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Der Hexer von Salem - Tage des Mondes
Bewertung:
(2.3)
Von: Patrick Pricken
Alias: Berandor
Am: 06.10.2007
Autor:Andreas Melhorn (u.a.)
Übersetzer:---
Typ:Abenteuer
System:Cthulhu
Setting:Der Hexer
VerlagPegasus Press
ISBN/ASIN:978-3-937826-76-9
Inhalt:42 Seiten Softcover
Sprache:Deutsch

Vorbemerkung

Ich kenne Cthulhu nur ganz am Rande und primär über die Diskussion, ob es ein Monsterbekämpfungs- oder ein Horrorstimmungsspiel ist. Insofern entschuldige ich mich vorab für mögliche Fehlaussagen über das System. Auch wenn ich durchaus auf das System eingehen werde, sollen diese Randbemerkungen zudem als solche verstanden werden. Sie flossen nicht in die Benotung dieses Abenteuers ein, wenn sie für mich Bestandteile des gesamten Spieles waren – weder in positiver noch in negativer Hinsicht.

 

Erster Eindruck

Das dünne Abenteuerheftchen macht einen ganz ordentlichen Eindruck. Das Titelbild zeigt eine Art Dämon, der aus einer Säule wächst, und darunter den Titel des Abenteuers in einer ähnlichen Schriftfarbe, wodurch die Buchstaben leicht mit der Grafik verschwimmen. Mit Ausnahme des Titelbilds ist das Abenteuer zweifarbig gehalten. Es gibt ein paar Zeichnungen, aber grundsätzlich illustrieren Fotografien und Standbilder aus alten Filmen (wahrscheinlich alle public domain) das Geschehen. Das Abenteuer ist auf glänzendem Papier gedruckt, was auf den ersten Blick einen hochwertigen Eindruck macht. Das Abenteuer selbst besteht mehr oder weniger aus Fließtext mit einzelnen Überschriften; lediglich konkrete Spielleiterhinweise oder die – im Vergleich zu D&D erstaunlich kurzen – Spielwerte von NSC sind deutlich in Boxen abgesetzt. Die Schriftart ist klein, aber für mich gut lesbar.

 

Insgesamt macht das Abenteuer einen stimmigen Eindruck auf mich: Gräulicher Seitenhintergrund und Bilder aus den Zwanzigern versetzen den Leser schnell in die entsprechende Zeit. Gleichzeitig ist es etwas schwieriger, schnell etwas zu finden, da man sich fast nur anhand der Überschriften orientieren kann.

 

Die Kurzgeschichte

»Tage des Mondes« enthält »die neue Hexer-Kurzgeschichte ›Die Feuerteufel‹ von Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler«. Diese Geschichte ist zehn Seiten lang und nimmt daher gut ein Viertel des Bandes ein. Ohne genauer darauf einzugehen – die Geschichte fließt natürlich auch nicht in die Bewertung ein – war ich doch etwas enttäuscht. Bei einem solchen Abenteuer würde ich von der Kurzgeschichte erwarten, einen Bezug zu den Geschehnissen oder gar eine Art Vorgabe zu erleben, wie Cthulhu gespielt wird. Es könnte ja mein erstes Kaufabenteuer sein. Stattdessen haben wir eine eher laue Geschichte über Robert Craven, »den Hexer«, dessen Talent, ausgehend von dieser Geschichte, darin besteht, von dämonischen Kreaturen manipuliert und beinahe getötet zu werden. Tatsächlich beginnt die Geschichte mit dem klaren Ziel, Roberts Sohn zu retten, und endet kurz vor dem sicheren Tod Cravens durch die Großen Alten. Er findet weder seinen Sohn, noch sehen wir ihn entkommen. Ziemlich nutzlos.

 

Das Abenteuer selbst

Ich sag’s nur mal zur Vorsicht: Es werden Plotdetails verraten werden. Spieler, die jetzt noch lesen: Bitte die Augen abwenden oder rausreißen. Danke!

 

In diesem Abenteuer werden die SC in eine Irrenanstalt gerufen, müssen eine Art Traumwelt bereisen und schließlich ein Ritual stoppen. Dem Abenteuer liegt der Grundriss der Anstalt bei, welcher insgesamt eher unwichtig ist, aber vielleicht in anderen Abenteuern von Nutzen sein kann.

 

Nun weiß ich, dass Kaufabenteuer generell und natürlich solche, die eine Form von Traumlogik etablieren wollen, nicht ohne Spielerbevormundung und eine gewisse Linearität auskommen. Allerdings gab es schon ein paar Stellen in diesem Abenteuer, die mir etwas sauer aufstießen. Für den Kontext ist es dabei wichtig, dass kaum irgendwelche Proben oder ähnliches angeführt werden, die von den Charakteren bestanden werden sollten oder könnten, um etwas im Abenteuer zu erreichen. Wenn aber Proben verlangt werden, dann sieht es gerne so aus:

 

»Jeder leichte Erfolg auf eine Fertigkeit, die auch nur entfernt mit Wissenschaft (Zoologie) oder Wissenschaft (Biologie) zu tun hat, kann dies zeigen. Zur Not bestätigt es Dr. Baltimore.«

 

»Verborgenes erkennen bringt zu Tage, dass die (...) einen Satz bilden, der nur erkannt werden kann, wenn man sich an der gegenüber liegenden Wand aufhält (sollte niemandem die Probe gelingen, sieht es jemand zufällig beim Rausgehen).«

 

Zunächst einmal handelt es sich bei beiden Informationen um ziemlich unwichtige oder verwirrende Sachen – aber wenn die Spieler das wissen sollen, dann muss man ihnen keine Probe abverlangen. Das wirkt wie Beschäftigungstherapie.

 

Ein anderer Punkt, den ich hier erwähnen möchte, ist die zwiespältige Herangehensweise an Spielerfreiheit. Einerseits wird in einem SL-Kasten sogar die Möglichkeit erwähnt, dass die Gruppe sich trennt und einige Spieler für einen Teil des Abenteuers nur zuschauen können, andererseits gibt es eine Situation mit einem Mädchen in Not:

 

»Entscheiden sich die Charaktere nicht sofort von allein, die Verfolgung der beiden aufzunehmen, bringt eine Idee die Erkenntnis, dass niemand das Mädchen rettet, wenn sie es nicht selbst tun. Die bewusste Entscheidung, das Mädchen seinem Schicksal zu überlassen, sollte mit entsprechendem Stabilitätsverlust (1W6) geahndet werden.«

 

Hier werden die Spieler also in das Abenteuer gepresst, was umso schmerzhafter auffällt, als dass das Mädchen zwei Absätze später von anderen NSC gerettet und ihr Angreifer getötet wird.

 

Soviel vorab, jetzt ins Abenteuer. Der erste Teil in der Klinik ist durchaus gelungen und eignet sich gut für den Soundtrack von »Einer flog übers Kuckucksnest«. Die beschriebenen Ereignisse reichen von amüsant bis schrecklich und sollten eigentlich jede Spielrunde motivieren, etwas zu unternehmen. Eine kleine Ausnahme gibt es, wenn ein SC Albträume hat. Hier gefiel mir die Idee sehr gut, die Spieler einzubinden. Von den drei vorgefertigten Träumen aber endete einer doch etwas komisch. Der Traum handelte davon, dass der SC seine Geliebte mit einem anderen Mann erwischt, und dann:

 

»Im Falle eines träumenden weiblichen Charakters wird Caitlyn durch (...) Steve ersetzt. Ansonsten bleibt die Szene absolut identisch, wodurch eine homoerotische Komponente hinzugefügt wird.«

 

Häh? Nicht, dass mich das jetzt unbedingt stört, aber da das Geschlecht des Dritten ansonsten völlig unwichtig ist, fand ich diese Notiz doch etwas befremdlich. Der einzige weitere Kritikpunkt meinerseits war die scheinbare Annahme, es gebe keine Schusswaffen. In der Zeit, in der dieses Abenteuer spielt, gab es auch Schusswaffen, aber alles ist darauf angelegt, zu fliehen oder in den Nahkampf zu kommen – selbst Soldaten stechen hier nur mit dem Bajonett zu (1W8+1). Wenn ich einen SC hätte, der mehr oder weniger professionell gegen Große Alte und deren Diener angeht, wäre eine Bleispritze meine erste Investition, noch vor der Lesebrille.

 

Jedenfalls müssen die SC dann wegen einer (nicht zu verhindernden) Entführung »hinter die Spiegel« in die Welt der Träume. Nun dehnen sich natürlich Entfernungen und die Ereignisse in dieser Welt gefielen mir eigentlich recht gut, auch die Einbindung der Träume. Jedoch gibt es hier eine Stelle, bei der die SC über das Geländer einer Brücke gekippt werden können und sich dann von außen festhalten müssen. Nirgends ist allerdings beschrieben, was im Falle eines Absturzes passiert. Tod? Wird der Charakter nur aus der Traumwelt geworfen? Können sie nicht abstürzen? Auch das Ende ist etwas ärgerlich, weil sowohl die Rettung des Entführungsopfers, als auch deren Tod möglich sind, diese beiden Resultate jedoch keinerlei Auswirkungen auf den Rest des Abenteuers haben (nur auf die »Erfahrungspunkte«).

 

Schließlich geht es nach London an eine weitere Klinik. Die SC können nun in diese Klinik einbrechen (verschiedene Wege sind angegeben), um festzustellen, dass sie bereits verlassen wurde und nur noch Leichen beherbergt:

 

»Nebenbei: Es gibt keinerlei verräterische Spuren auf dem Grundstück, die auf den Exodus zum See hinweisen würden.«

 

Also müssen die SC erst durch die Klinik streifen, ab und an den Schatten eines Harlekins erblicken, und sonst Leichen und andere Vorkommnisse sichten. Schließlich zeigt sich der Harlekin länger (er kann vorher nicht entdeckt/verfolgt werden) und führt die SC zu einer Nachricht:

 

»Wenn der Spielleiter alles richtig macht, vermuten die Charaktere zwar eine Falle, sind aber zu neugierig, um dem weiß geschminkten Mann nicht zu folgen. Folgen sie ihm nicht, geht er nach und nach immer weiter auf sie zu und übergibt ihnen seine Nachricht schließlich sogar direkt.«

 

Das nenne ich angewandten Spürsinn. Die Nachricht ist ein rätselhafter Hinweis: »Er ist beim Mirror Lake. Ihr entkommt ihm, wenn ihr entgegengesetzt zum Park flieht.« Die Leistung der Spieler besteht nun darin, zu erkennen, dass der Mirror Lake im Park ist. Zum Abschluss gibt es dann ein durchaus erspielenswertes Ritual an diesem See, bei dem allerdings auch mehr oder weniger keine Hinweise gegeben werden, wie man es stoppen könnte, und Pistolenschüsse durch Blattwerk und andere Deckung zunichte gemacht werden – das erinnert mich ein wenig an Filme der Jahrtausendwende, als Handys ständig keinen Empfang hatten oder leer waren, damit man sie nicht mit einbeziehen musste. Aber wie gesagt, das Ritual selbst ist gut beschrieben und wartet sogar mit dem Größten Alten auf. Creepy.

 

Fazit:

»Tage des Mondes« ist ein stellenweise gelungenes Abenteuer, aber kein Klassiker. Um mit dem Maß an Spielersteuerung durchzukommen, wie sie hier vorgenommen wird, müsste man m.E. noch tiefer in die Trickkiste greifen und die Szenen noch unwirklicher und zwingend unlogisch gestalten. So wirkte es manchmal auf mich, als seien die SC nur Figuren in der Geschichte des SL. Auch vermisste ich ein paar Regelangaben, z.B. mehr Aktionsmöglichkeiten, aber auch den Einschluss von Feuerwaffen. Einzelne Szenen waren aber gut beschrieben und die Idee, erlebte Albträume von den Spielern erfinden zu lassen und diese dann später ins Abenteuer einzubauen, gefiel mir richtig gut. An der Präsentation lässt sich m.E. nicht rummäkeln.

 

Nachtrag: In einer Forendiskussion bin ich darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Welt des Hexers als eigenes Setting im Cthulhu-Regelsystem grundsätzlich mehr Wert auf Erzählspiel denn auf Aufgabenbewältigung legt. Außerdem ist »das Hexer-Grundregelwerk ein Pulp-Erzählspiel und nutzt die Pulp-Regeln aus Frank Hellers ›Cthulhu Piraten‹ und ›Cthulhu Wild West‹. Viele für Dich regeltechnisch schwammig wirkende Ausdrücke dürften also durchaus definiert sein. Z.B. ist ein tödlicher Sturz von einer Brücke noch zu verkraften, wenn man als Pulp-Personnage sowieso drei Leben hat, weil man als "Totgeglaubter" spektakulär nach alter Pulp-Manier wieder auftauchen darf. Auch Schusswaffen dürften nicht mehr ganz so fatal sein wie aus Cthulhu BRP gewohnt, da man als Pulp-Personnage die dreifache Anzahl Trefferpunkte besitzt.«