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Carthago 2 - Die Challenger-Tiefe
Bewertung:
(3.5)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 12.11.2010
Autor:Christophe Bec (Autor) und Eric Henninot (Zeichner)
Übersetzer:Resel Rebiersch
Typ:Comic / Graphic Novel
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-101-6
Inhalt:56 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Am 30. Juli 1915 schickt sich inmitten des Ersten Weltkrieges ein deutsches U-Boot im Nordatlantik an den britischen Zerstörer „Iberian“ zu torpedieren. Der Angriff gelingt und das Schiff wird schwer getroffen – doch das U-Boot wird urplötzlich ebenfalls von einer seltsam Kreatur angegriffen, die sich später als Pliosaurus herausstellt, der ausgestorben ist und deren fossile Überreste man 1880 in Australien entdeckt hat. Allerdings scheint diese Kreatur aber immer noch da zu sein.

 

Im Kloster Chuku, im Kailash-Massiv in Tibet treffen 1987 Mr. Feinsinger, sein Bruder Harry und London Donovan ein, um sich auf eine ganz besondere Expedition zu machen. Für die Lieferung von Waffen wird ihnen erlaubt im Kailash-Massiv Jagd auf den sagenumwobenen Yeti zu machen. Und wirklich – dieses Wesen existiert und hat bereits das vorbereitete Basislager von Feinsingers Mannschaft zerstört, als dieser dort eintrifft. Bei der Verfolgung der Spuren stoßen Feinsinger, sein Bruder und Donovan in einer Höhle auf den Yeti, der die Männer attackiert und bei dessen Angriff Feinsinger querschnittsgelähmt wird.

 

Wieder zurück in Gegenwart: Lagune der Insel Fortuna: In rund 800 Meter Tiefe steckt Kim Melville mit ihren Begleitern in einem Unterseeboot fest und die Sauerstoffvorräte neigen sich dem Ende zu. Doch bevor der sichere Tod sie ereilt, werden sie gerettet. Allerdings ist ihr Retter London Donovan, der ihre Tochter Lou im Auftrag von Mr. Feinsinger entführt hat um ihre weitere Zusammenarbeit mit diesem zu erpressen.

 

An der Küste von West-Australien sind Hunderte von Delfinen und Wale gestrandet. Alle Bemühungen von Umwelt-Aktivisten, die Tiere wieder ins Wasser zu ziehen scheinen erfolglos. In einem Fernsehstudio diskutieren mehrere Wissenschaftler und Experten über diese Katastrophe und deren Ursache – war es die Folge von Umweltverschmutzung, die Niedrigfrequenz-Ultraschallwellen der Navy die der U-Boot-Aufklärung dienen oder scheint sogar das Magnetfeld der Erde aus dem Lot zu sein?

 

Kim Melville wurde derweil gemeinsam mit Mr. Kazinsky, der zur Mannschaft des Unterseebootes gehörte, von Donovan zu einer Plattform im pazifischen Ozean vor der Küste der Philippinen gebracht, von wo aus man sie und ihren Begleiter in einer Taucherglocke zum Meeresgrund bringt. Angekommen am Meeresgrund befinden sie sich in einer riesigen Tauchstation, auf der man scheinbar irgendwelchen Forschungen nachgeht. Sie kann sich befreien und schleicht unbeobachtet durch das Schiff, bis sie auf Mr. Feinsinger trifft, der ihr seine Forschungsstation, die „Leviathan“ vorstellt. Man befindet sich auf rund 11.000 Meter im Marianengraben – in einer Tiefe, in der so genannter „Schwarzer Rauch“ unter Umständen Oasen warmen Wassers bildet, in denen ein Charchardon Megalodon hätte überleben können.

 

Es gibt aber auch ein Wiedersehen mit dem mysteriösen maskierten Mann, der sich als Mr. Snyder herausstellt. Er hat es geschafft sich die Krankenakte von Lou Melville zu besorgen, die zum einen nicht die biologische Tochter von Kim ist und zum anderen eine bemerkenswerte physische Besonderheit aufweist – sie besitzt eine körperliche Anomalie, die an Kiemen erinnert. Mit diesem Wissen möchte er Kim Melville erpressen, um sie für seine Pläne zu benutzen.

 

Während ihres Zwangsaufenthaltes erfährt Kim einiges von Donovan über Mr. Feinsinger, den „Hundertjährigen aus den Karpaten“, der ein genialer Wissenschaftler und begeisterter Kryptozoologe ist. Und von Feinsinger selbst erfährt sie von dessen Plan, den Beweis anzutreten, das der Megalodon niemals ausgestorben ist, sondern immer noch existiert.

 

Aber es gibt auch noch andere rätselhafte Dinge, wie beispielsweise die Forschungen des Kommandanten Betrand, der in kleinen Hütte am Großen Bärensee in der Smith-Bucht, Fort Franklin in Nordkanada, am Mythos von Atlantis arbeitet. Und auch im Adlerhorst, in der Nähe von Vatra-Dornei in den Karpaten, Rumänien, macht einer der Bewacher der entführten Lou bei dieser im Zimmer eine seltsame Entdeckung.

 

Schreibstil & Artwork:

Der französische Zeichner und Szenarist Christophe Bec wurde am 24.04.1969 in der südfranzösischen Stadt Rodez geboren. Wegen der beruflichen Tätigkeit seiner Eltern verbrachte er die ersten Monate seines Lebens in Marokko, später dann im Kanton La Salvetat Peyralès im Département Aveyron.

 

Seit frühester Kindheit war Christophe Bec von Comics begeistert und so wundert es nicht, das er bereits mit elf Jahren ein eigenes 46-seitiges Album mit dem Titel “ L'Enigme Bright“ gezeichnet hat. Held in diesem ersten Comic von Bec war ein Reporter namens Guy Rébut, der allerlei Abenteuer erlebte. Gemeinsam mit seinem Bruder Guilhem erschuf er einige Jahre später das Fanzine „Esquiss“ mit einer bescheidenen Auflage von 50 Exemplaren, welches die beiden in ihrer Heimatstadt an den Mann zu bringen versuchten. Der Erfolg dieses kleinen Fanzine sollte sich allerdings erst 1990 einstellen, als es für den „Alp´art“ in der Kategorie „Bestes Fanzine“ auf dem Comic-Festival in Angoulême nominiert wurde. Noch im gleichen Jahr bestand er die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule in Angoulême und traf dort einige andere talentierte junge Künstler, so zum Beispiel Eric Hübsch, Servain, David Prudhomme und Aristophane, die zum Teil entscheidenden Einfluss auf seinen eigenen Stil hatten.

 

Bec erhielt In 1991 die Anfrage des Fremdenverkehrsamtes von Marvejols einen historischen Comic zu zeichnen und so entstand innerhalb von nur vier Monaten „La Bête du Gévaudan“, von dem über 3.000 Exemplare verkauft wurden. Als erfolgversprechender Nachwuchskünstler unterzeichnete er 1992 nach seinem Studium einen Vertrag für den Verlag „Soleil“. Sein erstes Album für „Soleil“ erschien 1993 unter dem Titel „Dragan - Les Geôles D'Avade“ und basierte auf dem Szenario des überaus produktiven Autors Eric Corbeyran. 1997 erschien in Zusammenarbeit mit Richard Marazano der erste Band von „Zéro Absolu“ und mit dem Szenaristen Xavier Dorison entstand 2001 der erste Band der Reihe „Santuaire“ („Heiligtum“) für den Verlag „Humanoïdes Associés“, der sich zu einem Bestseller entwickeln sollte und bislang auf über 150.000 verkaufte Alben zurückschauen kann.

 

Im Jahr 2004 entstand der One-Shot „Anna“, nach einem Szenario von Stéphane Betbeder, den Christophe Bec bei dem kleinen Verleger „La Boîte à Bulles“ veröffentlichte. In 2006 folgte der apokalyptische Western-Reihe „Le Temps des Loups“ und der Militärthriller „Bunker“ für „Humanoïdes Associés“. Seine nächste größere Arbeit sollte erst in 2008 folgen, wo er den ersten Band seiner neuen Reihe „Prometheus“ vorlegte.

 

Konnte man nach dem ersten Band annehmen, die Jagd auf den geheimnisvollen noch möglicherweise existierenden Megalodon stünde im Vordergrund der Handlung, so zeigt Bec hier sein erzählerisches Können und versteht es geschickt durch zahlreiche weitere, zum Teil historische Szenen und Ereignisse, gänzlich neue Aspekte in die Handlung einfließen zu lassen. Das ist zugegebenermaßen manchmal recht dialoglastig und manchmal recht technisch, aber es treibt die Story stetig voran. Dabei versucht Bec als Erzähler immer naturwissenschaftlich so korrekt wie möglich zu bleiben: So befindet sich etwa 1.800 km östlich der Philippinen das 1951 das nach dem englische Schiff „Challenger II“ benannte „Challengertief“ im südwestlichen Teil des Marianengrabens, einer Tiefseerinne im westlichen Pazifik. Es liegt etwa 500 km südwestlich der Insel Guam, eine Insel der Marianen, die zu den melanesischen Inseln gehört. Das Challengertief ist ein Meerestief und mit 10.899 m unter dem Meeresspiegel die dritttiefste Stelle des Marianengrabens im Pazifischen Ozean. Aber auch die Walstrandungen beruhen auf wissenschaftlichen Beobachtungen, die bislang noch nicht ausreichend untersucht worden sind und für die Bec nunmehr scheinbar eine gänzlich andere Ursache präsentieren wird.

 

Was im ersten Band noch nach Versatzstücken aus Filmen wie der „Der Weiße Hai“, „Jurrasic Park“ und einigen Folgen der Serie „Primeval“ ausgesehen hat, entwickelt ein interessantes Profil und macht neugierig die beiden noch ausstehenden Bände der Reihe. Dabei ist diese Reihe nicht unbedingt ein atemberaubender Reißer, sondern vielmehr eine recht leise und eindrucksvoll aufgebaute Geschichte mit einigen zwar plakativ gestalteten Antagonisten vor einem Hintergrund, der vor Umweltkatastrophen und seltsamen Verschwörungen strotzt. Die Aussage eines renommierten Meeresbiologen bringt dies sicherlich sehr gut auf den Punkt: „Der größte Teil des Meeresbodens ist noch unerforscht. Und dies obwohl es sich dabei um eines der aufregendsten Gebiete auf der Erde handelt.“ Man darf also zurecht gespannt sein auf die weitere Entwicklung dieser Reihe.

 

Eric Henninot wurde am 16.12.1974 in Rouen geboren. Nach seinem Abitur studierte er Mathematik in Besançon bzw. besuchte die Ingenieurschule in Marseille. Mit seinem Abschluss als Ingenieur arbeitete er zwischen 1992 bis 1994 zunächst für die Firma CEMAGREF, aber auch SITA. Doch seine Leidenschaft für das Zeichnen holte ihn wieder ein und so nahm Henninot Zeichenunterricht um seinen Stil zu verbessern und zu vertiefen. In dieser Zeit arbeitete er unter anderem als Illustrator für ein Kinderbuch, schuf einige eigene Ausstellungsstücke und nahm am Wettbewerb für Nachwuchskünstler in Angoulême teil. Nach mehreren unveröffentlichten Arbeiten begann er 2004 mit dem Szenaristen Stéphane Betbeder die Reihe „Alister Kayne – Chasseur de Fantôme“ für den Verlag Albin Michel, die bedauerlicherweise noch nicht auf deutsch vorliegt. In 2007 begann seine Zusammenarbeit mit Szenarist Christophe Bec für die Reihe „Carthago“.

 

Auch für den zweiten Band der Reihe gilt für die Zeichnungen von Henninot, das sie das Szenario recht gut ergänzen und vor allem durch ihren Detailreichtum bestechen, insbesondere, wenn es um die Darstellung der Natur oder technische Dinge geht. Die Anordnung der Panels ist dabei klassisch und Henninot lässt sich zu keinen großen Experimenten in der Anordnung hinreißen. Die Einstellungen der Perspektiven sind schön ausgewählt und unterstreichen die jeweiligen Dialoge bzw. die Stimmung, wobei ich auch hier die Unterwasserbilder hervorheben möchte, die einen großen Reiz dieses Bandes ausmachen.

 

Henninot besticht weiterhin durch seine überzeugende Natur- und Technikdarstellung, daran bestehen überhaupt keine Zweifel. Allerdings bleiben seine Figuren recht schwach in ihrer Darstellung, auch wenn sie sehr gekonnt zu Papier gebracht wurden. Hier fehlt ein Stück weit die Dynamik, insbesondere bei den wenigen aktionsgeladenen Sequenzen, die dann doch leider etwas hölzern erscheinen. Insgesamt wirken seine Bilder sehr aufgeräumt, denen man durchgehend ein hohes Maß an zeichnerischem Können anmerkt, allerdings macht die manchmal ziemlich flächige Kolorierung einen recht uninspirierten Eindruck.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Die vorgelegte Qualität des Bandes ist tadellos – hier gibt es wie so oft beim Splitter Verlag nichts zu kritisieren. Der Hardcover-Einband ist solide verarbeitet, die Druckqualität sauber und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt ebenfalls. In Sachen Ausstattung gibt es bedauerlicherweise keine Extras, wie man sie sich vielleicht oftmals wünscht. Die vorgelegte Übersetzung von Resel Rebiersch ist weiterhin tadellos.

 

Fazit:

War der erste Band der Reihe vielleicht mit seinem Auftakt noch etwas schwach und sogar etwas verwirrend in seiner Handlung, so dürfte die Geschichte mit dem zweiten Band langsam aber sicher an Fahrt aufnehmen, da einige Hintergründe vertieft und etwas mehr Licht in die bislang recht seltsam anmutende Geschichte um die Meeresforscherin Kim Melville, ihre Tochter und andere Protagonisten kommt.

 

Einer ganz eigenen Logik folgend, präsentiert Christophe Bec ein recht seltsam anmutendes Szenario, bei dem man sich manchmal unschlüssig ist, ob eventuell der Weltuntergang bevorsteht oder es sich aber „nur“ um eine drohende weltweite ökologische Katastrophe unbekannter Ursache handelt. Zumindest scheinen gegen Ende des zweiten Bandes endlich alle wesentlichen Akteure in Position gebracht worden zu sein, um in einem dritten Band glänzen zu können. Der Funke dieses Öko-Mystery-Thrillers ist bei mir zumindest übergesprungen und ich bin überaus gespannt, wie sich dieser weiter entwickeln wird.

 

Insgesamt dürfte mit dem zweiten Band die Mischung aus Wissenschaft, Technik und einem gehörigen Schuss aus Science-Fiction und Mystery auch der skeptische Leser langsam aber sicher sein Misstrauen verlieren und sich auf die Geheimnisse der Tiefsee einzulassen. Zwar scheint noch ein weites Stück der Geschichte darauf zu warten überhaupt erst erzählt zu werden, aber es beginnt durchaus Freude zu machen der Handlung zu folgen.