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Black Orchid
Bewertung:
(4.6)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 05.09.2009
Autor:Text: Neil Gaiman, Zeichner: Dave McKean
Übersetzer:Gerlinde Althoff
Typ:Graphic Novel / Comic
VerlagPanini Comics
ISBN/ASIN:978-3-86607-788-1
Inhalt:164 Seiten, Softcover mit Faltcover
Preis:16,95 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Die Geschichte beginnt für einen „Superhelden-Comic“ mehr als ungewöhnlich, da die Protagonistin Black Orchid direkt zu Beginn von einem Gangstersyndikat gefangen und erschossen wird. Um wirklich sicher zu gehen, die leidige Superheldin auch wirklich für immer aus dem Weg geräumt zu haben, wird ihr Körper in einem brennenden Haus zurückgelassen.

 

Während man sich als Leser unter Umständen Gedanken macht, wieso die Heldin direkt am Anfang stirbt bzw. wie so etwas überhaupt möglich sein kann, wendet sich die Geschichte Dr. Philip Sylvian zu, dem Schöpfer von Black Orchid. Denn Black Orchid ist längst nicht einzigartig und es scheint, als habe der Tod der einen zum Erwachen einer anderen, neuen Black Orchid geführt. Diese läuft fast schlafwandlerisch in dem Haus von Dr. Sylvian umher und trifft schließlich auf ihren Schöpfer, der ihr einiges über seine aber auch ihre Vergangenheit erzählt sowie von seinen damaligen Forscherkollegen. Nach dem Mord an seiner Frau schuf Dr. Sylvian ein künstliches Gewächs, weder Mensch noch Pflanze, das ihn an das Ebenbild seiner Frau erinnern soll, und in seinem Gewächshaus warten noch mehr dieser Hybriden.

 

Während man vielleicht noch gerne mehr von Dr. Sylvian erfahren hätte, wechselt die Geschichte zu einem weiteren Charakter und begleitet Carl Thorne, einen selbstherrlichen und brutalen ehemaligen Waffenhändler, der früher für Lex Luthor als Waffenschieber gearbeitet hat und gerade aus dem Gefängnis entlassen wird. Luthor hat keinerlei Verwendung mehr für jemanden wie Thorne und schmeißt ihn nach einem ersten Treffen nach seiner Entlassung aus seinem Appartement. Thorne ist außer sich vor Wut und macht sich auf den Weg zu Dr. Sylvian, dem Mann für den seine damalige Frau Susan ihn verlassen hat. Da Thorne es war, der Susan seinerzeit vor Eifersucht getötet hat, entschließt er sich jetzt auch noch den Mann zu töten, der dafür verantwortlich ist, das seine Frau ihn verlassen hat.

 

Bei seinem brutalen Mord an Dr. Sylvian erfährt Thorne von der Existenz der Hybriden und informiert Lex Luthor darüber, um diesem zu imponieren und vielleicht wieder in seiner Gunst zu steigen, ist Luthor doch selbst mit zahlreichen wissenschaftlichen Experimenten befasst und könnte Interesse an diesen spektakulären Wesen haben. Doch als Luthor am Haus von Dr. Sylvian erscheint, haben die beiden letzten Hybriden bereits das Anwesen verlassen, um sich auf die Suche nach sich selbst und ihrer eigentlichen Herkunft zu machen. In ihrer Unwissenheit retten die Hybriden sogar Thorne vor dem sicheren Tod, da Luthor genug von seinem ehemaligen Gefährten hat und ihn auf „italienische“ Art und Weise im Hafen töten möchte.

 

Die Suche führt die Hybriden nach Arkham, wo sie auf Batman treffen und es mit seiner Hilfe schaffen in der berüchtigten Irrenanstalt mit Pamela Isley, einer damaligen Kollegin von Dr. Sylvian, die nunmehr besser als Poison Ivy bekannt ist, zu reden.. Dabei soll dies allerdings nicht der einzige Charakter aus dem DC Universum sein, denen die neue Black Orchid auf ihrer Reise begegnet. So erscheint im späteren Verlauf unter anderem auch noch Alec Holland, besser bekannt als „Swamp Thing”, der den Hybriden hilft. Er ist es letztlich auch, der den beiden indirekt den Weg nach Südamerika weist, wo das Schicksal seine endgültige Bestimmung finden soll.

 

Die Geschichte begleitet die Hybriden weiter bei ihrer Suche nach der Vergangenheit, einer besseren Zukunft und füllt zum Teil die Lücken in ihrer Erinnerung. Doch je mehr sich diese enthüllt, desto deutlicher wird für die neue Black Orchid, dass sie einen ganz anderen und neuen Weg gehen möchte – ohne Gewalt und beständige Angst. Und so bewegt sich diese Geschichte zu einem äußerst ungewöhnlichen Ende.

 

Schreibstil & Artwork:

Der Autor Neil Richard Gaiman wurde am 10.11.1960 in Portchester in England geboren. Nachdem er sich zunächst vergeblich als Schriftsteller versuchte, studierte er Journalismus und schrieb während dieser Zeit eine Biografie über die Band Duran Duran sowie „Don’t Panic: The Official Hitchhikers Guide to the Galaxy Companion“ über Douglas Adams.

 

Nachdem er Freundschaft mit dem Comicautor Alan Moore geschlossen hatte, begann er selbst Comics zu verfassen und erhielt eine Anstellung bei DC Comics als Autor. Hier durfte sich Gaiman 1988 für Vertigo einem der ungezählten und längst vergessenen B-Hero-Charaktere annehmen und diesem neues Leben einhauchen: die Wiedergeburt von Black Orchid.

 

Black Orchid war einer dieser sonderbaren Charaktere, der von dem Trio Sheldon Moldoff, Joe Orlando und Tony DeZuniga entwickelt wurde und der kurzfristig als Aufmacher im gleichnamigen „Adventure Comics“ von 1973 diente, wo Black Orchid in insgesamt vier Heften in Erscheinung trat und noch einige verstreute Auftritte folgen sollten. Die Geschichten von Black Orchid enthielten selbst keinerlei Anhaltspunkte, wer sie wirklich war oder warum sie gegen das Verbrechen kämpfte – praktisch ein unbeschriebenes Blatt. Gaiman und McKean zogen sie aus dem Dunkel des Vergessens hervor, gaben diesem Charakter eine Hintergrundgeschichte, rückten Black Orchid mit dem von ihnen neu entwickelten Konzept in eine gänzlich neue Richtung und katapultierten damit auch sich selbst ins Bewusstsein der Leserschaft.

 

Der ebenfalls gebürtige Brite Dave McKean studierte zwischen 1982 und 1986 Jahre Design, Illustration und Film am Berkshire College of Art and Design, wo er nach seinem Abschluss eine zeitlang als Lehrer für Audiovisuelle Kunst und Film tätig war.

Nachdem McKean 1986 vergeblich versucht hatte, in New York als Comic-Künstler Fuß zu fassen, trifft er den Schriftsteller Neil Gaiman. Mit der Graphic Novel Violent Cases (1987) beginnt eine langjährige Zusammenarbeit, die sich 1988 in der zeichnerischen Umsetzung der Ideen von Gaiman für das DC-Universum in der Mini-Serie Black Orchid fortsetzt.

 

Das Artwork von Black Orchid ist schlicht und ergreifend mittlerweile „klassischer“ McKean und einfach nur bewundernswert. Hier zeigt McKean als Zeichner eine große Bereitschaft die Chancen, die ihm von der Storyline gebotene Handlung in Perspektiven und Farben für seine Gestaltung restlos auszunutzen, um die Geschichte auf hohem künstlerischem Niveau voran zu treiben. Hier wird auch deutlich, dass McKean in dieser frühen Schaffensphase scheinbar mehr Selbstvertrauen als Gaiman in das Werk besitzt und mit seiner unvergleichlichen Mischung aus Foto-Realismus und traumhaftem Expressionismus etwas gänzlich Außergewöhnliches erschafft. Natürlich wirken die Zeichnungen noch etwas experimenteller als bei den späteren „Sandman”-Comics, seien es die Splashpages oder einfach nur die Kolorierung. Doch hat man immer wieder das Gefühl, als habe man den Duft von Blumen und Pflanzen in der Nase, so intensiv und eindrucksvoll wie die Bilder gestaltet sind.

 

Natürlich kann sich auch die Inszenierung der Geschichte sehen lassen, da Neil Gaiman mit der Geschichte von Black Orchid für damalige Verhältnisse erstmals die Grenzen des Superhelden-Genre bis an ihr Limit ausreizt und ein subtiles Gespinst aus beiläufigen Anmerkungen in zum Teil wunderbaren Dialogen und populären Charakteren des DC-Universums nimmt, um sie zu etwas grandios Neuem zu konzipieren. Denn in Black Orchid müssen alle wichtigen Figuren sich auf die eine oder andere Weise entscheiden, was sie im Angesicht von Gewalt tun wollen. Welche Entscheidung allerdings letztlich richtig ist, kann man vorher nie mit Sicherheit sagen.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Die Qualität der Ausgabe des Panini-Verlags lässt eigentlich keine Wünsche offen. Eine gewohnt solide Verarbeitung (trotz Softcover-Ausgabe), die sich auch von ihrem Lettering angenehm lesen lässt. Die Übersetzung von Gerlinde Althoff ist ebenfalls tadellos, und zudem gibt es noch eine überaus lesenswerte Einleitung von Mikal Gilmor, seines Zeichens Autor, der unter anderem für das Rollings Stone Magazin schreibt. Wer den Comic bislang noch nicht kennt, sollte sich selbst zuliebe daraus allerdings ein Nachwort machen – ansonsten nimmt man sich ein gutes Stück weit Lesevergnügen.

 

Fazit:

Fans des gemeinsamen Schaffens von Neil Gaiman und Dave McKean, die mit den Anstoß zur Kulturrevolution in der Comic-Kunst Ende der 80er Jahre gaben, dürften es unter Umständen ziemlich interessant finden, einen Blick zurück in die Anfänge der Zusammenarbeit der beiden zu werfen, als sie praktisch noch in den Kinderschuhen steckte.

 

Die Geschichte selbst dürfte dabei zwischenzeitlich für den heutigen Leser längst nicht mehr so spektakulär sein wie einst vor 20 Jahren, was ihre Leistung für dieses Genre aber nicht in den Schatten stellen soll, da sie künstlerisch und inhaltlich mit Sicherheit prägend für dieses Genre gewesen sein dürfte. Black Orchid gehört in die Reihe von Werken, die mitgeholfen haben, das Genre Comic zu modernisieren und auf eine gänzlich neue Ebene zu bringen – sowohl erzählerisch als auch optisch. Für mich persönlich ist Black Orchid eine absolute Kaufempfehlung – es sei denn, man besitzt bereits die alten englischen Ausgaben. Also, schnell zugreifen und sich einfangen lassen von diesem Meisterwerk!