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Betrayal at House on the Hill (2nd Edition)
Bewertung:
(4.0)
Von: Ingo Schulze
Alias: Greifenklaue
Am: 07.10.2011
Autor:Bruce Glasses
Typ:Brettspiel
VerlagWizards of the Coast
ISBN/ASIN:978-0-7869-5717-0
Inhalt:Spielmaterial, Anleitung, siehe Rezi
Sprache:Englisch

Betrayal at House on the Hill gilt als einer der großen Klassiker von Avalon Hill und wurde von Wizards of the Coast neu aufgelegt. Die Sprache des Spiels ist Englisch, von einer Übersetzung derzeit nix bekannt.

 

Inhalt:

Das Material liegt in einer stabilen, gut designten Box vor: rund 45 stabile Raumteile (allerdings sind alle leicht durchgebogen, auch bei einer zweiten Box lag dieser Fehler vor), 6 bemalte Plastikminis etwa im 25mm-Maßstab, sechs stabile, fünfeckige Papp-Charakterkarten mit je einem Charakter auf Vorder- und Rückseite (wobei die beiden sich ähnlich sind und durch die selbe Miniatur symbolisiert werden), 80 Karten (etwas schmaler, dafür länger als normale Spielkarten) in guter Qualität, 8 Würfel mit je zwei Seiten ohne, ein und zwei Augen, unzählige Token (die Box verrät: 149), einige Spezialteile und drei Bücher, ein Regelbuch und zwei, die nicht vor einem bestimmten Zeitpunkt im Spiel aufzuschlagen sind.

 

Das Spiel:

Die 12 Charaktere werden gekennzeichnet durch 4 Attribute (Traits), zwei körperliche (Speed und Might) sowie zwei geistige (Sanity und Knowledge), dazu kommen einige Infos wie Name, Portrait, Alter, Größe, Gewicht, Hobbies und Geburtstag. Letztere besitzt insofern Relevanz, dass darüber der Startspieler bestimmt wird. Die Attribute haben eine nicht-lineare Werteskala, unter denen der Startwert farbig hervorgehoben ist und der aktuelle Wert mittels Plastikclip markiert wird. Hier liegt ein kleiner Kritikpunkt, dieser verrutscht nämlich gerne mal. Eine Skala könnte z.B. so aussehen: 7, 5, 5, 5, 4; 3; 3, 2, Tod, wobei die erste „3“ der Startwert ist. Verliert oder gewinnt man einen Punkt (also die Verschiebung des Clips um eine Position), muss sich nicht zwangsläufig der Wert ändern, welcher angibt, wieviele Würfel man für die Probe nutzen kann. Wird der Charakter im Kampf verletzt, kann der Schaden je nach Art auf die physischen oder geistigen Attribute aufgeteilt werden und – weiterhin wichtig, in der ersten Phase kann man nicht sterben, bleibt also min. auf seinem Minimalwert.

 

Kommen wir zum Spiel, dessen erste Phase die Erkundung eines Geisterhauses ist, welche aus drei Ebenen (Keller, Erdgeschoß und Obergeschoß) besteht. Der erste Spieler legt an die Eingangshalle (ein 3*1-Tile mit sieben Ausgängen inkl. Treppe nach oben) weitere Tiles an, sobald er durch eine unbekannte Tür tritt. Dabei hebt er vom Tiles-Stapel solange ab, bis er ein Tile erwischt, welches für seine Ebene geeignet ist. Diese sind auf der Vorderseite mit den Ebenen markiert, auf denen sie liegen können, manche können auf allen drei, andere wiederum nur in einer Ebene liegen (der Unterirdische See, der Speisesaal oder der Master Bedroom wären Beispiele dafür von unten nach oben). Man kann sich eine Anzahl Felder bewegen, die seinem Speedwert entsprechen, muss allerdings auch stoppen, sobald man eine Karte zieht, von denen es drei Sorten gibt: Gegenstände, Ereignisse und Omen. Gegenstände können z.B. Waffen wie Dolch oder Axt sein (die Kampfwerte erhöhen), eine Glocke (erhöht Sanity, bei erfolgreicher Probe kommen die anderen Charaktere, hier übrigens Entdecker (Explorer) genannt einen Raum näher, bei Misserfolg Monster und der Verräter, so wir schon in der zweiten Phase sind) oder Handschuhe (mit besonderer Eignung zum Klauen). Ereignisse können sehr variabel sein, angefangen von einem Telefonanruf im betroffenen Raum, bei dem per Zufallsentscheid etwas hinzugewonnen oder verloren wird, ein beständiges Tropfen (alle würfeln mit einem Würfel weniger in diesem Raum), ein verschlossener Safe, ein mystischer Spiegel, dessen Spiegelbild einem einen (zufälligen) Gegenstand übergibt, eine Geheimpassage (die zwei Räume verbindet und mögliche Abkürzungen schafft) oder Skelette, die über Tokens dargestellt werden und falls sie zerstört werden, kann bei ihnen ein Gegenstand gefunden werden. Die dritte Art sind die Omenkarten. Hiervon gibt es nur 13 Karten, die zumeist bedeutende Fundstücke enthalten: einen Hund, der einen begleitet, ein Buch (Knowledge +2), ein Ring, der erlaubt, körperliche Angriffe durch geistige zu ersetzen etc. pp. Darüber hinaus ist hier jedesmal ein Spukwurf (haunt) zu machen, bei dem mit sechs Würfeln die Anzahl der im Spiel befindlichen Omen-Karten min. zu erwürfeln ist. Daher ist spätestens bei der 13. Karte Schluss mit Phase 1, manchmal auch nach der ersten... An dieser Stelle ist das Spiel unbalanciert, was dem einen nicht gefallen mag, für andere den Charme solcher oldschooligen Spiele ausmacht. Ob und welche Karte (einmalig) zu ziehen ist, ist als Symbol in der Ecke des Tiles aufgedruckt.

 

Die zweite Phase beginnt, sobald der Spukwurf vergeigt wurde. Je nachdem in welchem der 13 möglichen Räume durch welchen der 13 Gegenstände der Spuk ausgelöst wird, entscheidet sich, welches der 50 Szenarien gespielt wird und wer der Verräter (traitor) ist. Denn nun wird aus dem kooperativen Spiel und gemeinsamen Erforschen ein Kampf, ein Wettlauf oder ein anderweitiges Kräftemessen mit dem Verräter. An Szenarien ist so ziemlich alles dabei, was es an typischen Horrorszenarien gibt, aber auch anderweitige Szenarien sind zu finden (der Verräter verwandelt sich in einen Drachen oder es gibt keine Verräter, alle jagen einem Schatz hinterher).Ansonsten gibt es Szenarien z.B. mit den Themen Geistern, Mumien, Frankenstein, Voodoo etc.pp.

 

Nachdem man in einer Kreuztabelle nachgeschaut hat, welches Szenario anliegt, wird der Verräter bestimmt (meist der, der den Spukwurf vergeigte, manchmal auch ein bestimmter Charakter, so er im Spiel ist oder abhängig vom höchsten oder niedrigsten Charakterwert). Dieser schaut nun im Traitor`s Tome nach, welche Regeln für ihn gelten und wie er gewinnt, der Rest der Entdecker schaut in die Secrets of Survival. Oft finden sich hier auch Hinweise auf besonders nützliche Omen-Gegenstände oder gar Spezialregeln, wenn diese im Szenario noch effektiver sind. Da man die Regeln der anderen Seite nicht liest, gehört ein wenig Grundvertrauen dazu und jeder Mitspieler sollte halbwegs sattelfest im Englischen sein, da ja theoretisch jeder zum Verräter werden kann.

 

In meinen Proberunden waren die Szenarien sehr unterschiedlich und abwechslungsreich. Einmal ging der Spuk schon nach der ersten Omenkarte los und die SC waren plötzlich körperlose Geister, so dass sich die Villa, die aus etwa 5 Tiles bestand, sich nicht mehr vergrößerte. Auch kann der Verräter mal richtig stark sein, nahezu übermächtig, ein anderes Mal hingegen nahezu chancenlos.

 

Im Vergleich zu Mansions of Madness, deutsch Villen des Wahnsinns, behandeln zwar beide das selbe Thema (Spukhaus erkunden), spielen sich aber sehr unterschiedlich. VdW ist etwas storylastiger (auch wenn es bei Betrayal Vorlesetexte gibt), deutlich ausbalancierter, was einen knappen Spielausgang nahezu garantiert (inkl. typischer Kaufmechanismen wie z.B. von Descent bekannt), der Verräter, dort Bewahrer, steht schon anfangs fest, das Spielmaterial ist noch hochwertiger / detaillierter, auf der anderen Seite stehen nur 5 Szenarien mit recht geringem Wiederspielwert (in gleicher Konstellation, es gibt zwar Variablen, aber auch konstante Elemente, deren Kenntnis Vorteile verschafft), ein ziemlich langer Aufbau (bei Betrayal kann allerdings das Token suchen im Spiel etwas länger dauern) und ein etwas höherer Preis. Gerade das unbalancierte, oldschoolige Feeling von Betrayal hat mir teils sehr viel Spaß gemacht. Ich würde keinem der beiden den Vorzug geben und jedem an der Thematik Interessierten ein Probespiel mit beiden empfehlen.

 

Fazit:

Bis auf wenige Kritikpunkte, von denen manche auch Geschmackssache sind (Balance), andere schwer vermeidbar (Unübersichtlichkeit der Token) und wieder andere vermeidbar (Clips sitzen locker, Tiles leicht gebogen) ist Betrayal ein gelungenes Horrorbrettspiel mit einigen Rollenspielelementen, welches sich allerdings auch gut als Gelegenheitsspiel im Freundeskreis verwenden lässt, solange dieser ausreichend Englisch kann. Für den Preis von ca. 40 Euro erhält man zudem ein gut ausgestattetes Spiel.