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Garulfo 2 - Der Prinz mit den zwei Gesichtern
Bewertung:
(3.9)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 12.01.2010
Autor:Autor: Alain Ayroles; Zeichner: Bruno Maïorana
Übersetzer:Tanja Krämling und Delia Wüllner-Schulz
Typ:Graphic Novel - Adventure
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-047-7
Inhalt:104 Seiten, Hardcover mit Spotlack
Preis:22,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Der Leser dürfte zunächst vielleicht etwas verwundert über den Wechsel des Schauplatzes sein, denn nicht das Königreich Heidemond steht im Mittelpunkt der neuen Geschichte, sondern das Königreich Wunderwasser und mit ihm die Geschicke des jungen Prinzen Ronaldo.

Eigentlich soll der Prinz anlässlich seiner Taufe die Wünsche von drei Feen erhalten – leider sind diese aber im Königreich recht spärlich gesät, so dass man sich mit einer Hexe aus dem Verlies vorlieb nehmen muss. Dieser hat man glücklicherweise angedroht, sie solle keinen Fehler bei ihrem Wunsch begehen! Und so gibt es dann doch ein erstes Wiedersehen des Lesers mit einer vertrauten Figur – der Hexe Malcruella. Während der Säugling von den ersten beiden Feen die Gabe der Schönheit und die Gabe des Verstands erhält, bedenkt ihn Malcruella mit der Gabe, seine Mitmenschen zu achten, egal um wen es sich handelt und unabhängig von seinem Rang.

 

Der Prinz wächst heran und seine beiden ersten Gaben mit ihm – er ist schön von Gestalt und durchaus klug. Doch von Respekt und Achtung gegenüber seinen Mitmenschen ist nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil – Ronaldo tyrannisiert geradezu seine Mitmenschen! Doch wie aus heiterem Himmel wird er in einen Frosch verwandelt. Hier zeigt sich, dass die Hexe Malcruella nicht ganz ehrlich war mit ihrem „guten Wunsch“ für das Kind und Ronaldo ist gezwungen, zunächst mit seiner neuen Rolle zurecht zu kommen.

Doch keine Magie geschieht einfach nur so, sondern benötigt auch ihr Gegenstück: Während der Fluch Ronaldo in einen Frosch verwandelt, wird gleichzeitig Garulfo zu einem Menschen .

 

Nach einigen Strapazen und vielen Mühen – bei denen sich Ronaldo und Garulfo sogar begegnen und Wegbegleiter werden - gelingt es ihm endlich, die Hexe ausfindig zu machen, die verantwortlich für seinen „Fluch“ ist. Diese ist eigentlich der Meinung, Ronaldo habe während seiner Zeit als Frosch Achtung vor seinen Mitmenschen und seiner Umwelt gelernt – doch weit gefehlt. Nachdem sie ihn wieder in einen Menschen verwandelt hat, muss sie feststellen, dass sich nichts geändert hat. Also gibt es wiederum nur eine Lösung: Ronaldo soll weiterhin als Frosch sein Dasein fristen, bis er eine Prinzessin findet, die ihn aus freien Stücken und aus echter Liebe küsst. Doch wo soll man nur eine solche Prinzessin finden. Zumal durch den Zauber Garulfo jetzt wieder ein Mensch ist, dem eigentlich nur der Sinn nach der Rückkehr in seinen Teich zu seiner „Froschfrau“ steht!

 

Die einzige Person, die vielleicht helfen könnte Ronaldo zu erlösen, wäre Prinzessin Hermina. Zwar schaffen es Ronaldo und Garulfo, Hermina aufzusuchen, doch diese ist entsetzt als ihr Garulfo den „verwunschenen“ Frosch zum Küssen andrehen möchte. Und so macht sie sich mit ihrer Zofe Nonette auf den Weg in das Königreich Lambrusco, wo ihr königlicher Vater der Meinung ist, anlässlich eines großen hier stattfindenden Turniers endlich einen passenden Ehemann für sie zu finden.

Angekommen in Lambrusco stößt Hermina in ihrem Gemach bei der Verfolgung eines diebischen Kobolds, der ihr einen kleinen Gegenstand aus Kristall entwendet hat, auf einen Geheimgang, der sie vor die Mauern der Burg bringt und geradewegs in die Hände eines grässlichen Ogers treibt, der in einer abgelegenen und halb verfallenen Burg haust.

 

Ronaldo und Garulfo ahnen nicht das geringste über diese Geschehnisse, während sie sich auf den Weg gemacht haben, um Hermina zu folgen – schließlich ist sie wahrscheinlich die einzige die die beiden von ihrem „Fluch“ erlösen kann. Und so steuert das ungleiche Duo neuen abstrusen Verwicklungen und Verwirrungen entgegen, während Hermina einige interessante (und bislang gänzlich unbekannte) Seiten des Ogers kennen lernt.

 

Schreibstil & Artwork:

Der Autor Alain Ayroles wurde 1968 in der Region Lot geboren. Das Zeichnen und Erzählen von Geschichten entwickelte sich schon recht bald zu seiner Leidenschaft und so ging er 1980 an die Kunsthochschule von Angoulême. Doch vor allem an den Rollenspieltischen – die die Studenten weit gewissenhafter besuchen als die Seminare – perfektioniert er sein Talent als Erzähler. In der Tat basieren seine Comics „Garulfo“ und „Mit Mantel und Degen“ ursprünglich auf einem selbst kreierten Spieleuniversum, das noch aus dieser Zeit stammt. Nach seinem Studium arbeitete er für diverse Zeichentrickserien und als Szenarist und Zeichner für diverse Comicmagazine wie z.B. am ersten Band von „Les Enfants du Nile“, der 1991 beim Verlag Delcourt erscheint. Für denselben Verlag textete er sodann den Comic „Garulfo“, den er gemeinsam mit Zeichner Bruno Maïorana umsetzte. Parallel hierzu entstand die von Jean-Luc Masbou gezeichnete Serie „Mit Mantel und Degen“, eine Geschichte mit tierischen Protagonisten, die der klassischen Literatur und dem Theater des 17. Jahrhunderts verpflichtet ist.

Sein Erzähltalent und sein Sinn für Humor machten Ayroles in Frankreich zum idealen Übersetzer von „Bone“, der Kultsaga von Jeff Smith. Im Jahr 2008 veröffentlichte er gemeinsam mit dem Zeichner Luigi Critone einen Titel der Serie „7“ („Sieben Missionare“), die ebenfalls beim Verlag Delcourt erscheint.

 

Die Geschichte, die Ayroles in „Garulfo“ erzählt, zeichnet sich nicht zuletzt durch einen sehr feinen Sinn für Dialoge aus, die recht beiläufig eine gewisse Gelehrsamkeit ausstrahlen, ohne dabei pathetisch zu werden oder gar den Leser zu langweilen. Ganz im Gegenteil – bereits im Nachwort zum ersten Band brachte Ayroles seinen Willen zum Ausdruck, zu den Quellen der großen Erzählkunst zurückzukehren. Er bedient sich dabei mit sichtlichem Vergnügen traditioneller Mythen, die er allerdings mit großem Respekt verändert. Entstanden sind hierbei Dialoge, die den Situationen Leben einhauchen und mit ihrem Wortwitz paradoxe Zustände in eine glaubwürdige Welt einbetten. Kurzum – schieres Lesevergnügen auf hohem Niveau.

 

Bruno Maïorana wurde am 23.12.1966 in Angoulême geboren. Nach einer klassischen Schullaufbahn machte er sein Abitur und ging dann an die Kunsthochschule, wo er sich für die Comicsektion einschreibt. Doch begann er sich dort schnell zu langweilen und fand den Unterricht für seine eigenen künstlerischen Belange ziemlich unergiebig. Er zog es vor, sich mit dem Zeichnen von Trickfilmen zu beschäftigen, einer Aktivität, die ihm zwar den Vorteil eines gesicherten Einkommens verschaffte, ihn aber auch in das enge Korsett der Routine und der Vorgaben führte. Glücklicherweise schaffte der ebenfalls vom Rollenspiel begeisterte Maïorana rechtzeitig den Absprung aus diesem Genre und arbeitete mit Autor Alain Ayroles in der Zeit von 1995 bis 2004 an der Serie „Garulfo“.

 

Die Charaktere in seinem Erstlingswerk wirken – bei all ihrer Liebe zum Detail und Eigenständigkeit- manchmal etwas stark cartoonhaft. Dennoch ist es vielleicht gerade dieser Kontrast zu der überaus intelligenten Erzählung von Ayroles, die den Charme dieses Comics und seiner Figuren ausmacht. Insgesamt also sicherlich keine zeichnerisch Höchstleistung, aber sehr gefällig und angenehm in Szene gesetzt. Getragen werden die Figuren durch strahlenden und kräftigen Farben der Bilder in der Koloration von Thierry Leprevost.

 

Qualität & Übersetzung:

Ursprünglich ist die Reihe in Frankreich im Verlag Delcourt in sechs Einzelalben erschienen, der Splitter Verlag jedoch veröffentlicht die Geschichte in drei sehr liebevoll und aufwändig gestalteten Doppelbänden: „Vom Teich ins Schloß“, „Vom Regen in die Traufe“ und „Die Schöne und die Biester“. Der vorliegende Doppelband beinhaltet Band 3 „Der Prinz mit den zwei Gesichtern“ und Band 4 „Der Oger mit den Kristallaugen“.

 

In Sachen Qualität erhält man jeweils einen rund 104 Seiten starken Hardcoverband (mit Spotlack für das Cover) in einer gewohnt guten Verarbeitung und angenehmer Druckqualität. Zudem wird es für Sammler und Fans vom Splitter Verlag zu „Garulfo“ einen exklusiven Schuber für die drei Doppelbände geben. Die Übersetzung des zweiten Doppelbandes aus dem Französischen stammt diesmal von Delia Wüllner-Schulz und Tanja Krämling, das Lettering und Coverdesign oblag Dirk Schulz.

 

Als Extra gibt es auch im zweiten Doppelband einen Anhang, der einen kleinen Blick hinter die Kulissen von „Garulfo“ gewährt. So findet man neben einer Galerie einiger wichtiger (und neuer) Charaktere, einige interessante Worte zum Thema „Märchen“ und der Entstehungsgeschichte von „Garulfo“ sowie einige weitere Illustrationen aus der Feder von Maïorana.

 

Fazit:

Ein Märchen als intelligente Screwball-Komödie in Comic-Form? Der Vergleich mag auf den ersten Blick etwas hinken, aber dennoch scheint dieses Konzept beim Duo Ayroles und bei Maïorana auch im zweiten Doppelband weiterhin hervorragend zu funktionieren: Geschickte Dialoge, Wortwitz und ein rasantes Tempo in einer gewitzt konstruierten Handlung vor einer zeichnerisch durchaus überzeugenden Kulisse.

 

Eigentlich hätte man ja schon nach dem ersten Doppelband meinen können, die Geschichte sei erledigt und alles habe ein gutes Ende gefunden (so wie das halt in Märchen nun mal so ist). Doch weit gefehlt – mit Leichtigkeit (und auch einigen kleinen Kniffen) schafft es Ayroles, die Geschichte geradewegs in eine neue Richtung zu drücken und mit dem Chaos um die Verwandlungen von Ronaldo und Garulfo in neue Höhen zu treiben, wobei auch hier der manchmal recht böse Humor nicht zu kurz kommt.

 

Für mich persönlich ist diese Neuauflage beim Splitter Verlag eine echte Bereicherung, da diese überaus gelungene Serie unbedingt größere Bekanntheit in Deutschland erhalten sollte – schon lange habe ich mich nicht mehr bei einem Comic auf so hohem Niveau gut unterhalten gefühlt, auch wenn es vielleicht bei den Zeichnungen hier und da vielleicht etwas zu stark ins cartoonhafte abgeglitten ist. Für mich persönlich aber auf jeden Fall eine Kaufempfehlung und einen Blick wert!