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Paradise
Bewertung:
(3.3)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 19.06.2009
Autor:Benoit Sokal, Brice Bingono
Übersetzer:Monja Reichert
Typ:Comic, Graphic Novel
Setting:Fiction Afrika
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-940864-15-4
Inhalt:210 Seiten, Hardcover, US-Comicformat
Preis:24,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt

Mit zehn Jahren verließ Malkia Rodon zusammen mit ihrer Mutter das Land Mauranien, eines der paradiesischsten Länder Afrikas. Während Malkia in der Schweiz eine privilegierte Ausbildung genoss, blieb ihr Vater - König Rodon - in Afrika zurück. Die Jahre gingen ins Land und Malkia entwickelte sich zu einer entschlossenen Gegnerin des schmutzigen Regimes ihres eigenen Vaters. Zehn Jahre nach ihrer Ankunft in der Schweiz strebt die Bewegung „Neues Mauranien" eine Revolution mit dem Ziel an, den einst gütigen König Rodon zu stürzen. In dieser Situation sieht der langsam alternde Despot nur noch eine Chance: Er hofft, dass die Anwesenheit seiner Tochter die Aufständischen beruhigen kann, dass das Volk auf sie hört und sich gegen die Revolutionäre wendet. Was Rodon allerdings nicht weiß: Seine Tochter hat sich zwischenzeitlich der Organisation „Neues Mauranien“ angeschlossen, die seinen Sturz vorbereitet.

 

Das Flugzeug, mit dem Malkia zu ihrem Vater kommen soll, stürzt bei schlechtem Wetter in der Nähe der Stadt Mardagane ab. Bei diesem Absturz verliert Malkia ihr Gedächtnis und kann sich an nichts erinnern – lediglich ihr Ausweis behauptet, sie würde Ann Smith heißen und aus Genf stammen. Aber Dr. Ann Smith ist die Autorin des Buchs „Das verlorene Paradies Mauranien“. Ein Buch, das bereits vor über 100 Jahren im Jahre 1885 veröffentlicht wurde! Malkias einziger Wunsch ist, das vom Bürgerkrieg durchschüttelte Land zu verlassen. Der Prinz von Mardagane hilft ihr hierbei mit einem seltsamen Auftrag: Malkia soll einen Leoparden zurück in den Süden des Landes bringen – von dort aus kann sie ins Nachbarland fliehen.

Für Malkia beginnt eine rätselhafte Reise durch das vom Bürgerkrieg umkämpfte Land, in deren Verlauf sie immer wieder mit dem brutalen Regime ihres Vaters und den Mysterien Afrikas konfrontiert wird und letztlich mit der langsam wieder einsetzenden Erinnerung auch ihre eigene Bestimmung auf diesem Kontinent findet.

 

Qualität, Stil & Übersetzung

Der belgische Comiczeichner Benoit Sokal wurde 1954 in Brüssel geboren und erlangte mit seiner Reihe „Ein Fall für Inspektor Canardo“, bei der eine kettenrauchende Ente im Trenchcoat sich als Ermittler anschickt, große Bekanntheit. Neben seiner Arbeit als Zeichner entdeckte Sokal zu Beginn der 90er Jahre das Medium der Computerspiele für seine Arbeit. In den überaus erfolgreichen Adventurespielen wie „Amerzone“ oder auch „Syberia“ gelang es ihm, Welten zwischen Realität und Fiktion gekonnt in Szene zu setzen und mit fantastischen Bildern zu beeindrucken.

Der Comic „Paradise“ basiert auf dem gleichnamigen, wenn auch nicht ganz so erfolgreichen Computerspiel. Selbst für Kenner des Spieles dürfte es sich aber nicht um eine müde Zweitverwertung von Material handeln, sondern um großartige und wunderbare Illustrationen rund um die abenteuerliche Reise von Malkia und einem schwarzen Leoparden durch die tiefen eines fiktiven und dennoch überaus realistischen Afrika.

 

Der Comic - bei dem Sokal diesmal lediglich als Autor fungiert und die Zeichnungen Brice Bingono aus Kamerun sowie dem Koloristen Jean-Francois Bruckner überließ - ist eine düstere Geschichte voller Brutalität und Gewalt in einem dunklen Kontinent voller Mythen und Abenteuer. Wer Kitsch oder Romantik im Sinne von „Jenseits von Afrika“ erwartet, der sei an dieser Stelle gewarnt.

Bingono gelingt es eindrucksvoll, die Atmosphäre und den Reiz eines fiktiven Afrikas mit seinen oftmals sehr dunklen aber immer wieder sehr eindringlichen Bildern und realistischen Zeichnungen umzusetzen. Seine Illustrationen der Charaktere orientieren sich dabei mit sicherem Strich an klassischen Comic-Vorbildern und sind vor den fantastischen Hintergründen eine ideale optische Ergänzung.

 

Der Spannungsbogen der ursprünglich in vier Bänden erschienen Geschichte baut sich recht langsam auf, auch wenn gegen Schluss ein überaus dynamisches Ende folgt. Die Veröffentlichung in der neuen Reihe „Splitter-Books“ als Gesamtausgabe der ursprünglich auf vier Alben konzipierten Reihe tut der Geschichte sehr gut, da sie erst hier richtig Wirkung entfalten kann. Denn die faszinierende Geschichte um den tiefen Konflikt zwischen Ann und ihrem Vater schlägt den Leser in den Einzelheften nicht unbedingt direkt in ihren Bann und braucht Zeit, um sich zu entwickeln.

Die Verkleinerung hin zu dem für den Splitter-Verlag eigentlich recht ungewöhnlichen US-Format (175 x 245 mm) tut der Qualität insgesamt keinen Abbruch, auch wenn manche der zum Teil beeindruckenden Zeichnungen für meinen Geschmack etwas zu klein sind, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Insgesamt ist es mit der Reihe „Splitter-Books“ aber gelungen, im maximal herstellbaren Format bei gleichzeitig optimal nutzbarem Druckformat, das Beste für den Leser ohne allzu großen Qualitätsverlust herauszuholen.

Besonders gut gefallen hat mir die wunderschöne Strecke von Bonus- und Skizzenmaterial zu Beginn des Bandes nebst dem überaus lesenswerten Vorwort zur Entstehung der Albenreihe „Paradise“ mit einigen Hintergrundinformationen zu Autor und Zeichner.

 

Fazit

Die Geschichte von „Paradise“ ist nicht immer überzeugend erzählt und besitzt auch einige Längen, aber es sind die vielen geheimnisvollen Orte und die komplexen Handlungsstränge, durch die die Geschichte besonders im letzten Drittel immer mehr Dynamik bekommt und dann letztlich zu begeistern weiß. Die Bilder, eine kunstvolle Mischung aus orientalischen, indischen und afrikanischen Einfluss, lassen Malkia sich durch einen Reigen von farbenfrohen Palästen, die grüne Hölle des Dschungels und vom Krieg gezeichnete Dörfer ziehen – insgesamt einfach beeindruckend.

Natürlich dürfen aber auch in einem mehr oder minder fiktiven Afrika Tierdarstellungen nicht fehlen, wobei hier allerdings offensichtlich wird, dass Sokal und Bingono keinen allzu hohen Anspruch auf Realitätsnähe erheben, denn viele dieser Tiere existieren überhaupt nicht – sind aber in ihrer phantasievollen Darstellung wunderbar gelungen.

Für mich persönlich ein überaus lesenswerter, wenn auch sehr ruhiger Band aus der Kategorie „Abenteuer“, der mit seiner anspruchsvollen und ideenreichen Geschichte zu Beginn ein wenig Zeit benötigt - um sich dann recht gut zu entwickeln.