Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Der Mann der keine Feuerwaffen mochte 2 – Der Weg nach Madison
Bewertung:
(3.8)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debsaer
Am: 17.12.2013
Autor:Wilfrid Lupano (Autor) und Paul Salomone (Zeichner)
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Graphic Novel / Comic
Setting:Wild West
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-487-1
Inhalt:56 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Der Angriff auf Manolo Cruz und seine Bande hat ihren Tribut gefordert und so wurden der Anwalt Byron Peck und sein Diener Knut Hoggaard zum Glück in ziemlich üblen Zustand in der Wüste aufgefunden. Während es Peck leidlich gut geht, steht es um seinen Begleiter Hoggaard weniger gut, da dieser schwer verletzt wurde. Während Peck sich im örtlichen Saloon die Zeit damit vertreibt, zerbrochene Tontöpfe zu kleben, gibt es für den Leser einen Blick sechs Monate zurück in Vergangenheit, wo er Anwalt Byron Peck in Los Angeles in einem grandiosen Auftritt vor Gericht begegnet.

 

Dank seines findigen Vorgehens, ermöglicht er die Enteignung des Grundbesitzers Wesley Cole, damit die Pacific Electric Railway über dessen Gelände ihre Eisenbahntrasse bauen kann. Während das Unternehmen Peck als Helden feiert und man ihm bereits eine große Laufbahn voraussagt, ist seine Frau äußerst unzufrieden mit dem materiellen Wohlstand der Familie und würde sich größeren Reichtum wünschen. Aus Gram über den verlorenen Prozess hat sich Wesley Cole erschossen und seine Kinder schicken sich an, Rache an dem Mann zu nehmen, der ihren Vater ins Grab getrieben hat. Peck zieht aus den Morddrohungen seine Konsequenzen und bewaffnet sich äußerst widerwillig bis an die Zähne. Dies allerdings sehr zum Leidwesen seiner Frau, welche die heimischen Schießübungen ihres Gatten nicht mehr aushält und nach Newport abreist.

 

Das Gefühl der ständigen Bedrohung und die Abreise seiner Frau verwandeln Peck in den folgenden Tagen in ein nervliches Wrack, auch wenn er mittlerweile ein recht guter Schütze geworden ist. Er verschanzt sich in seinem Haus und verliert etliche gute Kunden. Allerdings hat er Glück, als unerwartet abends Knut Hoggaard aus Dänemark auf seiner Türschwelle steht, für den er einige Papiere aus einer Erbschaft überprüfen soll, deren brisanter Inhalt ihm erst später bewusst wird und deren weiterer Verbleib bereits im ersten Band geschildert wurde. Ganz nebenbei gibt es im Rückblick auch noch eine Liebesgeschichte zwischen Margot und Knut zu bestaunen, die allerdings wohl eher mit eiskalter Berechnung der geldgierigen Margot zu tun hat, den mit wahrer Liebe.

 

Margot ist unterdessen mit ihrem etwas trotteligen Begleiter Tim Bishop weiter in der Wüste von Arizona unterwegs und gerät in die Fänge von Jack, einem Navajo-Indianer, der sich der Papiere von Cruz bemächtigt, allerdings von deren Inhalt keine Ahnung hat. Wenn man ihn allerdings mit 50 Prozent an den Einnahmen beteiligt, so würde er mitmachen und Margot helfen.

 

Und so schaukelt der Planwagen von Peck und Hoggaard schon bald wieder durch die Wüste, auf der Suche nach den verschwundenen Papieren und nach Margot, die sich irgendwo hier aufhalten muss.

 

Schreibstil & Artwork:

Der französische Comicautor Wilfrid Lupano wurde am 26.09.1971 in Nantes geboren, verbrachte einen Großteil seines Lebens in Pau und lebt heute in Paris, nachdem er mehrere Jahre in Toulouse verbrachte. Nach seinem BA in Literatur und einem einjährigen Studium der Philosophie an der Sorbonne, macht er schließlich noch seinen Abschluss in Englisch.

 

Nach eigenem Bekunden waren Comics schon immer Teil von Lupanos Leben, die es ihm schon als Junge ermöglichten mit ihren Szenarien in andere Welten einzutauchen. Zumindest war dies schon einmal eine gute Übung, die er in späteren Jahren als Spielleiter beim Rollenspiel einsetzte, wo es letztlich auch darum geht mit Worten eine real anmutende Erzählung zu erschaffen. In einer der Bars, wo er als Student arbeitete, um seine Ausbildung zu finanzieren, traf er auf die Zeichner Frédéric Campoy und Roland Pignault, mit denen er sein Debüt als Szenarist gab und sein Faible für das Amerika des neunzehnten Jahrhunderts entwickelte: So entstand die Reihe „Little Big Joe“ für den Verlag Delcourt.

 

Nach wie vor findet Lupano seine größte Inspiration in Bars und im Nachtleben, die für ihn Laboratorien der menschlichen Natur sind und ihn oftmals bestätigen, wie die Realität oftmals doch härter als jegliche Fiktion sein kann. Seine sonstigen Einflüsse sind vielfältig und reichen von Filmen der Coen-Brüdern, der französischen Regisseure Jacques Audiard und Bertrand Blier, Arbeiten des Konzeptdesigners und Futuristen McQuarrey bis hin zur klassischen Literatur und Science-Fiction. Mit Ausnahme der Abenteuer von „Little Big Joe“, zeigt sich Lupano recht umtriebig und arbeitet an zahlreichen Projekten mit. Sein größtes Anliegen dabei ist es Szenarien für Abenteuer, Thriller und andere Genres etwas unkonventioneller zu gestalten.

 

Im zweiten Band spendiert Lupano seinem bisherigen Szenario einen Rückblick auf die jüngere Vergangenheit seines Protagonisten Byron Peck und widmet sich insbesondere der Frage, warum dieser keine Feuerwaffen mag. Wie bereits im ersten Band ist Lupano allerdings weit davon entfernt einfach nur einen trockenen Rückblick auf die Motivation seiner Charaktere zu geben, sondern wartet mit einer ziemlichen komplexen Geschichte auf, in der sich aus dem erfolgreichen und leidlich glücklich verheirateten Anwalt nach einem scheinbar gewonnenen Fall für seine Auftraggeber ein nervliches Wrack entwickelt, der erst Dank dem Erscheinen des dänischen Hünen Hoggard und dessen dubioser Erbschaft wieder Mut und Zuversicht ins Leben fasst. Spritzige und humorvolle Dialoge, die zunächst fernab des Wilden-Westens angesiedelt sind vermitteln einiges an Beweggründen für die sonderbare Odyssee des ersten Bandes und lassen auch die wunderbar boshafte Antagonistin Margot de Garine in einem ganz neuen Licht erscheinen.

 

Zentrales Element wird interessanterweise das Grundrecht des Amerikaners auf Waffenbesitz. „Der Vorzug, sich bewaffnen zu dürfen, unterscheide Amerika von fast jeder anderen Nation“, schrieb James Madison im Januar 1788, nur wenige Monate nachdem die noch jungen Vereinigten Staaten sich eine Verfassung gegeben hatten, die im Wesentlichen auf den Ideen des hochgebildeten Plantagenbesitzers aus Virginia beruht. Seiner Meinung nach seien Tyranneien – gemeint waren damit europäische Monarchien –, die sich vor einem waffentragenden Volk fürchteten, nicht Republiken wie die noch beinahe experimentelle Staatsform der dreizehn ehemaligen britischen Kolonien in Nordamerika. Dies scheint allerdings nur ein Teil der Wahrheit zu sein, wie Dokumente beweisen können, die sich im Besitz von Hoggaard befinden und das Selbstverständnis des Waffenbesitzes in den USA in seinen Grundfesten erschüttern könnten.

 

Weiterhin eher dem Genre semi-funny zuzuordnen als dem klassischen Western, präsentiert Lupano eine echte Wundertüte mit allen Elementen, die man sich für ein gelungenes Szenario wünscht, welches auf keiner Seite langweilig wird und durch den Kunstgriff des Rückblickes auch den ersten Teil nunmehr richtig zur Geltung bringt.

 

Paul Salomone, Sohn des gleichnamigen französischen Malers, wurde am 27.06.1981 in Morlaix geboren. Eigentlich plante er eine Karriere im Sportbereich, so das er sich im Studium der Sportwissenschaften zuwendete, doch letztlich sollte das Zeichnen von Comics sein Leben bestimmen. Im Jahr 2000 zog er nach Nîmes, wo er seinen Bachelor of Applied Arts machte. Schon als Student arbeitete er für das Animationsstudio „La Fabrique“ und veröffentlichte verschiedene Illustrationen in der Zeitschrift „Black Mamba“. Die Kurzgeschichte "Sweet Home Chicago", nach dem Szenario von Aurélien Alerini, wurde im November 2007 in der Zeitschrift „Lanfeust Mag“ veröffentlicht. Paul nahm später mit seinen Arbeiten an dem „Premier Salon Européen de la Bande Dessinée“ in im südfranzösischen Nimes teil, wo seine Produktionen niemand geringerem als dem Altmeister Albert Uderzo gewürdigt wurden. Im Jahr 2010 wurde Paul Salomone vom Szenaristen Wilfried Lupano kontaktiert, der auf der Suche nach einem Zeichner für einen Italowestern war, der unter dem Titel: „Der Mann, der keine Feuerwaffen mochte“ im Verlag Editions Delcourt erscheinen sollte.

 

Im Seitenaufbau recht klassisch gehalten, gibt es nur wenige, aber dafür sehr ausdrucksstarke moderne gestalterische Elemente. So bleibt Salomone mit seinen Zeichnungen ziemlich realistisch und verlagert seinen Schwerpunkt eher auf Perspektiven und Einstellungen, den auf Effekthascherei. Das Lob von Uderzo kommt auch nicht von ungefähr, aber keine Angst, es erwarten den Leser keine knollennasigen Charaktere, sondern humorvoll in Szene gesetzte Figuren, die zum Teil ziemlich überzeichnet sind, aber gerade dadurch den Spaß an diesem Semi-Funny-Comic ausmachen. Unterstützung bei den Farben erhält er von Simon Chamelovier, der mit seinen erdigen Farbtönen und dem immer wieder sehr gelungenen Spiel von Licht und Schatten den Bildern die entsprechende Ausdrucksstärke verleiht.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

In gewohnt gehobener Qualität präsentiert sich der Hardcoverband aus dem Splitter Verlag und überzeugt sowohl durch seine Druckqualität als auch seine Verarbeitung. Sehr schön ist der Anhang, der mit etlichen Skizzen und Entwürfen aufwarten kann, die zudem von Salomone zum Teil erläutert werden. Hier stößt man auf Entwürfe verschiedener Cover (von denen es insgesamt 14 Stück gab, bevor man sich auf das nun vorliegende einigte) und Hinweise zu den verwendeten Materialien. Die Übersetzung stammt von der hochgeschätzten Tanja Krämling, die in der Bearbeitung von Delia Wüllner-Schulz unterstützt wurde.

 

Fazit:

Ein mehr als amüsantes und humorvolles Szenario, das geschickt mit seinen Protagonisten jongliert und ganz nebenbei noch einen großen aktuellen Seitenhieb auf die Interpretation des zweiten Verfassungszusatzes, der das Recht auf Waffenbesitz in den USA festschreibt, wirft. Und so gibt es mehr als nur den klassischen Wilden Westen (zumal das Szenario im Jahre 1899 spielt) und mehr oder weniger die Hintergründe über den Ansporn von Byron Peck und seinem Begleiter Hoggaard, die sich auf den Weg machen, um unter Umständen Geschichte zu schreiben.

 

Die Auswahl von Paul Salome als Zeichner hat sich für das Szenario auf jeden Fall gelohnt, versteht es Salome sehr gut mit seinen Bildern die Entwicklung des Szenarios passend darzustellen. Hier und da wirken seine Bilder allerdings etwas zu statisch und die Hintergründe – trotz allem Detailreichtum – etwas uninspiriert. Für einen Newcomer, der mit dieser Reihe erst mal ein größeres Publikum auf sich aufmerksam machen kann, auf jeden Fall aber absolut sehenswert.

 

Dieser Band gehört auf jeden Fall zu wenigen, bei denen ich dem Abschlussband entgegenfiebere, selbst wenn das Szenario nunmehr eigentlich fast absehbar erscheint, dürfte es unter Garantie eine ganz andere Entwicklung geben. Für mich insgesamt eine wunderbar kurzweilige Leseempfehlung und das nicht nur für Western-Freunde.