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Straßenmagie
Bewertung:
(4.3)
Von: Dirk Schlösser
Alias: Drumlin
Am: 18.03.2010
Autor:Lars Blumenstein, Rob Boyle, Robert Derie, John Dunn, Robyn King-Nitschke, Jason Levine, Jon Szeto, Peter Taylor, Frank Trollmann
Übersetzer:Maximilian Hildebrandt, Jochen Hinderks, Manfred Sanders
Typ:Regelerweiterung
System:Shadowrun 4.01D
Setting:Die Sechste Welt 2072
VerlagPegasus Press
ISBN/ASIN:978-3-939794-92-9
Inhalt:231 Seiten, Hardcover
Preis:29,95 EUR
Sprache:Deutsch

„Straßenmagie“ ist ein Erweiterungsband für Shadowrun 4.01D. Er nimmt sich die erwachten Charaktere heraus und widmet sich ihnen voll und ganz. Das Buch erschien schon unter alter Lizenz bei FanPro, aber Pegasus hat es im Zuge der neuen Lizenz wieder aufgelegt und überarbeitet.

 

Erster Eindruck

Auf den ersten Blick ist das Buch gut gearbeitet. Ein stabiles Hardcover umgibt die qualitativ hochwertigen 231 Seiten dieses Buches. Das Covermotiv ist aber eher grenzwertig. Im Buch selbst gibt es weitaus bessere Motive die als Cover geeignet gewesen wären. Die Illustrationen insgesamt im Buch schwanken zwischen grausam schlecht und sehr gut.

Als Zugabe gibt es wieder ein nettes Leseband, was immer wieder schön ist. Was mich besonders überrascht hat, war der Index. Anscheinend lernt Pegasus doch noch, dass ein Index nicht nur schön, sondern auch extrem praktisch ist.

 

Inhalt

Straßenmagie beginnt mit einer Abhandlung über Magie, was sie ist und was sie kann. Für den Charakterhintergrund wird auch ein Artikel über das Aufwachsen als Erwachter geboten. Das wichtigste für den Shadowrunner darf natürlich auch nicht fehlen, nämlich wie sich das Gesetz zu Magie verhält und wie die Gesetzeshüter ihrerseits Magie als Ermittlungsmethode einsetzen.

Dann folgen noch die Einstellungen der verschiedenen Religionen und der Konzerne zu Magie und die Rolle der Magie im Untergrund und speziell in einer Runnergruppe.

 

Das zweite Kapitel „Der erwachte Charakter“ gibt Tipps für den Charakterbau. Ähnlich wie beim Hackererweiterungsband „Vernetzt“ ist dieser Teil für Anfänger sehr nützlich, aber Fortgeschrittene werden nur wenig Neues finden.

Toll finde ich in diesem Kapitel jedoch die beiden neuen Fertigkeiten Arcana und Verzaubern. Die Erste ist zum Spruchdesign und der praktischen Theorie der Magie gedacht, das zweite um Foki, Talismane und Fetische herzustellen. Beides hat meiner Meinung nach noch gefehlt und vor allem Arcana ist interessant, da diese Fertigkeit auch von mundanen Charakteren gewählt werden kann. Diese können neue Sprüche und Geisterformeln erforschen, nur eben nicht anwenden. Aber der Markt für Spruchformeln ist groß.

Speziell für Erwachte wurden hier in Straßenmagie außerdem neue Gaben und Handicaps entworfen, die besonders für die Spieler interessant sein dürften, die ihren Charakter gerne mit nur einer Prise Magie ausstatten oder erst im Laufe des Spiels „erwachen“ lassen wollen.

Zusatzregeln gibt es hier für Ritualzauberei, was diese umfangreicher und anpassungsfähiger macht. Einige Zusatzregeln hier sind durchaus eine Überlegung wert, aber besonders die Regeln für das Handicap Geas sind sehr kritisch und sollten unbedingt zwischen Spieler und Spielleiter abgesprochen werden, da sie sonst zu Frustration auf einer oder beiden Seiten führen kann.

 

Neben allgemeinen Informationen zu magischen Traditionen, autodidaktischen Magiern, Besessenheit von Geistern und Religion (in Zusammenhang mit Magie natürlich) bietet „Die Pfade der Magie“ auch neue Traditionen. Um genau zu sein, bietet dieses Kapitel einundzwanzig neue Traditionen. Für mich eine Wohltat, da ich mich mit den lediglich zwei Traditionen im Grundregelwerk etwas verlassen fühlte.

Für Adepten werden außerdem fünf Wege dargestellt, die ähnlich den Traditionen angelegt sind. An sich eine nette Idee, aber schade ist, dass zwei weitere Wege angesprochen, dann aber nicht weiter ausgeführt werden.

Nach einem kurzen Abschnitt über Wahnsinn und Wunder in der Magie, folgt noch eine ausführlichere Anleitung, als im Grundregelwerk, zur Erschaffung von neuen Traditionen. Dies wird an einem Beispiel sehr gut erklärt, wobei die zweiundzwanzigste Tradition dieses Buches erstellt wird.

Unangenehm fällt hier nur der doppelte Absatz am Ende des Kapitels auf.

 

Das Kapitel „Initiation und Metamagie“ widmet sich den fortgeschrittenen Magiern. Nach der Erklärung, was Initiation überhaupt für den Charakter bedeutet, werden Wege vorgestellt, wie die Initiation „erleichtert“ werden kann. Mit „erleichtert“ ist hauptsächlich die Einsparung von Karma gemeint. Dies kann durch Initierung in der Gruppe geschehen, indem man also Gleichgesinnte findet, die ebenfalls initieren wollen, oder indem man eine Initiationsprüfung ablegt. Damit der Leser auch weiß, welcher Art so eine Prüfung sein soll werden auch gleich zehn Beispiele geliefert.

Zur Metamagie werden erst einmal optionale Regeln zum Erlernen geboten, die aber eher bescheiden sind.

Der Rest des Kapitels besteht aus neuen metamagischen Fähigkeiten. Um unnötiges Herumblättern in zwei Büchern zu verhindern wurden hier praktischerweise die Fähigkeiten aus dem Grundregelwerk wieder aufgenommen. Für fortgeschrittene Initiaten werden auch Fähigkeiten vorgestellt, die andere Fähigkeiten als Voraussetzung haben und dementsprechend mächtig sind. Besonders gefallen haben mir jedoch die metamagischen Fähigkeiten die speziell für Adepten entwickelt wurden, was diesen ein deutlich breiteres Spektrum an Möglichkeiten bietet.

 

Das folgende Kapitel stellt magische Gruppen vor, ihren Zweck, ihre Bräuche und ihre Bestimmungen. Diese Gruppen bieten verschiedene Vorteile, wie Vergünstigungen bei magischen Waren, aber eben auch Nachteile, wie die Bedingungen die die Gruppe an den Einzelnen stellt.

Damit diese Gruppen auch im Spiel gut verwendet werden können, gibt es Hinweise für Spieler und Spielleiter, wie man diese Gruppen findet oder gründet, oder eben auch völlig neu erschafft. Damit man aber nicht ganz ohne Anhaltspunkt bei der Erschaffung dasteht, werden siebzehn Beispielgruppen geboten.

Für mich sind diese Gruppen eine logische Konsequenz aus der Existenz der Magie in der Sechsten Welt und diese Regeln waren, meiner Meinung nach, mehr als wichtig.

 

„Magische Güter“, ein Kapitel das in „Straßenmagie“ nicht fehlen darf. Als Einführung wird der Aufbau eines Taliskrämerladens und allgemein das Geschäft der Taliskrämerei beschrieben. Für die neue Fertigkeit Verzaubern wird hier auch der Aufbau und die Funktion eines Verzauberungslabors geliefert.

Anschließend folgt ein großer Abschnitt, der schon fast als eigenes Regelwerk durchgehen könnte. Er beschreibt die Herstellung von so ziemlich allen magischen Gegenständen. Von Orichalkum über Foki bis zu Geistergefäßen wird die Herstellung genau beschrieben, was manchmal jedoch sehr ausufern kann und den Leser geradezu mit Regeln überhäuft.

Auch neue Gegenstände werden vorgestellt, wie Mehrfachfoki und Metamagiefoki.

Außerdem werden einzigartige Verzauberungen vorgestellt, die jedoch so mächtig sind, dass man aufpassen muss, wenn man sie einführt, nicht das Spielgleichgewicht aus der Bahn zu werfen.

Besonders schön jedoch fiel mir die Beschaffung der Rohstoffe zur Herstellung von magischen Gegenständen auf. Man kann sie zwar einfach kaufen, benötigt man jedoch eine exotische Zutat, so muss man sie oft selbst suchen gehen. Und diese Tatsache kann ganze Runs zustande bringen.

 

Das folgende Kapitel ist den Geistern der Welt von Shadowrun gewidmet. Neben den bekannten Geistern werden zwei neue Arten eingeführt, die Wilden Geister und die unklassifizierten Geister, wobei beide gefährlich und von unbekannter Herkunft sind.

Darauf folgen eine Menge neuer Geisterregeln, unter anderem eine ausführliche Beschreibung der Regeln für die Geister der Traditionen, die auf Besessenheit basieren, das heißt, die Geister nicht beschwören, sondern in lebende oder nichtlebende Gefäße hineinrufen und die diese Gefäße dann kontrollieren.

Außerdem gibt es hier Regeln für Verbündete. Man könnte sie als Shadowrun-Entsprechung der Tiergefährten oder Vertrauten bei Dungeons and Dragons bezeichnen.

Ein weiterer Abschnitt geht auf die Freien Geister ein, u. a. wie sie entstehen, wie man sie bindet und wie man sie wieder los wird.

 

Damit alle Bereiche der Magie behandelt werden, wird im nächsten Kapitel auf die Astralebene und die Metaebenen eingegangen. Darin eingeschlossen ist das Aussehen des Astralraums mit seinen ureigenen astralen Phänomenen.

Das Mana durchfließt sowohl den Astralraum als auch die physische Welt, daher passt die Beschreibung der Manaphänomene und Manahintergrundstrahlung gut hierhin. Ebenso die Möglichkeiten sich astral zu verteidigen, speziell mit Hütern, aber auch mit Geistern, Crittern, Pflanzen oder gar Bakterien.

Eine Beschreibung des möglichen(!) Aussehens der Metaebenen und ihrer Bewohner folgt. Wie gelangt man überhaupt auf eine solche Ebene? Diese Frage wird unter anderem hier beantwortet. Aber auch die Astralquesten, die sich auch auf Metaebenen abspielen können, werden hier erläutert. Vorallem wichtig: Es werden Tipps gegeben, wie man die anderen Spieler in eine solche Astralqueste einbindet, so dass es nicht zu einer Solorunde verkommt, in denen die anderen Spieler nur zusehen.

 

Wie alles hat auch die Magie zwei Seiten und in „Magische Bedrohungen“ wird die finstere Seite erläutert. Dazu gehören kurze Abschnitte über Blutmagie, Kannibalismus und wahnsinnige Magier.

Ein weitaus größerer Abschnitt beschreibt die toxische Tradition und ihre Schamanen. Die toxischen Schamanen haben ganz eigene Ziele und Motivationen. Diese werden ebenso dargelegt wie die toxische Metamagie, toxische Schutzpatrone und die toxischen Geister. Für abwechslungsliebende Spielleiter wird gleich eine Anleitung zum Selbsterstellen toxischer Geister mitgeliefert. Gerade diesen großen Abschnitt finde ich ob der Häufigkeit der Erwähnungen toxischer Schamanen in anderen Shadowrunbüchern wichtig und höchst nützlich.

Für sicherlich etwas magielastigere Kampagnen werden auch noch sogenannte Schattengeister oder Dämonen geboten.

Es gibt aber auch Wesen, die aus gänzlich anderen Welten kommen, den sogenannten tiefen Metaebenen. Als wohl größte Bedrohung von dort gelten die Insektengeister. Auch diese werden ausführlich beschrieben. Ein sehr interessanter Abschnitt, meiner Meinung nach, da in anderen Büchern kaum Informationen über sie zu finden sind.

Als Abschluss des Kapitels werden noch die mächtigen Shedim mit samt Werten vorgestellt.

 

Das nun folgende „Grimoire“ dürfte wohl am interessantesten für Spieler erwachter Charaktere sein. Nach einer Anleitung zum Erstellen eigener Zaubersprüche folgt eine, im Vergleich zum Grundregelwerk, gigantische Anzahl von Zaubern. Besonders positiv fiel mir erstens auf, dass die alten Sprüche ebenfalls enthalten waren, so dass man nicht in zwei Büchern umherblättern muss. Zweitens gibt es nun deutlich mehr negative Heilzauber. Denn nachdem sie einen eigenen Abschnitt im GRW besaßen, hatte ich mir dort ein paar mehr als nur einen einzigen gewünscht.

Für Adepten folgt eine Aufstellung alter und, natürlich, neuer Adeptenkräfte. Diese Kräfte vervollständigen die Darstellung des Adepten, wie ich ihn mir vorstellte und machen ihn deutlich variabler.

Zur Vervollständigung des Kapitels werden noch die neuen und alten Schutzpatrone vorgestellt. Da nicht in jeder Kultur alle Patrone gleich benannt werden wird auch noch eine Konvertierungshilfe geliefert.

 

Den Abschluss des Buches bilden Tabellen mit den im Buch erwähnten Gegenständen, den Zaubern und Adeptenkräften, mit Seitenverweisen. Bei den Zaubern werden gleich noch die wichtigsten statistischen Daten mitgeliefert, die ein Herumblättern im Buch vermeiden, wenn man zum Beispiel nur gerade den Entzugscode braucht.

 

Ein vierseitiger Index mit den wichtigsten Begriffen beendet schließlich endgültig das Buch.

 

Fazit:

Ist „Vernetzt“ die Bibel für matrixaktive Charaktere, so ist „Straßenmagie“ die Bibel für Erwachte.

Es ist gut gearbeitet (mit Lesebändchen), auch wenn viele Illustrationen enttäuschen, und inhaltlich übersichtlich gegliedert. Besonders der Index fällt positiv auf. Er ist nicht nur überhaupt da, sondern er ist auch noch brauchbar.

„Straßenmagie“ enthält wichtige Informationen über Erwachte, Geister, den Astralraum, die Metaebenen und Magie im Allgemeinen. Für den Spieler am wichtigsten jedoch sind wohl die neuen Gaben & Handicaps, genau wie die wirklich vielen neuen Traditionen, Zauber und Adeptenkräfte.

Jedoch hat auch dieses Buch Schwachstellen. So verliert sich „Straßenmagie“ teilweise in wirklich komplizierten Regeldetails die den Leser fast erschlagen. Auch fallen einige böse Rechtschreibfehler unangenehm auf, ebenso wie ein ganzer doppelter Abschnitt.

 

Insgesamt lässt sich sagen: Wer nichts gegen viele neue Regeln hat und gerne erwachte, also magiebegabte Charaktere, spielt, der wird an diesem Buch seine Freude haben, die nur ein wenig durch die Schwachstellen getrübt wird. Hat man das Buch erst einmal gelesen, dann kann man sich eigentlich nicht mehr vorstellen ohne es zu spielen.