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Schmetterlingsnetzwerk 2 - Herr Mond
Bewertung:
(3.9)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 30.12.2011
Autor:Éric Corbeyran (Autor) und Cécil (Zeichner)
Übersetzer:Delia Wüllner-Schulz
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Steam-Punk
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-287-7
Inhalt:48 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Eustache und Mücke ist es zwar gelungen Zibeline aus der Gewalt ihrer Peiniger zu befreien, doch der Preis war hoch und so ist es jetzt erst einmal an der Zeit die eigenen Wunden zu pflegen. Gemeinsam mit Zibeline haben Eustache und Mücke Unterschlupf bei Doktor Elysius gefunden, der sich um die Verletzten kümmert und ihnen ein Versteck bietet. Doch dieses Versteck ist auf Dauer nicht sicher, sind doch die Häscher des Barons weiterhin auf ihren Fersen, und so zieht es das Trio über die Dächer von Paris in ihre geheime Zuflucht.

 

Doch kein Ort scheint mehr sicher zu sein, setzt der Baron doch alles daran Eustache und Mücke zu finden. Unterstützung findet er dabei in dem korrupten Kommissar Felouque, der sich anschickt die Stadt nach den Flüchtlingen zu durchkämmen. Aber Eustache scheint es mit der Flucht aus Paris nicht sonderlich ernst zu nehmen. Ihn beschäftigt noch etwas ganz anderes – der Hinweis auf das versteckte Vermögen von Gustav.

 

Mücke gerät bei einem abendlichen Ausflug in die Stadt in die Hände eines guten Freundes des Barons, der zugleich auch ein freundschaftliches Verhältnis zu Gustav pflegte. Gefesselt und abgeschottet von der Außenwelt macht sich dieser mysteriöse Fremde eine Freude daraus Mücke zu quälen und sämtliche Geheimnisse von ihm zu erfahren.

 

Zibeline hingegen ist verstört über die Geschehnisse und hält es nicht länger in ihrem Versteck bei Eustache aus. Sie will zur Polizei gehen und dort um Hilfe bitten. Sie schafft es die Filmrolle und das Notizbuch an Eustache vorbei aus dem Versteck zu schmuggeln und macht sich auf den Weg zu einer nahegelegenen Polizeistation. Dort nimmt man sie ernst – insbesondere Kommissar Felouque, der sich sehr für die Geschichte von Zibeline interessiert und sie als Zeugin unter „Schutz“ stellt. Ein schlechter Schutz, der für Zibeline in einem finsteren Keller endet, wo man sie bestialisch quält um mehr über das Schmetterlingsnetzwerk zu erfahren.

 

Es sieht nicht gut aus für Eustache und Mücke, als sich die von Kommissar Felouque geworfene Schlinge immer mehr um die beiden zuzieht und eine gnadenlose Hetzjagd auf die beiden beginnt.

 

Schreibstil & Artwork:

Der Autor Éric Corbeyran wurde am 14.12.1964 in Marseille geboren. Nachdem er eine Zeit lang als Animateur in einem Urlaubzentrum gearbeitet hatte, schaffte er es als freiberuflicher Grafiker in der Werbung zu arbeiten. Seine ersten Schritte im Bereich der Comics machte er einige Jahre später mit dem Szenario der Reihe „Die Klauen des Sumpfes“, der mit dem Zeichner Patrick Amblevert entstand und 1990 veröffentlicht wurde.

Nach nunmehr rund 180 Alben wird Corbeyran nicht nur von einigen wenigen Liebhabern, sondern einem breiten Publikum hoch geschätzt. So wurde er unter anderem für den „Prix du meilleur album“ in 2000 für „Lie-de-Vin“ mit Zeichner Olivier Berlion auf dem „Festival International de la Bande Dessinée d'Angoulême“ nominiert.

 

Mit dem Duo von Eustache und Mücke hat Crobeyran zwei überaus interessante Figuren erschaffen, wie man sie als vermeintliche Helden selten erlebt: Eigentlich sind sie Meister ihres Faches und gehören nicht umsonst zum Kartell der Diebe und Einbrecher, die unter dem Namen „Schmetterlingsnetzwerk“ verborgen im Untergrund über sämtliche Taten wacht – doch konfrontiert mit den perversen Geschehnissen, die außerhalb ihres Metiers liegen, zeigen sich Eustache und Mücke mehr oder weniger als Menschen mit Schwächen, die Angesichts ihrer Widersacher verzweifeln und nur mühsam den Mut aufbringen, sich der zwangsläufigen Gefahr zu stellen. Das mag in diesem Band zu Beginn zunächst etwas langatmig in Szene gesetzt sein, doch hinterlässt gerade dieser behutsame Aufbau einen ziemlich großen und positiven Eindruck, da die komplette Handlung von diesem zerrütteten Innenleben der Protagonisten profitiert und letztlich erhebliche Tiefe daraus zieht. Weiterhin sehr schön in Szene gesetzt sind die Rückblicke auf das Leben von Mücke und dessen Zeit als Zirkusartist – auch hier merkt man, welch hohen Wert Corbeyran auf einen authentischen Hintergrund seiner Charaktere gelegt hat.

 

Ein weiterhin überaus prägendes Stilmittel ist die immer wieder auftauchende Gewalt, mit denen die Protagonisten konfrontiert werden. Erfreulicherweise wird diese zwar als erzählerisches Mittel eingesetzt, bleibt aber in ihren letztendlichen Auswirkungen zu einem nicht unbeträchtlichen Teil der Phantasie des Lesers überlassen, der sich aus einigen drastischen Schlüsselszenen das wahrscheinliche Ende ausmalen kann. War der erste Band der Reihe in seinem dramaturgischen Aufbau vielleicht etwas behäbig, so bietet dieser Band ein noch dunkleres und einprägsames Szenario, welches auf jeden Fall die Kraft hat, den Leser in seinen Bann zu ziehen.

 

Nach seinem Kunststudium in Bordeaux schlug sich der am 18.05.1966 geborene Christophe Coronas, der erst später seinen Künstlernamen „Cecil“ verwenden sollte, als Bibliothekar, Graphiker und Illustrator durch. Sein Comic-Debut war „L'Empreinte des Chimènes'“, die er noch unter seinem Namen Coronas veröffentlichte und die 1990 im Verlag Vents d'Ouest erschien. Bereits 1999 startete er mit Eric Corbeyran die Reihe „Le Réseau Bombyce“ (Schmetterlingsnetzwerk), die auf deutsch zunächst im Arboris-Verlag erschien. Gemeinsam mit Denis-Pierre Filippi begann er 2004 die Reihe „Contes et Récits de Maître Spazi“, aber auch anspruchsvollere Arbeiten wie beispielsweise für „Holmes“ nach dem Szenario von Luc Brunschwig.

 

Es sind weiterhin geschickt in Szene gesetzte Panels, in denen Coronas sein im ausgehenden 19. Jahrhundert fiktives Paris angesiedelt hat und die durch ihren Detailreichtum ihrer Hintergründe beeindrucken. Es ist wahrscheinlich der leichte Hauch von „Steampunk“, der diesem Szenario innewohnt und sich durch immer wieder durch vornehmlich außergewöhnlich aussehende technische Gerätschaften äußert. Auf eine moderne Anordnung der Panels oder den Einsatz ähnlicher Versatzstücke verzichtet Coronas dabei. Was mir leider nur auffällt, sind die Charaktere, die in ihrer visuellen Gestaltung überaus ansprechend sind, aber dennoch im Lauf der Geschichte in unterschiedlichen Bewegungen, Gesten oder Gesichtsausdrücken etwas schwach daherkommen. Zwar wird durch die stimmungsvolle Kolorierung und den geschickten Einsatz von Licht und Schatten ein gehöriges Maß an düsterer Atmosphäre aufgebaut, aber dann erscheinen die Figuren doch etwas zu glatt und eindimensional. Aber das ist schon jammern auf überaus hohen Niveau!

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Der Splitter Verlag präsentiert einen ordentlich verarbeiteten Hardcoverband, der über ein klares und sauberes Druckbild verfügt. In Sachen Ausstattung kann ich mich nur an meine Kritik zum ersten Band anschließen, bei der ich fehlende Extras bemängelt habe, da ich gerne einige Skizzen und Entwürfe von Coronas gesehen hätte, der sein Paris in überaus atmosphärischen dichten Bildern einfängt. Die gelungene Übersetzung dieses Bandes stammt wiederum von Delia Wüllner-Schulz.

 

Fazit:

Auch wenn diese Reihe bereits vor 10 Jahren ihre deutsche Erstveröffentlichung im Arboris Verlag hatte, so kann man den Splitter Verlag nur zu dieser Neuauflage gratulieren, da dieses düstere Szenario um das ungleiche Duo des kleinwüchsigen Mücke und des manchmal etwas lebensfremd wirkenden Eustache auf jeden Fall zu begeistern weiß.

Es sind sicherlich das fast schon liebevoll in Szene gesetzte Artwork und die Ansichten eines fast schon als „alternativ“ zu bezeichnenden Paris mit seinen zahlreichen Steampunk-Anleihen, was Technik und andere Gerätschaften angeht, die dem Leser ins Auge fallen und ein wenig über die zeichnerisch nicht immer überzeugend in Szene gesetzten Charaktere hinweg trösten. Ansonsten bietet das Szenario wirklich einen geschickt inszenierten Handlungsfaden und überzeugende Anti-Helden. Für mich auf jeden Fall eine gelungene Wiederentdeckung, die bedauerlicherweise schon im dritten Band ihr Ende finden wird.