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Bouncer 3 - Die Gerechtigkeit der Schlangen
Bewertung:
(3.8)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 16.05.2010
Autor:Alexandro Jodorowsky (Autor) und François Boucq (Zeichner)
Übersetzer:Horst Berner
Typ:Western / Graphic Novel
Setting:Western
VerlagEhapa Comic Collection
ISBN/ASIN:978-3-7704-2817-5
Inhalt:56 Seiten, Hardcover
Preis:12,00 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt (Achtung: Spoiler!):

Der Henker von Barro City verstarb plötzlich und unerwartet vom nächtlichen Biss einer Korallenschlange in seinem Schlafzimmer und so hat die Stadt jetzt ein gewaltiges Problem: Jim der Menschenfresser soll gehängt werden und niemand ist da, der diese Aufgabe übernehmen kann. Bevor es zum Lynchmord des Mob kommt, versammeln sich die Honoratioren der Stadt im Büro des Sheriffs um eilig die Nachfolge zu klären. Da sich allerdings kein Freiwilliger findet, entscheidet letztlich das Los und die Wahl fällt auf Bouncer. Als sei sein Leben als Aufpasser und Rausschmeißer im „Infierno Saloon“ nicht schon schlimm genug, so bekommt er auf diese Art und Weise den wohl hässlichsten Beruf der Stadt angehängt. Kurz bevor der versammelte Mob vor dem Büro des Sheriffs die Dinge selbst in die Hand nimmt, kommt Bouncer seiner neuen Berufung nach.

 

Doch auch im „Infierno Saloon“ braut sich Unheil zusammen, da der brutale und schmierige Großgrundbesitzer Clark Cooper versucht nicht nur Ländereien an sich zu reißen, sondern auch in der Stadt die Oberhand im Grundstücksgeschäft bekommen möchte. Nach einem langen Gespräch zwischen ihm und Lord Diabolo, dem Besitzer des „Infierno Saloon“ kommt es zwischen Bouncer und Cooper zu einem folgenschweren Treffen im Schankraum. Da Lord Diabolo den Saloon nicht an Cooper verkaufen möchte, kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Cooper und Bouncer, der diesen letztlich vor die Tür schmeißt. Doch auch Noemie, die als Bardame und Prostituierte im Saloon arbeitet, ist behilflich und kümmert sich um Maria Mars, die Geliebte und allseits gehasste Freundin von Cooper, in dem sie diese vor die Tür setzt.

 

Nach diesem peinlichen Zwischenfall sinnt Cooper auf Rache und heuert kurze Zeit später fünf Männer an, die ihm den Bouncer aus dem Weg schaffen sollen. Es kommt zu einer wilden Schießerei im „Infierno Saloon“, auf die Bouncer aber Dank eines Informanten vorbereitet war. Bis auf den Anführer Garrack, der kurzfristig Noemie als Geisel nimmt, schafft es keiner von den fünf Männern den Saloon lebend wieder zu verlassen, wobei der Saloon nach diesem Schusswechsel allerdings auch ziemlich ramponiert aussieht.

 

Da Lord Diabolo – der nach einer Brandkatastrophe gesundheitlich ohnehin angeschlagen ist – keine Nachkommen hat und seine Ende nahen sieht, will er den Saloon nach seinem Tod an Bouncer übergeben, in dem er den einzigen sieht, der dieser Aufgabe würdig ist. Nach der Schießerei im Saloon und dieser guten Nachricht fasst sich Bouncer ein Herz und macht Noemie noch am gleichen Abend einen Heiratsantrag, der weniger mit Liebe zu tun hat, als vielmehr mit einer recht besonderen gegenseitigen Zuneigung. Noemie willigt ein, doch gibt sie Bouncer zu verstehen, das ihr Herz einem Mann gehört, den sie wirklich liebt aber wohl niemals wiedersehen wird. Dieser Mann ist Tom, ein ehemaliger Sklave, der einige Meilen von Barro City entfernt in der Einöde lebt und bei einem seiner Jagdstreifzüge auf eine Goldader stößt. Doch davon weiß Noemie zu diesem Zeitpunkt absolut nichts.

 

Der Tag der Hochzeit ist da und Bouncer macht sich in seinem neuen Anzug mit seiner Braut auf den Weg zur Kirche, als er einem Unbekannten helfen muss, der vor einem Saloon mit einer Waffe bedroht wird. Bei diesem Mann handelt es sich um Tom, der sich nach seinem Fund in der Einöde und dem erfolgreichen Registrieren seines Grundstücks einen Drink genehmigen wollte. Für Noemie gibt es nach dieser Begegnung kein halten – gemeinsam mit Tom verlässt sie die Stadt und der Bouncer ist wieder alleine.

 

Dieses Ereignis wirft den eigentlich hartgesottenen Bouncer vollends aus der Bahn. Monatelang ergibt er sich im „Infierno Saloon“ dem Suff und will von niemandem etwas wissen oder hören. Selbst ein Brief, den ihm Noemie schickt, um ihm die Hintergründe zwischen ihr und Tom zu erklären, führen zu nichts. Der Bouncer scheint ein gebrochener Mann zu sein. In seinem stetigen Verfall treibt es ihn sogar ins örtliche Opiumhaus, wo er nach dem Genuss einer Opiumpfeife, die ihn tief in die Abgründe seiner Seele führt und Dank der Hilfe der Chinesin Yin Li wieder zu Sinnen kommt.

 

Glücklicherweise zur rechten Zeit, da eine Hinrichtung auf ihn wartet. Doch bei den beiden Menschen, die er hängen soll, handelt es sich um Noemie und Tom. Fassungslos hört der Bouncer der Geschichte zu, die Noemie ihm erzählt und es scheint, als hätte Cooper ihr und Tom übel mitgespielt, da er von dem Goldfund auf dem Land von Tom Wind bekommen hat und ihn dazu zwingen wollte, ihm den Besitz „freiwillig“ zu übertragen. In einem Handgemenge kam es schließlich zu einer Schießerei und einer der Söhne von Cooper kam ums Leben – jedoch kann Tom unmöglich Joseph Cooper umgebracht haben, da er zu diesem Zeitpunkt nicht in seiner Schusslinie stand und er eigentlich Jonas Cooper treffen wollte.

 

Der Bouncer hat noch nicht einmal mitbekommen, wie man den beiden in der Stadt den Prozess gemacht und sie zum Tode verurteilt hat, da er die letzten Monate lediglich im Vollrausch verbrachte. Doch er ist von den fiesen Machenschaften von Cooper überzeugt und weigert sich das Paar hinzurichten. Allerdings kann Bouncer seinem Schicksal nicht entkommen, da man ihn hinterrücks niederschlägt und mit billigem Fusel abfüllt, so das er kaum auf den Beinen stehen kann als er wieder zu Bewusstsein kommt. Kein ungewohnter Anblick für die Leute von Barro City, die den Bouncer schon seit etlichen Monaten in diesem Zustand kennen. Man führt den volltrunkenen Bouncer zum Galgen, damit dieser die Falltür für den Galgen öffnet. Und so legt der Bouncer den Hebel um, der den sicheren Tod für Noemie und Tom bedeutet.

 

Als er wieder nüchtern ist und zur Besinnung über die Geschehnisse kommt, will der Bouncer nur noch eins – Garrack, den angeheuerten Revolverhelden und seine Komplizen finden, um die Wahrheit über den Tod von Joseph Cooper herauszufinden um dann Rache zu nehmen.

 

Schreibstil & Artwork:

Alexandro Jodorowsky wurde 1929 als Sohn russischer Emigranten in Iquique (Chile) geboren. Auf eine unruhige Jugend folgte ein unstetes Leben, in der er sowohl die Literatur als auch das Medium Film für sich entdeckte und sich einen Namen als Filmschaffender von internationalem Rang mit Werken wie „El Topo", „La Montagne Sacrée" oder „Tusk" machte.

Dabei zeigte Jodorowsky durchaus Talent eigene Comics zu zeichnen, wie beispielsweise die Serie „Fabula Panicas“, die wöchentlich im mexikanischen Magazin „Heraldo Cultural“ erschien. Sein eigentliches Debüt im Bereich Comics machte Jodorowsky 1966 in Mexiko mit dem Szenario der futuristischen Saga „Anibal 5", die von Manuel Moro illustriert wurde. 1978 traf er Jean Giraud, besser bekannt als Moebius, mit dem er an einer Filmadaption des Romans „Dune" arbeitete. Für Moebius, schuf er mit „John Difool" auf Anhieb ein Meisterwerk der Science-Fiction- und Fantasy-Comic-Literatur. 1982 entwarf Jodorowsky für den Zeichner Arno das Szenario zu „Alef-Thau". Über die Jahre hinweg folgten zahllose weitere Szenarien für bekannte Zeichner, darunter beispielsweise „Das weiße Lama" (mit Bess), „Die Meta-Barone" (mit Juan Gimenez), „Lust und Glaube" (mit Moebius), „Mondgesicht" (mit François Boucq), „Die Saga von Alandor“ (mit Cadelo) sowie 1997 „Die Techno-Väter“ (mit Janjetov und Frédéric Beltran).

 

Mit „Wo ein Vogel am schönsten singt“ betätigte er sich zudem als Buchautor. 1996 gewann Jodorowsky auf dem Comic-Salon in Angoulème den begehrten „Alph’art“ für das beste Szenario für seine neue Comic-Serie „Juan Solo“. 1999 widmete man ihm dort eine Retrospektive über sein jahrelanges Schaffen als Filmemacher und Szenarist, als Romancier und Poet mystischer Dichtung.

Seit 2001 arbeitet er gemeinsam mit dem Zeichner François Boucq an der Western-Reihe „Bouncer“, wobei er sich auch hier zwischendurch Zeit nimmt, um beispielsweise in 2002 gemeinsam mit Jean-Claude Gal an der Reihe „Diosamante“ zu arbeiten.

 

Nach den beiden ersten Bänden scheint Jodorowsky diese neue Geschichte fast schon etwas ruhiger und weniger brutal angehen zu lassen, auch wenn die Sitten in Barro City immer noch derb und erbarmungslos sind. Nachdem der Bouncer zu Beginn in neue Abgründe gestoßen wird und das Amt des Henkers übernimmt, welches ihn noch mehr zu einem Außenseiter macht, scheint es aber mit der geplanten Hochzeit einen Lichtblick in seinem Leben zu geben, den Jodorowsky ziemlich schnell (und meines Erachtens nach ziemlich konstruiert) wieder verdunkelt. Und so dreht sich erneut alles um menschliche Abgründe, Intrigen und die Verdorbenheit, wie man sie als Klischee im „Wilden Westen“ kennt. Dabei kann man Jodorowsky zu keinen Zeitpunkt vorwerfen, er habe seinen Geschichte alleine zum Selbstzweck bizarr inszenieren wollen, um nicht vorhandene Tiefe vorzutäuschen. Ganz im Gegenteil. Durch den etwas behutsameren Einsatz von Gewalt als Stilmittel gibt Jodorowsky seinem Bouncer neue Tiefe, die er beispielsweise in seinem äußerst „unromantischen“ Heiratsantrag äußert oder aber in der Alptraumsequenz, den er im Opiumrausch erlebt.

 

Vom Aufbau seiner Geschichte braucht Jodorowsky wiederum Platz und auch Zeit, da sich diese Geschichte erneut auf mehrere Alben erstreckt. Das wird wohl auch notwendig sein um einen anderen Handlungsfaden zu beleuchten – auch den der mysteriösen Schlangen. Erst starb der Henker am Biss einer Korallenschlange, später in der Geschichte soll ihm noch der Bürgermeister folgen. Und in beiden Fällen scheint ein Indianer hinter diesen Morden zu stecken. Unbeirrt von diesem interessanten Nebenschauplatz – dem allerdings wohl der Band seinen Namen verdankt – widmet sich der Erzähler aber zunächst mit aller Ruhe dem Bouncer und seinen Zweifeln.

 

Auch wenn das plötzliche Erscheinen von Tom in Barro City von Jodorowsky erzählerisch nicht sonderlich elegant in Szene gesetzt ist, so nimmt es der Geschichte doch nicht ihren Reiz. Wahrscheinlich wäre es wesentlich langweiliger geworden, zunächst den Bouncer bei einer recht rührseligen Hochzeit zu begleiten und die anschließenden „Flitterwochen“ zu erleben, um dann Tom auftauchen zu lassen.

 

Anscheinend konnte es Jodorowsky nicht sein lassen und musste etwas mit Drogen in die Handlung aufnehmen, wie er es ja schon vor etlichen Jahren in seinem Film „The Holy Mountain“ getan hat. Um seine Darsteller auf den filmischen Trip damals vorzubereiten, ließ Jodorowsky seine Akteure 4 Monate vor Drehbeginn mit Drogen experimentieren. Ein kleiner Hauch von Surrealismus, den sich der Meister in der Opiumszene nicht verkneifen konnte und die von Boucq zeichnerisch wunderbar umgesetzt wurde.

 

Der französische Comiczeichner François Boucq wurde am 28.11.1955 in Lille geboren. Seine ersten Zeichnungen, bei denen es sich um politische Karikaturen handelte, veröffentlichte er 1974 in dem politischen Wochenmagazin „Le Point“. Nach einigen Serien begann er 1983 regelmäßig für das zwischen 1978 – 1997 erschienene Comic-Magazin „À Suivre“ zu zeichnen. Aus diesen Werken entstanden später „Les Pionniers de l'Aventure Humaine“ („Die Pioniere des menschlichen Abenteuers“), „Point de Fuite pour les Braves” und „La Pédagogie du Trottoir“. Für „Die Pioniere des menschlichen Abenteuers“, auf Deutsch erschienen im Alpha Comic Verlag, gewann Boucq 1992 den Max-und-Moritz-Preis.

 

Zusammen mit Jérôme Charyn arbeitete er an „La Femme du magicien“ (dt.: „Die Frau des Magiers“) und „Bouche du Diable“ (dt.: „Teufelsmaul“), mit Alexandro Jodorowsky an „Face de Lune“ (dt.: „Mondgesicht“), welche sich inzwischen auch in Deutschland auf drei Bände erstreckt. 1998 gewann er den „Grand Prix de la Ville d'Angoulême“ des „Festival International de la Bande Dessinée d'Angoulême“. Seit 2001 arbeitet er abermals mit Jodorowsky als Szenarist an der Westernreihe „Bouncer“ zusammen. Seine jüngsten Veröffentlichungen sind die ersten beiden Bände der Serie „Janitor“, die er gemeinsam mit dem Szenaristen Yves Sente schuf.

 

Die Figuren von Boucq sind auch weiterhin dreckig, verkommen und drastisch in ihrer Darstellung und man vermeint fast die Mischung aus Schweiß und billigem Whiskey riechen zu können, der einem aus den Bildern um die Nase weht. Doch im dritten Band scheint Boucq nicht mehr ganz so kratzig und detailverliebt, da seine Akteure alle etwas weicher in ihren Konturen sind. Ob gewollt oder nicht, das kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden, aber es bekommt den Figuren nicht schlecht. Und auch in diesem Band gibt es wieder eine Fülle von neuen Charakteren zu entdecken, welche die Stadt mit immer mehr Leben füllen und für die Boucq einzigartige Personen gezeichnet hat, die einen hohen Wiedererkennungswert haben.

 

Ansonsten tobt sich Boucq vortrefflich in den zahlreichen, mitunter sehr opulenten Landschaftsbildern aus, die das Herz jedes Amerikafreundes höher schlagen lassen dürften. Auch wenn es sich um eine zumeist idealisierte und künstlich erschaffene Natur handelt, so bleibt doch kein Klischee des weiten und wilden Landes ausgelassen. Dabei geht er von der Anordnung seiner Panels insgesamt aber kein Risiko ein und bleibt einer fast ausnahmslos klassischen Anordnung. Wie bereits bei den anderen Bänden, so kann die hervorragenden und stimmigen Kolorierung den Gesamteindruck nur absolut positiv abrunden.

 

Aber es gilt auch weiterhin bei dieser Reihe – dieser Comic gehört nicht in Kinderhände und sei keinen zarten Seelen als Bettlektüre empfohlen!

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

In Sachen Qualität und Verarbeitung gibt es von meiner Seite nicht negatives zu berichten, da der Hardcoverband nebst Bindung einen überaus soliden Eindruck macht und die Druckqualität auch in Ordnung ist. Die Übersetzung besorgte Horst Berner, der sich auch schon für die beiden ersten Bände verantwortlich zeigte. Zur Ausstattung muss ich leider wohl in dieser Reihe die übliche Anmerkung machen, da es auch weiterhin keine Extras gibt und mir gerade bei diesem Comic zusätzliche Skizzen, Entwürfe oder aber auch einige Worte von Jodorowsky oder Boucq durchaus Freude gemacht hätten.

 

Fazit:

Die Zusammenarbeit des Enfant terrible Alexandro Jodorowsky mit François Boucq führt in der Reihe „Bouncer“ zu einem Western-Erlebnis der ganz besonderen Art und meines Erachtens auch zu einer ganz neuen Gattung dieses Genres im Bereich der Comics, dem bereits in der Rezension zum ersten Band von mir erwähntem „Kunst-Western“. In diesem dritten Band der Reihe beginnt er eine neue Geschichte um das unstete Leben des Bouncers und der Geschehnisse in Barro City und stößt seinen Protagonisten von einem Elend ins nächste. Doch anstatt aufzugeben schafft es der Bouncer immer wieder aufzustehen und der Gerechtigkeit – zumindest so wie er sie versteht – den Weg zu ebnen. Die Grenzen zwischen Gut und Böse scheinen ohnehin aufgehoben zu sein und sind manchmal nur beiläufig zu erkennen.

 

Jodorowsky hat bereits mit seinen Filmen bewiesen, welches Potential hinter den vermeintlich einfachen „Western-Geschichten“ steckt und tobt sich mit seiner Geschichte um den Bouncer gnadenlos in seiner Western-Fabel-Welt aus. Kein Klischee wird ausgelassen, keine Grausamkeit kann bestialisch genug sein und die Darstellung von Liebe und Zuneigung erhält bei ihm ganz neue Züge. Die grandios in Szene gesetzten Bilder von Boucq tun das übrige dazu und machen aus diesem Comic ein sehr unterhaltsames und manchmal auch verstörendes Leseerlebnis.