Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Carthago 1 - Lagune von Fortuna
Bewertung:
(3.4)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 26.03.2010
Autor:Christophe Bec (Autor) und Eric Henninot (Zeichner)
Übersetzer:Resel Rebiersch
Typ:Comic / Graphic Novel
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-100-9
Inhalt:56 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Den Einstieg macht zunächst ein Blick zurück in prähistorische Vergangenheit der Erde. So wird der Leser Zeuge, wie vor 24 Millionen Jahren die Stille und Weite des Meeres, in der sich Buckelwale friedlich unter Wasser bewegen, jäh durch den Beutezug eines Carcharodon Megalodon unterbrochen wird, der einen der riesigen Wale geradewegs zerreißt. Bei dem Carcharodon Megalodon handelt es sich um eine beeindruckende Haiart, die über 20 Meter lang werden konnte und mehr oder weniger als Urahn des Weißen Hai gilt, wie wir ihn noch heute kennen.

 

Nach diesem zeichnerischen Intermezzo verschlägt es den Leser in das Jahr 1993 in den Südpazifik, zum „Sedna-Archipel“, einer Ansammlung gigantischer Erdgasförderplattformen. In der Unterwasserschlucht bei Arunkulta im Tongagraben, wo Bohrungen zur Erschließung von Erdgas vorgenommen werden, erlebt der Leser, wie Taucher des Konzerns „Carthago“ damit beschäftigt sind, schweres Hightech-Gerät unter Wasser in Position zu bringen, um eine Probebohrung vorzunehmen. Dabei stoßen sie auf eine unterirdische Höhle gigantischen Ausmaßes, in der es scheinbar prähistorische Wassertiere geschafft haben, unbeschadet Millionen von Jahren zu überleben - so wohl auch ein Megalodon, der über die Taucher herfällt, um dann in die Weiten des Ozeans zu entkommen. Da der mysteriöse Direktor von „Carthago“ befürchtet, durch diesen sensationellen Fund durch die UNESCO um seine Erdgasbohrinseln gebracht zu werden, wird der Vorgang vertuscht und der Zugang zur Höhle versiegelt. Niemand soll von diesem Geheimnis erfahren.

 

Doch 14 Jahre später gelangt eine Aufnahme des Megalodon in die Hände von ADOME, einer radikalen Gruppe von Umweltaktivisten, die für sich in Anspruch nehmen können, insgeheim sogar von Greenpeace unterstützt zu werden. Sie bitten die Meeresforscherin und Journalistin Kim Melville um Unterstützung bei ihren Nachforschungen nach dem Megalodon im Sedna-Archipel.

 

Doch nicht nur ADOME schickt sich an, nach dem Megalodon zu suchen, sondern auch ein überaus eigensinniger und verschrobener Sammler von ausgefallenen prähistorischen Fundstücken, der in der Abgeschiedenheit der Karpaten auf einem Schloss namens „Adlerhorst“ lebt. Dieser hat ebenfalls von dem noch lebenden Megalodon erfahren und beauftragt London Donovan damit, ihm diesen für seine Trophäensammlung zu fangen.

 

Gemeinsam mit ihrer Tochter Lou und ihrem Freund Martin, der ebenfalls Meeresforscher ist, reist Kim Melville mit den Aktivisten nach Laguna, da man von hier aus einen oberirdischen Zugang zu dem verzweigten unterseeischen Höhlensystem hat. In einem kleinen Unterseeboot beginnt für die Forscherin der gefährliche Abstieg in eine längst vergessene Welt, und es scheint, als würde sich in diesem Höhlenkomplex unter Wasser noch einiges mehr verbergen.

 

Schreibstil & Artwork:

Der französische Zeichner und Szenarist Christophe Bec wurde am 24.04.1969 in der südfranzösischen Stadt Rodez geboren. Wegen der beruflichen Tätigkeit seiner Eltern verbrachte er die ersten Monate seines Lebens in Marokko, später dann im Kanton La Salvetat Peyralès im Département Aveyron.

 

Seit frühester Kindheit war Christophe Bec von Comics begeistert, und so wundert es nicht, dass er bereits mit elf Jahren ein eigenes 46-seitiges Album mit dem Titel “ L'Enigme Bright“ gezeichnet hat. Held in diesem ersten Comic von Bec war ein Reporter namens Guy Rébut, der allerlei Abenteuer erlebte. Gemeinsam mit seinem Bruder Guilhem erschuf er einige Jahre später das Fanzine „Esquiss“ mit einer bescheidenen Auflage von 50 Exemplaren, welches die beiden in ihrer Heimatstadt an den Mann zu bringen versuchten. Der Erfolg dieses kleinen Fanzine sollte sich allerdings erst 1990 einstellen, als es für den „Alp´art“ in der Kategorie „Bestes Fanzine“ auf dem Comic-Festival in Angoulême nominiert wurde. Noch im gleichen Jahr bestand Bec die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule in Angoulême und traf dort einige andere talentierte junge Künstler, so zum Beispiel Eric Hübsch, Servain, David Prudhomme und Aristophane, die zum Teil entscheidenden Einfluss auf seinen eigenen Stil hatten.

 

Bec erhielt 1991 die Anfrage des Fremdenverkehrsamtes von Marvejols einen historischen Comic zu zeichnen, und so entstand innerhalb von nur vier Monaten „La Bête du Gévaudan“, von dem über 3.000 Exemplare verkauft wurden. Als erfolgversprechender Nachwuchskünstler unterzeichnete er 1992 nach seinem Studium einen Vertrag für den Verlag „Soleil“. Sein erstes Album für „Soleil“ erschien 1993 unter dem Titel „Dragan - Les Geôles D'Avade“ und basierte auf dem Szenario des überaus produktiven Autors Eric Corbeyran. 1997 erschien in Zusammenarbeit mit Richard Marazano der erste Band von „Zéro Absolu“, und mit dem Szenaristen Xavier Dorison entstand 2001 der erste Band der Reihe „Santuaire“ („Heiligtum“) für den Verlag „Humanoïdes Associés“, der sich zu einem Bestseller entwickeln sollte und bislang auf über 150.000 verkaufte Alben zurückschauen kann.

 

Im Jahr 2004 entstand der One-Shot „Anna“, nach einem Szenario von Stéphane Betbeder, den Christophe Bec bei dem kleinen Verleger „La Boîte à Bulles“ veröffentlichte. 2006 folgten die apokalyptische Western-Reihe „Le Temps des Loups“ und der Militärthriller „Bunker“ für „Humanoïdes Associés“. Seine nächste größere Arbeit sollte erst 2008 folgen, in der er mit dem ersten Band von „Prometheus“ sein groß angelegtes Fantasy-Projekt vorstellte.

 

Ein Stück weit scheint es mir, als habe sich Christophe Bec ein langes Wochenende Filme wie „Der Weiße Hai“, „Jurassic Park“ und die kompletten Staffeln von „Primeval“ angeschaut, um etliche Versatzstücke daraus zu entnehmen, mit einigen Klischees und einem gehörigen Schuss Endzeitstimmung zu garnieren und dann das Szenario des ersten Bandes festzulegen. Das hat mich persönlich erst einmal enttäuscht, da man von Bec doch wesentlich Besseres und Anspruchsvolleres gewohnt ist. Auf der anderen Seite gibt es aber ein paar recht vielversprechende Ansätze, die mich über einige Schwächen hinwegtrösten, seien es nun die Aktivisten von ADOME oder aber der mysteriöse Sammler aus Österreich, die zumindest die Grundlage für ein weiterhin recht flottes Erzähltempo in dieser doch spannend arrangierten Serie bilden dürften.

 

Eric Henninot wurde am 16.12.1974 in Rouen geboren. Nach seinem Abitur studierte er Mathematik in Besançon bzw. besuchte die Ingenieurschule in Marseille. Mit seinem Abschluss als Ingenieur arbeitete er zwischen 1992 bis 1994 zunächst für die Firma CEMAGREF, aber auch für SITA. Doch seine Leidenschaft für das Zeichnen holte ihn wieder ein und so nahm Henninot Zeichenunterricht, um seinen Stil zu verbessern und zu vertiefen. In dieser Zeit arbeitete er unter anderem als Illustrator für ein Kinderbuch, schuf eigene Ausstellungsstücke und nahm am Wettbewerb für Nachwuchskünstler in Angoulême teil. Nach mehreren unveröffentlichten Arbeiten begann er 2004 mit dem Szenaristen Stéphane Betbeder die Reihe „Alister Kayne – Chasseur de Fantôme“ für den Verlag Albin Michel, die bedauerlicherweise noch nicht auf Deutsch vorliegt. 2007 begann seine Zusammenarbeit mit Szenarist Christophe Bec für die Reihe „Carthago“.

 

Die Zeichnungen von Henninot ergänzen das Szenario recht gut und bestechen vor allem durch ihren Detailreichtum, insbesondere wenn es um die Darstellung der Natur oder technische Dinge geht. Die Anordnung der Panels ist dabei klassisch, und Henninot lässt sich zu keinen großen Experimenten in der Anordnung hinreißen. Die Einstellungen der Perspektiven sind schön ausgewählt und unterstreichen die jeweiligen Dialoge bzw. die Stimmung, wobei ich hier ganz besonders die Unterwasserbilder hervorheben möchte, die einen großen Reiz dieses Bandes ausmachen.

Bei allem Lob besitzt Henninot allerdings nicht unbedingt den sicheren Strich, um überzeugende Figuren zu Papier zu bringen. Diese bleiben zwar irgendwo im typisch franko-belgischen Stil sehr realistisch in ihrer Gestaltung, wirken aber durch die an den Tag gelegte unsichere Gestaltung ziemlich blass und farblos, was durch die schwachen Kontraste in der Kolorierung auch noch sehr deutlich hervorgehoben wird.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

In Sachen Qualität gibt es – wie fast immer – beim Splitter Verlag nichts zu kritisieren. Der Hardcover-Einband ist solide, die Druckqualität nebst Verarbeitung sauber und ordentlich und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt auch. In Sachen Ausstattung gibt es bedauerlicherweise keine Extras, wie man sie sich vielleicht oftmals wünscht. Wobei ich mir immer wieder die Frage stelle, warum es so schwierig ist, zumindest ein paar Skizzen aus dem Storyboard und einige Worte des Autors oder Zeichners zu veröffentlichen. So manche Kritik würde sich vielleicht bei einigen Aussagen der Macher unter Umständen relativieren – oder sogar einen gänzlich neuen Bezug zum Inhalt herstellen. Wie dem auch sei, die Übersetzung von Resel Rebiersch ist zumindest ebenfalls tadellos.

 

Fazit:

Der erste Band einer neuen Serie hat immer einen schlechten Stand und so ergeht es dem Band „Die Lagune auf Fortuna“ bedauerlicherweise auch nicht anders. Insgesamt kann mich der Start noch nicht so richtig überzeugen, werden doch erst einmal alle handelnden Figuren mehr oder weniger mit ihren Motiven vorgestellt. Doch kann die Geschichte durch ihr sehr schön angelegtes Erzähltempo durchaus bestechen, selbst wenn die handelnden Charaktere nicht unbedingt überzeugend gezeichnet und manchmal vielleicht etwas zu plakativ in ihrer Darstellung sind. So dürfte beispielsweise der Name ADOME eine Anspielung auf den französischen Begriff ADEME (Agence de l'Environnement et de la Maîtrise de l'Energie; Agentur für Umwelt und Kontrolle des Energieverbrauchs) sein und auch der verschrobene Sammler prähistorischer Kunst erinnert mit seinem Wohnsitz in einem alten Schloss in den Karpaten ein Stück weit an eine Mischung aus Dracula in einem Hightech-Rollstuhl – da wäre etwas weniger der Geschichte vielleicht zuträglicher gewesen. Unterm Strich versteht es Bec aber trotz allem eine recht spannende Geschichte zu entwerfen, die gegen Schluss sogar auf die Fortsetzung neugierig macht.

 

In Frankreich sind bereits die beiden ersten Bände der Serie „Carthago“ erschienen, die sich zu einem recht beachtlichen Publikumserfolg entwickelt hat, und so dürfte es nicht verwundern zu erfahren, dass bereits Teil 3 und 4 fertiggeschrieben sind. Bei so viel Euphorie werde ich mich vielleicht mit meiner Kritik etwas zurückhalten und den zweiten Band abwarten – entweder werde ich dann gänzlich enttäuscht sein, oder aber der Funke der Geschichte dieses Öko-Mystery-Thrillers springt dann nach einigem Zögern vielleicht doch noch richtig über. Denn Ansätze für eine packende und spannende Geschichte sind auf jeden Fall vorhanden. Ich bin zumindest gespannt, wie diese weiter umgesetzt werden und sich die Geschichte entwickelt, zumal die Reihe „Carthago“ auf insgesamt sechs Bände ausgelegt ist und noch einen langen Weg vor sich hat.