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The Quintessential Fighter
Bewertung:
(4.6)
Von: Daniel Heymann
Am: 11.11.2003
Autor:Matthew Sprange
Typ:
System:d20
VerlagMongoose Publishing
ISBN/ASIN:
Inhalt:128 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

The Quintessential Fighter

Klassenbücher, also Veröffentlichungen, die bestimmten Charakterklassen gewidmet sind, besitzen in D&D von jeher eine lange Tradition. Auslöser waren sicherlich die legendären "Complete"-Handbücher der 2nd Edition, von denen es gleich eine ganze Reihe gab. Während das erste Klassenhandbuch das Complete Fighters Handbook war, erfreuten sich das Paladin-, Ranger- und vor allem das Necromancer-Werk der Reihe einer ungeheuren Beliebtheit und werden heute noch als sehr kostspielige Raritäten bei eBay gehandelt.

 

Diese Tradition wurde auch in der dritten Edition von D&D fortgeführt - diesmal wurden die Klassenbücher jedoch auf jeweils zwei bis drei Klassen ausgedehnt und gegenüber den alten Veröffentlichungen auch deutlich verkürzt. Während das Erstlingswerk aus der Reihe - Sword & Fist - nur wenig Lob ernten konnte, konnten die anschließenden Werke, wie Tome & Blood, Song & Silence und Defenders of the Faith ein wenig an Substanz zulegen. Dennoch sind die neuen Klassenbücher immer noch umstritten, und vielfach wird ihnen vorgeworfen, nicht die Tiefe und Qualität der alten Reihe zu besitzen.

 

In diese Bresche will sich nun Mongoose Publishing mit ihrer neuen Reihe von Quintessential Büchern werfen - die im Kern nichts anderes darstellen, als die früheren Complete Veröffentlichungen. Ein nicht ganz unbescheidener Anspruch und in jedem Fall ein schweres Erbe...

 

Hält man das erste Werk der Reihe, das Quintessential Fighter Handbuch, in Händen, fällt einem sofort der Einband und die Aufmachung des Buches auf, welche doch extrem an die alten Complete Bücher erinnert. Hier wurde scheinbar ganz bewusst auf die alten Bücher abgezielt, was zumindest eindeutig zeigt, dass Mongoose ganz gezielt ein Revival der erfolgreichen Reihe plant. Auch der Umfang des Buches entspricht mit 128 Seiten den alten Complete Handbüchern und ist in jedem Fall ein ganzes Stück umfangreicher als die Klassenhandbücher von WotC, die sich auf 96 Seiten gleich mehreren Klassen widmen. Layout und Innenillustrationen sind angemessen, erreichen jedoch nicht den Standard, der von WotC vorgelebt wird. Hier wird Mongoose sicherlich in Zukunft noch einigen Boden gutmachen können, wenn es ihnen weiterhin erfolgreich gelingt, ihre Produkte am Markt zu positionieren.

 

Inhaltlich richtet sich das Buch an all jene Spieler, die gern einen Krieger in die Schlacht führen und stellt selbst den Anspruch, diesen Spielern nicht nur neue Regelmöglichkeiten und Erweiterungen zu bieten, sondern vielmehr der Kriegerklasse eine ganz neue Tiefe zu verleihen.

 

Eröffnet wird der Reigen durch ein Kapitel mit Charakterkonzepten. Diese Konzepte sollen dazu dienen, den Spielern Möglichkeiten für einen stimmigen Hintergrund aufzuzeigen. Die gebotenen Hintergründe sind allesamt absichtlich sehr klassisch gehalten und durchaus gut einsetzbar. Jeder Hintergrund bietet ein paar Rahmeninformationen, einige Vorschläge, wie und warum es den Charakter zum Abenteuerleben zieht und jeweils einen passenden Vor- und Nachteil. Die Charakterkonzepte bieten nur sehr geringe Vor- und Nachteile, da es sich in erster Linie um einen Hintergrund handeln soll, der nicht dazu dient, das Letzte aus dem eigenen Charakter herauszuholen. Die Balance scheint bis auf den Gladiatorial Slave sehr gelungen zu sein - dieser hingegen fordert vor allem Powergamer förmlich zum Missbrauch und kann dazu führen, dass viele Charaktere in Zukunft eine Jugend als Arenasklave verbracht haben. Als Hintergründe werden neben dem Gladiatorial Slave auch noch der Professional Soldier, Tribesman, Noble, Savage, Fop, Nomad, Outlaw, Thug, Beast Master, Explorer, Last Survivor und Fighter Assasin geboten. Einige dieser Konzepte werden den Lesern der alten "Complete"-Reihe durchaus bekannt sein und wurden dort als Kits angeboten.

 

Das nächste Kapitel befasst sich dann mit Prestige-klassen - dem Salz in der Suppe für einen echten Krieger. Während "Sword & Fist" bereits einige Prestigeklassen für Krieger enthält, wurden viele klassische und wohlbekannte Kits aus dem Complete Fighters Handbook nicht erneut umgesetzt - diesen Makel behebt nun das Quintessential Fighters Handbuch. Geboten werden die Prestigeklassen Berserker, Brawler (Faustkämpfer), Knight of the Griffin (Klassischer Ritterorden), Living Blade (Waffenmeister), Master Bowman (Meisterbogenschütze), Noble Defender (Adliger Schutzpatron), Officer of War (Berufssoldat), Peasant Hero (der Dorfheld), Swashbuckler (klassischer Mantel & Degen Kämpfer) und Legend (der Überheld). Alle Klassen sind auf fünf Stufen ausgelegt und haben mitunter recht ordentliche Voraussetzungen - sind also vor allem etwas für erfahrene Krieger jenseits der siebten oder zehnten Stufe. Die Balance scheint in den meisten Fällen gut gelungen, und es wurden in praktisch allen Fällen sehr allgemeingültige Klassen gewählt, die auch durchaus einsetzbar und spielbar sind. Vor allem hier unterscheidet sich das Buch angenehm von der Konkurrenz, die an vielen Stellen auf derart ungewöhnliche Kombinationen setzt, dass die Klassen zwar angenehm zu lesen, jedoch kaum zu spielen sind. Zwei Klassen heben sich jedoch aus der Masse ab und bedürfen einer besonderen Betrachtung - dies ist zum einen der ?Legend? und zum anderen der ?Berserker?. Betrachtet man den Barbarian aus den Grundregeln, war die neue Berserker Prestigeklasse im Prinzip nicht wirklich notwendig und bietet einige Überschneidungen, da der Barbarian ja bereits über die Berserker Rage verfügt. Die "Legend" hingegen ist allen anderen Klassen des Buches deutlich überlegen und bietet gar legendäre Fähigkeiten. Die Voraussetzungen der Klasse sind jedoch auch recht anspruchsvoll und dürften die Anforderungen an jede andere, bislang veröffentlichte Prestige Klasse übertreffen - diese Klasse ist fürwahr den legendären Kriegern alter Zeiten vorenthalten. Hier wagt sich Mongoose eigentlich in den Epic Level Bereich hinein, ohne dies explizit zu erwähnen - ob die Klasse jedoch im Vergleich zu den übrigen Epic Level Klassen noch ausgeglichen ist, wird sich erst sagen lassen, wenn das Epic Level Handbook von WotC veröffentlicht wurde.

 

Im Anschluss folgen dann die "Tricks of the Trade", eine Reihe von Regelerweiterungen bzw. Klarstellungen, die für Krieger interessant sein sollten. Dieses Kapitel beinhaltet einige Erweiterungen für die Herstellung von Waffen, Rüstungen und Bögen, neue Regeln für die Zerstörung von Waffen, die Ausführung von Duellen, Lanzengängen und den Kampf mit Schildwällen. All diese Punkte sind nicht wirklich notwendig und enthalten im Fall der Herstellungsregeln einige Widersprüche zu den Standardregeln, da die Rüstungsmacherei und Waffenschmiedekunst als Berufe und nicht als Handwerke behandelt werden. Das Besondere und wirklich neue in diesem Kapitel sind die Regeln für sogenannte "Called Shots" - gezielte Angriffe auf bestimmte Körperstellen, mit dem Ziel, einem Gegner der Funktionsfähigkeit eines seiner Gliedmaßen zu berauben. Die Möglichkeit, gezielt anzugreifen, wurde in der 3E aus Gründen der Einfachheit herausgenommen, so dass sich Spieler, die einen etwas realistischeren (und flexibleren) Kampf wünschen, durchaus freuen dürften.

 

Als nächstes folgen neue Feats, die von ihrer Balance einen guten Eindruck machen, wenngleich einige Feats nicht wirklich sinnvoll oder nötig erscheinen - ein Gefühl, welches sich bei praktisch jeder Featliste einschleicht. Einige der Feats sind jedoch durchaus erstrebenswert und vor allem für Bogenschützen, die in den Grundregeln nicht die mächtigsten Feats ihr eigen nennen können, gibt es die eine oder andere Verbesserung.

 

Die nächsten beiden Kapitel sind der Ausrüstung des Kriegers - vor allem seinen Waffen - gewidmet. Hier gibt es eine ganze Reihe neuer Waffen, die teilweise recht exotisch anmutet, teilweise aber nur Waffen der alten Edition neu aufbereitet. In jedem Fall wird es Krieger freuen, dass das Greatsword in der Gattung der mächtigsten Waffe nun vom Flamberge, einem großen gezackten Zweihandschwert, abgelöst wird. Neben neuen Waffen gibt es auch einige neue Rüstungen, wie zum Beispiel eine Dragon oder Hydra Scale. Das zweite der beiden Kapitel ist dann den Schusswaffen gewidmet - die in D&D ja seither eine sehr umstrittene Position einnehmen. Wer jedoch sein Spiel um Pulverwaffen anreichern möchte, erhält hier alle Hintergrund- und Regelinformationen, die er hierfür benötigt.

 

Auf knapp dreißig Seiten folgt dann eine wahre Freude für jeden Berufskrieger - Kampfstile. In diesem Kapitel werden zahlreiche Klassen und Schulen von Kampfstilen beschrieben, die besondere Vorteile für die Krieger mit sich bringen, die bereit sind, die notwendige Zeit zum Erlernen der Stile aufzubringen. Regeltechnisch sind diese Stile sicherlich bedenklich - kann ein Krieger sie doch jenseits der eigentlichen Feats und Skills lernen und sich so einen zusätzlichen Vorteil verschaffen - jedoch ergeben sich hier Möglichkeiten, einem Krieger ein ganz besonderes Gesicht zu verleihen, die den bisherigen Rahmen sprengen. Jeder Stil besteht aus fünf Stufen, die ein Krieger erklimmen kann, wenn er die notwendige Weisheit und Zeit mitbringt (und die notwendigen Voraussetzungen erfüllt, die zum Teil recht anspruchsvoll sind). Gerade die Kampfstile geben den Kriegern ein ganz neues, durchaus auch gefährlicheres Gesicht und bringen reichlich Möglichkeiten, dies auch im Rollenspiel aktiv einzusetzen. So ist die Mitgliedschaft in einer Kampfschule oder die Suche nach einem Lehrmeister immer ein guter Aufhänger für ein Abenteuer. Die gebotenen Stile sind Rain of Blades (Fechtstil mit leichten Waffen), Style of Cordun (Schildkampfstil für Ritter), Stoneholm (Axtkrieger der Zwerge), Blackfeather (Scharfschützen und Attentäter), Orask (Kraftbezogener Kampfstil für Orks und andere Goblinoide), Fegrin´s Pair (Zweihändiger Messerkampfstil), Ralix (Kampf mit Stangenwaffen), Desert Scorpion (schneller Kampfstil mit zwei Krummsäbeln), Horsepike (berittene Stangenwaffenkrieger), Arrows of Wind (berittene Bogenschützen), Bloodsteel Style (Orkischer Kampfstil mit der orkischen Doppelaxt), Eagleshaft Style (Kampfstil für Armbrustschützen), Mostern Style (Arenakampfstil), Oakenheart Style (Stabkampf) und der Quisane Stlye (Kampfstil mit Schwert und Peitsche). Die Anzahl der gebotenen Stile ist recht hoch und bietet fast allen Kämpfern eine gute Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Man merkt hier deutlich, dass Wert darauf gelegt wurde, möglichst für alle Waffengattungen einen möglichen Stil zu präsentieren - neue Stile lassen sich nach Studium des Kapitels leicht entwickeln.

 

Der Rest des Buches befasst sich mit den Lieblingsbeschäftigungen der Krieger. So findet man hier Informationen über den Ablauf von Turnieren, über die Festungen, in den Krieger sich gerne aufhalten, wenn sie gerade nicht ihren anderen Lieblingsbeschäftigen nachgehen, und die Rolle von Söldnern in der Spielwelt. Ein letztes Highlight für viele Leser dürfte das lang erwartete Regelsystem für die Abhandlung von Massenschlachten darstellen. Während Regeln für große Schlachten und Gefechte aus den Grundregeln der 3E weggelassen wurden, suchen Spieler immer wieder nach einer guten Möglichkeit, den Ausgang einer Schlacht zu bestimmen - diese, zugegebenermaßen nicht ganz einfachen Regeln bieten hierfür eine gute und solide Grundlage, versuchen sie doch die normalen Regelmechanismen auf Massenschlachten zu übertragen, so dass sich beide Teile homogen ineinander fügen lassen.

 

Fazit:

Das Quintessential Fighters Handbuch kommt in jedem Fall dem Ausdruck "Klassenhandbuch" wesentlich näher als alle vorherigen Veröffentlichungen anderer Hersteller. Die Fülle an Möglichkeiten und Erweiterungen sind außergewöhnlich, und auch, wenn sich sicherlich nicht jede Klasse, jedes Feat oder jeder Kampfstil ohne weiteres in die eigene Kampagne einfügen lassen, zeichnet sich das Buch doch in erster Linie dadurch aus, dass hier wirklich jeder etwas für sich finden sollte. Klassisch Bewährtes (Feats und Prestigeklassen) wird passend durch neue Innovationen (Charakterkonzepte, Kampfstile, Regeln für Massenschlachten) ergänzt, so dass es offensichtlich wird, dass in dieses Werk sehr viel konzeptionelle Arbeit geflossen ist. So hoch gesteckt der Anspruch, dem Krieger mit diesem Buch eine neue Dimension der Tiefe zu geben, auch sein mag - Mongoose kommt ihm wesentlich näher als alle ähnlichen Veröffentlichungen aus dem 3E- oder d20-Sektor. Über kurz oder lang werden die Quintessential Bücher sicherlich einen ähnlichen Status erreichen wie früher die Complete-Reihe, wobei abzuwarten bleibt, ob das hohe Niveau innerhalb der Reihe gehalten werden kann - etwas, das auch in der Complete-Reihe nicht möglich war...