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The Shackled City
Bewertung:
(4.9)
Von: Alex Lorenz
Alias: Blackthorne
Am: 24.09.2005
Autor:Jesse Decker, James Jacobs, Tito Leati, David Noonan, Christopher Perkins, Chris
Typ:
System:D&D 3.5E
Setting:Greyhawk
VerlagWizards of the Coast
ISBN/ASIN:0-9770071-0-3
Inhalt:417 Seiten, Hardcover
Sprache:Englisch

The Shackled City

„The Shackled City“ (im Folgenden „TSC“) ist eine Kampagne für Dungeons & Dragons, die eine Gruppe von Charakteren von Stufe 1 bis Stufe 20 bringt.

Lesern des Dungeon Magazins ist die Reihe, die auch als der „Adventure Path“ bezeichnet wurde, bereits länger bekannt. Im März 2003 eröffnete das erste Abenteuer der Reihe, „Life´s Bazaar“, den Reigen. Seither erschienen in den Seiten des Magazins zehn weitere Kapitel, in denen die Helden der Stadt Cauldron gegen das Böse ankämpfen mussten.

Der Shackled City Adventure Path war somit das ehrgeizigste Projekt, an dem die Herausgeber des Dungeon jemals arbeiteten. Elf Kapitel von verschiedenen, bewährten Autoren, die über einen Zeitraum von zwei Jahren eine epische Story beschrieben. Und der Erfolg ließ nicht auf sich warten: Die Fans waren überwiegend begeistert; Ausgaben mit „Shackled City“-Abenteuern verkauften sich wie geschnitten Brot. Viele Gruppen spielen die Reihe bereits von Beginn an; einige mit großem Erfolg (ich verweise hier auf unser Story-Hour-Forum).

Der einzige Wermutstropfen für viele war die Aufteilung der Kampagne auf mehrere Hefte sowie diverse Web Enhancements mit Material, das es jeweils nicht mehr ins Heft schaffte. Außerdem waren die ersten Abenteuer der Reihe nicht ganz auf dem neuesten Stand der Regeln, die ja Mitte 2003 auf 3.5E aktualisiert wurden.

Und der neue Herausgeber des Magazins, Paizo Publishing hörte auf die Fans. Das Ergebnis ist dieser Band.

Shackled City ist ein stramm gebundenes Hardcover mit 417 Seiten. Auf dem Titel sehen wir das bekannte Artwork aus „The Demonskar Legacy“, auf dem ein Paladin von St. Cuthbert gegen einen Dämon kämpft. Innen erfreuen gleich mehrere Dinge das Auge: Sehr hochwertiges Papier mit angenehmer Färbung, zwei herausnehmbare Karten-Booklets; eines davon mit Posterkarten der Stadt (vor und nach den Ereignissen des neunten Kapitels); das andere mit allen Karten, die man für die Kampagne braucht (24 Seiten). Ein schönes Design am Rande der Seiten zeigt Ketten, die getreu dem Titel der Kampagne die Seiten zusammenzuhalten scheinen – und im Laufe des Buches immer rostiger und brüchiger werden.

Das Artwork aus den Magazinen wurde komplett übernommen. Zudem gibt es einiges an neuen Bildern, vor allem natürlich im Bonuskapitel.

Auch die aus dem Magazin bekannten Poster mit (fast) allen wichtigen Nichtspielercharakteren der Kampagne haben ihren Weg in das Hardcover gefunden. Die Gesichter der NSCs sind außerdem ausgeschnitten und vergrößert im ganzen Buch wieder zu finden, so dass man seinen Spielern immer zeigen kann, mit wem sie gerade reden.

TSC kostet im Handel 50-60 Euro. Das mag hoch erscheinen, aber im Vergleich zu, sagen wir mal, „Sons of Gruumsh“ (10,- Euro, 32 Seiten) ist das Preis-Leistungsverhältnis hervorragend.

Shackled City beginnt mit einem Einleitungskapitel von knapp 30 Seiten. Hier wird dem Spielleiter ein kurzer Abriss über die Stadt Cauldron und deren Umgebung gegeben. Cauldron (dt.: „Kessel“) ist eine Stadt, die im Inneren eines erloschenen Vulkankraters gebaut wurde. Die Stadt und ihre Umgebung sind Schauplatz der gesamten Kampagne, von einigen Ausflügen auf die äußeren Ebenen abgesehen.

Bereits hier fallen einige angenehme Neuerungen zur „Magazinform“ der Kampagne auf. Zum einen gibt es eine Zeittafel über die Geschichte der Stadt (inklusive Angaben für die Schwierigkeit eines Knowledge (History)-Wurfes), eine Vorstellung aller wichtigen Örtlichkeiten der Stadt und eine kurze Aufzählung der ca. 80 (!) wichtigsten Nichtspielercharaktere. In der Hintergrundgeschichte werden zudem mehr Bezüge zum „Ebon Triad“ hergestellt – dieses spielt im neuen „Age of Worms“-Abenteuerpfad eine große Rolle.


Worum geht´s?

SPOILER! Spieler sollten nicht weiter lesen. Scrollt runter zum Fazit und erzählt eurem Spielleiter davon!

In „Shackled City“ wird die Stadt Cauldron zum Brennpunkt einer Verschwörung. Die „Cagewrights“ (etwa: Käfigbauer), eine geheime Gesellschaft mächtiger Individuen, planen ein mächtiges Ritual, um ein permanentes Portal zwischen der Stadt und der Ebene Carceri zu errichten. Viele einflussreiche Individuen der Stadt gehören zu ihren heimlichen Verbündeten. Jedoch gerät eine Gruppe unerfahrener Helden durch Zufall auf die Spur der Fieslinge und arbeitet sich Schritt für Schritt an die Führungspersonen heran. Währenddessen laufen die diabolischen Pläne der Bösewichte jedoch unbarmherzig weiter…

TSC ist in zwölf Kapitel unterteilt. Ich nehme davon Abstand, jedes Kapitel einzeln auseinander zu nehmen; dies würde den Rahmen der Rezension sprengen.

In der Kampagne werden die Spieler zunächst durch unspektakuläre Aufträge in die Machenschaften der Käfigschmiede verwickelt. Zunächst jedoch ist es unwahrscheinlich, dass die Charaktere die Zusammenhänge sehen. Erst später fügen sich die Puzzlestücke zusammen; und dann muss die Gruppe auch schon mit den Konsequenzen, die die Handlungen der Käfigbauer nach sich ziehen, fertig werden.

Aber bis dahin ist es ein weiter Weg. Im Laufe der Kampagne müssen die Spielercharaktere entführte Kinder retten, marodierende Goblinbanden erledigen, vermisste Priester finden, verschollene Helden retten, rassistisch motivierte Unruhen (!) in den Straßen der Stadt befrieden, einen Test in den Tiefen des Abgrundes bestehen, sich gegen Attentäter wehren, die Korruption im Herzen der Stadt aufdecken, die Stadt evakuieren und natürlich die Käfigbauer bezwingen, bis nur noch ein Gegner übrig bleibt…Adimarchus, der Prinz des Wahnsinns, ein gefallener Engel von großer Macht.

Die einzelnen Abenteuer reichen in ihrer Qualität von „Gut“ bis „Hervorragend“. TSC hat viele Dungeons zu bieten; diese sind jedoch durch die Bank einfallsreich gestaltet, um sie vom üblichen Schema abzuheben. Aber auch die Stadt bleibt nicht ungenutzt: TSC hat mehr an Intrigen, Interaktion und Detektivarbeit zu bieten als jedes andere WotC-Abenteuer bis dahin. Wildnisabschnitte sind hingegen spärlich gesät.

Dadurch, dass die ganze Kampagne in und um Cauldron spielt, ist der positive Effekt zu vermelden, dass die Spieler und deren Charaktere die Stadt und ihre wichtigen Personen irgendwann gut kennen. So dürfte bei richtiger Handhabung durch den Spielleiter eine lebendige Kampagne entstehen, die mehr ist als nur eine Serie von Dungeons.

Weitere Dinge, die auffallen: TSC benutzt viele außergewöhnliche Monster aus den diversen Monster-Erweiterungen. Wie üblich sind jedoch hier alle relevanten Daten abgedruckt, so dass der SL nicht auf diese Bücher angewiesen ist.

Die Schwierigkeit ist recht hoch angesiedelt. Immer wieder warten Gegner, die für einen bis drei tote Charaktere gut sind. Das Abenteuer weist immerhin darauf hin; jedoch verwundern Passagen wie „In diesem Kampf kann man mit mindestens einem toten Charakter rechnen“. Gerade in einer Kampagne, in der es darauf ankommt, dass die Charakterfluktuation nicht allzu hoch ist, sollten die Autoren etwas weniger kaltschnäuzig sein.

Die letzten ca. 80 Seiten des Buches bestehen aus den Anhängen. Hier finden sich die Werte für neue Monster, eine Handvoll Zauber, Talente, Gegenstände und Prestigeklassen. Neu ist hier z.B. das „Mob-Template“ aus dem DMG II, mit dem man aufgebrachte Menschenmengen darstellen kann.

Der Appendix Nr. 4 ist der umfangreichste und enthält die Werte für alle NSCs und Monster, sofern man sie nicht direkt aus dem Monster Manual entnehmen kann, in alphabetischer Reihenfolge. Für Charaktere, die im Laufe der Kampagne immer mal wieder auftauchen, gibt es sogar jeweils Tabellen nach dem Vorbild des Spieleiterhandbuches, aus denen die Werte für jede Stufe entnommen werden können.

Appendix Fünf schließlich gibt dem SL Tipps für die Charaktererschaffung. Es wird auf die hohe Schwierigkeit der Kampagne verwiesen; zudem wird darauf hingewiesen, dass manche Klassen (namentlich Druide, Waldläufer und Barbar) aufgrund des Mangels an Wildnisabschnitten sich als suboptimal erweisen könnten.

Weiterhin gibt es so genannte „Traits“, besondere Eigenschaften für Charaktere, mit denen der Charakter sich noch mehr in der Kampagne verwurzeln kann. So kann der Charakter zum Beispiel selbst einer der „Shackleborn“ sein, die in den Plänen der Käfigbauer eine große Rolle spielen.

Was ich übrigens vermisse, sind Tipps, wie man die Kampagne auf andere Kampagnenwelten umgestaltet. Zumindest die Forgotten Realms und Eberron hätten hier bedient werden können; da es sich um ein offizielles Produkt handelt, wäre dies auch möglich gewesen.

 

Bewertung

„The Shackled City“ ist ein absolutes Monstrum von einer Kampagne, in dem endlose Stunden voller Spaß stecken. Überhaupt gibt es sonst nur ein mir bekanntes Abenteuer, das die Gruppe über zwanzig Stufen bringt – das „World´s Largest Dungeon“. Wo dort jedoch 20 Stufen Dungeon Crawl angesagt sind, überzeugt TSC durch eine epische Storyline mit vielen Überraschungen. Es gibt deutlich mehr Gelegenheit zum Charakterspiel als etwa in „Return to the Temple of Elemental Evil“ oder „City of the Spider Queen“. Gleichzeitig kommt aber auch der pure Spaß am Umnieten von Monstern nicht zu kurz.

Manchen mag die Dungeon-Lastigkeit der Kampagne sauer aufstoßen; gerade die ersten Kapitel sind diesbezüglich etwas einseitig geraten. Jedoch sind, wie bereits erwähnt, die Dungeons einfallsreich genug gestaltet, um auch altgediente Veteranen zu begeistern. Allerdings muss man auch sagen, dass die schiere Anzahl der Gewölbe unter Cauldron schon fast ans Lächerliche grenzt.

Gerade im Mittelteil glänzt die Kampagne jedoch durch ereignisbasierte Abenteuer, bei denen so schnell keine Langeweile aufkommt.

Die letzten drei Kapitel hingegen können, wenn man nicht aufpasst, zu einer reinen Monsterschlachterei verkommen. Hier geht es im Prinzip nur noch darum, die Bösewichte, die sich die ganze Kampagne über im Dunkeln gehalten haben, zu stellen und ihrer Strafe zuzuführen. Aber auch hier kriegt TSC immer mal wieder die Kurve zu einem spannenden Handlungsverlauf.

Auch Fehler haben sich eingeschlichen, was bei einem Projekt dieser Größenordnung jedoch unvermeidlich ist. Die meisten Fehler beziehen sich lediglich auf die Werte für einzelne Kreaturen; das Übliche also.

Eine gute Ressource hierfür (und für alles, was diese Kampagne betrifft) sind übrigens die Foren des Paizo-Verlages, in denen ein eigenes Unterforum für TSC eingerichtet ist. Der Link befindet sich rechterhand.


Was ist denn nun neu für Leute, die die Magazine schon haben?

Einiges, wenn auch nicht überwältigend viel. Laut Auskunft des Verlages umfasst das neue Material ca. 30.000 Wörter (zum Vergleich: diese Rezension umfasst ca. 2.000 Wörter). Nicht mitgezählt wurden hierbei sämtliche Erweiterungsmaterialien von der Paizo-Website, die natürlich ihren Weg in diesen Band gefunden haben.

Neues gibt es hauptsächlich in der Einleitung zu finden; die hätte man sich auch in dieser opulenten Form im Magazin nicht erlauben können. Weiterhin ist da natürlich Kapitel 2: „Drakhtar´s Way“; ein gutes Abenteuer, in dem die Charaktere die Goblinbanden in ein Höhlensystem zurückverfolgen und sich dort ihrem Meister Drakhtar stellen müssen.

Der Vorteil an diesem Kapitel ist natürlich, dass die Charaktere dadurch mehr Erfahrung sammeln; was ihnen für die nächsten zwei bis drei Kapitel weiterhilft. Außerdem gibt es hier weitere Begegnungen mit wichtigen Figuren wie Terseon Skellerang (Captain der Stadtwache) und Jil (Miglied der Diebesgilde). Auch die oben erwähnten Anhänge bieten viel Neues.

Am Allerwichtigsten ist jedoch die Tatsache, dass der inhaltliche Zusammenhalt zwischen den einzelnen Kapiteln größer geworden ist. Hier wird viel mehr als in den Magazinen an der Verknüpfung der einzelnen Kapitel gearbeitet; zudem geschehen hier hinter den Kulissen Dinge (z.B. Celestes Entführung), die die ganze Kampagne einfach noch ein Stückchen runder erscheinen lassen. Jedes Kapitel hat einen eigenen „Behind the Scenes“-Eintrag, aus dem hervorgeht, was während des jeweiligen Abenteuer sonst noch so in Cauldron passiert. TSC wirkt in vorliegender Form wesentlich organischer und einheitlicher.

 

Fazit

Für das Fazit kommt es darauf an, ob man die einzelnen Abenteuer schon besitzt.

Wenn man die Abenteuer schon hat:

In diesem Falle muss jeder für sich überlegen, ob sich die Investition lohnt. Wer jedoch Wert auf Komfort und schöne Aufmachung legt und sich über ein wenig Bonusmaterial freut, der kann beherzt zugreifen. Ich selbst habe alle betreffenden Magazine und habe den Kauf keine Sekunde lang bereut. Das Hardcover mit seiner gefälligen Aufmachung hat in mir den Wunsch deutlich verstärkt, diese Kampagne zu leiten. Da das Ding einen Spielleiter über Monate und Jahre beschäftigen kann, bietet das Hardcover eine gute Gelegenheit, das SL-Dasein angenehmer zu gestalten.

Wenn man die Abenteuer noch nicht hat:

„The Shackled City“ ist die ehrgeizigste, epischste und schlichtweg beste Kampagne für D&D/D20, die man für Geld momentan kriegen kann. Alle oben aufgezählten Mängel tun dieser Tatsache keinen Abbruch. Jeder Spielleiter, der auch nur ein bisschen Begeisterung für gute Kampagnen aufbringen kann, sollte hier bedenkenlos zugreifen, sofern er sich nicht allzu sehr an den oben aufgeführten Kritikpunkten stößt. Ein Vergleich mit Klassikern wie „Return to the Temple…“ fällt überaus deutlich zu Gunsten von TSC aus – es ist größer, schöner, abwechslungsreicher und in jeder Hinsicht einfach um Welten besser.

Daher kann ich das Ding bedenkenlos sehr gut bewerten. „The Shackled City“ gehört zu den drei Dingen, die ich zuerst aus meiner brennenden Wohnung retten würde.