Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Star Wars RPG: Saga Edition [2007]
Bewertung:
(4.5)
Von: Sven-Christoph Schütt
Alias: Grille
Am: 28.07.2007
Autor:B. Slavicsek, A. Collins, JD Wiker, O. Stephens, C. Perkins u.a.
Typ:Grundregelbuch
System:Star Wars D20
Setting:Star Wara
VerlagWizards of the Coast
ISBN/ASIN:978-0-7869-4356-2
Inhalt:286 Seiten, Hardcover, Quadratisches Formst
Sprache:Englisch

Saga Edition...

Vor langer, langer Zeit kam kurz nach der Veröffentlichung von D&D 3.0 ein neues Star Wars Regelwerk von Wizards of the Coast heraus. Eine Revision, eine übersichtliche Anzahl an Quellenbüchern und Abenteuern später gibt es zum 30-jährigen Jubiläum von Star Wars wieder ein neues Regelwerk – Star Wars Saga Edition: ein (Neu-)Anfang für Einsteiger und Veteranen. Dieses Regelwerk bringt viel Bekanntes in veränderter Form zu Tage. „Unseren Blick sie verdunkelt hat“, sagte einst ein Jedi. Ich werde trotzdem versuchen, einen objektiven Blick auf das Regelwerk zu werfen.

 

Erster Eindruck

Die Frontseite des quadratischen Buches mit seinem festen, schwarzen Einband ziert eine gold-schwarze Abbildung von Darth Vader. Auf der Rückseite sind die weiteren bekannten Protagonisten aus den ersten sechs Episoden abgebildet.

Die sechzehn Kapitelanfänge sind vollfarbig und stimmungsvoll - dank einer guten Auswahl des Bildmaterials, das hervorragend arrangiert ist. In den Kapiteln selbst findet man ebenfalls eine Reihe von farbigen Abbildungen und Bildern. Zwischen altbekannten Bildern gibt es auch einige neue. Generell ist das Layout schlicht und funktional gehalten.

 

Auf dem zweiten Blick

Das Attributssystem unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von den vorherigen Werken. Immer noch gibt es die Attribute Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution, Intelligenz, Weisheit und Charisma, die in vielfältiger Weise Einfluss auf die Fähigkeiten des Charakters haben.

Ein wesentlicher Unterschied zu den vorherigen Regelwerken besteht darin, dass sich neuerdings die Veränderung der Intelligenz nachträglich auf die Anzahl der Fertigkeiten auswirkt.

Nichts Neues gibt es bei der Auswahl der Spielervölker: Es sind immer noch die 17 Spielervölker aus der Revised-Edition. Verändert haben sich aufgrund der Überarbeitung des Regelsystems jedoch Regelaspekte der einzelnen Völker. Manche haben neue Fähigkeiten bekommen, zum Beispiel sind die Ithorianer, inspiriert durch die Clone Wars Comic-Serie, neuerdings in der Lage, einen Schallangriff durchzuführen!

Nicht nur die Völker wurde neu überarbeitet, sondern auch die wenigen noch vorhandenen Klassen. Neben dem jedi gibt es nur noch den noble, den scoundrel, den scout und den soldier. Diese fünf heroic classes sind die einzigen Grundklassen. Sie unterscheiden sich durch die Anzahl an Fertigkeiten, die Liste an Klassenfertigkeiten, die Trefferpunkte, die Auswahl an Bonustalenten und den – bitte nicht mit der deutschen Übersetzung von feats verwechseln – talents. Wie bereits aus D20 Modern bekannt, haben die talents nun die alten Klassenfähigkeiten ersetzt. Für jede Klasse steht eine ausreichende Anzahl (3-5) talent-trees zur Verfügung. Jeder talent-tree besitzt 3-5 einzigartige talents, die die Spezifik eines Charakters regeltechnisch unterstützen.

 

Und nicht nur die Klassen wurde grundlegend erneuert – auch das Fertigkeitssystem. Erstmal ist die Anzahl der Fertigkeiten deutlich reduziert worden, ihre Anwendungen sind mannigfaltiger und die Ränge sind nicht mehr individuell verteilbar: die Ränge steigen automatisch im Verhältnis 1:2 zur Charakterstufe. Trainierte Klassenfertigkeiten, die immer um fünf Punkte höher sind als untrainierte Fertigkeiten, geben dem Charakter zusätzliche Möglichkeiten, die Fertigkeiten einzusetzen. Die Verbesserung der Werte der Fertigkeiten durch die Attribute bleibt bestehen.

 

Auch die Talente wurden überarbeitet und viele neue sind hinzugekommen. Trotzdem ist die Auswahl an Talenten übersichtlich geblieben. Die neuen Talente erlauben zusätzliche Angriffe, die es nicht mehr automatisch durch einen entsprechend hohen GAB-Wert gibt, oder sie geben Zugriff auf die force powers. Und die Macht hat sich verändert. Wieder einmal wurde ein Element aus dem D20-Modern Setting übernommen: die action-points. Nur sind sie an Star Wars angepasst, heißen also force points und ersetzen komplett die alten, gleichnamigen Mechanismen aus der vorherigen Edition. Zudem können einige Anwendungen der Macht durch force powers, force techniques oder force secrets auf eine andere Art und Weise genutzt werden.

Positiv finde ich, dass neben einigen grundlegenden Anwendungen der Macht durch die Fertigkeit use the force nun die stärkeren Anwendungen einzig und allein durch force powers ermöglicht werden. Die force powers erhält man durch das Talent force training und ihre Anzahl ist abhängig von der Weisheit. Die Anzahl der Anwendungen während eines Encounters ist begrenzt, steht aber an dessen Ende wieder in vollem Umfang zur Verfügung.

Noch etwas sehr erfreuliches: in dem vorliegenden Regelwerk werden alle wichtigen Machttraditionen durch eigene talent-trees und Prestigeklassen abgedeckt: neben den Jedi sind die Sith, die Hexen von Dathomir und die Jensaari vertreten. Auch sind die vielen Fans bekannten Lichtschwertstile durch einen talent-tree vertreten.

Eine Neuauflage eines Regelwerkes ohne eine Überarbeitung des Kampfsystems wäre keine Neuauflage. Die Änderungen des Kampfsystems sind umfangreich. Neben der genannten Veränderung (keine iterative attacks mehr) werde ich drei für mich wichtig erscheinenden Änderungen kurz erläutern.

Gab es früher noch die defense und drei verschiedene Rettungswürfe, gibt es in der Saga Edition nur noch drei defense-Werte (fortitude, reflex und will). Damit muss nur noch der 'Angreifer' einen Wurf machen, um festzustellen, ob eine Aktion erfolgreich ist (Schaden ausgeteilt wird etc.).

Neben dieser doch wesentlichen Änderung wurden die Trefferpunkte bei Star Wars eingeführt und lösen das alte und sehr tödliche woundpoints/vitalitypoints-System ab. Um die Möglichkeit für niedrigstufige Charaktere, den „lucky hit“ (einen tödlichen Glückstreffer) zu landen beizubehalten, wurde eine weitere wesentliche Änderung im Kampfsystem eingeführt: der condition track. Im Zusammenspiel mit dem damage treshold, einem von der fortitude defense abhängigen Wert, beschreibt der condition track den Werdegang der Kampfleistung eines Charakters. Der condition track ist unabhängig von den Trefferpunkten und verändert sich nur dann, wenn ein Charakter gleich viel oder mehr Schaden als seinen damage treshold erhält. Wirkt sich das Absinken auf die erste von fünf Stufen noch moderat auf Angriffs- und Verteidigungswerte aus, ist ein weiteres Absinken deutlicher dramatischer. Auf der letzten Stufe wird der Charakter bewusstlos.

Die dritte wesentliche Änderung sind die aus D&D und D20-Modern bekannten swift-actions. Viele Fähigkeiten benötigen zur Aktivierung swift-actions und die Vielfalt an Optionen macht das Spiel insgesamt interessanter.

 

Was wäre Star Wars ohne Raumschiffkämpfe? Kein Star Wars. Im Rahmen der Vereinheitlichung des Regelwerkes wurde auch der Raumkampf überarbeitet. Dabei sind zwei Aspekte hervorzuheben: zum einen sind die Werte von Raumschiffen ähnlich aufgebaut wie die Werte der Charaktere. Die Raumschiffe besitzen einen Stärke-, einen Geschicklichkeits-, einen Konstitutions- und einen Intelligenzwert. Sie haben einen reflex defense-Wert und einen fortitude defense-Wert, einen damage treshold-Wert und Trefferpunkte. Neben der obligatorischen Schadensreduzierung, die jedes Fahrzeug hat, besitzen einige Raumschiffe noch Schilde, die ebenfalls Einfluss auf die Ermittlung des tatsächlich erlittenen Schadens haben.

Zum zweiten gibt nur noch einen einheitlichen Maßstab für die Größenkategorien: ein Charakter ist im Kampf gegen einen Sternenzerstörer immer noch mittelgroß, der Sternenzerstörer ist kolossal. Ohne Umrechnung der Angriffswürfe und Einschränkungen in der Waffenwahl können sich Charaktere und Raumschiffe nun miteinander duellieren.

 

„Finding him was the will of the Force, I have no doubt of that.“ - Qui-Gon Jinn

Ein völlig neuer und optionaler Mechanismus ist das Schicksal (destiny). Er soll Spieler für gutes Rollenspiel belohnen und Spielleitern neue Abenteueraufhänger zur Verfügung stellen. Destiny ist regeltechnisch verankert und gibt einem Charakter Boni, wenn er auf dem Pfad zum Schicksal ist, oder Mali, wenn er sich vom vorgezeichneten Pfad entfernt. Mit dem Erwerb neuer Stufen erhalten Charaktere neue destiny-points, diese können dafür genutzt werden „to perform nearly impossible tasks“.

 

Der Höhepunkt des Schicksals ist erreicht wenn ein Charakter sein Schicksal erfüllt hat. Der Charakter wird dauerhaft belohnt. Es gibt verschiedene Vorschläge für Schicksale von Charakteren, aber diese können von Spielleitern nach Belieben verändert werden.

Es ist der gewagteste Schritt in diesem Regelwerk – und das Salz in der Suppe. Der Fokus wird weg von den machtsensitiven Charakteren auf die Charaktere mit einem Schicksal verlagert.

 

Diese Rezension gibt keinen allumfassenden Einblick in dieses Regelwerk sondern soll einzig und allein einen Vorgeschmack geben. Viele weitere Informationen sind den Saga Edition Previews auf der Wizards-Seite und den diversen Diskussionsthreads (auch in diesem Forum) zu entnehmen.

 

Mein Fazit

Dieses Regelwerk ist im Grundsatz gut. Die vielen kleinen Fehler, die es in jeder 1.Auflage eines Regelwerkes gibt, beeinflussen das Gesamtergebnis nicht. Durch seine Geradlinigkeit ist das System einfacher zu handhaben, mit den talent-trees werden Charaktere regeltechnisch vielschichtiger und mit dem destiny-System kann jeder Charakter, unabhängig von seiner Klassenwahl, zu einem Helden werden. Zu Helden wie wir sie aus den Filmen kennen.

Die in vielen Foren diskutierten Themen - wie z.B. der Raumkampf und die Dunkle Seite - sehe ich weniger kritisch, gleichwohl ist das vorgelegte Regelwerk nicht perfekt. Für die Regeln, die 70% meiner Benotung ausmachen, gebe ich 4.5 Punkte.

Für das Flair, das 20% meiner Benotung ausmacht, vergebe ich 5 Punkte. Durch die bereits erwähnte gute Auswahl an Bildmaterial und dem gradlinigen aber SW-typischen Layout, kommt der nötige Star Wars-Flair auf.

Obwohl die Seitenzahl reduziert ist, wirkt dieses Regelwerk umfassender als die vorherigen Regelwerke. Zwei Beispiele hiefür: Die Lichtschwertformen und die kybernetische Gliedmaßen sind bereits im Regelwerk integriert. Dennoch fehlt meiner Meinung nach noch einiges Material. Ein paar Seiten mehr im Buch hätten gereicht, um diese Lücke zu füllen und in der Kategorie Vollständigkeit die Maximalpunktzahl zu erreichen. Das Nachreichen von herausgeschnittenen Materialien in Form von Web Enhancements, wie es bereits mit dem outlaw tech-talent tree passiert ist, fließt nicht in die Wertung mit ein. Es gibt daher eine 4.0 für die Vollständigkeit und diese Note geht mit 10% auf die Gesamtnote ein.

Insgesamt komme ich auf eine 4.65 – abgerundet sind das 4.5 Sterne und damit deutlich besser als meine Bewertung der ersten D20-Fassung.