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Revenge of the Giants
Bewertung:
(4.0)
Von: Stefan Koller
Alias: Windjammer
Am: 31.12.2009
Autor:Bill Slavicsek, Mike Mearls, David Noonan
Typ:Abenteuer
System:D&D 4E
Setting:Generisch
VerlagWizards of the Coast
ISBN/ASIN:9780786952052
Inhalt:Hardcover, 160 Seiten
Sprache:Englisch

Am Ende der Welt liegt die Feste Argent. Einst strahlender Leuchtturm vor den Mächten des Chaos, liegt sie heute einsam und verlassen in den Bergen. Und gerade in dieser Zeit ist es ihr bestimmt, ihre größte Herausforderung zu meistern. Denn erneut drohen die Ahnen der Riesen, über die Welt hereinzubrechen. Wer wird den leisen Ruf von Argent in diesen dunklen Zeiten hören? Wer wird ihre Mauern vor diesem Sturm befestigen?

 

Einleitung

Die Rache der Riesen (engl. „Revenge of the Giants“) ist das bisher ambitionierteste Abenteuer, das für die 4. Edition von Dungeons & Dragons (kurz: „4E“) erschienen ist, was man allein schon am Umfang erkennt. Statt des vertrauten Formats der 4E-Kaufabenteuer – zweier Softcover in einer Pappmappe – erwartet uns ein gebundenes Buch mit stolzen 160 Seiten. Und auch der vorgesehene Stufenumfang – bei „Rache“ Stufe 12 bis 18 – verdoppelt beinahe das bisher gewohnte Ausmaß. Das Titelbild ziert einen einzelnen Recken, der sich in einer verschneiten Winterlandschaft zwei Frostriesen einsam entgegenstemmt – und zu seiner Wehr just eine Art jener Holzschilde in die Luft reckt, derer ein halbes Dutzend einem der Riesen als schickes Armband dient. Dieses süffisante Detail findet sich auch immer wieder im Abenteuer versteckt und noch im Endkampf zieren verbeulte Schilde die Hallen der Riesen. Im Buchinneren grüßt uns eine wohltuend detaillierte Inhaltsangabe, die man in dieser Sorgfalt bei 4E-Produkten, und Kaufabenteuern insgesamt, überhaupt nicht gewohnt ist. Das Buch teilt sich dann grob in zwei Rubriken, wie sie einem aus 4E-Abenteuern vertraut sind. Nach einer allgemeinen Übersicht zu Abenteuerinhalt und unterstützendem Regelmaterial, wie neuen – eigens auf das Abenteuer zugeschnittenen – Monstern und Artefakten, folgt das eigentliche Abenteuer selbst, das sich in gewohnter Manier im sogenannten „Delve-Format“ präsentiert, also die Bausteine, d. h. die einzelnen Begegnungen, übersichtlich darstellt. Im Anhang findet sich eine zusammengelegte A3-große Posterkarte, die die Hauptschauplätze des Abenteuers in frohen Farben auf die Battlemap zaubert. Klassisch für 4E-Abenteuer, aber im Kontext eines 4E-Buches unkonventionell, verzichtet der Verlag bei Die Rache der Riesen auf die eine Seite Werbung, die die Bücher sonst beschließt.

 

Die Autoren

Da das Buch im Anhang ebenso auf eine kurze Angabe zu den Mitwirkenden verzichtet, werde ich hier darauf eingehen. Verantwortlich für das Abenteuer zeichnen Bill Slaviscek, Mike Mearls und David Noonan. B. Slavicsek ist Verlagsleiter der gesamten R&D-Abteilung von D&D und alten Hasen als Autor von AD&D-Werken zu Dark Sun sowie des Mini-Settings Council of Wyrms bekannt. In neuerer Zeit hat er maßgeblich zu den D&D-„Dummies“-Büchern bei Wiley Publishing beigetragen, die die Grundlage für so einige Fließtexte in den 4E-Grundregelwerken bilden durften. Der zweite Autor, M. Mearls, hält eine ebenso tragende Rolle bei D&D inne, nämlich die des leitenden Designers, und hat in jüngerer Zeit mit dem Player’s Handbook 2 sehr wohlwollend auf sein Können aufmerksam gemacht. Auf seine Kappe gehen aber auch die drei offiziellen 4E-Abenteuer im untersten Stufenbereich, deren Qualitäten, gelinde gesagt, eher kontrovers aufgenommen wurden. Letztlich bildet Noonan den Dritten im Autorenbunde, und dürfte den meisten aus seinen Werken für die dritte Edition von D&D bekannt sein, wie Complete Divine oder Dungeon Master’s Guide 2. Noonan war auch in der frühesten Entwicklungsphase der 4. Edition einer der 5 eingeweihten und hat die ersten (also hausinternen) Playtestphasen derselben geleitet. Unvergessen bleibt auch seine Spielleiterrolle in dem grotesken Video-Podcast, zu dessen Herausgabe sich WotC für die 4. Edition hinreißen ließ.

 

Damit zum Produkt selber. Nach einer grob skizzierten Inhaltsbeschreibung folgt eine eingehende Bewertung – beide keinesfalls spoilerfrei für potenzielle Spieler des Abenteuers! Ein Fazit, das auf knappem Raum die Bewertung zusammenfasst, beschließt die Rezension.

 

Inhalt

Das Buch beginnt mit einer Übersicht über das Gesamtabenteuer und legt die Kernelemente in der Handlungsentwicklung sowie die Hauptschauplätze dar. Diese Rubrik ist auch in den online frei einsehbaren „Exzerpten“ enthalten, die Ihr neben der Rezension verlinkt findet, und dient als sehr gute Informationsquelle, um sich einen Überblick über die Rahmenhandlung zu verschaffen. In aller Kürze – die Festung „Argent“ dient seit Jahrhunderten als Zuflucht und letzte Hoffnung der Menschenreiche vor den extra garstigen Monstern, die da aus den Urwelten heraufkreuchen. Zu diesem Ziele bildet die Festung die sogenannten „Silbermäntel“ aus, eine Fraktion der Superhelden, die (spielmechanisch gesprochen) dem „Paragon Tier“ entstammen. Jede Nation hat sich vertraglich gebunden, ein Exemplar ihrer Rasse nach Argent zu entsenden, um ein Silbermantel zu werden; der dazugehörige Vertrag heißt dann zwar relativ einfallslos „Paragon Compact“, erfüllt aber seine Rolle schön zielgerecht. Wie es das Abenteuer will, zieht just in dem Moment, wo die Spielercharaktere mit Argent in Berührung kommen und sich zu Silbermäntel machen lassen, eine große Gefahr am Horizont auf: Riesen aller Kolorierung (Hügel-, Feuer-, Frostriesen) machen die Lande unsicher und hoffen, mithilfe einer Göttlichen Maschine ein uraltes Elementarwesen zu entfesseln. Dieses soll dann die humanoiden Zivilisationen endgültig zermalmen und aus den Trümmern die Reiche der Riesen aufbauen.

 

Moment mal … ein Bergkloster am Ende der Welt, das Superhelden ausbildet, um eine am Horizont drohende Gefahr abzuwehren? Erraten! „Rache der Riesen“ ist praktisch der „Kung-Fu Panda“ unter den D&D-Abenteuern und präsentiert sich dem Leser ähnlich unverblümt, wenngleich ohne unterbrechende Selbstironie.

 

Dementsprechend direkt geht das Buch dann auf den Ausgangsort und Angelpunkt des Abenteuers ein, nämlich die Feste Argent selber. Die Festungsstadt wird auf 5 Seiten beschrieben, die wichtigsten Gebäude angerissen und mit einer schicken Karte angepriesen. Wie immer herrscht jene akute Immobilienknappheit vor, wie man sie aus 4E-Abenteuern kennt und liebt. So kommen auf jedes Gebäude (durchschnittlich 72 qm Grundfläche) durchschnittlich 300 der insgesamt 15.000 Einwohner. Ich stelle mir diese Wohngemeinschaften sehr heimelig vor – vielleicht ist Argent aber auch eine dieser radikalen multi-ethnischen Kommunen, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben.

 

Sei das, wie es sei, Argent ist zum Zeitpunkt des Abenteuers bereits eine entvölkerte Stadt. Warum das so ist, wird nicht so genau erklärt. Was zählt, ist, dass unser Plotmeister, ein Zauberer namens Obanar und seines Zeichens letzter Silbermantel-Lehrmeister unter den Lebenden, vor Ort weilt und in Argents dunkelster Stunde seinen einzig verbliebenen Helfer, ein Löwenwesen namens Rrowthar, entsendet, um Hilfe zu holen. Wie es der Zufall will, läuft dieses Helferlein unserem Heldentrupp über den Weg just in dem Moment, wo es überfallen wird. Und ab hier nimmt das Schicksal seinen Lauf, sieht doch das Abenteuer klar vor, dass die SC Rrowthar zu retten versuchen und so über Argents Schicksal erfahren. Bereits hier tut sich eine Weggabelung auf, da das Abenteuer von nun an anders verläuft, je nachdem, ob den SC die Rettung von Rrowthar gelingt oder nicht. Überlebt es, wird es ihnen über das gesamte erste Drittel des Abenteuers mit Rat und Tat zur Seite stehen. Stirbt es, finden die SC zwar eine Handvoll (dieser für Kaufabenteuer unrealistisch aufschlussreichen) Dokumente, müssen aber den weiteren Weg des Abenteuers mit eigenen Kräften ausfindig machen. Glücklicherweise gibt hier „Rache der Riesen“ einige Hinweise und die SC sollten so relativ rasch in Argent landen. Wo bereits der nächste Kampf auf sie lauert, denn die Stadt wird gefühlte fünf Sekunden nach ihrer Ankunft von einem kleinem Monstertrupp unter dem Kommando der Riesen infiltriert, die es schleunigst zu erledigen gilt. Hier wird den SC weder eine Erklärungspause gegönnt (was herrlich zu der konfusen Stimmung vor Ort beiträgt) noch eine Verschnaufpause: Insgesamt warten auf die SC gleich vier knackige Begegnungen, zwischen denen selbst für eine kurze Rast kaum Zeit vorgesehen ist. Eine sehr interessante Design-Entscheidung, da mir eine Gefährlichkeit dieser Art in einem 4E-Kaufabenteuer noch nicht untergekommen ist und ich eher gewohnt bin, dass das Regenerieren von Begegnungsmächten und der Einsatz von Heilschüben in kleineren Intervallen eingeplant ist.

 

Ist dieser anfängliche Angriff auf Argent abgewehrt und das Schlüsselthema des Abenteuers in dieser Begegnungsreihe bereits sehr schön vorweggenommen, kommt es endlich zu einem klärenden Gespräch mit Obanar, dem Oberherr von Argent. Ab hier wird das Abenteuer extremst modular und gliedert sich in 8 Teile, die die Spieler teils in der Reihenfolge abwickeln können, wie sie ihnen beliebt. Ich empfehle übrigens jedem Spielleiter, sich diese Teile (auf der Inhaltsseite schön gekennzeichnet) in einer sogenannten „Flow-Chart“ einzutragen, damit transparent wird, welche Abenteuerteile welchen vorangehen und – noch wichtiger – welche Teile erst durch das Bewältigen einer anderen Aufgabe (eines anderen Abenteuerteils) „freigeschaltet“ werden.

 

Im Rest meiner Rezension werde ich nicht erschöpfend auf diese Teile eingehen, sondern kurz zusammenfassen, was die SC hier erwartet. Ich greife dann exemplarisch die Elemente des Abenteuers heraus, die besonders hervorstechen und sich für die Bewertung des Abenteuers meines Ermessens nach gut eignen.

 

Der Rest des Abenteuers ist schnell erzählt. Die SC müssen die Riesenplage beseitigen, indem sie sich schön direkt der drei klassischen Riesenvölker und derer Hauptsitze annehmen. Nach einem Massaker in der Behausung der Hügelriesen werden die SC den Feuerriesen einen Besuch abstatten, um letztlich eine interplanare Reise zu den Frostriesen im Elementaren Chaos anzutreten, wo dann auch der Showdown mit dem beinahe befreiten Elementargott Piranoth wartet, den die Riesen zu entfesseln suchen. Unterwegs tut sich eine Reihe sehr schön ausgearbeiteter Nebenquesten auf, die sich mit dem Beseitigen weiterer Verbündeter der Riesen beschäftigen sowie einen diplomatischen Auftrag enthalten, um die ehemaligen Verbündeten von Argent erneut für den Endkrieg gegen die Riesen zu gewinnen. Weiters warten zwei Nebenquesten, die sich um Artefakte drehen. Zum einen können die SC die Teile eines Artefakts finden, das ihnen in der Konfrontation mit Piranoth helfen wird; sehr schön ist hier ausgearbeitet, wie unterschiedlich diese Konfrontation ausfallen wird, je nachdem, wie weit (und wie erfolgreich) die SC diesen „Side-Quests“ nachgegangen sind. Und zum anderen gilt es, den Plänen der Riesen zuvorzukommen und vor ihnen die Bestandteile jenes Artefakts zu finden, mit denen der Obermotz Piranoth befreit werden soll.

 

Aus diesem groben Überblick greife ich nun im Bewertungsteil ein paar Elemente exemplarisch heraus.

 

Bewertung: Kritikpunkte und Lichtblicke

Direkt im Anschluss an meine Handlungs-Zusammenfassung kann der Leser bereits ersehen, dass das Abenteuer erfrischend modular ist. Und das ist auch schon der – in meinen Augen – allergrößte Pluspunkt des Abenteuers und eine erfrischende Abwechslung zu den doch recht linearen Abenteuern, die WotC für die 4E bisher verkauft hat. Die Reihenfolge, in der die SC ihre Aufgaben hier bewältigen, ist größtenteils ihnen überlassen und ihr Vorgehen hier spielt für den Ausgang des Abenteuers eine entscheidende Rolle. Die einzelnen Teile des Abenteuers fügen sich auch thematisch sehr schön ineinander und ich war diesbezüglich an den mittleren Teil von Neverwinter Nights 1: Hordes of the Underdark erinnert, der mit ganz ähnlichen Haupt- und Nebenquesten aufwartet: Der Spieler bereitet eine Drow-Stadt gegen eine Belagerung vor und unternimmt zu diesem Zweck diverse – in ihrer Reihenfolge nicht festgelegte – Reisen zu potenziellen Verbündeten bzw. zu potenziellen Verbündeten der Gegner, die es dann jeweils zu gewinnen bzw. auszuschalten gilt. Da mir dies sowohl thematisch als auch strukturell sehr zusagt, war ich bereits beim ersten Durchlesen von „Rache“ sehr angetan.

 

Ernüchtert hat mich dann, festzustellen, wie wenig Freiheit die Spieler teils innerhalb der einzelnen Questen selber haben. Abgesehen von der Insel der Frostriesen, die schön klassisch ortsbasierend gestaltet ist (engl. „site-based“) und die Reihenfolge der Herausforderungen dort den Spielern überlässt, ist ein Großteil der Haupt- und Nebenquesten vom Ablauf her äußerst stringent gebaut. So verfügen die meisten Begegnungen über klare Bedingungen, unter welchen sie eingeleitet werden und wie sie am Ende die bereits nächste Begegnung auslösen. Dementsprechend rar sind Abzweigungen im Verlauf der Subquesten und das bereits erwähnte Risiko der ausbleibenden kurzen Rast tut sich erneut auf.

 

Was in diesem Kontext erschwerend hinzukommt, ist, dass das Abenteuer den SC zwar die Auswahl der Subquesten überlässt, aber diese, sobald sie sich für eine dieser entschieden haben, von der Über-„Meisterfigur“ Obanar an den Zielort teleport werden. Gleich 6 (in Worten: sechs) der 8 Hauptquesten werden so eingeleitet und das ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Erst einmal ist „Rache“ explizit für den „Paragon Tier“ konzipiert, also einen Stufenbereich, auf dem die Helden per Rituale über eine große Vielfalt an Transportmöglichkeiten verfügen. Dadurch, dass ein NSC diese Aufgabe den SC ständig abnimmt, wird dieser Spielbereich nicht berücksichtigt. Ähnlich unberücksichtigt bleiben Rituale, die dem Erforschen von Hintergründe dienen: Wie, wann und wo die SC etwas über den drohenden Angriff der Riesen erfahren, wird vom Abenteuer genauestens kodifiziert und – wiederum – über die einzige „Meisterperson“ Obanar übermittelt. Spieler werden sich an den NSC Walthrun aus „Keep on the Shadowfell“ erinnern, der immer dann zur Stelle ist, wenn das Abenteuer „weitergehen“ soll – denn immer dann hat Walthrun/Obanar etwas in seiner Bibliothek gefunden. Das halte ich für ein Stufe-1-Abenteuer für Neuspieler absolut in Ordnung, aber für „Paragon Tier“-SC eigentlich unverzeihlich und für deren Spieler sehr unbefriedigend.

 

Das zweite große Ärgernis um den NSC Obanar ist, dass er die SC stets an ihren Zielort teleportiert – aber ständig zu nah an die Gefahrenquelle. Jedem Teleport folgt eine unmittelbare Kampfbegegnung. Nach dem ersten Mal ist das ja noch in Ordnung, aber wenn ich meine Spieler durch einen meiner NSC glatte sechsmal in einen Haufen Monster hineinteleportieren würde, würden sie mir wohl den Vogel zeigen und Obanar den Hals umdrehen. (Dankenswerterweise wäre das Abenteuer auch nach dem ungeplanten „Ableben“ Obanars zu schaffen.)

 

Kommen wir wieder zu den Pluspunkten des Abenteuers. Zum einen wäre mal die Gestaltung der Kampfbegegnungen zu erwähnen, die entgegen meiner Befürchtung – eines reinrassigen Riesenabenteuers mit Riese 1 nach Riese 2 usw. ad nauseam – nur sehr selten monoton verlaufen und mit der Wiederholung derselben Gegner aufwarten (kein Vergleich zu H1!). Besonders aufgefallen sind mir Kampfbegegnungen, die es schaffen, den Spielern ein Schlüsselelement der Abenteuerhandlung zu vermitteln. So müssen die SC einmal gegen einen Drider, eine Handvoll Drow und ein paar Astralriesen kämpfen. Besiegen sie den Drider zuerst, stellt sich heraus, dass einer der Astralriesen von diesem mental beherrscht wurden (leichte Anklänge darauf gibt es zuvor im Abenteuer). Und in just diesem Moment wendet sich der Astralriese gegen die restlichen Drow und kämpft Seite an Seite mit den SC. Damit haben wir nicht nur einen sehr dynamischen Kampf mit wechselnden Bedingungen – man vergleiche mal, wie happig der Kampf wäre, wenn die SC sich zuerst auf den Astralriesen stürzen – sondern auch eine erfrischende Abwechslung zu der konservativen Herangehensweise, wonach sich die Abenteuer primär (wenn nicht ausschließlich) aus Nicht-Kampfbegegnungen erschließen. Begegnungen dieser Art haben mich die doch äußerst kampflastigen 4E-Kaufabenteuer mit neuen Augen sehen lassen und mich einmal mehr erinnert, dass Handlung und Rollenspiel bei der 4E nicht zuletzt in den sehr dynamisch gestalteten Kampfkonflikten zu suchen und finden sind.

 

Direkt daran anschließend ergibt sich der nächste Pluspunkt, nämlich die zahlreichen Anklänge an den AD&D-Klassiker „G1-3 Against the Giants“. Nicht nur wird die Reihenfolge des Originals befolgt, in der die SC sich der Behausungen der Riesen annehmen, auch einzelne Figuren aus dem Ursprungsabenteuer finden sich bis zur Namensbeibehaltung wieder (etwa die Namen der Riesenhäuptlinge). Mehr noch, G1-3 wurde damals zu einer Superkampagne ausgeweitet, indem ihr Autor – Gary Gygax – sie an einen Feldzug gegen die Drow anknüpfte, der die Spielercharaktere ins Unterreich und letztlich zur Ebene der Drowgöttin Lolth führte. So fanden die SC damals erstmal in den Behausungen der Riesen Aufschluss darüber, dass hinter den gemeinen Anschlägen der Riesen auf menschliche Länder letztlich eine List der Drow steckt. Ohne dass „Rache der Riesen“ die Kampagne jenseits der Riesen ausweitet, wird dieser „Plot-Twist“ bis ins letzte Detail in der „4E-Version“ des Riesenabenteuers übernommen; so finden die SC eine Diplomatin der Drow in einer Riesenbehausung vor und wiederum wird eine Namensgleichheit bzw. -ähnlichkeit zu den AD&D-Charakteren bewahrt. All das werte ich als einen großen Pluspunkt des Abenteuers, da ich nach der Art, wie die 4E-Autoren bisher mit altem Material verfahren sind, geradezu entgeistert war. Nach der gruseligen Neuauflage des Abenteuers „T1 Village of Homlett“ hatte ich mir einen sensiblen Umgang mit diesem Material hier nicht mehr erwartet. Ich komme auf diesen Faktor in meinem Fazit zurück.

 

Der letzte hervorstechende Pluspunkt des Abenteuers ist der Mut, mit dem die Autoren auch bei den – nicht gerade zahlreichen – Fertigkeitenherausforderungen neue Wege gehen. Seit der Erratierung der Erstversion dieses Subsystems der 4E und dem Wegfallen des Initiativewurfes ist der Teamfaktor bei solchen fertigkeitenbasierenden Herausforderungen keineswegs eine Selbstverständlichkeit mehr. „Rache der Riesen“ bietet hier ein völlig neues Format für diese Herausforderungen an, in dem von allen Spielern ein Fertigkeitswurf in jeder Runde gefordert wird. Hier keimt der alte Grundgedanke dieser Herausforderungen auf, dass jeder SC einen wertvollen Beitrag leisten kann. Nicht gefallen hat mir hingegen, dass „Rache“ sehr stringent vorgeht, was die Auswahl der Fertigkeiten betrifft (diese verschieben sich von Runde zu Runde einer solchen neuformatierten Herausforderung); es war stets eine Stärke des Subsystems, dass die Spieler selbst wählen sollen, welche Fertigkeit ihnen angesichts des anstehenden Problems am geeignetsten scheint. Wiederum äußerst positiv hat mir gefallen, wie ausgefallen die Resultate dieser Fertigkeitenherausforderungen ausfallen. Ich bin immer eher enttäuscht, wenn das Maximum, was an einer misslungenen Herausforderung aufwartet, die Einbuße einer Handvoll Heilschübe ist. Klar verlieren hier die Spieler eine wertvolle Ressource, aber nichts Weltbewegendes oder – auf Dauer – Interessantes. In „Rache“ hingegen bewirkt der Ausgang so mancher Fertigkeitenherausforderung den weiteren Verlauf des Abenteuers – sowie, man höre und staune, ob kleinere Nebenquesten überhaupt freigeschalten werden können. Ich kann nicht genug betonen, wie überrascht ich über diese Design-Entscheidung war, da mich der sog. „Informationsimperativ“ des 4E-Spielleiterhandbuchs immer nur entgeistert hat (zur Erinnerung: der Imperativ legt fest, dass den Spielern kein Teil des Abenteuers entgehen sollte, nur weil sie sich im Ermitteln von Informationen etc. zu ungeschickt angestellt haben). Die Wichtigkeit der Nichtkampfbegegnungen für den Abenteuerverlauf ist somit enorm gestiegen. Abermals wirft „Rache der Riesen“ meine bisherigen Erfahrungen mit 4E-Kaufabenteuern völlig über den Haufen. Damit zu meinem Fazit.

 

Fazit: Kaufempfehlung – ja, aber für wen?

„Rache der Riesen“ hat mich in vielerlei Hinsicht positiv überrascht. Der Aufbau des Mega-Abenteuers ist sehr modular und veranschaulicht gerade neueren Spielleitern sehr erfolgreich, wie man eine mehrteilige Kampagne solide strukturiert. Der Vorzeigecharakter des Abenteuers in dieser Hinsicht ist der stärkste Pluspunkt in Richtung Kaufempfehlung. Ebenso gelungen ist das Überdenken der Autoren von bestehenden Elementen in 4E-Kaufabenteuern: die Einbettung des Handlungsverlaufes in einzelne Kampfbegegnungen sowie ein neues Format für Fertigkeitenherausforderungen. Auch wenn der eine oder andere diese Neuerungen unterschiedlich bewerten mag, ist es äußerst positiv, dass ein Kaufabenteuer sich dermaßen anstrengt, dem Spielleiter wirklich mal etwas Neues zu bieten.

 

Auf der negativen Seite gilt es festzustellen, dass einzelne Teile des Abenteuers für sich genommen wie eine Eisenbahnrundfahrt daherkommen und gegebenenfalls noch vom Käufer eingehend überarbeitet werden. Gerade die sehr plumpe Einbettung des Haupt-NSC ist zu betonen, der den Spielern viele kleinere Entscheidungen vorwegnimmt und ihre Fähigkeiten nicht ausreichend würdigt.

Das größte Problem jedoch ist der rein quantitative Mangel an Hintergrundmaterial. Auf prallen 160 Seiten enthält „Rache der Riesen“ keine der wunderbaren Spieler-Illustrationen, die dem Spielleiter das Darstellen gewisser Gegner und Lokalitäten in bisherigen 4E-Abenteuern vereinfachen. Auch verzichtet das Abenteuer größtenteils auf eine Vermittlung dieser Elemente durch Hintergrund- oder Vorlesetexte. Je nachdem, wie wichtig einem Spielleiter solche Inhalte sind, wartet auf ihn ein enormer Zeitaufwand, um das Abenteuer zu einem vollwertigen Spielerlebnis auszuweiten; und er wäre besser beraten, ein anderes Abenteuer zu kaufen.

Gelungen sind hingegen (größtenteils) die Anleihen beim AD&D-Vorbild des Abenteuers. Sie machen aus „Rache“ einen absoluten Nostalgie-Geheimtip für Spieler, die sehr lange kein D&D mehr gespielt haben und mit „Against the Giants“ sehr schöne (Kindheits-)Erinnerungen verbinden.

 

Meine persönliche Wertung von 4.0 ergibt sich daraus, dass ich das Abenteuer trotz aller Bedenken „by the book“ mit meiner Gruppe spielen werde. Zum einen können wir uns auf zweidimensionale NSCs und eine Schlachtplatte der alten Schule wie kleine Jungs freuen. Zum anderen ist "Rache der Riesen" quasi der Rosamunde-Pilcher-Film am D&D-Horizont. Sämtliche Klischees eines D&D-Abenteuers werden kompromisslos bedient und rettungslos überzeichnet. Das Resultat kann sich sehen lassen und wird kleinen und großen Kindern zweifellos viele schöne Spielstunden bescheren.