneeweißchen und dem jungen Prinzen tatsächlich gehalten, was ist aus der bösen Hexe geworden, nachdem sie von Hänsel und Gretel in den Ofen geworfen wurde, und wie wurde sie eigentlich zur bösen Hexe? All das sind Fragen, die in dieser Graphic Novel aufgeklärt werden. Natürlich nicht auf herkömmliche Weise, denn der Autor Bill Willingham erzählt seine Geschichten auf humorvolle, aber doch bitterböse Art und Weise und scheut auch nicht vor Grausamkeiten zurück. Dabei erkennt man durchaus auch Kritik an unserer Gesellschaft, immer wieder tauchen Metaphern und Parallelen zu unserer heutigen Welt auf.

Insgesamt elf Zeichner haben sich an die elf Geschichten des Buchs gemacht und jeder hat seinen eigenen Stil, die aber alle zum Märchencharakter des Comics passen, denn sie wirken alle ein wenig abstrakt und eben nicht neumodisch. Abgerundet wird die Graphic Novel durch eine märchenhafte Aufmachung, die wirklich den Eindruck eines Märchenbuches entstehen lässt. Nicht umsonst wurde dieser Comic 2007 mit fünf Eisner Awards (sowas wie der Oscar des Comic-Business) ausgezeichnet. Außerdem ist die Übersetzung, bis auf die nicht vorhandene Lokalisierung einiger Namen, wirklich gut gelungen.

„Fables - 1001 Schneeweiße Nächte“ ist eine erfrischend andere Graphic Novel, die zu lesen sich auf jeden Fall lohnt.