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Everything I Need to Know I Learned from Dungeons & Dragons
Bewertung:
(3.2)
Von: Marc Drozella
Alias: Xiam
Am: 08.03.2012
Autor:Shelly Mazzanoble
Typ:Roman
VerlagWizards of the Coast
ISBN/ASIN:978-0786957750
Inhalt:181 Seiten, Softcover
Preis:8,76 EUR
Sprache:Englisch

Inhalt

„Rollenspieler? Das sind doch solche komischen Leute, die mit Gummischwertern im Wald herum rennen, laut ‚Lightning Bolt!‘ rufen und mit Softbällen werfen und sich dabei unheimlich cool vorkommen, oder?“ Mit solchen oder ähnlichen Vorurteilen aus der realen Welt hat sich wahrscheinlich jeder Rollenspieler schon mindestens einmal in seinem Leben konfrontiert gesehen. Und tatsächlich sind diese seltsam blassen Typen in ihrer komischen Kleidung (Heavy Metal T-Shirts und Nietenhalsbänder sind noch harmlos) ein Völkchen für sich, welches bisweilen für den Uneingeweihten merkwürdige Traditionen pflegt und miteinander Gespräche führt, deren Worte dem Normalo zwar bekannt vorkommen, deren Bedeutung ihm aber gänzlich verborgen bleibt. Nein, Rollenspieler sind gewiss nicht von diesem Planeten.

 

Nicht anders ging es einer gewissen Shelly Mazzanoble, als sie vor mittlerweile über zehn Jahren für einen kleinen Seattler Verlag als Produktmanagerin für eine Serie von Büchern eingestellt wurde, von denen sie vorher bestenfalls gehört, schlimmstenfalls aber kaum eine vage Ahnung hatte. Und so begann für die Autorin ein Leben mit Dungeons & Dragons, und nach zehn Jahren Arbeit in der Redaktion des weltweit erfolgreichsten Rollenspiels erlaubt sie sich schließlich ein Fazit: „Oprah, Dr. Phil und wie ihr Lebensberater sonst noch alle heißen mögt, ihr könnt einpacken und nach Hause gehen. Alles, was man für das Leben wissen muss, kann man vom Rollenspiel lernen.“

 

Über die Autorin

Shelly Mazzanoble stammt ursprünglich aus Upstate New York und studierte am Ithaca College Theaterwissenschaften und kreatives Schreiben, bevor sie ein Jobangebot in der D&D-Redaktion bei Wizards of the Coast in Seattle annahm und dafür an die Westküste ging. Mittlerweile ist sie seit 10 Jahren fester Bestandteil des Designteams der Küstenmagier, wo sie in erster Linie für das Produktmanagement und die US-weite Organisation von „organized Play“ verantwortlich ist. Entsprechend viel kommt sie auf Conventions und Messen herum, auf denen sie D&D promoted und damit nicht zuletzt ein Zeichen setzt, dass Rollenspiel im allgemeinen und D&D im speziellen – entgegen weit verbreiteter Vorurteile – kein rein männliches Hobby ist. Ihre Artikel erschienen unter anderem in der Seattle Times, Carve, Wetstone, Skirt! und online auf SomeOtherMagazine.com. Für ihren ersten Roman, Confessions of a Part-Time Sorceress: A Girls Guide to the Dungeons & Dragons Game, erhielt sie einen ENnie-Award. Außerdem schreibt sie weiterhin Theaterstücke, die auf Festspielen in Seattle und New York aufgeführt wurden. Shelly Mazzanoble hat vor kurzen ihr 40. Lebensjahr vollendet und ist seit 2011 mit ihrem langjährigen Lebenspartner und Kollegen Bart Carroll verheiratet, der ebenfalls Mitglied der D&D-Redaktion ist und sich für den Webauftritt der Marke verantwortlich zeichnet.

 

Fazit:

Wo fängt man bei einem Buch wie Everything I Need to Know I Learned from Dungeons & Dragons” mit der Kritik an? Vielleicht, man möge es mir verzeihen, gar nicht bei dem Buch selbst, sondern beim Erstlingswerk der Autorin, Confessions of a Part-Time Sorceress: A Girls Guide to the Dungeons & Dragons Game. Der Untertitel sagt es eigentlich recht deutlich, es geht bei dem Buch um das alte Thema „Frauen und Rollenspiel“. Shelly Mazzanoble versucht darin mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass Rollenspiel – wenn auch weiblich dominiert – ein Männerhobby ist. Dabei ist ihr kein Stereotyp zu abgedroschen, keine Phrase zu platt und kein Witz zu alt, um nicht benutzt zu werden um der Frauenwelt den Spiegel vorzuhalten. Entsprechend hat das Buch die Gemeinde der Rollenspieler polarisiert. Die Kritiken gehen auseinander, wie sie weiter nicht divergieren könnten. Die einen fanden es brutal genial, die anderen unverschämt und kontraproduktiv, denn eigentlich sollte es doch gerade um das Beseitigen von Stereotypen gehen. Bis heute fordern Blogger, die Wizards mögen bitte Shelly davon abhalten, weitere Bücher über Rollenspieler zu schreiben.

 

Everything I need to Know I Learned from Dungeons & Dragons hat ebenfalls einen Untertitel. Der lautet: “One Woman’s Quest to Turn Self-Help into Elf-Help”. Und wieder liegt nahe, dass es ein Buch über Vorurteile ist und darüber, mit diesen aufzuräumen. Nur geht es dieses Mal nicht um Frauen – zumindest nicht in erster Linie – sondern um Rollenspieler an sich. Die grundsätzliche Aussage des Buches lautet am Ende: „Rollenspieler, seid euch dessen bewusst, so merkwürdig ihr einem Außenstehenden auch vorkommen mögt, so sehr man eurem Hobby auch mit Vorurteilen begegnet, ihr seid auch im realen Leben die besseren Menschen, denn ihr lernt aus eurem Hobby eine wichtige Lektion für die Wirklichkeit.“

 

Ob das Buch übrigens tatsächlich komplett biographisch ist, weiß wahrscheinlich nur Shelly Mazzanoble selbst (und vielleicht ihr Mann Bart). Ich nehme an, es steckt viel Wahrheit aber auch mindestens ebenso viel Übertreibung drinnen. Aber das spielt eigentlich auch gar keine Rolle.

 

Shelly Mazzanoble hat ihr Handwerk gelernt, das kann und will man ihr nicht absprechen. Sie versteht es, mit Sprache zu spielen und den Geist der Leser zu treffen. Ihre Formulierungen sind auf den Punkt gebracht, die Sprache dem Inhalt angemessen modern, flüssig und frei von komplizierten Wendungen und verschachtelten Aussagen, deren Bedeutung sich erst beim dritten Lesen erschließt. Dadurch wirkt das Buch in sich widersprüchlich, nämlich einfach und intelligent zugleich. Die Autorin hat einen angenehmen Sinn für Humor, der den Leser das ganze Buch über schmunzeln lässt. Man erkennt sich selbst wieder – Frauen sich wahrscheinlich noch mehr als Männer. Manchmal jedoch übertreibt Mazzanoble es etwas, wenn sie nach guter alter satirischer Tradition dem Leser den Spiegel vorzuhalten versucht, doch im Großen und Ganzen gelingt es ihr, dass man sich ertappt fühlt. Und nicht nur sich selbst, sondern man erkennt auch genau die Typen wieder, die einem am Rande des eigenen Weges durch das Leben begegnen und zuwinken.

 

Da ist z.B. Shellys Mutter Judy, 40 Jahre glücklich verheiratet (nunja, mehr oder weniger), die einen Rat für alle – wirklich alle – Lebenslagen hat und diesen auch mitteilt, ob man ihn hören will oder auch nicht. Wie alle Mütter ist sie über den Lebenswandel der Tochter, die mit Mitte dreißig noch immer unverheiratet und ohne festen Partner ist, besorgt und so kann sich Shelly sicher sein, jeden Morgen nach der Postrunde ein neues Päckchen von Amazon.com mit einem neuen Lebensratgeber auf ihrem Schreibtisch zu finden. Was soll‘s, die Dinger machen sich auch unter dem wackelnden Nachtschränkchen gut.

 

Oder Brat, der Kollege, den Shelly schließlich kennenlernt und mehr aus Pflichtgefühl als aus Interesse zu Daten beginnt, für den sie dann aber doch Gefühle entwickelt und mit dem sie im Verlauf der Handlung zusammen zieht. Und nicht nur mit ihm, sondern auch mit seiner Rollenspiel- und Miniaturensammlung, seinem furchtbaren, zusammengewürfelte Junggesellenhausstand, seinem Schuhe kauenden Pitbull und seinem nicht besonders ausgeprägtem Sinn für Hygiene und Sauberkeit.

 

Oder die Teilnehmer ihrer ersten Convention, die auf den ersten Blick für sie wie vom Mars stammend wirken, sich am Ende aber als furchtbar liebenswerte, offene Zeitgenossen entpuppen.

 

Merkt ihr was? Ja, es kommen wieder jede Menge Stereotype zum Einsatz.

 

Schließlich macht Shelly eine Entdeckung: Was auch immer im realen Leben für Probleme auf sie warten, ihre Hexenmeisterin Tabitha war schon mit viel schlimmeren konfrontiert und hat noch stets die Kurve bekommen. Wie macht die das? Ist es der Glaube an das D&D-Pantheon? Einen eine Woche andauernden Selbstversuch ist es wert, also wird jeden Tag ein anderer Gott verehrt und nach dessen Idealen gelebt. Ist es Tabithas Ernährung? Ein weiterer Selbstversuch soll Klarheit schaffen.

 

Am Ende steht die Erkenntnis, dass es die Herangehensweise an das Leben selbst ist, die den Unterschied ausmacht. Der Rollenspielcharakter ist für Shelly Mazzanoble nichts weiter als das idealisierte Selbst des Spielers, also was spricht dagegen, die Dinge mit etwas weniger Ernst und Verbohrtheit anzugehen, ganz so, wie es der Charakter im Spiel auch macht? Nichts spricht dagegen. Das ist schließlich die Lektion, die einen das Rollenspiel lehrt und die man als Rollenspieler dem Normalo voraushat.

 

Für mich ist das alles leider eine nicht ganz überzeugende Erkenntnis. Dennoch ist das Buch unterhaltsam, witzig, kurzweilig und erfrischend, aber man darf einen Fehler auf keinen Fall machen: Es allzu ernst nehmen. Lies es, lieber Leser, amüsiere dich über Shelly und deine Mitmenschen, und dann stelle es ins Regal und freue dich, dass du auch ohne dich wie ein Rollenspielcharakter benehmen zu müssen ein interessantes Leben führst.

 

Ach ja, ein kleiner Tipp noch: Wenn man das Buch lesen will, dann kann es nicht schaden, sich entweder in der amerikanischen Alltagskultur recht gut auszukennen oder aber zumindest Wikipedia nebenbei griffbereit zu haben, um gelegentlich nachschlagen zu können. Mazzanoble nimmt oft Bezug auf für Amerikaner alltägliche Dinge, die unsereins hierzulande jedoch nicht unbedingt geläufig sind. Versteht man diese Bezüge nicht, gehen viele Witze und Anekdoten an einem vorbei.