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Siegfried 2 - Die Walküre
Bewertung:
(4.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 20.05.2010
Autor:Alex Alice
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Fantasy
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-940864-22-2
Inhalt:72 Seiten, Hardcover, übergroßes Albumformat (230 x 320 mm)
Preis:15,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Einsam steht Odin auf einem Berg, als ein neuer Tag anbricht. Die Welt liegt im Sterben und nur Siegfried kann sie retten, indem er Fafnir tötet. Odin hat sich aus der Welt zurückgezogen, um dem Schicksal ohne göttlichen Einfluss seinen Lauf zu lassen. Alle seine Kinder sind seinem Ruf gefolgt und haben sich in der Steinhalle versammelt – mit Ausnahme seiner treuen und geliebten Tochter, die immer noch bei Völva weilt und Odins Ruf nicht gefolgt ist. Und so schickt Odin seine beiden Raben „Gedanke“ und „Erinnerung“, um seine Tochter aufzuspüren.

 

Nach dem fulminanten Ende des ersten Bandes, in dem Siegfried das zerbrochene Schwert seines Vaters wieder zusammengeschmiedet hat, schließt sich die Geschichte des zweiten Bandes unmittelbar an diese Begebenheiten an. Und erneut ist es die Walküre, die von der Völva Einblick in die weiteren Erlebnisse von Siegfried einfordert, scheint doch ihr eigenes Schicksal eng mit dem von Siegfried verknüpft zu sein.

 

Siegfried ist nach wie vor entschlossen sich auf den Weg zu Fafnir zu machen, der ihm Antwort auf all seine Fragen geben soll. Mime, dessen Hütte zerstört ist, sieht seine große Chance wieder in die Nebelstadt zurückzukehren, falls es Siegfried gelingen sollte den Drachen zu töten. Sein Exil in den Wäldern hat er ohnehin nie geliebt und so fällt ihm der Abschied nicht sonderlich schwer.

 

Eindringlich versucht Mime vor Beginn ihrer langen und gefahrvollen Wanderung Siegfried auf die zahlreichen Gefahren, welche sie erwarten werden, einzustimmen. Doch dieser zeigt sich unbeeindruckt von den Reden seines Ziehvaters, zu dem er ohnehin ein angespanntes Verhältnis hat.

 

So macht sich das ungleiche Paar auf den Weg, der sie zunächst in den verbotenen Wald führt, der nach Mimes Aussage von einer Zauberin beherrscht wird. Tagelang irren die beiden durch die zum Teil bizarre und phantastische Welt dieses seltsamen Waldes, der wirklich von einer Zauberin „beherrscht“ wird, der niemand anderes als Völva ist, die Siegfried durch einige Zufälle findet – oder sollte er sie finden um mit ihr zu reden? Siegfried fragt Völva nach dem Weg in die Menschenwelt, doch dieser Weg ist weit und der Drache Fafnir schickt sich an die Welt von innen zu verschlingen. Sie gibt Siegfried einen Einblick in seine Vergangenheit, aber auch in seine ungewisse Zukunft.

 

Nach neuen Tagen erreichen Mime und Siegfried endlich den Rand des Waldes und damit das Reich der Riesen, welches von finsteren hohen Bergen und einer kargen felsigen Landschaft dominiert wird. Durch diesen Landstrich müssen sie weiter, immer auf der Hut, damit sie nicht die Riesen wecken. Die Reise wird um so gefährlicher, da Odin sich zurückgezogen hat um den Dingen ihren Lauf zu lassen und die Riesen nunmehr erneut frei sind.

 

An einem hohen Gebirgspass, inmitten eines tosenden Sturmes stürzen Siegfried und Mime fast in einen Abgrund und werden in letzter Sekunde durch die Walküre gerettet. Doch die Walküre hat einen hohen Preis gezahlt, um Siegfried zu retten. Sich ihres eigenen Unterganges bewusst überlässt sie ihr Pferd Siegfried und verschwindet, bevor der ohnmächtige Siegfried wieder zu sich kommt. Das Pferd der Walküre erweist sich als wahrer Glücksfall für die beiden Reisenden, da die Riesen erwacht sind und sie verfolgen. Doch sind es keine menschlichen Gestalten mit enormen Ausmaßen, sondern die Naturgewalten wie Feuer, Wasser und Erde, die ihnen auf den Fersen bleiben.

 

Eine Flucht durch die felsige und zerklüftete Landschaft folgt, bei der Siegfried weiß, das er für seinen Kampf gegen Fafnir drei Waffen benötigt: Ein Schwert, härter als Stein, um das Herz zu durchbohren, Vertrauen um seine Verbündeten zu erkennen und genügend Mut um seine Angst zu bannen.

 

Schreibstil & Artwork:

Der Zeichner und Autor Alex Alice wurde 1976 in Frankreich geboren. Seine Ausbildung an der Elitewirtschaftsschule „École Supérieure de Commerce“ in Paris ließ zunächst nicht an eine Karriere als Comiczeichner denken, obwohl er bereits in dieser Zeit Illustrationen für das Rollenspielmagazin „Casus Belli“ fertigte. Im gleichen Jahr seines Abschlusses landete er 1997 allerdings mit dem ersten Band der Serie „Das Dritte Testament“ nach dem Szenario von Xavier Dorison für den Verlag Glénat ein überaus erfolgreiches und von den Kritiken gefeiertes Debüt, dem bis 2003 noch weitere Bände folgten. 1998 folgte ein Comic zu dem Film „Tomb Raider“ mit den Abenteuern von Lara Croft nach einem Szenario von Patrick Fréon (Pion). Doch auch sonst zeigt sich Alex Alice ziemlich umtriebig, da er auch im Bereich Illustrationen, Konzeptkunst und Animation tätig ist.

 

Alex Alice zeigt sich sowohl graphisch versiert als auch dazu in der Lage gute Szenarios zu schreiben – insofern verwundert der Autorencomic „Siegfried“ sicherlich nicht. Angespornt durch seinen Erfolg mit der Reihe „Das Dritte Testament“ und der damit gewonnenen finanziellen Unabhängigkeit erfüllt er sich nun einen lange gehegten Traum: Eine moderne Neuerzählung der Nibelungen-Sage, in welcher die Geschichte von Siegfried im Vordergrund steht.

 

Der Verlagstext präsentiert die auf drei Bände angelegte „Siegfried“-Reihe als „geboren aus den Wikingersagen und der Musik von Richard Wagner“ und bringt damit eigentlich inhaltlich schon fast alles auf den Punkt. Alice bedient sich zugegebenermaßen recht hemmungslos bei nordischen Sagen, Mythen und Gestalten aus dem Bereich des Nibelungenliedes und anderen Quellen, um sie in seine postmoderne Interpretation als Comic zu bringen, wobei der von Richard Wagner erschaffenen Ring-Mythos im zweiten Band etwas in den Hintergrund rutscht.

 

Doch Alice präsentiert uns weniger Postmoderne, als vielmehr ein absolut stimmig in Szene gesetztes Szenario mit zum Teil herausragenden Illustrationen, die ihre Grundkonzeption wahrscheinlich immer noch in dem ehemaligen Animationsfilmprojekt „Siegfried“ haben. Nach dem dramatischen Schluss des ersten Bandes beginnt Alice seinen zweiten Band etwas ruhiger und gibt dem Charakter von Mime eine etwas neue Richtung. Dieser war bislang eher etwas griesgrämig und in seinem Auftreten recht resolut – jetzt versucht Alice wohl Angesichts der langen Reise die Siegfried und Mime antreten, diese Charakterzüge mit einem Schuss von Humor etwas aufzubessern. Das bekommt der Handlung ganz gut, da sie hierdurch um einiges kurzweiliger wird. Allerdings sind es auch einige Panels, bei denen ich den Eindruck bekam, als würden die Geschichte doch noch in den Bereich „Funny“ abgleiten.

 

Sehr schön erzählt ist auch die Geschichte der Walküre, über die man in diesem Band zumindest ein wenig mehr erfahren kann. Der beständige Wechsel zwischen der Walküre, die sich von der Zauberin (oder aber auch Seherin) Völva die Geschichte von Siegfried erzählen lässt und den „echten“ Protagonisten, die sich auf ihrer Reise befinden, ist dabei raffiniert aufgebaut und sorgt für einen recht guten Spannungsbogen.

 

Siegfried selbst entwickelt sich auf dieser abenteuerlichen Reise von einem ungestümen jungendlichen Mann, der nichts von den Ratschlägen von Mime wissen will, fast schon zu einem echten Helden, der dem Unbill und den Gefahren der Reise immer entschlossener und mutiger entgegen tritt. Doch der Weg zur Heimstatt von Fafnir birgt einige Überraschungen, die es zu überwinden gilt.

 

Das von Alex Alice an den Tag gelegte hohe künstlerische und technische Niveau ergänzt das Szenario hervorragend. Waren es im ersten Band einige ganz- und zum Teil auch doppelseitige Bilder, welche den Leser beeindruckten, so scheint es nunmehr, als wolle Alice alle Register seines Könnens ziehen – er experimentiert mit der Anordnung der Panels, der Perspektiven, der Darstellung der Akteure... Es ist einfach eine wahre Pracht sich diesem visuellen Rausch auszusetzen und den Reisenden durch dunkle verwunschene Waldlandschaften bis in die Höhen des Gebirges zu folgen.

 

Die immer wieder stimmige Kolorierung, die perfekt auf die jeweilige Situation abgestimmt ist, sorgt ebenfalls für hohen Genuss. War ich beim ersten Band noch etwas zurückhaltend, so überzeugt mich die wunderbare, abwechslungs- und detailreiche Arbeit von Alex Alice nunmehr vollends.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

In Sachen Qualität kann ich keine Mängel feststellen: Solides Hardcover mit einer ordentlichen Verarbeitung und einer gewohnt guten Druckqualität auf hochwertigem Papier. Da bleiben eigentlich keine Wünsche offen, zumal die Übersetzung erneut von Tanja Krämling stammt. Bedauerlich ist vielleicht das Fehlen von Extras in der Ausstattung. Dafür gibt es aber neben der regulären Edition von „Siegfried II – Die Walküre“ ein auf 500 Exemplare limitiertes Special des zweiten Siegfried-Bandes, welches mit einigen zusätzlichen Seiten aufwarten kann. Hier sollte man allerdings schnell zugreifen, da diese ziemlich rasch ausverkauft sind.

 

Fast kaum noch der Rede wert, da zumindest mittlerweile beim Splitter Verlag schon fast Standard – der eigens vom Verlag konzipierte Schuber für die „Siegfried“-Reihe, für den Alex Alice eigens ein Motiv konzipiert hat.

 

Fazit:

Wie ich bereits in der Rezension zu Band 1 der Reihe geschrieben habe, war das Projekt „Siegfried“ von Alex Alice ursprünglich als Animationsfilm gedacht. Da dieses allerdings bis auf weiteres verschoben wurde, bemüht sich Alice nunmehr diese Konzeption in einem aufwendigen gearbeiteten Comic zu verarbeiten, der bis an seine Grenzen geht, um die filmischen Möglichkeiten in Bilder umzusetzen. Dieses gewagte Experiment gelingt – auch wenn ich nach der Lektüre von Band 1 insgeheim recht skeptisch war – hervorragend und so liefert Alice wirklich eine filmreife Geschichte um den jugendlichen Helden Siegfried ab, der sich auf den Weg ins große Abenteuer macht.

 

Das dürfte dann auch wenig die negative Seite dieser Comic-Reihe sein, die sich stellenweise wie ein klassischer Zeichentrickfilm entwickelt: Nach einem furiosen Auftakt macht sich der Held der Geschichte in Begleitung eines Freundes (hier ist es sein Ziehvater Mime) auf eine gefährliche Reise um sich einem bösen Gegner zu stellen. Auf der Reise gibt es dann einige Gefahren zu bestehen und durch den tollpatschigen Begleiter aber auch Gelegenheit für einige lustige Momente – das atmet zumindest für meine Geschmack dann doch ein wenig stark den Hauch von Walt Disney.

 

Allerdings lässt Alice seine Geschichte (und vor allem seine Bilder) niemals ins Sentimentale oder Rührselige abgleiten. Vielmehr gelingt ihm trotz dieser einfachen Storyline das Kunststück seinen Charakteren Leben zu verleihen und sie bei weitem nicht unbedingt als Sympathieträger darzustellen – egal ob es sich um Siegfried oder um Mime handelt. Hier ist die Geschichte dann doch etwas anders und man merkt doch ein wenig die tragisch-wagnerianische Inspiration.

 

Für mich entwickelt sich die „Siegfried“-Reihe zu einem echten Geheimtipp, der zwar hier und da einige Schwächen hat, mich persönlich aber insgesamt sehr begeistert und auf einen fulminanten Abschluss hoffen lässt. Absolute Kaufempfehlung!