Die grandiose Sandman-Reihe (Reviews zu den meisten Bänden auch hier im Gate) aus der Feder von Neil Gaiman ist mittlerweile über 20 Jahre alt und gilt absolut zu Recht als Klassiker im Bereich der Graphic Novels. Zum 10 jährigen Jubiläum der Reihe schrieb Gaiman die literarische Form des vorliegenden "Traumjägers", der ebenfalls in seiner Sandman-Welt angesiedelt ist. Das Buch war ein illustrierter Roman bei dem Yoshitaka Amano zahlreiche Zeichnungen beisteuerte. Nochmal 10 Jahre später - zum 20 Jubiläum von Sandman - machte sich P. Craig Russell (Gaiman und er hatten gerade "Coraline" ins grafische Format transportiert) daran "Traumjäger" als Comic umzuschreiben.

 

Inhalt:

Im alten Japan sah die Welt noch ganz anders aus. Damals wandelten noch Wesen aus Mythen und Legenden auf der Erde. Einige von ihnen waren freundlicher Natur, andere waren bösartig. Manche waren wild und andere wieder ließen sich um einen gewissen Preis zähmen. Eine Wette zwischen einem Dachs und einer listigen Füchsin führte dazu, das sich die Füchsin in einen einsamen Mönch verliebte und sich ständig in der Nähe seines Tempels aufhielt. Als der Mönch von einen Hexenmeister, der die innere Stärke des Mönches besitzen wollte, durch einen Traum umgebracht werden sollte, tat die Füchsin alles, um den Mönch zu retten. Und so wurde der König der Träume in eine Liebesgeschichte hineingezogen, die es so eigentlich nie hätte geben dürfen...

 

Zu Story, Schreibstil & Artwork:

"Die Traumjäger" transportiert Sandman in die japanische Welt des Mittelalters und erzählt eine Geschichte in der einzigartigen typischen Art der Asiaten. Dabei hat Ausnahmeautor Neil Gaiman seinerzeit für den Roman, der diesem Comic als Vorlage dient, tief in die Trickkiste gegriffen. Um seiner sowieso schon sehr authentischen Prosa noch mehr Echtheit zu verleihen, gab er fiktive aber dennoch überzeugende Quellen an, mit denen er seine Geschichte so glaubwürdig machte, das alle tatsächlich glaubten, es handelte sich wirklich um ein altes japanisches Märchen, das Gaiman einfach nur in das Sandman-Setting gebracht hatte.

Und tatsächlich, die Story des vorliegenden Comics ist umwerfend und erinnert sehr stark an ein typisches überzogenes Japan-Märchen, denn es zeigt alle wichtigen Elemente dieser Literatursparte. Fabel- und auch albtraumhafte Wesen, böse und gute Geister, Tiere die als Metaphern gelten und mystische Kräfte haben und vor allem tiefgründige Weisheiten, all das findet man hier in dieser Erzählung. Dazu kommt noch, das Gaiman genau den Ton trifft, mit dem solche asiatischen Legenden üblicherweise erzählt werden.

"Traumjäger" gehört zu den besten Sandman-Geschichten, wenn sie nicht gar die Beste überhaupt ist. Das liegt zu einem großen Teil auch an den phantastischen Artworks von P. Craig Russell, die einfach umwerfend schick sind und nicht nur sehr detailreich präsentiert werden, sondern exakt den richtigen Ton treffen. Die sehr klar definierten Linien werden dabei von einer sehr dezenten und pastellartigen Kolorierung passend gefärbt. Dazu kommt noch das die einzelnen Panels via Computer mit feinen Strukturen versehen wurden. Der Grund dafür ist, das man eine Holzschnitt-Optik erzeugen wollte, die an die antike Art und Weise erinnern soll, wie in Japan damals Geschichten nieder geschrieben wurden - eben im Holzschnitt.

Leider sind diese Strukturen nicht ganz so gut gelungen, wie man meinen könnte und man erkennt hier den Einsatz von Photoshop und Co schon sehr genau. Das hätte besser sein können, aber glücklicherweise sind die Strukturen generell so dezent gehalten, das sie die Optik im Großen und Ganzen nicht stören oder gar zerstören.

 

Qualität & Ausstattung:

Verlagstypisch kommt auch dieser Band wieder im Softcover und ist hervorragend produziert. Der Band umfasst die vollständige Reihe und schließt diese ab. Auch der Extrasbereich ist diesmal gut ausgestattet und bietet neben ein paar Skizzen und Cover-Artworks auch drei sehr interessante Interviews, bei denen die Gaiman, Russell und Co aus dem Nähkästchen plaudern. Klasse.

 

Fazit:

"Sandman: Die Traumjäger" ist umwerfend, phantastisch und... japanisch. Tatsächlich könnte man meinen, es handelt sich wirklich um ein japanisches Märchen. Das ist auch kein Wunder, denn seinerzeit hat Autor Neil Gaiman alles dafür getan, um diesen Eindruck zu erwecken. Die Transportation seines prosaischen Werks in das grafische Format ist hervorragend gelungen, was zum einen an der atemberaubenden Erzählung selbst, aber auch an den detaillierten und unglaublich schicken Artworks.

Für mich ist "Traumjäger" ein ganz großes Werk der Sandman-Reihe, vielleicht sogar das Beste. Alle Fans des Herrn der Träume müssen hier einen näheren Blick wagen und werden dann mit Sicherheit nicht enttäuscht werden. Aber auch Neulinge können hier recht gut und einfach in die Traumwelt von Neil Gaiman rutschen. Absolute Oberklasse!