Sharner Kobold Sharner Kobold

 

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Bewertung:
(4.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 16.12.2012
Autor:Patrick Prugne (Autor und Zeichner)
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Nordamerika 1804
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-499-4
Inhalt:104 Seiten, Hardcover
Preis:22,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Im Oktober 1803 zieht es die „Werber“ der Armee von Napoleon Bonaparte nach Champs-sur-Huguette, einem friedlichen Dorf in der Normandie. Wie in anderen Städten auch, werden nach einem Losverfahren unter den Männern die Freiwilligen für den Dienst in der Armee ausgewählt. Unter diesen Unglücklichen, die sich einfinden müssen ist auch Alban Labiche, der Sohn eines einfachen Bauern. Doch er hat Glück mit seinem Los und wird vom Dienst befreit. Ganz anders hingegen ergeht es dem adligen Freund seiner Schwester, Louis de Mauge, den das Los trifft und der sich als neues Mitglied der Armee bis zum Stichtag bei seinem Armeekorps treffen muss.

 

Auch wenn offiziell der Adel abgeschafft wurde und alle Menschen in Frankreich nur noch Bürger sind, so ist es doch der Einfluss des alten Grafen de Mauge, der seinen Sohn für 2000 Francs freikaufen kann, indem er den verarmten Eltern von Alban deren Freistellungslos abkauft. Als Albans Schwester Angèle von diesem Handel erfährt, ist sie außer sich vor Wut, aber Louis verspricht ihr, Alban zu suchen und wieder nach Hause zu bringen. Alban Labiche ist allerdings mittlerweile mit seinem Regiment an Bord einer Fregatte mit dem Kurs auf New Orleans unterwegs und so entschließt sich Louis ihm an Bord eines holländischen Handelsschiffes zu folgen, um sein Versprechen zu erfüllen.

 

Angekommen in der neuen Welt muss Alban rasch die Gepflogenheiten des Landes kennenlernen, in dem die freiheitsliebenden Amerikaner ihre Sklaven schlimmer als Vieh behandeln. Als es im Hafen zu einem Zwischenfall mit einem Amerikaner kommt, der seinen Sklaven wegen eines vermeintlichen Vergehens brutal misshandelt, schreitet Alban ein und erschießt diesen Mann, der seinen Sklaven mit einer Pistole bedroht. Dieser Einsatz bleibt jedoch nicht ohne Folgen, da man Alban gefangen nimmt und ihm das Schafott droht.

 

Es ist Toussaint Charbonneau der Alban nachts befreit und ihm somit zu Flucht verhilft. Der überaus einsilbige Führer und Dolmetscher will nach Saint Louis, wo er an einer Expedition teilnehmen soll, die den Missouri und die riesigen Gebiete des Westens erforschen soll. Auch wenn Alban die Beweggründe für seine Befreiung zunächst nicht verstehen kann, so ist er dennoch froh über sein Leben und beide machen sich auf den weiten und nicht einfachen Weg quer durch die Wildnis in Richtung St. Louis.

 

Louis, der mittlerweile in New Orleans angekommen ist, erfährt ziemlich schnell von dem Franzosen, der einen Sklaven vor dem Tod durch seinen Herrn gerettet hat, aber auch von dem Kopfgeld, welches man auf den Flüchtigen ausgesetzt hat. Kurzerhand entschließt sich Louis mit zwei Kopfgeldjägern der Spur von Alban zu folgen, auch wenn er noch nicht weiß, wie er die beiden wieder loswerden soll.

 

Schreibstil & Artwork:

Der französische Autor und Zeichner Patrick Prugne hat in den Ateliers von Loisel („Peter Pan“) sein Handwerk meisterlich gelernt und nicht umsonst wurde er bereits 1990 in Angoulême mit dem Comic-Oscar „Prix Alph' Art“ als bester Nachwuchszeichner geehrt.

Als Zeichner konnte Patrick Prugne sein Talent durch die vierbändige grelle Humorreihe „Nelson und Trafalgar“ (Ehapa) unter Beweis stellen, bei der sich Goupil als Szenarist verantwortlich zeigte. Bedauerlicherweise erschienen hier nur die beiden ersten Bände auf deutsch. 1999 begann er mit der Serie „FOL“, bei der er sowohl für Artwork als auch das Szenario verantwortlich war. „FOL“ ist eine Fantasy-Saga, die mit prächtigen Bildern und einer schaurig-schönen Geschichte in ein magisches Reich entführt. Dabei plündert Prugne ungeniert Figuren aus gänzlichen unterschiedlichen Märchen und Geschichten – von Pinocchio, den Zwergen aus der Zeichentrickverfilmung von Walt Disney, Schneewittchen bis hin zu dem kleinen braven Zinnsoldaten, die er allesamt in seinem Comic vereinigt. In 2004 begann er gemeinsam mit dem Szenarist Tiburce Oger mit der Arbeit an „L'Auberge au Bout du Monde“ für Castermann, die unter dem Titel „Die Herberge am Ende der Welt“ als SplitterBook erschien.

 

Bereits mit dem Band „Canoe Bay“ hat Prugne sich in der amerikanischen Geschichte bewegt und recht eindrucksvoll bewiesen, dass die Gattung des Historien-Comic bei weitem nicht tot, geschweige denn langweilig ist und es immer wieder viel zu entdecken gibt, auch wenn es sich wie hier erneut vielleicht nur um eine Randnotiz in den Geschichtsbüchern handelt, die am Vorabend der großen Kriege von Napoleon in Europa zu verblassen scheinen. So verlässt am 21.05.1804 auf Befehl des amerikanischen Präsidenten Thomas Jefferson eine kleine Flotte von drei Schiffen das kleine Dorf St.-Charles, unweit von St.-Louis, wo der Mississippi und der Missouri aufeinandertreffen. Die an der Spitze dieser Expedition stehenden Kapitäne Meriwether Lewis und William Clark wollen versuchen, den Pazifischen Ozean zu erreichen. Eben zu jener Expedition macht sich das überaus ungleich Paar Labiche und Toussaint auf den Weg. Ein Aufhänger, der Prugne für ein beeindruckendes komplettes Szenario reicht.

 

Doch ist es nicht nur ein Stück Historie die Prugne serviert: Vor dem Hintergrund der Neuen Welt entspannt Prugne zunächst eine geradezu tragisch anmutende Liebesgeschichte, die alsbald jedoch den harten Alltag in den Kolonien trifft, sich aber auch dem neuen und weitem Kontinent Amerika widmet, der durch seine Natur, seine Ureinwohner und die schier endlose Weite besticht. Es sind nur sehr wenige, dafür aber recht eindringliche und authentische Charaktere, die Prugne skizziert. Zudem gibt es keine groß angelegten Dialoge, da etliche Handlungen oder aber auch die hervorragenden Zeichnungen für sich sprechen. So präsentiert Prugne erneut zum Teil groß angelegte Panels voller ruhiger Schönheit und Eleganz, die durch ihre Ausführung in Aquarell das Auge des Betrachters einladen, Landschaften oder aber auch Stimmungen einzufangen, wie sie einem Land eigen sind, das gerade erst durch Europäer entdeckt wird. Die Figuren sind durchgehend realistisch in ihrer Ausführung gehalten und bestechen wie bereits bei „Canoe Bay“ durch ein hohes Maß an Details in Mimik und Gestik.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

In Sachen Qualität kann man sich bei den Veröffentlichungen vom Splitter Verlag eigentlich nie beklagen und so bietet auch dieses schwergewichtige Hardcover mit seinen 104 Seiten eine solide Verarbeitung und eine hervorragende Druckqualität. In Sachen Ausstattung gibt es neben einer Karte von Nordamerika im Vorsatz ein ganz besonderes Highlight: Auf insgesamt 26 Seiten gibt es Skizzen und Entwürfe von Prugne zu sehen als auch ein Glossar mit den Übersetzungen der französischen Texte neben den Skizzen. So bietet dieser Band nicht nur ein stimmungsvolles Szenario vor historischem Hintergrund, sondern auch noch einen sehenswerten Einblick in die Entstehung der Bilder und in die Gedankenwelt von Prugne. Als wäre das noch nicht genug, gibt es zudem im Vorsatz eine Karte, auf der man die Reise der Charaktere nachvollziehen kann. Die wie so oft gelungene Übersetzung stammt von Tanja Krämling, die ein sicheres Gespür für die Dramaturgie der Texte beweist.

 

Fazit:

In diesem Band beweist Prugne im Alleingang seine Meisterschaft – sowohl im Szenario als auch mit seinen meisterlich in Szene gesetzten Bildern. Es sind weniger explosive Ausbrüche von Farben und dynamischen Darstellungen, als ein ruhiger und harmonisch getragener Grundton, der diesem Band einen ganz besonderen Reiz verleiht. Im Zusammenspiel mit seinen Bildern benötigt Prugne zudem nicht immer den Dialog seiner Figuren, sondern die Stimmungen der Farben und die Gestaltung der Panels sprechen für sich.

 

Wer bereits von den bisherigen Veröffentlichungen von Prugne begeistert war, der sollte nicht lange zögern und zugreifen. Wer allerdings mit der amerikanischen Geschichte oder Ausführungen in Aquarelltönen seine Probleme hat, der sollte diesen Band weiträumig meiden. Für mich auf jeden Fall eine wunderschöne Entdeckung, der man durchaus wünscht in entsprechender Gestaltung auch verfilmt zu werden.