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Steam Noir 1 - Das Kupferherz
Bewertung:
(4.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 22.12.2011
Autor:Benjamin Schreuder (Autor) und Felix Mertikat (Zeichner)
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Steam Noir
VerlagCross Cult
ISBN/ASIN:978-3-94264-927-8
Inhalt:64 Seiten, Hardcover
Preis:16,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Ein seltsamer Einbruch in einer Villa in der Ätherhafenstadt Schierling ruft das Ermittlerteam des Leonardsbundes auf den Plan: Heinrich Lerchenwald, Junggeselle und Lebemann, seit vielen Jahren als Bizarromant für den Januskoogener Leonardsbund tätig; Richard Hirschmann, beseelter Maschinenmensch, sanftmütig, aber verbissener Kriminalist; Frau D., Tatortermittlerin und Suffragette in Personalunion. Ein außergewöhnliches Fahndergespann für einen außergewöhnlichen Fall: Eine verlorene Seele, ein Wiederkehrer von der Toteninsel Vineta, hat die Leiche eines kleinen Mädchens entwendet, das vor Jahren in den Hauskamin eingemauert wurde. Die Suche nach der Seele und dem Mörder des Mädchens birgt für Heinrich Lerchenwald scheinbar recht große Gefahr, stürmen doch Schergen des Kalendarischen Ordens kurz nach Beginn der Ermittlungen seine Wohnung und verlangen von ihm die Herausgabe eines mysteriösen Kupferherzens. Doch Heinrich weiß noch nicht einmal wovon seine späten und überaus ungebetenen Besucher sprechen.

 

Die weiteren Nachforschungen nach der eingemauerten Kinderleiche bringen die Ermittler in das Eduard-Presteau-Heim, in dem auch Lisa lebte, bis sie adoptiert wurde. In diesem Heim für versehrte Kinder erfährt Heinrich von dem „Presteau-Wunder“, da man Lisa in einer außergewöhnlichen Operation ein einzigartiges Maschinenherz eingepflanzt hat. Doch scheinbar meint es das Schicksal nicht sonderlich gut mit Heinrich Lerchenfeld, der gemeinsam mit Richard Hirschmann nach Aurich gerufen wird, wo sich vor den Blinden Tagen die Teehandlung der Familie Lerchenwald befand. Bei der „Suche“ nach einer verlorenen Seele verletzt sich Heinrich schwer an seiner linken Hand, so dass diese später in einem Krankenhaus amputiert werden muss. Allerdings scheint dies noch nicht das Ende seiner Karriere im Leonardsbund zu sein, da ein unbekannter und großzügiger Gönner ihm eine neue mechanische Hand spendet.

 

Und so führen die Spuren nach und nach zu einem ominösen Wunderheiler, der an der Erforschung mechanischer Organe arbeitet und unter Umständen noch viel mehr über die Geschehnisse zu wissen scheint.

 

Schreibstil & Artwork:

Der Autor Benjamin Schreuder wurde 1981 in Schongau/Oberbayern geboren und erfand schon als Kind eigenwillige Bildergeschichten. Mit 14 Jahren versuchte er sich an einem Fantasy-Roman und schrieb von da an auch Gedichte und Kurzgeschichten. In dieser Zeit begann seine Faszination für den Bereich der Deutschen Romantik, wobei er von den Werken von Novalis, Ludwig Tieck, E.T.A. Hoffmann, aber auch von den Gebrüdern Grimm und Hans Christian Andersen geprägt wurde. In seinem Studium der Filmwissenschaft und Allgemeinen & Vergleichenden Literaturwissenschaft (in Tübingen, Zürich und Mainz) beschäftigte er sich neben diesem Bereich besonders mit Kinderliteratur, Träumen, Märchen, Mythen und Tiefenpsychologie.

 

Seit Herbst 2008 studiert er Drehbuch an der Filmakademie Baden-Württemberg. Dort lernte er Felix Mertikat kennen, mit dem er die grafische Novelle „Jakob" als Diplomprojekt am Animationsinstitut entwickelte und für dessen Umsetzung als Comic sie den Sondermann-Preis „Bester Newcomer 2010“ auf der Frankfurter Buchmesse erhielten. Während ihrer Zusammenarbeit entstanden eine ganze Reihe weiterer Ideen für Comic-Projekte (u.a. „Opus Anima: Dr. Prestauxs Kinder“ (!), „Der Wal und sein Mensch“, „Die Kinder des Winterhauses“), die in naher Zukunft umgesetzt werden sollen und die mit dem jetzt vorliegenden ersten Band der Reihe „Steam Noir“ sogar ihre Umsetzung erfahren. Darüber hinaus arbeitet Benjamin Schreuder als freier Lektor für diverse Filmproduktionsfirmen und mit Felix Mertikat am Aufbau des Crossmedia Studio „ZEITLAND“. Nach der Veröffentlichung von „Jakob“ im CrossCult Verlag ist „Das Kupferherz“ seine zweite gemeinsame Arbeit mit Felix Mertikat.

 

Auch wenn Benjamin Schreuder als Autor fungiert, so stammen die Ideen für den vorliegenden Comic in ihren Grundzügen aus dem Rollenspiel Opus Anima von Felix Mertikat. Allerdings seien Fans dieses Rollenspiels an dieser Stelle gewarnt, da nach Auffassung des Duos die Welt, wie sie ursprünglich in diesem Rollenspiel konzipiert ist, für einen Comic bzw. für den Leser viel zu kompliziert ist. Insofern hat man einiges verändert, sogar die Namen von Städten, um den komplexen Inhalt dieses Rollenspiels im Comic aufbereiten zu können.

 

Insgesamt bietet sich dem Leser ein fast schon klassisches Krimi-Szenario, aber der Hintergrund der Geschichte hebt sich deutlich von dem manchmal dargebotenen mehr als deutlich ab: Die Kulisse einer von Steampunk und phantastischen Elementen durchsetzten Welt vollends nutzend, stellt Schreuder ein Ermittlerteam vor, wie man es sich interessanter nicht vorstellen könnte. In einer Mischung aus kriminalistischem Spürsinn, übernatürlichen Elementen und etlichen grotesken und verrückten Ideen gibt es interessante Dialoge, einen gelungenen Spannungsbogen und vielschichtig aufgebaute Charaktere, die auf jeden Fall neugierig auf die Fortsetzung machen.

 

Der Zeichenkünstler und Maler Felix Mertikat wurde 1983 in Esslingen bei Stuttgart geboren. Nach dem Abitur hat er sich erst einmal als Biologie-Student versucht, sich jedoch dann nach einem einjährigen Praktikum in einer Werbeagentur dafür entschieden, an der Filmakademie Baden-Württemberg sein Glück zu versuchen. Während seiner Studienzeit hat er als Illustrator für verschiedene Projekte und Verlage gezeichnet (Call of Cthulhu, Shadowrun, DSA, Snickers, etc.) und 2008 sein eigenes Rollenspiel „Opus Anima“ auf den Markt gebracht. „Jakob“ war seine erste Comic-Veröffentlichung. Derzeit baut er zusammen mit Autorenkollegen Benjamin Schreuder und weiteren kreativen Partnern die Crossmedia-Agentur „ZEITLAND“ auf, für die er weitere Graphic-Novel-Projekte in Planung hat.

 

Auch wenn Felix Mertikat gerne damit kokettiert, er habe nie Comiczeichner werden wollen, so scheint er doch nunmehr endgültig mit diesem Band beweisen zu können, welche Qualität in ihm steckt: Die Geschichte besticht durch ihren modernen und zum Teil recht innovativen Bildaufbau, der niemals aufdringlich wirkt und den Leser durch seine Struktur wirklich zum Lesen einlädt. Die vorherrschenden Farbtöne sind gedeckte Braun und Grüntöne, welche trotz aller phantastischen Elemente das Gefühl von Landleben und heiler Welt vermitteln.

Allerdings gibt es noch viel mehr zu entdecken, als nur eine gelungene Farbkomposition der Hintergrundbilder. Es sind nicht zuletzt auch die zahllosen Details einer phantastischen Welt, die mit etlichen geschickt eingesetzten Steampunk-Elementen den Leser in ihren Bann zieht und mit gut gezeichneten Charakteren zu überzeugen weiß. Dies gilt nicht nur für die sehr schön in Szene gesetzten Protagonisten wie Heinrich Lerchenwald (der mich irgendwie an Johnny Depp erinnert) oder seine bezaubernd emanzipierte Kollegin Frau D., sondern auch für den überaus liebevoll gestalteten Charakter des Maschinenmenschen Richard Hirschmann und die ganze Fülle von kleineren und größeren Darstellern in diesem Panoptikum.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

In Sachen Qualität kann sich dieser Band von Cross Cult auf jeden Fall sehen lassen, besticht er nicht nur bereits äußerlich durch eine überaus ansprechende Umschlaggestaltung und einen Klappentext, der seinem Namen alle Ehre macht, sondern auch durch eine einwandfreie Verarbeitung, ein kurzes Porträt von Autor und Zeichner im Vorsatz, als auch durch ein einwandfreies Druckbild auf hochwertigem Papier. Als wäre das nicht schon genug, gibt es in Sachen Ausstattung noch ein „Appendices“, in dem der Leser in kurzen Texten das Großreich von Landsberg, die Toteninsel Vineta und die Stadt Januskoogen näher kennenlernt, sowie weitere Hintergrundinformationen über den „Leonardsbund“, der als „Erste Januskoogener Spezialeinheit für Übernatürliches“ gegründet wurde. Eine Steam Noir – Galerie rundet die Extras ab und so gibt es noch Illustration von Thorsten Kieker, Sarah Burrini und Florian Steinl zu entdecken. Insgesamt also eine mehr als vorbildliche Ausgabe, von der ich mehr als nur begeistert bin. So sollten Comics aussehen!

 

Fazit:

Auch wenn ich nicht unbedingt die allgemeine Begeisterung über die erste gemeinsame Veröffentlichung von Schreuder und Mertikat in Form des Comics „Jakob“ geteilt habe, so muss ich doch nunmehr den ansonsten von mir für seine Zeichnungen hoch geschätzten Felix Mertikat ausdrücklich loben. War die Welt von „Opus Anima“ in dem gleichnamigen Rollenspiel ein ehrgeiziger Entwurf, der sich deutlich positiv von manch anderen vermeintlich innovativen deutschen Rollenspielproduktionen abhob, so dürfte die Umsetzung in diesem überaus gelungenen Comic eine echte Glanzleistung sein. Die Geschichte ist geschickt inszeniert und trifft den Nerv dieser phantastischen Welt vollends. Man sollte aber keinerlei Bedenken haben, wenn man die Welt von „Opus Anima“ nicht kennt. Hier gibt es im bereits angesprochenen Anhang einige notwendige und wissenswerte Hintergrundinformationen, mit denen man bei diesem Comic voll auf seine Kosten kommt.

 

Insgesamt kann ich diesen Comic nur weiterempfehlen - insbesondere für Freunde von Alternativ-Welten dürfte diese Reihe wahrscheinlich ein echter Leckerbissen werden. Ob die Reihe, die auf insgesamt vier Bände konzipiert ist, auch so stark weitergeht mag an dieser Stelle offen bleiben – zu hoffen wäre es zumindest.