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Tannhäuser
Bewertung:
(4.2)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 30.08.2009
Autor:William Grosselin
Übersetzer:Michael Kröhnert (Regelheft)
Typ:Brettspiel
Setting:Tannhäuser – Alternativ-Welt
VerlagHeidelberger Spieleverlag
ISBN/ASIN:ASIN: B000VYBKYA
Inhalt:1 Doppelseitiger Spielplan, 10 bemalte Miniaturen, 10 Charaktertafeln, 2 W10, 160 Papp-Counter, 1 Regelheft
Sprache:Deutsch

Es ist das Jahr 1949. Der erste Weltkrieg wurde nie beendet und dauert inzwischen 35 Jahre an. Eine Geheimexpedition deutscher Archäologen entdeckt ein uraltes Artefakt, welches grässliche Möglichkeiten offenbaren soll. Das so genannte Obscura Korps des deutschen Reiches forciert die Forschung an einem geheimen Projekt, welches dem Kaiserreich den endgültigen Sieg und die Vernichtung der Welt, wie wir sie kennen, bescheren könnte. Die 13. Okkulte Division des Reichs ist nun in einem Waldgebiet in der Nähe des polnischen Ortes Ksiacz, angeführt von dem Marquis General Hermann von Heizinger, und hat mit den Vorbereitungen zur Öffnung des Portals zur Hölle begonnen!

 

Doch der Geheimdienst der Union ist nicht untätig gewesen und über die eingeleiteten Schritte der kaiserlichen Truppen informiert. Um den Aktivitäten der Obscura Korps ein Ende zu setzen und um zu verhindern, dass die Schwelle zum Reich der Dämonen geöffnet wird, sollen die 42. Marine Special Forces hinter den feindlichen Linien in einer geheimen Kommandoaktion zuschlagen. Codename dieser Operation: Tannhäuser.

 

Die geheime Operation „Tannhäuser“ führt die Spieler in eine düstere, fiktive Welt, die sich der Schrecken eines nie endenden Weltkrieges und dunkler höllischer Mysterien bedient. Bei dem Spiel selbst dreht sich alles um eine alliierte Elite-Einheit, die sich in einem verzweifelten Vorstoß den Plänen des Obscura Korps entgegen wirft, und es dann in Ksiacz zum Entscheidungskampf zwischen den zum Teil mystischen Kräfte des Obscura Korps und den hoch entwickelten, teilweise noch experimentellen Waffen der alliierten Elitetruppen kommt.

 

Das Spielmaterial

Die große und solide verarbeitete Kartonbox des Spiels ist auch optisch ansprechend gestaltet ist und gibt nicht zuletzt durch das martialische Frontcover (gestaltet von Didier Poli) einen ersten eindrucksvollen Vorgeschmack auf den Inhalt. Die Kunststoffablage in der Box für das Material ist sinnvoll unterteilt und ermöglicht das übersichtliche Verstauen aller vorhandenen Utensilien, ohne dass sich der Deckel hebt oder irgendwas verklemmt.

 

Das großformatige und aufklappbare, doppelseitig bedruckte Spielbrett (Spielplan A mit dem Erdgeschossgrundriss eines Gebäudes sowie Spielplan B mit den Katakomben der Burg Ksiaz) besticht zunächst schon einmal durch seine schöne optische Gestaltung und schwere Ausführung. Weiterhin gibt es 10 bereits fertig bemalte Miniaturen (je 5 Unions- und 5 Reichfiguren), die sich durchaus sehen lassen können und in einer gesonderten Box sicher verstaut sind. Sicherlich mögen sich Kenner der Materie „Miniaturen bemalen“ unter Umständen kopfschüttelnd abwenden, dennoch ist die matt ausgeführte Qualität um Längen besser als manche Figur in einem Überraschungs-Ei. Zu jedem einzelnen spielbaren Charakter gibt es noch die passende kleine Pappkarte (Charaktertafel), auf der die einzelnen spieltechnischen Werte und die Fähigkeiten des Charakters aufgelistet sind und seine Ausrüstung mittels Markern angezeigt werden kann.

 

Insgesamt gibt es für das Spiel 160 kleine und kleinere Papp-Spielmarker für Ausrüstungsgegenstände, Siegpunktanzeiger, Kistenmarker, Flaggenmarker und noch einiges mehr. Hört sich im ersten Moment ziemlich viel und unübersichtlich an, ist aber halb so wild, wenn sie erst einmal ordentlich sortiert und verstaut sind. Hierfür gibt es (direkt vom Verlag mitgeliefert) noch eine Hand voll passende kleine, wiederverschließbare Plastiktaschen, so dass eigentlich auch nichts von dem wichtigen Kleinkram verloren gehen kann – eine schöne und hilfreiche Idee.

Zu guter Letzt gibt es noch zwei 10-seitige Würfel und ein 48 Seiten umfassendes farbiges Regelheft im Format A 4.

 

Insgesamt gibt es in Sachen Ausstattung keinerlei Kritik von mir – ganz im Gegenteil. Sowohl die optische Gestaltung als auch die Qualität der Verarbeitung lässt keine Wünsche offen und so manch anderer Verlag könnte sich hiervon eine Scheibe abschneiden.

 

Das Spielprinzip

„Tannhäuser“ ist bei näherer Betrachtung sicherlich nicht viel mehr als die Umsetzung eines Egoshooters (wie man ihn von PC-Games kennt) ins Brettspielformat: Gegnerische Fraktionen versuchen durch geschicktes Taktieren und unter optimaler Ausnutzung ihrer Ausrüstung und Fertigkeiten, die Charaktere der anderen Fraktion auszuschalten.

Dennoch ist es die atmosphärisch und gestalterisch recht ansprechende Umsetzung, die irgendwo den Reiz von „Tannhäuser“ ausmacht.

Tannhäuser lässt sich hervorragend zu zweit spielen, aber bei einer Aufteilung der einzelnen Charaktere auf verschiedene Spieler können spannende Partien mit theoretisch bis zu 10 Personen gespielt werden. Doch jetzt zu den grundlegenden Mechanismen des Spiels:

 

Neben der Frage, wer die Truppen von Union oder Reich übernimmt und auf welchem Spielplan losgelegt wird, legen die Spieler vor Beginn des Spieles auch einen der drei unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade fest. Dies ist notwendig, um die mögliche Verstärkung während des Spiels festzulegen, die je nach Grad ein oder zwei bzw. gar keine Verstärkung für getötete Soldaten festlegt. Weiterhin wird eine der vier unterschiedlichen Spielmodi (mit jeweils unterschiedlichen Spielmöglichkeiten und Siegbedingungen) festgelegt. Hierbei werden folgende Modi unterschieden:

 

Die Spiel-Modi im Einzelnen:

Story-Modus

Dabei schreibt ein Szenario den Spielern bestimmte Missionsziele vor, die sie mit ihren Charakteren erreichen müssen. Meines Erachtens nach der interessanteste Modus, da sich hier eigentlich das Flair von „Tannhäuser“ am besten entfaltet und mir am meisten Spaß macht.

 

„Capture-the-Flag“-Modus

Derjenige Spieler gewinnt sofort, dem es gelingt, mindestens 2 gegnerische Flaggen zu erobern und sie auf seinen eigenen Zugangspunkt oder einen der eigenen Ziel-Ringe zu bringen (auf dem zu Spielbeginn seine eigene Flagge stand).

 

„Deathmatch“-Modus

Wie der Name schon sagt, ist ein Deathmatch ein Kampf auf Leben und Tod, bei dem derjenige gewinnt, der zuerst alle Charaktere seines Gegenspielers eliminiert hat.

 

Herrschaftsmodus

Um in diesem Spielmodus zu gewinnen, muss ein Spieler 4 Zonen gleichzeitig kontrollieren. Das bedeutet, dass er 4 eigene Flaggen auf 4 verschiedenen Ziel-Ringen irgendwo auf dem Spielplan haben muss. Sobald diese Situation eintritt, ist er Sieger des Spiels.

 

 

Nachdem diese Formalitäten erledigt sind, werden die unter Umständen notwendigen Zielmarker platziert und die Aufbauwürfe durchgeführt, bei denen bestimmt wird, wohin im Story-Modus die Zielmarker gesetzt werden bzw. die Flaggen im „Capture-the-Flag“-Modus.

 

Weiterhin erhalten beide Spieler die jeweils 5 Charaktertafeln mit den jeweiligen Personen ihrer Einheit, die es auszurüsten gilt. Grundsätzlich gilt es bei der Zusammenstellung seiner Einheit auf Vielseitigkeit und Ausgewogenheit zu achten, da eine durchdachte Kombination

aus Kampf-, Konditions- und Verstandesgepäck entscheidende Vorteile bringen kann. So gibt es neben Waffen und Granaten auch einen „Erste-Hilfe-Koffer“, Rangabzeichen, Medaillen und andere Dinge, die bestimmte Fähigkeiten besitzen oder aber einen Würfelbonus einbringen. Frisch ausgestattet werden die entsprechenden Miniaturen der Charaktere zunächst neben den Spielplan gestellt und kommen dann in der ersten Runde mittels „Aufmarschwurf“ zum Einsatz.

 

Noch einige Worte zu den Charaktertafeln: Auf diesen befinden sich, neben den Ausrüstungsgegenständen, zudem die vier Eigenschaften der jeweiligen Person nebst entsprechenden Werten: Kampf, Kondition, Verstand und Bewegung.

Kampf: Gibt die Kampfkraft und -erfahrung des Charakters an, sowohl im Fernkampf mit Feuerwaffen als auch im Zweikampf mit Hieb- oder Stichwaffen.

Kondition: Darunter werden Ausdauer, Koordination und Schmerzunempfindlichkeit zusammengefasst.

Verstand: Umfasst den Intellekt, Furchtlosigkeit, übersinnliche Wahrnehmung, Besonnenheit und Willenskraft.

Bewegung: Zeigt die Geschwindigkeit des Charakters an, ausgedrückt als Anzahl der Ringe, bis zu der die Figur in ihrem Spielzug gezogen werden kann.

Je nach Verwundung des Charakters sinken die einzelnen Werte im Laufe des Spiels. Die entsprechende Entwicklung wird auf den Charaktertafeln mit Markern dokumentiert.

 

Die Spielrunde

Je nachdem, welcher Spielmodus gewählt wurde, besteht ein Spiel aus einer bestimmten Anzahl Spielrunden. In einer Spielrunde hat jeder Charakter, der noch im Spiel ist, einen Spielzug. Dieser unterteilt sich in die Bewegungsphase (die auch unterbrochen werden darf) und eine Aktionsphase, in der er alle seine möglichen Handlungen dieser Runde ausführen kann. Eine bestimmte Zugreihenfolge für die Charaktere gibt es nicht – hier heißt es also taktisch geschickt zu agieren, um sich in eine vorteilhafte Position zu bringen!

 

Bewegungsphase

Die Bewegung erfolgt bei Tannhäuser über ein einfaches grafisches System namens „Pathfinding“. Auf den Spielplänen sind jeweils verschiedenfarbige Ringe eingezeichnet, die – bei gleicher Farbe – einen Pfad ergeben, auf dem man sich mit seiner Figur bewegen kann. Hieraus leitet sich auch der Bereich ab, den ein Charakter wahrnimmt (und somit auch den Bereich, innerhalb dessen er agieren kann) – wichtig für mögliche Kampfaktionen.

Das „Pathfinding“-System ist intuitiv verständlich und einige vermeintlich logische Probleme beim Aufbau der Pfade wurden von den Machern extra so gestaltet, um dem Spiel etwas mehr Würze zu geben. Die Bewegungsweite einer Figur selbst lässt sich jeweils auf der Charaktertafel ablesen.

 

Aktionsphase

In Tannhäuser sind natürlich die Kämpfe das zentrale Spielelement, bei dem die Spieler ihr taktisches Geschick und manchmal auch Risikobereitschaft unter Beweis stellen müssen. Im Kampf wirken mehrere Faktoren zusammen, um die Anzahl der erfolgreichen Treffer und der Gegenmaßnahmen zu bestimmen. Zunächst einmal der Zufall in Form von Würfeln selbst, die über den Ausgang von Gefechten, Wendungen des Schicksals und Gelingen von Heldentaten entscheiden. Dabei verwendet „Tannhäuser“ 10-seitige Würfel, kurz „W10“ genannt, wobei die kleinste Zahl die 1 und die größte die 10 (also 0) ist.

 

Bei einem „normalen“ Kampf läuft das Geschehen wie folgt ab:

Der aktuelle Kampfwert des Angreifers gibt die Anzahl der Würfel für seinen Würfelvorrat und der aktuelle Kampfwert des Gegners gibt den Schwierigkeitswert für den Angreifer an.

 

In den Regeln taucht oft der Begriff „Würfelvorrat“ auf. Damit ist einfach eine Gruppe von Würfeln gemeint. Stehen einem Charakter z.B. 3 Würfel zur Verfügung, kann man auch sagen, man hat einen Würfelvorrat von 3. Jedes einzelne Resultat eines Würfels, das gleich oder größer als der Schwierigkeitswert ist, gilt als 1 Erfolg bzw. Treffer. Bedauerlicherweise befinden sich in der Box nur 2 W10, so dass man entweder noch einige Würfel nachkaufen muss oder aber in mehreren Durchgängen würfelt.

 

Der Schwierigkeitswert ist die kleinste Zahl, die erreicht oder übertroffen werden muss, um einen erfolgreichen Würfelwurf zu machen. Je höher der Schwierigkeitswert, desto schwerer ist die Aktion zu bewältigen und um so größer ist die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns.

 

Falls der Angreifer mit seinem Kampfwurf mindestens einen Treffer erzielt hat, macht der Verteidiger einen Schockwurf, um zu versuchen, den bzw. die Treffer zu parieren. Sowohl im normalen als auch im Zweikampf bestimmt der aktuelle Konditionswert des Verteidigers die Anzahl der Würfel seines Würfelvorrats. Der für den Kampfwurf zugrunde liegende Kampfwert des Angreifers ist der Schwierigkeitswert für den Verteidiger.

 

Hört sich auch alles erst einmal sehr verwirrend an, doch nach einigen Kämpfen ist das System sehr schnell verstanden und äußerst flott in der Abwicklung.

 

Natürlich verursacht jeder Treffer, der nicht durch einen Schockwurf abgewehrt wird, eine Verwundung des Charakters. Für jede einzelne Verwundung rutscht der Lebenskraftanzeiger auf der Charaktertafel eine Reihe tiefer und der Charakter kommt dem Tod Stück für Stück näher. Allerdings gibt es auch hier einige Möglichkeiten innerhalb des Spiels verletzte Charaktere wieder zu heilen.

 

Siegpunkte

Für gewonnene Kämpfe und andere definierte Aktionen erhalten die Spieler Siegpunkte, die je nach Spielmodus dazu dienen, den Gewinner zu ermitteln. Man kann sie aber auch während des Spiels dafür benutzen, Bonusleistungen wie beispielsweise die Heilung von Verletzungen zu erhalten. Allerdings sollte man Siegpunkte während des Spiels mit Bedacht einsetzen, denn jeder Siegpunkt ist wertvoll und entscheidet unter Umständen am Ende über Sieg oder Niederlage.

 

So viel zu den grundlegenden Mechanismen des Spiels, die natürlich noch um eine ganze Reihe von Faktoren ergänzt werden, seien es nun besondere Ausrüstungsgegenstände, Modifikatoren für Waffen, das Nehmen oder Ablegen von Ausrüstung und noch vieles mehr.

 

Fazit

Die Konzeption von „Tannhäuser“ bedient sich sicherlich einiger Elemente aus dem Bereich des Tabletop, doch dürfte das Spiel insgesamt eher im Bereich der Brettspiele einzuordnen sein. Das „Pathfinder“-System mit seinen verschiedenfarbigen Ringen und den daraus resultierenden Pfaden regelt auf einfache Art und Weise sowohl die Bewegungsrichtungen als auch die Schuss- und Sichtlinien für Zweikämpfe. Ein einfacher, aber klasse geregelter Mechanismus, der sich beim Spiel wirklich intuitiv ergibt und keine großen Fragen aufkommen lässt.

 

Das Regelsystem selbst ist komplex, aber für Einsteiger sehr schnell verständlich, zumal die Neuauflage der Regeln aus dem Heidelberger Spieleverlag in ihrer neuen Übersetzung ihr Möglichstes versucht, die arg in Kritik geratene erste Auflage des Spiels von Pro Ludo vergessen zu lassen. An dieser Stelle dafür ebenfalls ein großes Lob, zumal die Regeln jetzt insgesamt schlüssig und nachvollziehbar sind und bestehende Ungereimtheiten (und auch einige sprachliche Mängel) beseitigt wurden.

 

Das Material ist – wie bereits schon oben ausgeführt – von guter Qualität, hervorragend verarbeitet und lässt (bis auf die Würfel) keine Wünsche offen. Hier sei auch noch mal das optisch beeindruckend gestaltete Regelheft hervorgehoben, welches in seiner Mischung aus authentisch aussehenden Memos, Briefen und eingearbeiteten Fotos und Skizzen im Layout einfach nur grandios gelungen ist.

 

Einzig die natürlich ausschließlich militärische Ausrichtung des Spiels dürfte vielleicht nicht jedermanns Geschmack sein, zumal diese doch recht martialische und kampforientierte Ausrichtung nichts für ruhige und besonnene Pazifisten ist.

 

Insgesamt ist „Tannhäuser“ ein schnell verständliches und flott zu spielendes Brettspiel mit einem durchaus großen Unterhaltungswert, da sich trotz mehrfachen Spielens immer wieder neue taktische Manöver und Möglichkeiten ergeben. Als Spieldauer – wenn man etwas Erfahrung mit dem System gesammelt hat – kann man gut und gerne 2 Stunden ansetzen.

 

Seitens des Verlages setzt man zudem einiges daran, die Kunden mit weiteren Ergänzungsboxen und –material zu versorgen, um die Welt von „Tannhäuser“ kontinuierlich zu erweitern. Für mich persönlich ist dieses Spiel eine absolute Kaufempfehlung, an der man lange Spaß hat!