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Hollow Earth Expedition - Grundregelwerk
Bewertung:
(4.7)
Von: Nico Kevin Bracht
Alias: Cut
Am: 08.11.2009
Autor:
Übersetzer:Florian Don-Schauen, Marcus Sollmann
Typ:Grundregelwerk
System:Ubiquity
Setting:Die Pulp-Ära
VerlagUhrwerk Verlag
ISBN/ASIN:978-3-942012-02-7
Inhalt:254 Seiten
Preis:39,95 EUR
Sprache:Deutsch

Vorbemerkung:

Hollow Earth Expedition (HEX) ist ein Pulp-Rollenspiel. Das US-Original ist beim kleinen Exile Games Studio erschienen und erst seit wenigen Jahren auf dem Markt. Das Spiel ist an Spieler gerichtet, die den Charme und die Stimmung von Romanen und Filmen aus der (leicht trashigen) Pulp Ära in einem Rollenspiel umgesetzt sehen möchten und dafür ein einfaches und intuitives Spielsystem vor einem ansprechenden Hintergrund suchen. Der deutsche Buchrückentext fasst dies eigentlich schon ganz anschaulich zusammen:

„Erst entdeckten wir, dass die Erde eine Kugel ist. Dann entdeckten wir, dass sie hohl ist. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass ihre Geheimnisse nicht in die falschen Hände geraten. Erforschen Sie eines der größten und gefährlichsten Geheimnisse der Erde: die Hohlwelt, ein wildes Land voller Dinosaurier, untergegangener Zivilisationen und grausamer Wilder!“

Und tatsächlich lassen sich mit HEX nicht nur Abenteuer und Kampagnen in der Hohlwelt, sondern auch in der Außenwelt bestreiten. Wer also schon immer das Bedürfnis hatte, in einen „Indiana Jones“ Film einzusteigen oder sich dabei ertappt hat, die verlorene Welt bereisen zu wollen, sollte hier aufmerksam weiterlesen...

 

Das Buch:

Das Buch präsentiert sich als solides Hardcover, mit anscheinend ordentlicher Bindung. Der Druck ist größtenteils schwarz-weiß. Nur einige Seiten in der Mitte des Buches, die vorgefertigte Spieler-Charaktere zeigen, sind farbig. Außerdem sind auf den Innenseiten der Buchdeckel farbige Weltkarten zu finden, die ein paar der bekanntesten Übergänge in die Hohlwelt enthalten.

Ansonsten besticht das Buch durch eine ganze Reihe hochwertiger Illustrationen, von denen nur sehr wenige schwächeln. Das verwendete Papier ist von hoher Qualität und ähnlich wie bei D&D Büchern beschichtet. Die Aufmachung der Seiten ist schlicht, aber durchweg gelungen.

Der Hollow Earth Expedition Schriftzug auf dem Cover des Buches erinnert von der Art und Weise her an das frühe „Indiana Jones“ Logo.

Das Titelbild selbst ist eindeutig Pulp und hat Exile Games sogar einen Preis eingeheimst, auch wenn ich mir die Buchrückseite als Titelbild gewünscht hätte.

 

Der Inhalt:

Das Buch selber ist in neun Kapitel, ein Beispielabenteuer und diverse Anhänge unterteilt.

 

Ein stimmungsvoller Reisebericht einer vom in die Hohlwelt verschlagenen Expedition, stellt den Einstieg ins Buch dar.

Kapitel Eins beschäftigt sich dann mit der Lage der Welt in den 1930 Jahren. Dabei wird dann (sehr oberflächlich) auf die politischen Hintergründe und auf das alltägliche Leben (Unterhaltung, Verkehr, Kleidung, etc.) in dieser Zeit eingegangen.

Kapitel Zwei widmet sich ausführlich der Charaktererschaffung, während Kapitel Drei und Kapitel Vier die allgemeinen Regeln des Spiels (Kapitel Drei) und die speziellen für den Kampf (Kapitel Vier) enthalten.

Kapitel Fünf stellt die den Spielern zur Verfügung stehende Ausrüstung vor (inklusive superwissenschaftlicher Maschinen etc.) während sich Kapitel Sechs mit dem Thema Spielleitung in HEX beschäftigt. Dieses Kapitel richtet sich eindeutig nicht an absolute Neulinge des Rollenspiel-Hobbies.

Überhaupt ist das Buch kein klassisches Einsteigerprodukt. So fehlt die sonst obligatorische mehrseitige Einführung „Was ist ein Rollenspiel“ hier beinahe gänzlich! (Die Einleitung nach der Einstiegsgeschichte umfasst grade mal zwei Seiten!)

Eigentliche Ausführungen zum Setting finden sich erst nach gut zwei Dritteln des Buches in Kapitel Sieben. Dieses Kapitel richtet sich nur an den Spielleiter, dem hier die eigentliche Hohlwelt näher gebracht, nicht jedoch detailliert aufgedröselt wird. Vielmehr wird vieles bewusst vage gelassen, so dass für jeden Spielstil, jeden Spielleiter und jede Abenteueridee in der Hohlwelt genug Platz ist.

Kapitel Acht stellt dem Spielleiter einige Organisationen vor und für seine Abenteuer komplett mit ausgearbeiteten Nicht-Spieler-Charakteren (NSC) zur Verfügung.

Im nächsten Abschnitt, Kapitel Neun, findet sich das reichhaltige Bestiarium, was neben einigen wilden Völkern auch Dinosaurier, Mammuts, Säbelzahntiger und anderes prähistorisches Getier und Gewächs zu bieten hat.

Ein knappes, aber gelungenes Einstiegsabenteuer bietet einer neuen HEX Gruppe einen schnellen Zugang zur Hohlwelt, ehe einige Anhänge und ein Index das Buch abrunden. Natürlich findet sich auch noch eine Kopiervorlage eines Charakterbogens in diesem Bereich.

 

Die Charaktererschaffung:

Die Charaktererschaffung ist angenehm unkompliziert, gut erklärt und anhand von Beispielen verdeutlicht. Das ganze System ist sehr offen und gewährt jedem Spieler große Freiheiten bei der Erstellung des pulpigen Wunschcharakters.

 

Die Charaktererschaffung verläuft wie folgt:

 

Zunächst wählt man einen Archetypen aus der Liste der vorgegebenen Archetypen aus. Diese Wahl beeinflusst die Charakterentwicklung und -ausrichtung, jedoch nur vor einem rollenspielerischen Hintergrund, regeltechnische Einschränkungen gibt es durch die Wahl nicht. Findet sich im Regelbuch kein passendes Konzept, so kann man ganz einfach eines mit dem Spielleiter entwickeln. Die enthaltenen Archetypen decken aber einen großen Bereich an möglichen Figuren ab. Enthalten sind Beschreibungen für Akademiker, Abenteurer, Arzt, Berühmtheit, Entdecker, Geldgeber, Jäger, Missionar, Okkultist, Reporter, Soldat, Techniker, Überlebender, Verbrecher und Wissenschaftler.

 

Als nächstes wählt der Spieler eine bestimmte Motivation, auf Grund derer sich der Charakter in die Welt aufmacht und mit ihr interagiert. Auch hier werden die für eine HEX-Kampagne gängigsten Motivationen im Grundregelbuch vorgestellt. Natürlich ist es auch hier möglich, eine stimmige, neue Motivation in Absprache mit dem Spielleiter zu entwickeln, wenn man keine der vorhandenen Motivationen entsprechend seinen Vorstellungen auslegen oder umbiegen kann. Im Einzelnen beschrieben sind die Motivationen Ehre, Entdeckung, Flucht, Gewinn, Glaube, Liebe, Macht, Rache, Ruhm und Überleben.

 

Mit wechselnden Kombinationen aus Archetypen und Motivation lassen sich die unterschiedlichsten Charaktere erstellen. Ein breitgefächertes Angebot an bereits fertig ausgearbeiteten Figuren findet sich auf vollfarbigen Seiten am Ende des zweiten Kapitels. Zu insgesamt zwölf unterschiedlichen Charakteren gibt es doppelseitige Einträge mit den Spiel-Werten, Hintergrundgeschichte, einem Zitat und Rollenspieltipps.

 

Mit einer simplen Kaufmethode werden, nachdem das Grundgerüst des Charakters steht, nun einige grundlegende rollenspieltechnische Aspekte der Figur entwickelt: dies sind die sechs Primären Attribute Stärke, Konstitution, Geschicklichkeit, Intelligenz, Charisma und Willenskraft.

Man erhält 15 Punkte, und darf zu Beginn keinen Attributswert über 5 oder unter 1 wählen. Von den primären Attributen werden die sekundären Attribute (Größe, Initiative, Bewegung, Abwehr, Wahrnehmung und Betäubt) abgeleitet.

 

Danach werden für weitere 15 Punkte Fertigkeiten erworben. Unabhängig vom gewählten Archetypus stehen in HEX allen Figuren alle Fertigkeiten zur Verfügung. Jede Fertigkeit ist einem der sechs primären Attribute zugeordnet. Aus dem Attributs-Wert und dem Rang, den eine Figur in einer Fertigkeit hat, wird der Fertigkeitswert berechnet, mit dem Proben abgelegt werden können. Nennenswert ist, dass es Synergie-Bonus-Würfel gibt, wenn eine andere Fertigkeit, die ein Charakter mindestens mit Rang 4 beherrscht, bei der Bewältigung der Probe helfen könnte.

Weiterhin gibt es (ähnlich wie im CODA-System bekannt aus Deciphers Star Trek und Der Herr Der Ringe Rollenspielen) sog. Spezialisierungen von Fertigkeiten, die, wenn die Spezialisierung bei einer Probe einschlägig ist, einen extra Würfel gewähren.

Der angesprochene Fertigkeitswert wird berechnet, in dem man zu dem Wert des zur Fertigkeit gehörenden Attributs den Rang der Fertigkeit addiert. Dies ist die Anzahl der Würfel, die zum Ablegen einer Probe geworfen werden.

Zu beachten ist, dass während der Charaktererstellung keine Fertigkeit einen höheren Rang als 5 haben darf.

 

Als nächstes kann man seinem Charakter entweder ein Talent oder eine Ressource zur Verfügung stellen. Talente geben spieltechnische Hilfen (Bonus-Würfel auf bestimmte Fertigkeiten oder Erhöhung eines Attribut-Wertes) und können teilweise im Verlaufe des Spiels mehrfach gesteigert werden oder aber sogar nur während der Charaktererschaffung gewählt werden (etwa „Fotografisches Gedächtnis“).

Ressourcen stellen einen Teil des Charakterhintergrunds da und werden mit der Hintergrundgeschichte verwoben. Hierbei kann es sich z.B. um Reichtum, Einfluss oder außergewöhnliche Besitztümer (Artefakte, etc.) handeln. Normalerweise hat ein Start-Charakter entweder ein Talent oder eine Ressource, aber nicht beides.

 

Nun kann optional noch eine Schwäche gewählt werden. Diese wird auch mit der Hintergrundgeschichte des Charakters verwoben und bringt keine zusätzlichen Kaufpunkte ein. Jedoch bekommt man Stilpunkte, wenn man seinen Charakter mit einer Schwäche versieht. Einen Stilpunkt (als Belohung für die Wahl einer Schwäche) gibt es dann gleich zu Beginn des Spiels. Wann immer man später aufgrund seiner Schwäche in eine unangenehme Spielsituation gerät oder seinen Charakter in einer Situation besonders stimmig ausspielt, erhält man weitere Stilpunkte vom Spielleiter. Diese Stilpunkte sind mächtige Hilfsmittel für Spieler, da sie es erlauben, Bonus-Würfel für Proben zu kaufen, erlittenen Schaden zu vermindern, ja sogar anderen Charakteren zu helfen oder eigene Talente kurzzeitig zu verstärken.

Stilpunkte können dabei das Salz in der Suppe für einen guten Rollenspielabend in einer Gruppe erfahrener Rollenspieler sein. Sie verleiten zu charaktertreuem Verhalten und Spiel, da direkt eine Belohnung an den Spieler ausgeschüttet wird. Hat man jedoch eine zu unernste Gruppe, kann dieses Stilmittel schnell außer Kontrolle geraten und ist dann mit Vorsicht zu genießen.

 

Hat man seinem Charakter nun ein Talent bzw. eine Ressource zugeteilt und Sie/Ihn möglicherweise mit einer Schwäche versehen, bekommt man nunmehr nochmals 15 Punkte, um die Werte vor Spielbeginn noch etwas aufzubessern. Dabei ist es an diesem Punkt möglich, neue Fertigkeiten, ein neues Talent oder neue Ressource zu erlernen/ anzuschaffen oder ein primäres Attribut um einen Punkt zu steigern. Auch das Steigern von Fertigkeiten, die bereits erlernt sind, ist möglich, aber jetzt teurer als noch zu Beginn der Charaktererschaffung.

 

Mit diesen Schritten ist die (regeltechnische) Charaktererschaffung eigentlich schon abgeschlossen. Einzig einige letzte rollenspielerische Handgriffe fehlen noch und man kann loslegen.

 

Die Charaktererschaffung ist ein angenehm unkomplizierter Vorgang, der bereits beim ersten Anlauf schnell von der Hand geht und bei weiteren Wiederholungen sicherlich noch an Geschwindigkeit gewinnt.

Mein erster Beispielcharakter war in unter einer halben Stunde spielbereit.

 

Die Hohlwelt:

Der eigentliche Schauplatz eines HEX Abenteuers ist die im Inneren unserer Erde gelegene Hohlwelt. Durch diverse Zugänge (zum Beispiel im Bermuda-Dreieck oder an den sog. „polaren Öffnungen“) kann man ins Erdinnere vorstoßen. Dort trifft man auf eine Welt, in der es eine eigene Sonne gibt, die Tag und Nacht am „Himmel“ steht, in der sich die Natur viel intensiver entwickelt und in der die Zeit deutlich langsamer vergeht als auf der Oberfläche.

So kann es einem Abenteurer passieren, dass er auf der gleichen Reise auf spanische Conquestadores, Piraten der Karibik, alte Ägypter oder sogar Neandertaler und Dinosaurier trifft.

Der Fantasie sind hierbei keine Grenzen gesetzt.

 

Das HEX Grundregelwerk führt mit den Atlantern auch noch eine untergegangene Hochkultur ein, deren Artefakte dem Wissens- und Technikstand der 1930er (und wohl auch dem heutigen...) weit voraus und über die Hohlwelt verteilt sind. Abgeschmeckt wird das Setting noch mit Geheimorganisationen, die zum Einen auf der Suche nach Macht und (okkultem) Wissen in die Hohlwelt streben (insbesondere die Thule-Gesellschaft, die eng mit Nazi-Deutschland verbandelt ist) und zum Anderen aber (in Form der Bewegung Terra Arcanum) das Wissen um die Existenz der Hohlwelt unterdrücken möchten und dabei oftmals mit anderen Gruppen und Expeditionen in Konflikt geraten.

 

Um es klar zu sagen: Das Setting und seine Darstellung im Buch sind absolut fantastisch.

Man möchte sofort losspielen, oder zumindest die „Indiana Jones“ Filme sofort ein weiteres mal anschauen.

 

Einmal in der Hohlwelt angekommen, werden die Spieler mit einer Welt konfrontiert, die sich von Minute zu Minute drastisch verändern und in der ihnen alles und jeder begegnen kann. Auch wenn sich ein Teil der meisten HEX Abenteuer zunächst mit der Reise in die Hohlwelt befassen dürfte, so wird der größere und anspruchsvollere Teil in der Bewältigung der Aufgabe bestehen, einen Weg zurück zu finden. Denn ohne verlässliches Kartenmaterial, ohne Sterne um zu navigieren und ohne die Hilfe funktionierender Navigationshilfen (Kompasse funktionieren in der Hohlwelt nicht!) ist es sehr schwierig, einen Weg zurück an die Oberfläche zu finden. Grade auch, da in vielen Fällen der Übergang von der Oberfläche in die Hohlwelt unbewusst geschieht, so dass ein zurückverfolgen der Schritte schwierig ist. HEX bietet tatsächlich eine Welt voller neuer Abenteuer, genauso wie es auf dem Buchdeckel versprochen wird.

 

Das Ubiquity System:

Die andere Besonderheiten die HEX neben seinem ausgefallenen Setting zu bieten hat, ist sein neuartiges Spielsystem mit dem Namen Ubiquity.

Es erlaubt für das Spiel den Einsatz von jedem Würfel der grade zur Hand ist, solange er eine grade Seitenanzahl hat. Das Prinzip von Ubiquity ist denkbar simpel: Bei einer Probe versucht der Spieler möglichst viele „Erfolge“ zu erzielen. Jedes grade Ergebnis eines Würfels zählt dabei als Erfolg. Gelingt es mit einem Wurf genug Erfolge zu erzielen um zumindest die vom Spielleiter oder durch einen konkurrierenden Wurf festgelegte Erfolgsschwelle zu erreichen, gelingt die Aktion.

Übertrifft man die Erfolgsschwelle, treten sogar bessere Ergebnisse ein oder man verursacht im Kampf Schaden. Unterbietet man den Wert der Erfolgsschwelle, kommt es auf das Ausmaß des Fehlschlags an. Je weiter man die Erfolgschwelle unterbietet, desto schlechter die Folge. Gelingt einem Spieler bei einer Probe sogar einmal nicht ein einziger Erfolg, hat er die Probe verpatzt, was richtig böse Folgen haben kann.

 

Da es eben nicht auf den Wert ankommt, den der Würfel zeigt, sondern nur darauf, ob er ein grades oder ungrades Ergebnis anzeigt, ist es sogar möglich, einen Wurf, bei dem zum Beispiel 8 Würfel verwendet werden sollen, mit acht unterschiedlichen Würfel-Arten oder einer Mischung diverser Würfeltypen (etwa mit 2W6, 2W10, und 4W20) zu bestreiten. Die Wahrscheinlichkeit, ob es zu einem Erfolg oder Misserfolg kommt, bleibt bei allen Würfeln mit grader Seitenanzahl konstant.

 

Anmerkung:

Das Ubiquity-System ist ein Würfel-Pool-System, so dass eine Vielzahl von Würfeln für die meisten Proben eingesetzt wird. Manchen Spielern missfällt dies (schon aus Prinzip), mir hingegen macht es gar nichts aus. Ich habe ohnehin mehr Würfel, als ich normalerweise einsetzen kann und finde das Ubiquity-System daher eher reizvoll, weil es mir nunmehr Gelegenheit bietet, die unterschiedlichsten Würfel in größerer Zahl am Spieltisch zum Einsatz zu bringen.

 

Um dem Problem zu großer Würfelmengen Einhalt zu gebieten gibt es in HEX die Regel in bestimmten Situationen (etwa Fertigkeitsproben, die nicht unter Bedrängnis abgelegt werden) durchschnittliche Erfolgswerte anzunehmen, ohne zu würfeln. Die Berechnung der durchschnittlichen Erfolgswerte ist denkbar einfach: Man halbiert die Anzahl der Würfel die geworfen werden sollen und hat damit das im Durchschnitt erzielte Ergebnis und damit die Anzahl von erzielten Erfolgen. Kommt kein glatter Wert bei der Halbierung zustande, wird ein einzelner Würfel geworfen. Erzielt man mit diesem Wurf einen Erfolg, wird der Wert aufgerundet, erzielt man keinen, wird der Wert abgerundet.

 

Beispiel: Man hat sieben Würfel für eine Probe zur Verfügung. Dann wäre der Durchschnittswert 3,5 (in HEX notiert als „3+“). Man würfelt nun genau einen Würfel. Ist das Ergebnis dieses Wurfes grade (ein Erfolg!) erhält man für diese Probe 4 Erfolge zugesprochen. Zeigt der Würfel jedoch ein ungrades Ergebnis (Misserfolg!) bleibt der Erfolgswert dieser Probe bei 3.

Die durchschnittlichen Werte für alle Fertigkeiten finden sich auch auf dem Charakterblatt.

 

Durch das Einbeziehen von durchschnittlichen Ergebnissen wird der Spielverlauf deutlich beschleunigt.

Allerdings wollen Spieler oftmals, grade auch in Kampfsituationen oder bei spannenden Fertigkeitsproben, den Nervenkitzel des eigenhändigen Würfelwurfes und die Möglichkeit eines überdurchschnittlich guten Wurfes nicht missen. Hier muss der Spielleiter abwägen und sich am Stil seiner Gruppe orientieren.

 

Empfohlen wird die obligatorische Verwendung von durchschnittlichen Erfolgswerten für den Spielleiter etwa für NSCs im Kampf oder für Spieler bei Proben mit mehr als 10 Würfeln. Dann sollten die Spieler für die ersten 10 Würfel 5 Erfolge annehmen und die restlichen Würfel, entsprechend der oben aufgezeigten Regeln auswerten.

 

Zu guter Letzt gibt es auch eigene >Ubiquity-Würfel: spezielle W8, die als W1, W2 und W3 bezeichnet werden. Diese speziellen Würfel zeigen direkt die Anzahl an Erfolgen an, die erzielt werden und können genutzt werden, um große Würfel-Pools mit weniger Würfeln darzustellen.

Die Würfel sind dabei wie folgt beschriftet: W1: 0-0-0-0-1-1-1-1, W2: 0-0-1-1-1-1-2-2 und W3: 0-1-1-1-2-2-2-3.

 

Um nun einen großen Probe-Wurf zu machen, kann man die Würfel untereinander mischen (sie sind farbkodiert). Man könnte beispielsweise eine Probe mit zehn Würfeln mit 3W3 und 1W1 ausspielen, oder auch 5W2, etc. pp., würfeln.

 

Auch hiermit kann man eine deutliche Reduzierung der Würfelzeit herbeiführen.

 

Die Spielregeln:

Proben werden nach den grade erläuterten Ubiquity-Regeln abgelegt. Bei reinen Attributs-Proben stehen dem Spieler der doppelte Wert des bestreffenden Attributs in Würfeln zur Verfügung. Fertigkeits-Proben werden mittels des Fertigkeitswertes, der sich aus dem Wert des der Fertigkeit zugrunde liegenden Attributs und der Anzahl der Ränge in der Fertigkeit (und evtl. passenden Spezialisierungen) berechnet wird, abgelegt.

Wie in vielen verschiedenen Rollenspielen gibt es auch bei HEX verschiedene Aktionstypen, die den Charakteren zur Verfügung stehen, z.B. wenn sie ihre Fertigkeiten einsetzen. HEX kennt vier unterschiedliche Aktionstypen: die Standardaktionen, die langfristigen, die vergleichenden und die intuitiven Aktionen.

 

Natürlich kommen auch Kampf die Ubiquity-Regeln zum Einsatz.

So werden, wenn nicht mit der oben erläuternden Beschleunigungs-Regel der durchschnittlichen Erfolge gespielt wird, Angriffs- und Abwehrproben gewürfelt.

Da das Kampfsystem abstrakt ist, ist es möglich, wenngleich auch sehr unwahrscheinlich, dass ein Charakter mit einem Messer, einen Treffer bei einem T-Rex landen kann und diesen verwundet. Nun wird dieser Treffer den Saurier in den wenigsten Fällen nieder strecken, wohl aber die Reaktion des Raubtieres den angreifenden Charakter!

Im Kampf gibt es drei unterschiedliche Aktionstypen: Die Bewegungs-, die Angriffs- und die Abwehraktion. Ein Kampf ist im Prinzip Runden basiert, wird von einem Initiative-Wurf begonnen und kennt verschiedene Fertigkeiten, um Angriffe durchzuführen (z.B. Nahkampf, Waffenlos, Primitiver Fernkampf, Geschütze, Schusswaffen). Auch sind Kampfmanöver in den Regeln vorgesehen.

Angriffswürfe werden von Stärke oder Geschicklichkeit, sowie von der benutzten Waffe und äußeren Umständen modifiziert (siehe Fertigkeits-Proben weiter oben). Wenn der Angriffswurf erfolgt ist und mindestens ein Erfolg erzielt worden ist, kann der Verteidiger versuchen, mit seinem Abwehrwurf mehr oder zumindest gleich viele Erfolge zu erzielen, um Schaden zu vermeiden.

In HEX verfügen alle Wesen über einen Abwehr-Wert, der sich aus einem aktiven und einem passiven Wert zusammensetzt (siehe sekundäre Attribute weiter oben). In manchen Momenten kann sich ein Charakter nur mit einem Teil seines Abwehrwertes (z.B. seiner passiven Abwehr) verteidigen.

Spielt man mit den oben angesprochenen Beschleunigungs-Regeln, kann es auch sein, dass einfach der Durchschnittswert des Abwehrwertes als Erfolgsschwelle für den Angriff gewertet wird. Dies ist aber eine Vereinbarungssache zwischen Spielern und Spielleiter. Oftmals werden Spieler alle Würfe im Kampf selber bestreiten wollen, während der Spielleiter der Einfachheit halber für seine Tiere und NSC auf Durchschnittserfolge abstellen wird.

 

Die in den Kapiteln Drei und Vier vorgestellten Regeln und Spiel-Abläufe werden direkt vor Ort mit zahlreichen Beispielen erläutert, so dass man schnell hinter die Mechaniken kommt.

 

Die Übersetzung, der Stil und sonstiges:

Die deutsche Übersetzung des HEX Grundregelwerkes liest sich sehr gut. Bei der Übertragung ins Deutsche haben die beiden Übersetzer eindeutig auf eine hohe Lesbarkeit Wert gelegt. Einzig bei der Übertragung von Eigennamen und Fertigkeitsbezeichnungen, hätten sich die beiden hin und wieder besser absprechen und auf eine gemeinsame Schreibweise achten können.

Das Buch an sich liest sich unterhaltsam und informativ, wenngleich sich letzteres nur auf die Spielinformationen bezieht. HEX nimmt es natur- und genregemäß nicht so genau mit historischen Fakten und Gegebenheiten. Die größten Entgleisungen im historischen Kontext, die noch in der US-Ausgabe zu lesen waren, sind angenehmerweise von der Uhrwerk-Redaktion erkannt und ausgebügelt worden. Dennoch gilt der auch im Buch zu lesende Satz „Geschichte ist dazu da, benutzt zu werden“. HEX soll kein historisch korrektes Spiegelbild der Welt in den ausgehenden 1930er Jahren sein. Vielmehr soll vor dem Hintergrund dieser Zeit ein spannendes Szenario entwickelt werden, was sich zwar grob an den Gegebenheiten der Zeit orientiert, sich aber niemals von historischen Fakten den Spielspaß nehmen lässt. Dies mag für manche Spieler unangenehm sein (ich denke hier z.B. an Call of Cthulhu-Spieler), ist aber für ein Pulp-Adventure-Rollenspiel unerlässlich.

 

Neben den oben bereits genannten kleineren Abstimmungsschwierigkeiten sind mir noch einige wenige Buchstabendreher und Tipp- und Einfügefehler aufgefallen. Diese fallen jedoch nicht allzu schwer ins Gewicht. Erwähnenswert sind jedoch die Übertragungsfehler in den Charakterbögen der NSC und bei den Spielwerten diverser Tiere im Bestiarium. Hier wurden teilweise englische Begriffe nicht übersetzt (zum Beispiel steht beim Eintrag zur Riesenspinne statt „Gift“ immer noch „Venom“).

Fast durchgängig wurde es übersehen, die Schadenswert-Einträge anzupassen. HEX unterscheidet nach tödlichem („T“) und nicht tödlichem („N“) Schaden. In vielen NSC und Tier-Einträgen findet sich statt „T“ aber noch der Buchstabe „L“, der wohl für das für das englische „lethal“ steht.

Wenn man diesen Gedankenschritt aber einmal vollzogen hat, fällt dieser kleine Fehler nicht mehr auf.

 

Das Fazit:

Hollow Earth Expedition ist ein echter Geheimtipp; ein Nischenrollenspiel, das sich gekonnt mit dem Pulp Genre auseinandersetzt und einfach Spaß macht.

Ein nettes Spiel/Würfelsystem (Ubiquity), ein tolles Setting mit super Atmosphäre und freie, schnelle Charaktererschaffung machen dieses System für mich zu einem echten Goldstück.

Das Buch selbst ist ordentlich verarbeitet und gut gestaltet, die Übersetzung liest sich so gut, dass man kleine Unaufmerksamkeiten bei der Übertragung leicht verschmerzen kann. Außerdem möchte ich das knall orangefarbene Lesebändchen positiv erwähnen.

Mich stört es auch nicht, dass das Buch größtenteils in schwarz-weiß gehalten (gute Illustrationen!) und das Ubiquity-System ein Würfel-Pool-System ist. So kann ich endlich einmal die Unmengen an Würfeln, die ich mein Eigen nenne, in einem Spiel benutzen!

Weiterhin sind zwei stimmungsvolle Erweiterungsbände für HEX angekündigt, die die Spielwelt noch um weitere lohnende Pulp-Facetten (neue Archetypen, Ausrüstungen, Organisationen, Magie, Fliegende Untertassen, neue spielbare Völker etc.) erweitern werden.

Da die Übersetzung in meinen Augen sehr gut gelungen ist und der Preis der deutschen Ausgabe auch im Schnitt nur etwas mehr als sechs oder sieben Euro über der durchaus schwierig zu bekommenden amerikanischen Originalausgabe liegt, spreche ich hier für alle Fans des Pulp-Genres eine Kaufempfehlung für das deutsche HEX Grundregelwerk aus!

Aber auch Rollenspieler, die nach einem schnellen, anderen System für One-Shots suchen, können hier zugreifen. Die Welt lohnt sich allemal und Inspiration für Pulp-Abenteuer gibt es ja auch zu Hauf.

Ich bin begeistert und freue mich auf weitere Bände von HEX im Uhrwerk Verlag!