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Das Goldene Jahrhundert 2  - Bernard
Bewertung:
(3.3)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 21.10.2009
Autor:Autor und Zeichner: Simon Andriveau
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Graphic Novel – Abenteuer
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-039-2
Inhalt:48 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt

Der zweite Band beginnt auf hoher See, an Bord der „Lune de Mel“, und wir begegnen Bernard und Alphonse, die von Moplai auf diesem Schiff untergebracht wurden und einem noch unbekannten Ziel entgegensegeln.

 

Stand im ersten Band noch Alphonse im Mittelpunkt des Geschehens, so scheint es, als würde sich nunmehr Bernard in den Fokus der Erzählung begeben. Aus den Tagebucheintragungen von Bernard wird der Leser zu Anfang praktisch über die ersten Seiten des Bandes „getragen“ und kann sich nach und nach ein Bild des bislang noch nicht groß in Erscheinung getretenen Charakters von Bernard machen, während Alphonse dauerhaft mit seiner Seekrankheit zu kämpfen hat und den überwiegenden Teil des Tages in seiner Koje verbringt. Aus Langeweile drängt es Bernard immer wieder an Deck des Schiffes, wo er sich mit einem anderen Reisenden anfreundet, der ihm später noch einiges Interessantes über die Vergangenheit von Moplai zu berichten weiß.

 

Moplai selbst, der Mörder des Vaters und der Schwester von Bernard Beaumont, befindet sich ebenfalls an Bord. Nicht zuletzt war er es, der die Reise der beiden auf dem Schiff organisiert hat um sie, nach den Geschehnissen des ersten Bandes, außer Landes zu bringen.

 

Einige Tage nachdem das Schiff abgelegt hat, lässt Moplai den bis zu diesem Zeitpunkt ahnungslosen Bernard zu sich bitten und erklärt ihm, er habe die Passage für die beiden zu den Antillen nur zu deren eigener Sicherheit arrangiert. Schließlich stehe er nach dem bedauerlichen Tod seines Vaters und seiner Schwester in dessen Schuld. Er hat Kapitän Libert instruiert, beide auf den Antillen an Land gehen zu lassen. Um ihre Finanzen bräuchten sie sich dort keine Sorgen zu machen – Moplai habe sowohl die Überfahrt bezahlt, als auch Libert mit genügend Geld versorgt, welches den beiden nach ihrer Ankunft ausgehändigt werden soll. Nach diesem mysteriösen Auftritt verschwindet Moplai noch in derselben Nacht vom Schiff und trifft mit der Mutter von Bernard zusammen, die ihm die lange ersehnten Obduktionsunterlagen überreicht.

 

Die beiden Reisenden erreichen schließlich die Antillen, doch scheint sich wieder einmal das Glück gegen die beiden zu wenden: Kapitän Libert händigt das von Moplai versprochene Geld nicht aus und schickt sich vielmehr an, die beiden, für die vermeintlich nicht bezahlte Überfahrt, als billige Arbeitskräfte an einen Plantagenbesitzer für drei Jahre zu verkaufen.

 

Die Arbeit und das karge Leben auf der Plantage sind sowohl für Bernard als auch für Alphonse die Hölle auf Erden und beide ahnen, das sie die drei Jahre harter Strapazen auf den Feldern wahrscheinlich nicht überleben werden. Bernard nutzt eine günstige Gelegenheit, die ihn in die Stadt führt, um sich einer Gruppe von Freibeutern anzuschließen. Sein Gewissen plagt ihn, seinen Gefährten Alphonse zurückgelassen zu haben, doch für ihn gibt es nur noch den Ruf der Freiheit und den unbändigen Wunsch zu überleben.

 

Zwei Jahre in der Gruppe der Freibeuter vergehen und Bernard wächst zu einem jungen Erwachsenen heran. Da ihn sein Gewissen wegen Alphonse immer noch plagt, entschließt er sich zurück auf die Plantage zu gehen und Alphonse – falls er noch leben sollte – seinen Peinigern zu entreißen und ihn mit sich zu nehmen. Mit banger Erwartung über das mögliche Schicksal von Alphonse trifft Bernard auf seinen alten Peiniger...

 

Schreibstil & Artwork:

Simon Andriveau wurde 1978 in Reims geboren und studierte Kunst und Animation an der renommierten École Emile Cohl in Lyon sowie an der École des Gobelins in Paris. Nach seinem Abschluss arbeitete er zunächst bei einer Firma, die sich auf Spezialeffekte für Film- und Fernsehproduktionen spezialisiert hatte, doch entdeckte Andriveau glücklicherweise letztlich das Medium des Comics für sich und seine Ideen und es trieb ihn an den Zeichentisch. Seine Serie „Das Goldene Jahrhundert“, bei der er sich gleichzeitig als Autor und Zeichner betätigt, erschien als Erstlingswerk ab 2006 bei dem französischen Verlag Delcourt. Simon Andriveau ist mit Vitalie Taittinger, Tochter von Pierre-Emmanuel Taittinger, Eigentümer des gleichnamigen Champagnerunternehmes, verheiratet und lebt mit ihr in Reims.

 

Stand im ersten Band noch die Suche von Moplai nach dem Verbleib des Autopsieberichtes im Vordergrund, so nimmt diese eigentliche Geschichte im zweiten Band eine nur sehr untergeordnete Rolle ein. Moplai bleibt zwar ein kurzer Auftritt in diesem Band vergönnt, in dem es sich erneut um den Autopsiebericht dreht und auch die Erzählung des Reisenden, über die Vorgeschichte von Moplai auf Korsika, besitzt sehr großen Charme, doch steht letztlich Bernard im Mittelpunkt dieses zweiten Bandes.

 

Natürlich arbeitet der Autor auch im zweiten Band mit etlichen Klischees, wie wir sie nur allzu gut aus klassischen Piraten- oder Historienfilmen kennen. Doch insgesamt scheint die Geschichte um Bernard wesentlich ausgereifter zu sein und man merkt dem Autor an wie viel Mühe er darauf verwendet den Charakter glaubhaft und überzeugend darzustellen. Bedauerlicherweise bleibt dabei der Charakter von Alphonse leider etwas zu sehr im Hintergrund und der Autor vergibt sich vielleicht die eine oder andere Chance ein bisschen mehr aus der Geschichte zu machen.

 

Als Autorencomic besitzt „Bernard“ den großen Vorteil, das sowohl die Geschichte als auch die Zeichnungen aus einer Hand stammen – und Andriveau beherrscht beides!

Auch weiterhin weiß er in seinem klassischen Bildaufbau durch überaus detailfreudige Zeichnungen zu überzeugen. So strotzen nicht nur die großen Zeichnungen der Schiffe, des Hafens und die der Landschaft der Antillen nur so vor Atmosphäre, sondern insgesamt scheint diesen Band ein etwas intensiverer Grundton zu durchfahren. Die Figuren bleiben von ihren Gesichtszügen weiterhin markant und die Darstellung der Mimik hat sich im Vergleich zum ersten Band wesentlich gebessert.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

In Sachen Qualität gibt es an dem ebenfalls großformatigen zweiten Album nichts auszusetzen, da sowohl der Druck als auch die Bindung tadellos und die gewohnt gute und elegante Übersetzung von Tanja Krämling makellos ist. Die Cover-Gestaltung folgt in ihrer Idee dem ersten Band, so dass es rein optisch zwischen der deutschen und französischen Ausgabe nunmehr keinen Unterschied gibt. Wie bereits im ersten Band gibt es allerdings keine Sonderausstattung in Form von Skizzen, Autorenporträt oder ähnliches.

 

Fazit:

Erneut präsentiert uns Simon Andriveau, in seiner Debüt-Reihe, grandiose Zeichnungen und eine spannende Erzählung vor der überwiegend exotischen Kulisse der Antillen. Das ist alles zeichnerisch grandios in Szene gesetzt und auch von den Texten her wunderbar gelungen – doch leider bleibt für mich dabei die eigentliche Geschichte als verbindendes Element dabei irgendwo auf der Strecke. Die Geschehnisse um die geheimnisvollen Dokumente aus dem ersten Band finden zwar pflichtgemäß ihre Erwähnung, doch entwickelt sich der Rest zu einer Art Kammerspiel, bei der lediglich das heranwachsen von Bernard geschildert wird.

 

Unterm Strich eine spannende Geschichte vor exotischem Hintergrund, historisch korrekt recherchiert und wunderbar in Szene gesetzt. Es bleibt also abzuwarten, ob in den noch drei angekündigten Bänden dieser Reihe das Konzept des Einzel-Protagonisten weiterverfolgt wird und wie sich die Handlungsfäden unter Umständen letztlich miteinander verweben lassen. Im Moment bin ich aber trotz aller Kritik recht zuversichtlich auf eine versöhnliche Entwicklung dieser Reihe, insoweit aber für diesen Band eine schwächere Bewertung.