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Arcana Unearthed: The Diamond Throne
Bewertung:
(4.3)
Von: Patrick Pricken
Am: 07.11.2003
Autor:Monte Cook
Typ:
System:d20
Setting:Arcana Unearthed
VerlagMalhavoc Press
ISBN/ASIN:
Inhalt:94 Seiten, PDF
Sprache:Englisch

The Diamond Throne

War die Hintergrundwelt im alternativen Spielerhandbuch "Arcana Unearthed" (AU) nur in den Details zu finden, gibt Monte Cook nun ein komplettes Hintergrundbuch für die Welt Serran bzw. den Kontinent Terrakal heraus. "The Diamond Throne" (DT) ist allerdings weniger ein Kampagnen-Set denn ein grober Überblick über eine Welt, die ein Spielleier sich zu eigen machen soll.

 

Diese Rezension bezieht sich auf die PDF-Version des Buches. Die Softcover-Version kommt im Dezember für 18,00 $ auf den Markt.

 

Erste Eindrücke

Öffnet man die PDF-Datei, so begrüßt als erstes das im Stil von Arcana Unearthed gehaltene Farbcover. Im Gegensatz zum Grundwerk der Reihe folgt DT der d20-Lizenz; Cook bleibt also nicht generell im OGL-Bereich mit Arcana Unearthed. Der Rest des Buches ist schwarzweiß gehalten, und der Schriftsatz ist wie bei AU recht klein, aber gut lesbar. Die wenigen Illustrationen sind gelungen, es finden sich keine Aussetzer wie noch bei AU selbst.

 

Die Datei enthält Bookmarks, mit denen man nahezu jeden Abschnitt und alle Karten ad hoc aufrufen kann. Dies ist keineswegs üblich bei PDF-Dateien und ein großer Pluspunkt. Eine Begleitdatei gibt sogar Hinweise zum zweiseitigen Druck, falls man das Produkt selbst binden lassen möchte. Die Schrift ist am Bildschirm gut lesbar, wenn auch der Ausdruck wie üblich noch angenehmer für die Augen ist.

 

Blick aufs Detail

DT ist in eine Einführung, vier Kapitel und einen Anhang unterteilt; im Anhang findet sich allerdings nur die Open Game License, kein Index. Da man diesen jedoch in der PDF-Datei in Form der Bookmarks hat, kann man das Fehlen verschmerzen. Wie auch bei AU ist geschlossenes und offenes Material auf der Titelseite vermerkt und nicht speziell im Text ausgewiesen. Während diese Vorgehensweise vielleicht ein wenig umständlich ist, fördert sie dennoch das ungestörte Lesen, und wird von mir daher begrüßt.

 

Die "Introduction" fasst auf zwei Seiten noch mal zusammen, welchem Zweck dieses Buch dient und was man erwarten kann. In Themes and Feel legt Cook die grundsätzliche Stimmung seiner Welt dar: es gibt keine einfachen Antworten, z.B. durch den Wegfall der Gesinnungen; es dominiert freie Entscheidung über Schicksal, niemand ist böse durch seine Rasse, keine Götter befehlen bestimmte Taten, etc; die Welt ist voller fantastischer Elemente. Anschließend gibt der Autor zukünftigen Spielleitern noch eine Handlungsweise mit auf den Weg: Lest das Buch genau durch, macht euch damit vertraut - und dann macht, was ihr wollt. Obwohl sehr kurz, führt einem dieses Kapitel direkt wieder vor Augen, warum man AU so ansprechend fand und dieses Buch erstand; unvorbereitete Leser werden vorgewarnt.

 

"Chapter 1: People and Places" nimmt den Hauptteil des Buches ein. Hier wird zunächst grob die Welt beschrieben, indem Zeitrechnung, übliche Zeremonien, Feiertage, Spiele und Redewendungen vorgestellt werden. Vor allem Letztere bringen eine eigene Stimmung in die Welt, und deutschen Spielern wird empfohlen, sich passende Übersetzungen dafür auszudenken (oder die Übersetzung unserer Gruppe anzufordern).

 

Als nächstes nimmt sich Cook die Götter und Religionen der Welt des Diamantthrones vor. Im Gegensatz zur normalen D&D-Welt gibt es zwar Götter, die angebetet werden, sie haben aber keine fassbare Macht. Tatsächlich ist ungewiss, ob es sie überhaupt gibt, ob es nur besonders mächtige Wesen sind, oder tatsächlich Götter. Nicht nur, dass jede Rasse unterschiedliche Vorstellungen von Göttern haben (Riesen beten ihre Vorfahren um Weisung an, Mojh beten zu den Drachen, etc.), sondern wahrscheinlich hat jeder Bewohner individuelle Präferenzen. Spielleiter können aus den Göttern sehr einfach genau das machen, was ihnen am liebsten ist - selbst Götter, die tatsächlich eine aktive Rolle übernehmen.

 

Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit der Geschichte der Welt. Vor Urzeiten kämpften die guten gegen die bösen Drachen, und die Dramojh, künstlich erschaffene Mischwesen aus Drache und Dämon sorgten dafür, dass die guten Drachen verloren und starben. Aber auch die bösen Drachen wurden nahezu ausgelöscht, was der aktuell üblichen Präsenz der D&D-Drachen in offiziellen Publikationen entgegen spricht. Jahrtausende später entstanden die ersten Königreiche der Menschen, bis eines Tages die Dramojh zurück kamen und alles eroberten und versklavten. Erst die Ankunft der Riesen vor etwa fünfhundert Jahren machte ihrer Schreckensherrschaft ein Ende, und nun regieren die gutmütigen Riesen über die Lande. Die Geschichte des Landes ist voller Mythen und Ideen, die ein Spielleiter nach seinem Gutdünken ausarbeiten kann.

 

Danach beschäftigt sich Cook zuerst mit der grundsätzlichen Geographie des Landes, anschließend mit den einzelnen Städten und Ländern seiner Welt, bevor er einige Organisationen vorstellt. All diese Abschnitte sind mehr Auszüge und Streiflichter der Realität, die einen thematischen Eindruck vermitteln, ohne detaillierte Auskunft zu geben. Ein Spielleiter bekommt hier das Gerüst geliefert, auf dem er sein eigenes Gebäude errichten muss.

 

Die Kosmologie von DT ist wiederum eine Abkehr von klassischen D&D-Ebenen. Es gibt zwar andere Welten/Ebenen, sie zu bereisen ist jedoch einerseits abhängig von stellaren Konstellationen, und andererseits nicht so einfach und alltäglich, wie uns in anderen Werken suggeriert wird. Tatsächlich sind Externare auf Serran äußerst selten, und ebenso wie Drachen viel eher als Individuen bekannt denn durch ihre Farbe oder genaue Stellung (z.B. "Mara, die königliche Verlockung", anstelle von "Der Sukkubus"). Es gibt auch weder Astral- noch Ätherebene.

 

Cook schließt das Kapitel mit einem Abschnitt über die Bedrohungen des Landes, welches sehr mächtige NSC vorstellt, die tatsächlich mehr als nur ein Dorf bedrohen könnten, gefolgt von einem Abschnitt über die mystischeren Orte Terrakals, und schließlich einer Zusammenstellung von sieben Abenteuerideen, die zusammen alle Stufen abdecken, mit denen man schnell in die Welt eintauchen könnte. Diese Abenteuerideen sind allesamt stimmungsvoll und stellen anschaulich die Konsequenzen einer gesinnungslosen Welt vor, in der man Personen nach ihren Taten und Ambitionen beurteilt und manchmal zwischen zwei Übeln oder zwei guten Dingen wählen muss.

 

"Chapter 2: Prestige Classes" ist vielleicht der Schwachpunkt des Buches. Hier werden acht neue Prestigeklassen vorgestellt.

 

  • Der Beast Reaver ist ein Krieger, der ein gewaltiges Untier zähmt und auf ihm reitet, vielleicht sogar mehr als eines dieser Tiere als Gefolge hat.
  • Der Crystal Warrior kann Kristalle zu Waffen und Rüstung weben, und wird später selbst kristallin.
  • Der Darkbond ist das Gegenstück zum Greenbond; ein Zauberkundiger, der sich der Finsternis verschrieben hat.
  • Der Giant Paragon ist ein Riese, der durch seine Verbundenheit zu seiner Rasse sogar eine weitere Größenkategorie wachsen kann.
  • Der Mage Priest wiederum bezieht besondere Fähigkeiten aus einem Bündnis mit extraplanaren Wesenheiten.
  • Der Ollamh Lorekeeper ist ein Faen, der das Wissen seines Volkes in sich trägt und bewahrt.
  • Der Rune Lord spricht sowohl Runethanes als auch Runechildren an, die eine engere Bindung zu ihren Runen eingehen und dadurch Kräfte freisetzen.
  • Der Somnamancer schließlich ist ein Zauberwirker, der in die Träume anderer sehen kann, sie manipulieren und aufspüren, und schließlich sogar durch das Traumland ferne Orte bereist.

 

Während die Prestigeklassen allesamt regeltechnisch gelungen zu sein scheinen und auch in die Welt passen, hätte ich persönlich mir doch noch wesentlich genauer definierte Klassen gewünscht, beispielsweise die Ritter des Diamantthrones oder andere an Organisationen geknüpfte Klassen. Meine Enttäuschung bezieht sich also weniger auf die Klassen, die vorhanden sind, als auf die Klassen, die nicht vorhanden sind. Auch sind die Prestigeklassen keinesfalls zwangsläufige Wahlen für Charaktere, da die Grundklassen bis in hohe Stufen hinein fesseln. Deshalb wären vielleicht etwas stimmungsvollere Klassen erforderlich gewesen.

Das Kapitel schließt mit einer Auflistung von DT-tauglichen Prestigeklassen aus dem Spielleiterhandbuch (3.0), den "Books of Eldritch Might", den beiden "Relics & Rituals" von SSS, sowie den für die Welt nötigen Veränderungen (der Assassine z.B. benötigt einige Fertigkeiten, die in AU nicht existieren, ein nicht vorhandenes Talent und hat eine Gesinnungsvoraussetzung, die allesamt angepasst werden müssen).

 

"Chapter 3: Magic Items" ist zunächst eine Richtlinie für die Einführung von magischen Gegenständen in die Welt. AU definierte die Erschaffungstalente für magische Gegenstände um, indem nicht mehr nach dem Aussehen, sondern nach der Funktion getrennt wurden. So gibt es nun Magic Arms and Armor, Single-Use Items, Spell-Completion Items, Charged Items und Constant Items. Welche Gegenstände man in welche Kategorie einordnet, und welche aufgrund fehlender Zauber in AU vielleicht gar nicht existieren (es gibt z.B. keinen Hast-Zauber), wird besprochen. Anschließend sind einige DT-spezifische Gegenstände, Verzauberungen und Artefakte aufgelistet, die eine Idee für mehr sind und gleichzeitig eine Personalisierung der Kampagne über Standard-Gegenstände hinaus ermöglicht.

 

"Chapter 4: Creatures" präsentiert zwölf neue Monster, die allesamt recht gelungen sind, sowie eine extensive Liste mit tauglichen Kreaturen aus den Grundregeln, den beiden "Creature Collections" und dem "Tome of Horrors" sowie eine genauere Besprechung der Wesen, die für DT leicht abgeändert werden müssen. Vampirismus ist z.B. ein Fluch, Medusas sind Relikte von Dramojh-Experimenten, etc. Insgesamt eine durch und durch ausreichende Liste, wenn auch das im Frühjahr erscheinende Kreaturenkompendium einige spezifischere Wesen verspricht. Die Monster sind allesamt im 3.5-Format gehalten, komplett mit einer fertig ausgearbeiteten Standard-Begegnung für das Wesen. Zu bemerken ist, dass die Standard-Gegner niedrigstufiger Gruppen nicht in DT vorhanden sind, oder unter anderen Vorzeichen existieren: Orks, Oger und Hobgoblins gibt es gar nicht, Goblins sind Abschaum der Zivilisation und bevölkern die Abwässer der Städte, und Kobolde sind die Nachkommen der Mojh. Stattdessen kämpft man hier gegen Chorrim und Rhodin, ab und an gegen Slassan oder die gefürchteten Zyklopen. Dies festigt das andersartige Flair der Welt und der Regeln und ist mir daher sehr willkommen.

 

Fazit

DT ist ein Überblick über die Welt ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Viele Dinge sind bewusst im Unklaren gehalten, und auch die deutlich beschriebenen Dinge sind explizit zur Änderung freigegeben. In den 94 Seiten des Buches kann auch nicht alles beschrieben werden, zumal auch noch magische Gegenstände, Monster und Prestigeklassen in dieser Seitenzahl enthalten sind.

Der Stil des Buches ist stets inspirierend, Mysterien und Mythen gibt es hier zuhauf. Die Kürze des Buches macht es zu einer gemütlichen und unterhaltsamen Lektüre (das Kampagnen-Set Vergessene Reiche an einem Stück zu lesen, ist schon ein wesentlich größeres Projekt), und durch die fehlende Spezifikation kann man auch nicht zu viel wichtige oder unwichtige Informationen vergessen. Tatsächlich kann man das Buch gutes Gewissens seinen Spielern geben, ohne dass sie den Spielleiter anschließend auf Details festnageln können oder Geheimnisse und versteckte Pläne entdecken; sie werden nur noch stärker in die Stimmung der Welt eingeführt und eingebettet, was wahrscheinlich zu einem farbigeren Spielerlebnis führt (man sollte vielleicht das Monsterkapitel nicht mit ausdrucken oder darauf hinweisen, eben dieses nicht zu lesen, aber nur, damit die Fähigkeiten der Wesen ein wenig im Dunkel bleiben).

Die regelintensiven Inhalte sind bisweilen ein wenig enttäuschend, wenn man seine Erwartungen an AU ausrichtet, aber dennoch durchweg gut und anscheinend ausgewogen.

Die fehlenden Details machen DT nicht zu einem Buch für Spielleiter, die sich die Arbeit von Designern abnehmen lassen, um sich auf das Abenteuer konzentrieren zu können. Wer sich aber durch offizielle Produkte bisweilen bevormundet oder zu bestimmten Beschreibungen gezwungen fühlt, oder eine Kampagnenwelt gerne zu seiner Kampagnenwelt macht, liegt mit DT schon ziemlich richtig.