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Comanche 1 - Red Dust
Bewertung:
(3.8)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 24.12.2009
Autor:Autor: Greg; Zeichner: Hermann
Übersetzer:Horst Gotta
Typ:Graphic Novel – Wild West
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-052-1
Inhalt:72 Seiten, Hardcover mit Spotlack
Preis:15,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt (Achtung: Spoiler!):

Den Einstieg macht ein einsamer Cowboy, der alleine und ohne Pferd mit seinem Sattel am Straßenrand mitten in der Prärie stehend eine Kutsche anhält. Der Fremde hat Glück, da der Kutscher anhält und ihn mitnehmen will. Doch leider scheint der einzige Fahrgast über die plötzliche Unterbrechung seiner Reise nicht sonderlich erfreut zu sein und es kommt zu einem Wortwechsel zwischen dem Fahrgast und dem Fremden. Bedauerlicherweise eskaliert die Situation und so kommt es bereits auf den ersten Seiten zu einem Schusswechsel zwischen Red Dust, dem bislang noch namenlosen Cowboy, und dem Fahrgast Wally Hondo, einem Revolverhelden, der sich eigentlich auf dem Weg nach Greenstone Falls befand und nunmehr sein Grab am Wegesrand findet.

 

Angekommen in Greenstone Falls wird Red Dust nach seinem Ausstieg aus der Kutsche mit dem eigentlich erwarteten Wally Hondo verwechselt und trifft auf den Rechtsanwalt Lawrence B. Cathrell, der scheinbar die Fäden in dem kleinen Nest in Händen hält und Hondo angeheuert hat. Zudem trifft Red Dust hier auf einen alten Bekannten, Kentucky Kid, an dessen Seite jetzt eigentlich Wally Hondo stehen sollte, um „Druck“ auf die Besitzer der Triple Six Ranch (geschrieben: 666) auszuüben. Doch Red Dust steht nicht der Sinn danach, sich auf das Angebot von Cathrell einzulassen und sich als Revolverheld zu verdingen. Vielmehr verschlägt ihn seine Neugierde und die Suche nach Arbeit selbst zur Triple Six Ranch.

 

Hier macht er Bekanntschaft mit dem etwas betagten, aber immer noch fidelen Vorarbeiter Ten Gallons und der resoluten Besitzerin Comanche (insoweit dürfte sich spätestens hier der Name der Reihe erklären). Red Dust schließt sich – nicht zuletzt wegen anderweitiger Perspektiven – den beiden an und erfährt einige Hintergründe über die Machenschaften von Cathrell, die dieser in Gang gesetzt hat, damit Comanche ihre Ranch verkauft.

 

Doch mit der Hilfe von Red Dust scheint sich das Blatt zu wenden. Zunächst einmal gilt es in der Stadt wieder dafür zu sorgen, dass die Ranch wieder mit Vorräten versorgt wird. Kein einfaches Unterfangen, ist doch der Händler durch Cathrell und seine Schergen eingeschüchtert worden. Doch dies ist keine unlösbare Aufgabe für Red Dust – selbst wenn dies für einige Aufregung in der Stadt sorgt.

 

Um die Ranch wieder auf die Beine zu bekommen, ordert Comanche sogar fünfzig neue Rinder. Doch als diese eintreffen, sehen die Tiere nicht sonderlich gesund aus und es hat den Anschein, als habe man Comanche beim Kauf betrogen und wolle hierdurch die Ranch in den Ruin treiben. Selbst der Tierarzt, der die Rinder untersuchen soll, scheint mit Cathrell und dessen mysteriösem Hintermann unter einer Decke zu stecken. Doch mit dem Tross der Rinder bekommt die Ranch auch Verstärkung: Der Farbige Toby und Tenderfoot Clem, das Greenhorn, die als Treiber mit der Herde unterwegs waren, schließen sich Comanche an.

 

Es dauert noch eine ganze Weile, bis sich endlich herausstellt, was eigentlich hinter der ganzen Angelegenheit steckt: Der ehemals wohlhabende Großgrundbesitzer Kilpatrick steht kurz vor dem Ruin. Um sich vor dem finanziellen Untergang zu retten, hat er beschlossen, das Land der Triple Six Ranch günstig aufzukaufen, um es dann mit großem Gewinn der Ocean Pacific Eisenbahngesellschaft zu verkaufen, die eine Trasse mitten durch dieses Gebiet verlegen will. Doch leider hat er diese Rechnung ohne Comanche gemacht, die niemals ihr Land verkaufen würde. So sah sich Kilpatrick gezwungen, zu härteren Maßnahmen zu greifen, hat über Cathrell den Sheriff bestochen, Revolverhelden angeheuert und die Bewohner der Stadt eingeschüchtert.

 

Schreibstil & Artwork:

Michel Régnier, besser bekannt unter seinem Pseudonym „Greg“, wurde am 5. Mai 1931 in Ixelles, einem Vorort von Brüssel, geboren und zählt mit über 250 veröffentlichten Alben in gänzlich unterschiedlichen Genres unbestritten zu den ganz großen und enorm produktiven Autoren der franko-belgischen Comic-Szene.

 

Bereits im Alter von 16 Jahren veröffentlichte er 1947 im belgischen Magazin „Vers l'Avenir“ seinen ersten selbst gezeichneten Comic: „Nestor et Boniface“. Der Erfolg als Szenarist sollte Régnier allerdings in seiner Arbeit bestätigen und so begann er bereits recht früh als Texter für andere Zeichner zu arbeiten. So arbeitete er zwischen 1960 bis 1966 für die von André Franquin gezeichnete Serie „Spirou und Fantasio“ und verfasste auf Bitten Hergés ein Szenario für „Tim und Struppi“, das bedauerlicherweise jedoch nie als Album realisiert wurde.

 

Seine wohl kreativste Schaffensphase hatte Régnier in der Zeit zwischen 1965 bis 1974, in der er als Chefredakteur des Magazins „Tintin“ arbeitete. Mit damals zum Teil noch jungen und recht unbekannten Zeichnern schuf er eine ganze Reihe von Veröffentlichungen, die sich später zu Klassikern des franko-belgischen Comics entwickeln sollten: Ab 1966 schrieb er für Hermann „Andy Morgan“, ab 1967 für Paape „Luc Orient“, ab 1968 für Vance „Bruno Brazil“ und ab 1970 - ebenfalls für Hermann – „Comanche“. Großen Bekanntheitsgrad erreichten diese Serien dann aber auch in Deutschland durch ihre Veröffentlichung in dem seit Anfang der 70er Jahre erschienenen Comic-Magazin ZACK.

 

Bis zu seinem Tod im Oktober 1999 schrieb Régnier insgesamt vierzehn große Abenteuer für Comanche sowie einige Kurzgeschichten für diese Serie. Als sein langjähriger Zeichner Hermann nach dem zehnten Abenteuer ausstieg, übernahm Michel Rouge 1990 dessen Nachfolge. Régnier hinterließ ein 19 Seiten umfassendes unvollendetes Szenario für ein fünfzehntes Abenteuer: „Red Dust Express“. Dieses wurde im Auftrag des Verlagshauses Dargaud von Rodolphe und Michel Rouge beendet.

 

Régnier war einer der wenigen herausragenden Autoren, der sowohl in dem Genre „Humor“ als auch „Abenteuer“ durch geniale Szenarien überzeugen konnte. Doch Régnier zeigte noch viele weitere Talente: So agierte er als Roman- und Drehbuchautor, und wirkte für das Comic-Magazin „Tintin“ und das Verlagshaus Dargaud in führender Position, für das er auch viele Jahre in den USA verbrachte. Michel Régnier starb am 29.10.1999

 

Hermann wurde 1938 in Bévercé in der Nähe von Lüttich in Belgien geboren. Nach einem Studium in Möbeldesign arbeitete er zunächst als Innenarchitekt, entdeckte jedoch bald seine Liebe zu Comics und arbeitete ab 1964 unter anderem für die Magazine „Spirou“ und „Tintin“, wobei er für das Magazin „Spirou“ seinen ersten eigenen Comic schrieb und zeichnete.

Greg erkannte sein Talent und bat ihn, weiterhin als Comiczeichner zu arbeiten. 1966 begann er mit Greg als Texter mit der Serie „Andy Morgan“, die in der Zeitschrift „Tintin“ erschien. 1969 kam als weitere Serie „Comanche“ hinzu.

1977 begann er eigene Geschichten zu schreiben und realisierte die sehr erfolgreiche Serie „Jeremiah“, die er für den deutschen Herausgeber Koralle erfand und die bis heute erscheint. 1983 kam die im Mittelalter spielende Serie „Die Türme von Bos-Maury“ hinzu.

Neben den Serien entstanden viele Einzelbände, so auch der mittlerweile verfilmte Band „Lune de Guerre“ (Die Bluthochzeit).

 

Als einer der wohl bekanntesten und renommiertesten Zeichner besitzt Hermann die wunderbare (und zugleich wohl auch wundersame) Gabe, sich selbst immer wieder zu übertreffen und neu zu erfinden: Egal ob es sich um Menschen, Tiere oder die Darstellung von Technik handelt – er schafft es sowohl die Dynamik als auch Details in sauberer Perfektion zu einem absolut harmonischen Bild zu vereinen. Meinem Erachten nach dringt hier immer wieder ein Stück weit der Innenarchitekt durch, der deutlich Proportionen, Bildfolgen und Farben zu einem in sich schlüssigen Gesamtwerk zusammensetzt. Dabei ist Hermann noch nicht einmal unbedingt ein Schmeichler, betrachtet man sich seine manchmal recht kratzig erscheinenden Figuren im Comic „Comanche“.

 

Qualität & Übersetzung:

Der Comic „Comanche“ erscheint als gebundenes Hardcover im Großformat in der vom Splitter Verlag gewohnt hochwertigen Druckqualität. Die 64-seitige Ausgabe beinhaltet die jeweilige (meist 46-seitige) Albenausgabe plus 16 Seiten zusätzliches Material, bearbeitet bzw. erstellt von Volker Hamann, sowie das Titel-Cover als herausnehmbaren Kunstdruck. Zudem dürfte der Comic „Erinnerst du Dich Kentucky", der zeitlich vor der Rahmenhandlung von "Red Dust" angesiedelt ist und als Bonus-Material abgedruckt wird, dem Leser einen neuen und interessanten Einblick auf das Leben von Red Dust im Kontext mit den anderen Geschichten bescheren.

Das „frequenzmodulierte Feinraster“ ist ein von Splitter in die Comicwelt eingeführter Fachbegriff, der zwischenzeitlich zum Standard avanciert ist und mittlerweile „ältere“ Comics durch technische Bearbeitung in ihrer Bildqualität auf ein Level hebt, wie es dem 21. Jahrhundert gebührt. Und so wird durch diese Methode die vorliegende Gesamtausgabe zu einem grafischen Highlight in bislang noch nicht da gewesener Hochglanzfrische.

Die Serie Comanche ist eigentlich als Fortsetzungsgeschichte konzipiert, die in Comic-Magazinen in zeitlichen Abständen erscheint, deshalb sind die einzelnen Kapitel ursprünglich auch mit einer jeweils eigenen Überschrift erschienen, wobei diese Einteilung im Laufe der Jahrzehnte verloren gegangen ist und bei Neuauflagen oftmals nicht berücksichtigt wurde. Anders sieht es beim Splitter Verlag aus, der genau die „Original“-Überschriften wieder an ihren gebührenden Platz bringt (um hier noch eine kleine Notiz zur Qualität der Ausgabe anzubringen). Betrachtet man sich abschließend sogar noch das Preis-Leistungs-Verhältnis, so dürfte man vollends zufrieden sein.

 

Fazit:

Die Comic-Reihe „Comanche“ ist sicherlich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder von verschiedenen Verlagen neu aufgelegt worden, aber der Splitter Verlag legt nunmehr eine absolut hochwertige und sorgfältig editierte Ausgabe vor, auf die Fans des Genres sicherlich seit vielen Jahren gewartet haben. Insgesamt möchte der Verlag alle 10 Alben vom genialen Team Greg und Huppen (inklusive der Kurzgeschichten) komplett vorlegen und jeden einzelnen Band noch mit einer Fülle von Zusatzmaterial – seien es nie zuvor gezeigte Illustrationen oder die Integration jahrzehntelang fehlender Seiten – versehen.

 

Dabei ist die grundlegende Idee von Comanche sehr einfach: Es handelt sich um eine fast schon herkömmliche Geschichte aus dem „Wilden Westen“, die vor Klischees strotzt und keinen sonderlich großen Wert auf intellektuellen Tiefgang legt, sondern einfach nur unterhalten möchte. Vielleicht sind es gerade diese einfachen Geschichten, die mit sympathischen Protagonisten und fiesen Schurken ausgefüllt werden und den ungeheuren Reiz ausmachen. Für mich persönlich – auch als ZACK-Leser der ersten Stunde – war es ein besonderes Vergnügen diesen Comic in neu aufpolierter Fassung mal wieder in Händen zu halten und zu lesen.

 

Wer ein Faible für die Western-Reihen „Jerry Spring“ oder „Leutnant Blueberry“ hat, sollte auf jeden Fall zugreifen. Ansonsten dürfte es letztlich eine Geschmacksfrage sein – wer die etwas antiquierten Geschichten aus dem Wilden Westen mag, dürfte hier hervorragend aufgehoben sein. Für mich persönlich ein Stück Kindheitserinnerung, die nichts von ihrem Charme verloren hat. Absolute Kaufempfehlung!