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Rex Mundi 2 - Der unterirdische Fluss
Bewertung:
(3.7)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 21.10.2009
Autor:Autor: Arvid Nelson; Zeichner: EricJ
Übersetzer:Joachim Stahl
Typ:Graphic Novel – Mystery
VerlagEhapa Comic Collection
ISBN/ASIN:978-3-7704-6611-5
Inhalt:176 Seiten, Hardcover
Preis:20,00 EUR
Sprache:Deutsch

Angesiedelt in einem alternativen Paris des Jahres 1933, in dem die Kirche massiv die Staatsangelegenheiten beeinflusst und die Inquisition hart durchgreift, entführt der erste Band der Reihe „Rex Mundi“ den Leser in eine Welt, die der unseren zwar sehr ähnlich ist, aber doch ganz anders funktioniert.

 

Auch wenn es auf den ersten Blick keine großen Unterschiede zum technischen und zum Teil auch sozialen Entwicklungsstand zum realen Jahr 1933 gibt, so besitzt diese alternative Welt doch einige gravierende Unterschiede: Die Macht über das Volk liegt beim König, den Adelshäusern und der Kirche. Etwas Ähnliches wie die Französische Revolution hat zwar stattgefunden, aber sie endete gänzlich anders, und die Häscher der Inquisition werden im Kampf gegen das Verbrechen eingesetzt, wobei ihnen hierfür alle nur erdenklichen Mittel recht sind. Es gab noch keinen Weltkrieg, auch wenn die Konstellation der Großmächte sich in Europa ähnlich zum echten Jahr 1933 verhält. Magie und Zauberei sind allgemein bekannt und werden auch praktiziert, selbst wenn die Kirche (und damit natürlich auch die Inquisition) dies mit Argwohn beobachtet.

 

Im ersten Band wurden bereits die Protagonisten des Verschwörungsthrillers von Autor Arvid Nelson vorgestellt: der junge und recht selbstlose Arzt Dr. Julien Saunière, der in einem ärmlichen Stadtteil von Paris eine Praxis für Allgemeinmedizin betreibt und unversehens in einen Strudel von mysteriösen Geschehnissen gerät, und die Ärztin Dr. Genevieve Tournon, eine Freundin von Dr. Julien Saunière, deren Wege sich im Laufe der Geschichte wieder kreuzen und die sich anschickt, ihren Weg in die „bessere“ Gesellschaft zu machen.

 

Inhalt

Nach der beinahe tödlichen Auseinandersetzung mit dem mysteriösen Mann im weißen Anzug am Ende des ersten Bandes setzt Dr. Julien Saunière seine Nachforschungen unbeirrt fort und stößt dabei auf viele weitere Rätsel, die ihren Ursprung im Templerorden haben. Der Templerorden war sicherlich eine Erscheinung, doch verbarg sich noch eine andere geheime Organisation hinter der Fassade des Ritterordens, die selbst nach dessen Zerschlagung weiterhin tätig ist.

 

Von einem Jesuiten, einem alten Freund von Pater Marin, erfährt er von der Tätigkeit einer streng geheimen Kommission, die sich auf die Suche nach dem Heiligen Gral gemacht hat. Außer dem Erzbischof und dem Heiligen Vater wusste niemand um deren Tätigkeit, geschweige den um die Ergebnisse ihrer Arbeit.

 

Saunière begibt sich noch einmal in die geheime Bibliothek unter der Kirche L’Eglise de la Madeleine, um sich einige Unterlagen genauer anzusehen, doch statt einfacher Erklärungen stößt er nur auf weitere neue Rätsel. Glücklicherweise kann Saunière einige Ratschläge und Hinweise bei Rabbi Maiselles erhalten, der ihm beim Entziffern alter Schriften behilflich ist.

 

Ein weiterer grausamer Mord geschieht, eine Kopie der verschwunden geglaubten Schriftrolle des ersten Bandes taucht unversehens auf und Hinweise deuten auf die alte und mächtige Adelsfamilie des Herzogs von Lorraine, dessen Familie seit alters her scheinbar eine nicht unbedeutende Rolle in den mysteriösen Geschehnissen spielt.

 

Doch – wie bereits schon im ersten Band angedeutet – sind die Nachforschungen von Saunière der Inquisition nicht verborgen geblieben, und so werden Saunière und Rabbi Maiselles verhaftet und von der Inquisition zu einem Verhör durch den Bischof gebracht.

 

Aber Saunière bekommt auch unvermutete Hilfe: Eine vermummte Gestalt enthüllt ihm bei einem nächtlich anberaumten Treffen einige Details über die möglichen Hintergründe einer Verschwörung. Doch statt Antworten gibt es auch hier wiederum nur Hinweise, die zwar weiterhelfen, aber auch weitere neue Fragen aufwerfen.

 

Parallel zu diesem Handlungsfaden gibt es aber über den Charakter Genevieve Tournon einige hochinteressante Einblicke in die Welt des Herzog von Lorraine und nebenbei wird hier eine zweite Handlungsebene aufgebaut, die bereits im ersten Teil ihren Anfang nahm.

 

Schreibstil & Artwork:

Der Autor und Zeichner Arvid Nelson schrieb bereits während seiner Zeit am Dartmouth College Comics, wo er auch zur Glaubensrichtung des Bahaismus konvertierte. Nach seinem Abschluss im Jahr 1999 wurde er Produktionsassistent bei Woody Allen. Während der Arbeiten an der Dokumentation für „The Paris Review“ besuchte er erstmals Paris und begann zahlreiche Eindrücke dieser Stadt zu sammeln, die später nachhaltigen Einfluss auf „Rex Mundi“ haben sollten. Nelson arbeitete unter anderem auch für Marvel und DC, wo er sich verantwortlich für die Konzeption einiger Geschichten zeigte.

 

Der 37-jährige Eric Johnson (EricJ) lebt in San Diego, im sonnigen Kalifornien. Er zeigt sich als Zeichner bis zur Ausgabe 13 von „Rex Mundi“ verantwortlich, nach der er dann aufgehört hat. Ein Problem dürfte sicherlich das Einhalten der Deadline des Verlages gewesen sein, bei der er sich nicht immer als unbedingt zuverlässig erwiesen hat.

Seine Arbeit für „Rex Mundi“ übernahm danach Jim di Bartolo für die Ausgaben 14 und 15 bzw. ab der Ausgabe 16 Juan Ferreyra. Nach der Ausgabe 18 wechselte die Serie zudem von „Image“ zu „Dark Horse“, wobei auch hier Juan Ferreyra die Serie weitergezeichnet hat.

 

Der Stil von Eric Johnson setzt sich natürlich im zweiten Band fort und zeichnet sich auch weiterhin durch seinen Detailreichtum aus, der in Verbindung mit der überwiegend dunklen und flächigen Kolorierung von Jeromy Cox eine sehr dichte Atmosphäre schafft. Vor diesem wunderschönen Hintergrund sind seine realistisch ausgestalteten Figuren aber nicht immer sonderlich stimmig und wirken auch weiterhin manchmal seltsam hölzern und schemenhaft. Hierdurch leidet die durchaus dichte erzählerische Umsetzung, da Text und Bild nicht richtig zueinander passen wollen.

Doch die konzeptionelle Ausgestaltung von Eric Johnson weiß zu begeistern, da der Seitenaufbau teilweise grandios und hervorragend arrangiert ist.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Mit dem Sammelband „Die unterirdischen Flüsse“, der die Hefte 7 – 12 beinhaltet, veröffentlicht der Ehapa-Verlag einen weiteren fast 200 Seiten umfassenden Hardcover-Band der Reihe mit solider Fadenheftung und einem ansprechend gestalteten Einband, an dem es nichts auszusetzen gibt, wobei dies auch für die Übersetzung von Joachim Stahl gilt. Zudem gibt es als Bonus im Anhang wieder eine Cover-Galerie, diesmal mit sehenswerten alternativen Covern von Azad Injejikian, Tone Rodriguez, Courtney Huddleston, Jeremy Haun, Toby Cypress und Matt Cash.

 

Die bereits aus dem ersten Band bekannten, sorgfältig produzierten, fiktiven Zeitungsseiten des „Le Journal de la Liberté“ zwischen den Kapiteln verraten dem Leser auch weiterhin mehr über die Welt von „Rex Mundi“. Die Artikel über aktuelle Ereignisse, die politische Lage und die staatliche Ideologie sind eine überaus gelungene und in sich stimmige Angelegenheit, durch die man nicht nur zahlreiche Hintergrundinformationen über diese faszinierende Parallelwelt erhält, sondern zum Teil das Geschehen der einzelnen Episode auch aus offizieller Sicht kommentiert bekommt, wie beispielsweise die Schlagzeile über den Mord an dem Vertreter der Medici.

 

Fazit:

Der zweite Band der Reihe lässt es insgesamt etwas ruhiger angehen und verliert sich leider ein Stück weit in den Nachforschungen von Saunière rund um die Geschehnisse der Tempelritter und dem Gralsmythos. Das macht es manchmal etwas mühselig der Handlung zu folgen, da der Leser rasch mit Informationen überfrachtet wird, ohne dass allerdings die Geschichte langweilig wird. Insofern war auch die Inhaltsangabe zum zweiten Band eher eine Aufführung von weiteren Stationen und Details bei der Suche von Saunière nach den Hintergründen der Geschehnisse. Allerdings hat mich auch ein Stück weit das Gefühl beschlichen, die Zeichnungen würden in diesem zweiten Band wesentlich mehr in den Hintergrund treten und den Text lediglich „untermalen“.

 

Mit „Rex Mundi“ ist es Autor Arvid Nelson insgesamt auf jeden Fall gelungen, ein sehr komplexes und für einen Comic recht anspruchsvolles Werk zu schaffen, dem allerdings in diesem zweiten Band schlichtweg die rechte Spannung fehlt. Zwar gibt es einige gefährliche Momente, doch scheint Nelson erst einmal bemüht gewesen zu sein, etliche Fragen des ersten Bandes zu beantworten, um im gleichen Atemzug neue Fragen aufzuwerfen.

 

Interessant ist die Entwicklung der etwas seltsam anmutenden Beziehung zwischen Genevieve Tournon und dem Herzog von Lorraine. Da Letzterer eine nicht unerhebliche Rolle in der ganzen mysteriösen Geschichte zu spielen scheint, macht sich hier zumindest eine zweite, solide Handlungsebene auf, die für einige Längen bei den umfangreichen Nachforschungen von Saunière zu entschädigen weiß.

 

Dieser anspruchsvolle Verschwörungsthriller, der mit dem realistischen und eindringlichen (wenn auch weiterhin nicht immer gänzlich überzeugenden) Zeichenstil von Eric Johnson eine insgesamt sehr schöne und geheimnisvolle Atmosphäre vermittelt, besitzt nach der Lektüre des zweiten Bandes auf jeden Fall großes Suchtpotential, da mich die ganze Geschichte nunmehr endgültig in ihren Bann gezogen hat. Unter Umständen hätte Autor Arvid Nelson vielleicht direkt einen Roman aus seiner Geschichte machen sollen, denn diesen hätte ich direkt in einem Rutsch durchlesen können.

 

Für mich persönlich ist „Rex Mundi“ auf jeden Fall eine Empfehlung für alle, die ihren Spaß an den Romanen von Dan Brown oder ähnlicher Verschwörungslektüre hatten und ich MUSS wissen, wie es weitergeht!