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Conan – The Roleplaying Game (Atlantean Edition)
Bewertung:
(4.6)
Von: Folker Naumann
Alias: wuerfelgott
Am: 11.02.2007
Autor:Ian Sturrock
Typ:Grundregelwerk & Kampagnensetting
System:d20
Setting:Conan
VerlagMongoose Publishing
ISBN/ASIN:190-4-57769-5
Inhalt:354 Seiten, vollfarbig, Hardcover
Sprache:Englisch

„Evil certainly exists, but good? Perhaps only mankind can make good, with the might of their arms and the sharpness of their swords.”

 

Das nach dem - von Robert E. Howard geschaffenem - Helden benannte und hier vorgestellte Kampagnensetting in seiner 2. Auflage ist ein klassischer Vertreter des Sword&Sorcery-Stils. Es finden sich hier weder Elfen noch Zwerge und auch die Magie entspricht keinem farbenfrohen Feuerwerk, sondern kriecht eher wie ein Schatten durch die Welt. Zahlreiche Kirchen und Kulte verbreiten die Botschaften ihrer Götter, deren Existenz alles andere als sicher ist. Sklaven können zu Königen aufsteigen und mächtige Magier sich als Götter verehren lassen. Vor diesem Hintergrund zählt nicht die Rettung der Welt, sondern nur das persönliche Streben nach Glück, Ruhm und Reichtum oder Gutem. Angesiedelt ist das Ganze in einem düsteren, mystischen Zeitalter (dem Hyperboräischen) vor dem unsrigen, das mit dem Untergang von Atlantis eingeleitet wurde und in dem alte Zivilisationen, junge Reiche und barbarische Stämme aufeinander treffen.

 

Inhalt

Nach einer kurzen Einführung in die Welt folgen die grundlegenden Spielmechanismen. Dazu zählen die Attribute, Traglast und Bewegung sowie Erkundung. Prinzipiell dasselbe wie in den entsprechenden Abschnitten des d20-Systems. Der Stufenaufstieg und die damit verbundene Vergabe von Fertigkeitspunkten, Talenten und Attributssteigerungen erfolgt nach dem bekannten Schema. Neu ist, dass ab der 6. Stufe in regelmäßigen Abständen alle Attribute erhöht werden. Dafür stoppt ab der 10. Stufe das Auswürfeln der Trefferpunkte und es wird nur noch ein festgelegter Bonus vergeben (AD&D lässt grüßen).

 

Im Kapitel über die Völker finden sich insgesamt 25 Spielerrassen inklusive Varianten, die die einzelnen menschlichen Stämme und Zivilisationen repräsentieren. Im regeltechnischen Aspekt unterscheiden sich die verschiedenen Völker meist durch unterschiedliche Boni (Fertigkeiten, Waffen) und Talente. Seltener sind Modifikatoren der Attribute, wobei es Boni - außer in einem Fall - nur auf körperliche Attribute gibt. Neben den bevorzugten Klassen haben Völker auch verbotene Klassen. Diese können erst mit Zustimmung des SL auf höheren Stufen gewählt werden, zusätzlich erhalten die Charaktere Bonustalente wenn sie die von ihrem Volk bevorzugte Klasse wählen.

 

Die zur Verfügung stehenden Klassen ähneln in ihren Fähigkeiten teilweise den aus dem d20-System bekannten. Dazu zählen der Barbar (Barbarian), der Waldläufer (Borderer), der Schurke (Thief) und der Kämpfer (Soldier). Mit dem Nomaden (Nomad) und dem Piraten (Pirate) sind zwei weitere Klassen vorhanden, die in ihrer Ausprägung am ehesten als berittener Waldläufer bzw. als seefahrender Dieb charakterisiert werden können. Die vielseitigste Klasse ist wahrscheinlich der Adlige (Noble) mit seinen regionalen und sozialen Spezialfähigkeiten (Do You Know Who I Am?). Der Adlige erfordert jedoch auch am stärksten die Mitwirkung des Spielleiters, da viele der Fähigkeiten in ihrer Auswirkung von der Kampagne abhängen. Zu guter Letzt folgt die einzige magiebegabte Klasse des Settings, der Gelehrte (Scholar). Dieser kann je nach Ausrichtung Magier oder Priester verkörpern. Mehr dazu in den Kapiteln über Talente und Magie. Zur weiteren Gestaltung des Charakters stellt das System sogenannte Fate Points (eine Art Action Points), einen Ehrenkodex, Loyalitäten und ein Reputationssystem zur Verfügung. Fate Points können dazu eingesetzt werden, den SC vor dem sicheren Tod zu bewahren, seine Corruption (siehe Magie) zu verringern oder erzählerischen Einfluss auf das Spielgeschehen zu nehmen. Da es bei Conan keine Gesinnungen gibt, kann (muss aber nicht) ein entsprechender Ehrenkodex gewählt werden, der in bestimmten Situationen (z.B. gegen Corruption) hilfreich ist. Loyalitäten und Reputation dienen vor allem dem kampagneneigenen Flair, können aber unter den richtigen Umständen Boni auf soziale Fertigkeiten geben.

 

Über das Fertigkeitskapitel ist nicht viel zu sagen, da es sich durchweg an das bekannte d20-System anlehnt. Einzig bei Handwerk und Wissen sind kampagnenspezifische Einflüsse vorhanden, die besondere Gegenstände bzw. die Welt und ihre Eigenheiten betreffen. Die Fertigkeit Heilkunde wurde um kurzzeitige Pflege erweitert, um dem Mangel an magischen Heilmöglichkeiten Rechnung zu tragen. Anzumerken ist vielleicht noch, dass durch die Völker und Klassen die Charaktere über deutlich mehr Fertigkeitspunkte und Klassenfertigkeiten verfügen als das Standard-d20-System vorsieht.

 

Unter den Talenten finden sich viele alte Bekannte wieder. So sind die Kampftalente (Heftiger Angriff, Kampf mit zwei Waffen, Verbessertes irgendwas, etc.) alle vorhanden, mit Ausnahme der Waffenfinesse (mehr dazu im Kapitel Kampf). Neben den ebenfalls bekannten Talenten mit Fertigkeitsboni finden sich auch neue Talente, die sich größtenteils auf die geänderten Spielmechaniken oder den Kampagnenhintergrund stützen. Darunter fallen auch Talente für Zauberanwender. So wird zum Beispiel ein Talent benötigt, um Priester zu werden.

 

Das Kapitel über Ausrüstung enthält neben den gebräuchlichen Ausrüstungsgegenständen zahlreiche (neue) Waffen, die im Durchschnitt teurer und heftiger im Schaden sind als die d20-Standardwaffen. Ganz allgemein baut die Welt auf einem geringeren Wohlstandsniveau gegenüber D&D auf. Dazu trägt auch folgende stimmungsvolle Regel bei: Solange die SC einen hohen Lebensstandard pflegen, geben sie pro Woche immer die Hälfte ihres Vermögens aus. Punkt. Als nette Randbemerkung sei noch erwähnt, dass ein Bastardschwert den Gegenwert einer Sklavin (weiblich, hochgeboren, gebildet, schön) darstellt. Männliche Sklaven (rebellische Wilde) bekommt man dagegen schon für einen Dolch.

 

Der Kampf bedient sich, wie schon angedeutet, einiger neuer Regelmechaniken. So gibt es keine RK mehr, sondern Rüstungen verleihen Schadensreduzierung. Der Angriffswurf wird entweder gegen den Parade- oder Ausweichenwert (Parry/Dodge Defence) ausgeführt. Diese Werte setzen sich aus einem Bonus abhängig von Klasse und Stufe, dem Bezugsattribut (Stärke oder Geschicklichkeit) und evtl. weiteren Boni (Schilde, Talente, etc.) zusammen. Dabei ist vom Verteidiger prinzipiell wählbar, welcher Wert verwendet wird. Jeder Charakter kann bei bestimmten Waffen ebenfalls wählen, ob er diese mit Finesse benutzt. Daraus ergibt sich eine unterschiedliche Behandlung der Schadensreduzierung von Rüstungen. Eine weitere Regelung betrifft neue Kampfmanöver. Diese ähneln vom Prinzip her den taktischen Talenten aus dem Complete Warrior, mit dem Unterschied, dass jeder, der die Voraussetzungen erfüllt, sie einsetzen kann.

 

Das Kapitel Magie führt komplett neue Mechanismen zu Zaubern ein und ist insofern völlig inkompatibel mit dem D&D-System. Ein zauberkundiger Charakter benötigt gute Werte in allen drei geistigen Attributen. Über die Weisheit erhält er sogenannte Power Points (PP), die sein Energiereservoir darstellen und von jedem Zauber je nach Stärke oder Dauer verbraucht werden. Durch Rast, Drogen oder (Opfer-)Rituale kann der Zauberwirker seine PP wieder auffüllen oder sogar für eine Weile überschreiten, um mächtigere Zauber zu wirken. Um Zauber zu lernen muss zuerst einer der 9 Zauberstile erlernt werden. Ein solcher enthält neben einem Basiszauber mehrere fortgeschrittene Zauber, die sich separat angeeignet werden müssen. Stufenweise und je nach Intelligenz erhält der Gelehrte so die Möglichkeit einen neuen Zauberstil oder Zauber zu erlernen. Die Zauber folgen in ihrem Schema (Dauer, Reichweite, etc.) dem d20-System, außer den erwähnten PP und einem magischen Angriffwert (Magic Attack Bonus). Dieser ist wie der GAB Stufen- bzw. Klassenabhängig und benutzt Charisma als Bezugsattribut. Er legt den Schwierigkeitsgrad für einen Rettungswurf fest. Zauber variieren in ihrer Nützlichkeit und Stärke enorm. So kann auf der gleichen Stufe beispielsweise ein „simpler“ Hypnosezauber oder ein nahezu epischer Zauber, der hunderte von Menschen umbringt, erlernt werden. Auch um solche extremen Einsätze von magischer Macht abzufedern gibt es die so genannte Corruption. Sobald ein Charakter mit Dämonen, dunklen Gottheiten oder eben erwähnten Zauber (inter-)agiert, besteht die Chance korrumpiert zu werden und dem Wahnsinn zu verfallen. Daneben gibt es in diesem Kapitel noch weitere stimmungsvolle Regeln zum Wirken von Zaubern, besondere Rituale und alchemistische Gegenstände. Letztere, sowie ganz allgemein magische Gegenstände, sind äußerst selten und auch nicht im Handel erhältlich.

 

Die anschließenden Kapitel beschäftigen sich mit dem Hyperboräischen Zeitalter, den Ländern der Welt und den Religionen. Nach einer kurzen Einführung werden die wichtigsten Orte, Regionen und Sprachen sowie vor allem die Armeen der einzelnen Reiche erwähnt. Die Religionen Hyperboreas bestehen aus einzelnen Göttern, ganzen Pantheonen und dämonischen Kulten. Außer der jeweiligen Beschreibung finden sich hier auch Richtlinien für Anhänger oder Priester des jeweiligen Glaubens. Der Beitritt zu einer Religion kostet meist nur eine geringe Spende und verschafft Charakteren ein paar Vorteile (neben den allgemeinen Nachteilen, eventuell Menschenopfer oder ähnliches darbringen zu müssen). Daneben finden sich zahlreiche Verweise auf die Conan-Romane und Aufhänger für Abenteuer in diesen Kapiteln.

 

Natürlich dürfen auch Gegner nicht fehlen, daher enthält ein weiteres Kapitel Werte von menschlichen Gegnern, Tieren und auch übernatürlichen Kreaturen. Im Allgemeinen sollten Letztere eher die Ausnahme darstellen und deswegen mit Bedacht eingesetzt werden. Besonders die Dämonen sind hierbei hervorzuheben, denn sie verleihen der Welt eine ganz besondere Note.

 

Den Schluss bildet ein Kapitel über Abenteuer und Kampagnen, das dem SL allgemeine Tipps zur Spielleitung, Erfahrungspunktevergabe und Hintergrundmotiven an die Hand gibt. Auch hier finden sich wieder viele Beispiele aus den Conan-Romanen, die das Flair der Welt vermitteln sollen.

 

Layout

Das Buch kommt als vollfarbiges Hardcover in guter Qualität daher. Das Titelbild ziert – wie nicht anders zu erwarten – Conan samt einer blonden Kriegerin. Das gelungene Artwork setzt sich im Inneren fort, wobei die Bilder zwischen guter und sehr guter Arbeit wechseln. Die schön verzierten Seitenränder nehmen teilweise etwas viel Platz weg, aber entschädigen durch einen fantastischen Gesamteindruck. Die Überschriften in blutroter Schriftart heben sich gut vom pergamentenen Hintergrund ab und auch der normale Text ist leicht lesbar. Überall im Buch verteilt finden sich kurze Auszüge aus den Conan-Romanen in abgesetzten Feldern, die den Regeltext auflockern und zur bildlichen Darstellung beitragen.

 

Fazit:

Von den Regelmechanismen her betrachtet, bietet das Conan-RPG einiges an neuen und innovativen Ideen. Vor allem die Umsetzung der Magie als ein nicht alltägliches, potentiell mächtiges, aber auch gefährliches Mittel ist meines Erachtens rundum gelungen. Aber auch das veränderte Kampfsystem gefällt mir sehr, obwohl ich noch nicht ganz einzuschätzen vermag, inwieweit sich die Kämpfe dadurch eventuell verlängern. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Powerniveau der Klassen auf unteren Stufen bei Conan leicht über dem des Standard-d20 liegt, auf hohen Stufen aber abfällt. Aus Balancierungs- und Optimierungssicht sind mir nur wenige negative Dinge aufgefallen. Diese empfinde ich zwar als etwas fragwürdig, aber nicht als so gravierend, da beide Sichten für mich von nachrangiger Bedeutung sind.

 

Es fällt schwerer das Flair, das mit dem Hintergrund vermittelt wird, in Worte zu fassen. Wer einige der Conan-Romane kennt, wird viele der typischen Geschehnisse und Geschichten in den Regeln wieder finden. Die Filme transportieren leider nur einen Teil der Welt, aber dennoch fallen beim Lesen des Buches sofort einige der gezeigten Handlungen auf. Sowohl Schreibstil als auch Artwork tragen ihr Übriges zu einem absolut stimmungsvollen Auftritt bei, der nur durch vereinzelte Druck- und Satzfehler getrübt wird.

 

Zum Abschluss möchte ich noch anmerken, dass das Setting meiner Meinung nach einen erfahrenen Spielleiter erfordert. Zum einen da einige Regeln nach Ermessen des SL angewendet werden und zum anderen da die Zauberauswahl (ohne Erweiterungsbände) ausbaufähig ist. Wer dies nicht scheut, der findet mit dem Conan-RPG eine wunderbare low-magic-Welt mit vielen unterschiedlichen Möglichkeiten, eine Kampagne zu gestalten.