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A Game of Thrones - Standard Edition
Bewertung:
(3.5)
Von: Matthias Lich
Am: 19.11.2005
Autor:Jesse Scoble et al.
Typ:
System:D20 3.5
Setting:Westeros / Game of Thrones-Welt
VerlagSword & Sorcery
ISBN/ASIN:1-58846-942-5
Inhalt:496 Seiten, Hardcover, Vollfarbig
Sprache:Englisch

A Game of Thrones

Mit Rollenspielen zu Büchern verhält es sich ähnlich wie mit Computerspielen zu Filmen. Die Qualitätsanforderungen sind hoch und die Erwartungen werden meist nicht erfüllt. „A Game of Thrones RPG“ ist das Spiel zur erfolgreichen Romanserie von George Martin (dt.: Lied von Eis&Feuer). Zum ersten Mal wurde das System der Öffentlichkeit auf der GenCon 05 vorgestellt und seitdem sind die Erwartungen nur noch gestiegen. Neben den Freunden der Romanserie freuten sich insbesondere Realismusfans und Anhänger von politischen Spielen auf das Quellenbuch. Tatsächlich war von den „A Game of Thrones“ (AGOT) Produzenten eine magiearme „low-level“ Welt mit politischen Möglichkeiten angekündigt.

 

Bleibt das Buch ein nettes Nachschlagewerk oder eignet sich als ernstzunehmende Kampagnenwelt?

 

Inhalt

Das Buch erscheint in zwei Versionen, einer Standardversion und einer Deluxeversion. Diese Rezension bezieht sich auf die Standardversion. Mit über 400 farbigen und dicken Seiten und wirkt das Buch beeindruckend umfangreich. Die Einleitung besteht aus einer sehr gelungenen, etwa 30 Seiten langen Einführung zu Rollenspiel und Fantasy in der Literatur, die so weit zurückgeht, dass sogar Goethe mit „Faust“ als Großvater der Fantasy erwähnt wird. Es folgt ein Kurzüberblick über den Kontinent Westeros, Klassen und Prestigeklassen, Fertigkeiten und Talente. Im Anschluss findet sich noch mal gut 100 Seiten lang eine Anleitung für Spiele in der Kampagnenwelt mit Hintergrundinformationen. Alle Charaktere des Romans werden abschließend mit Charakterwerten und Bild aufgeführt. Das Buch beinhaltet auch eine Faltkarte der Welt zum rausnehmen.

 

Inkompatible D20 Regeln

Die D20 Regeln wurden leicht verändert und die Macht der Spielmechanik deutlich abgeschwächt. Das macht das Spiel inkompatibel zu anderen Quellenbüchern und Kampagnenwelten. Es gibt neue Charakterklassen, die aber im wesentlichen an bekannte Charakterklassen angelehnt sind (Hunter, Man-at-Arms etc). Durch das Fehlen von Spruchklassen und damit dem Wegfallen von Heilzaubern wurde außerdem das Kampfsystem leicht variiert. Eingeführt wird zusätzlich zum Angriffswurf ein Verteidigungswurf, der durch die jeweilige Charakterklasse bestimmt wird. Stärke modifiziert den Angriffswurf nicht mehr, das Trefferpunktesystem wurde verändert, Schilde und Rüstungswerte angepasst. Einige Talente, die nach Meinung der Autoren zu stark waren, hat man aus dem Spiel genommen (z.B. Rapid Shot). Die Fähigkeiten der Charakterklassen wurden ebenfalls abgeschwächt (z.B. Sneakattack). Im Vergleich zu D&D spielen sich die Charakterklassen schwächer und das Ziel der Autoren, „powergaming“ zu eliminieren, wurde erreicht. Leider geht auch etwas das Besondere verloren. Bei einem magiearmen System hätte man sich etwas mehr Fokussierung auf Kampfmöglichkeiten gewünscht, ähnlich wie das vielleicht in „Iron Heroes“ erreicht wurde.

 

Neue Regeln

Die einzelnen Häuser und Familien bestimmen den sozialen Status der Charaktere. Ein höherer Sozialstatus hat einen höheren ECL zur Folge. Die wichtigste neue Regel betrifft den „Einfluss“ und die „Reputation“ von Charakteren. Die Reputation ermöglicht Modifikationen von sozialen Fertigkeiten wie beispielsweise Diplomatie, während der Einfluss Dinge wie Bestechung, Gunst und Wohlwollen fördert. Die Regeln ermöglichen einen hohen Anteil an politischer Interaktion, sind aber wenig ausgearbeitet und nicht komplex genug, erreichen beispielsweise nicht den Umfang der alten „Birthright“ Regeln.

 

Magie

Magie und Fantasy werden in der Romanserie zunächst nur sehr dezent eingesetzt. Daher ist die Zauberfähigkeit bei AGOT nur über ein besonderes Talent verfügbar, nicht über Charakterklassen. Hier lassen die Autoren den Spielleiter jedoch alleine, denn es wird kein einziger Zauber vorgestellt, lediglich Richtlinien und mögliche Zaubereffekte. Letztendlich wirkt diese Regelung etwas halbherzig und unausgearbeitet, erfordert zudem zur Umsetzung erfahrene Spielleiter und Spieler.

 

Ritter und Drachen

Im Vorwort des Spieles verkündet der Autor: „Dies Spiel handelt von Rittern, Rittern, Rittern und ... Rittern (und Drachen). Letztendlich finden sich nur zwei bis drei Seiten, die sich speziell mit Rittern auseinandersetzen. Es gibt nur einen winzigen Abschnitt über Turnierkämpfe und nur einen kleinen Teil über das Rittertum im Allgemeinen. Diese lückenhafte Darstellung könnte einige Leser stark enttäuschen, da selbst im Comic „Hedge Knight“ Informationen und Abbildungen von Wappen enthalten sind.

 

Fazit

„A Game of Thrones“ hat zu viel Respekt vor der Buchvorlage und bietet zu wenig Regelinhalt. Hier wurde von den Autoren leider viel Potenzial verschenkt. Alle paar Seiten haben die Autoren vermerkt, dass George Martin sich Änderungen vorbehält und die präsentierten Regeln nur approximiert sind. Auf die Einführung von Sachverhalten, die über den Roman hinausgehen, wurde komplett verzichtet. Im Mittelpunkt der Spielmechanik steht das rollenspieltechnische Agieren und das Ausspielen von Beziehungen der Häuser, wobei hierfür nur wenige Regeln angeboten werden. Powergamer, Highfantasy-Freunde sollten Abstand nehmen.

 

Für wen ist das Quellenbuch also geeignet? Dem Durchschnitts-D&D-Spieler dürften die Helden zu „low-powered“ und die Fantasyinhalte zu gering sein. Leser, denen die Romanvorlage unbekannt ist, werden mit Spoilern überhäuft und erhalten eine unvollständige und im Vergleich zu Standard-D&D-Welten schlecht ausgearbeitete Hintergrundwelt (teilweise gibt es Hinweise „read the books!!!“). Kenner des Romans erhalten zu wenig neue Informationen, Liebhaber von politischen Spielen und „Realismusfantasy“ zu wenig Regeln.

 

„A Game of Thrones“ ist in der gegenwärtigen Form demnach nur für echte Fans der Romanserie eine Alternative für eine dauerhafte Kampagnenwelt. In Zukunft sind allerdings noch weitere Quellenbücher angekündigt. Der Freund des Romans kann sich an den unzähligen und überwiegend gelungenen Bildern freuen und erhält ein nettes Buch zum Nachschlagen und Blättern. In dieser Hinsicht vermag AGOT durchaus zu gefallen und rechtfertigt daher auch den Kauf, auch wenn die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden.