Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Roland, Ritter Ungestüm 4
Bewertung:
(3.8)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 17.01.2012
Autor:François Craenhals (Autor und Zeichner)
Übersetzer:Kai Wilksen, Uli Pröfrock
Typ:Comic / History
Setting:Mittelalter
VerlagCross Cult
ISBN/ASIN:978-3-941248-74-8
Inhalt:168 Seiten, 21,5 x 28,5 cm, Hardcover
Preis:29,80 EUR
Sprache:Deutsch

Der vierte Band der Gesamtausgabe enthält die Geschichten „Die gefangene Prinzessin", „Der Aufstand der Vasallen" und „Die Reiter der Apokalypse".

 

Inhalt:

„Die gefangene Prinzessin"

Gwendoline, die Tochter von König Artus, hat sich heimlich und in Begleitung des Ritters Baudin und dessen Knappe Bradoc nach Burg Rotteck begeben, um endlich Roland wiederzusehen. Doch das ausgelassen Glück wird nach einem abendlichen Fest getrübt, als man Roland niederschlägt und gemeinsam mit Gewndoline und dem Jungen Johann, der unter der Obhut von Roland steht, entführt.

Während sich die Gäste am nächsten Tag Gedanken über das Verschwinden von Roland und Gwendoline machen, befinden sich diese in Gefangenschaft von „Tiermenschen“. Glücklicherweise gelingt ihnen eine abenteuerliche Flucht – doch der Weg führt sie nicht zurück nach Rotteck, sondern direkt in die Hände von Gisbert von Worms, der Rache nehmen will.

 

„Der Aufstand der Vasallen"

Bei seiner Rückkehr findet Roland Burg Rotteck zerstört vor. König Artus, der über die vermeintliche Entführung seiner Tochter Gwendoline furchtbar erzürnt war, ließ Rotteck bis auf die Grundmauern schleifen. In seiner Wut schwört Roland dem König seine Gefolgschaft ab. Ziellos irrt er durch das Land, bis er selbst von einer Bande von Vagabunden, Vogelfreien und Strolchen überfallen wird. Im Lager dieser Bande trifft er auf Wolsung den Barden (siehe „Das Nebelhorn“) und schafft es, sich in seinem ungestümen Wesen zum neuen Anführer zu machen. Gemeinsam mit seinen neuen Vasallen überfällt Roland die Getreuen und Steuereintreiber des Königs, um das Geld unter dem Volk zu verteilen. Als schließlich eine Flotte von normannischen Schiffen die Küste ansteuert und König Artus ratlos zu sein scheint, ist die große Stunde von Roland gekommen.

 

„Die Reiter der Apokalypse"

Nur durch die Hilfe von Roland konnte König Artus dem Angriff der normannischen Truppen entgehen. Da Roland ihn vor seinem Volk und den Truppen bloßgestellt hat, sinnt er in seinem Zorn auf Rache, auch wenn er den Anschein gibt, als habe er sich wieder mit Roland versöhnt. Er lädt Roland und seine Vasallen an seinen Hof und versucht nicht zuletzt durch die Einflüsterungen seines Beraters Corbin die Gefolgsleute von Roland zu entzweien. Der Höhepunkt des Intrigenspiels kommt mit dem Minnesänger Illias an den Hof. Corbin gelingt es die Eifersucht von Roland zu wecken, indem er ihm vortäuscht, Gwendoline wäre von diesem Mann überaus angetan. Doch in Wirklichkeit verfolgt Corbin ganz andere Pläne, die selbst König Artus nicht durchschaut. Und wieder einmal ist es an Roland Gwendoline zu retten, die in die düsteren Fänge von Corbin geraten ist.

 

Schreibstil & Artwork:

Der belgische Comiczeichner François Craenhals wurde am 15.11.1926 in Ixelles, einem kleinen Vorort südlich von Brüssel, geboren. Der leidenschaftliche Zeichner gab nach dem Besuch verschiedener Kurse an der Akademie der schönen Künste (L'Académie des Beaux-arts) in Brüssel seinen Beruf als technischer Zeichner auf und konnte schon recht bald einige Karikaturen an das Magazin „Vrai“ und eine Agentur verkaufen. Sein erster Comic erschien 1948 im Wochenmagazin „Le Soir Illustré“. Wenig später lernte er Fernand Cheneval kennen, der als Herausgeber für das belgische Comic-Magazin „Héroïc-Albums“ verantwortlich war, welches zwischen 1945 und 1956 recht erfolgreich erschien. Cheneval war es, der Craenhals, der ein großer Fan der amerikanischen Comics von Alex Raymond und Hal Foster war, ermunterte, seinen ersten größeren Comic „Karan“ im Stile von Tarzan zu entwickeln. Bis in die frühen 50er Jahre sollten insgesamt neun Geschichten dieser Serie erscheinen.

 

Bereits zu dieser Zeit schuf er für die „Le Soir Illustré“ einen Comic mit einem Ritter als Protagonisten, den er allerdings dem Magazin „Tintin“ vorstellte, worauf man ihn umgehend einstellte. Nach einigen kurzen Comics für das Magazin folgte 1953 die Reihe „Pom et Teddy“, eine Serie über einen Jungen, ein Mädchen und ihren Esel, deren erste Geschichten sich um einen Zirkus drehte und die es auf insgesamt elf Bände brachten. 1955 schuf er den Beginn einer weiteren eigenen Reihe, den Comic „Rémy et Ghislaine“, dem allerdings nicht so viel Erfolg beschieden war.

 

Craenhals entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Produzenten von Comics für Magazine und Zeitungen und eröffnete ein eigenes Studio, dem sich mehrere Mitarbeiter anschlossen. Für die Tageszeitung „La Libre Belgique“ entstand unter anderem die Serie „Primus et Musette“, die über viele Jahre hinweg Erfolg haben sollte.

 

Craenhals war einer der ersten Comiczeichner, dem sich Hergé später beim Verlag Casterman angeschlossen hat, wo auch seine beiden wichtigsten Serien veröffentlicht werden sollten:

Ab 1964 die Kinderserie „Les 4 As ...“ (auf deutsch als „Die Vier und ...“), die auf den Kinderbüchern von Georges Chaulet über vier Jugendliche und deren Hund basiert und in deren Abenteuergeschichten Spione, Sekten, Seeungeheuer und Gespenster ihr Unwesen treiben, Schätze geborgen, unbekannte Tierarten entdeckt und neue bahnbrechende Technologien vor Missbrauch geschützt werden. In der deutschen Übersetzung heißen die Protagonisten: Valentin, Inge, Erwin und Rolf und ergeben somit als Akronym das Wort „Vier“. Insgesamt sind 43 Bände dieser Serie erschienen, von denen es in Deutschland aber bislang nur 14 Bände in den Handel schafften.

 

Inspiriert von der Figur des „Prince Valiant“ („Prinz Eisenherz“) aus der Feder des Amerikaners Hal Forster schuf Craenhals 1966 seinen „Chevalier Ardent“ der später in Deutschland unter dem Namen „Roland - Ritter Ungestüm“ bekannt werden sollte.

 

Neben einigen anderen Serien adaptierte Craenhals 1982 auch die Abenteuer der maskierten „Fantômette“ des Autors Georges Chaulet. Nach den ersten drei Bänden dieser Reihe wurde er dann von Zeichner Endry abgelöst. In den 1990er Jahren zog es Craenhals nach Rivières-de-Theyrargues in Südfrankreich, wo er bis zu seinem Tod am 02.08.2004 in Montpellier arbeitete, es allerdings bedauerlicherweise nicht mehr schaffte seine Saga um Roland zu einem Ende zu bringen.

 

Inhaltlich zeigt sich François Craenhals in den vorliegenden drei Geschichten gewohnt als hervorragender Szenarist, der es versteht mit immer neuen Wendungen und Geschehnissen den Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Seite jedes einzelnen Abenteuers hoch zu halten. Allerdings geht Craenhals mit seinem Protagonisten etwas weiter und verleiht dem ungestümen Ritter Roland sowohl inhaltlich als auch zeichnerisch einige behutsame Wechsel, die dem treuen Leser der Reihe sicherlich ins Auge springen.

 

Dabei schließt er zwischenmenschliche Geschehnisse nicht aus, die teilweise einen recht interessanten Einblick in die Empfindungen der Charaktere geben und auch den zwischenzeitlich etwas älter gewordenen Ritter Roland neue Facetten verleihen. Standen bislang eher klassische Ritter-Themen im Vordergrund, so zeigt Craenhals nunmehr seinen Roland auch vor zum Teil phantastischen Elementen, wie man sie insbesondere in der Geschichte „Die Reiter der Apokalypse“ antrifft.

 

Im Bildaufbau findet man fast nur Bilderzeilen, die aus mehreren gleichen, höchstens unterschiedlich breiten Panels bestehen und selten durch andere Formate aufgelockert werden. Dennoch wirkt dieser Aufbau bei Craenhals nie kalt, da er, wo es aus erzählerischer Sicht Sinn macht, diesen Aufbau immer wieder gekonnt unterbricht und so den Leser auch zu unterhalten weiß. Dies geschieht in den vorliegenden drei Geschichten in einigen Fällen auch durch den Einsatz fast schon surrealer Elemente, wie sie insbesondere in der letzten Geschichte des Bandes zu tragen kommen und dadurch auch die Psyche von Roland in einem neuen Licht erscheinen lassen. Durch seine außerordentlich klare Linienführung und seine detailreichen Figuren und Landschaften bietet Craenhals seinen Lesern eine realistische und zugleich dynamische Darstellung seiner Akteure, die auch heute noch beeindruckend ist.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Wie bereits die anderen Bände der Gesamtausgabe, so erscheint der vierte Band der Reihe als solide verarbeitete Hardcoverausgabe in dem etwas ungewohnten Format von 21,5 x 28,5 cm und entspricht somit ungefähr dem Format DIN A 4. Die eingesetzte Papierqualität kann ich nicht oft genug loben, da sie durch ihre Dicke und die Poren ein echtes „Retro“-Gefühl beim Lesen vermittelt. So hat man hier – trotz aller technischen Möglichkeiten, mit denen das Druckbild hervorragend aufbereitet wurde – den Eindruck, als würde man ein „Original“ in Händen halten.

 

Die Übersetzung ist komplett neu und stammt von Kai Wilksen und Uli Pröfrock, die bereits bei den anderen Bänden hervorragende Arbeit geleistet haben. Positiv hervorzuheben ist auch das Lettering von Rowan Wüster, welches die neue Übersetzung zusätzlich unterstreicht. In Sachen Ausstattung wird die Reihe von Volker Hamann in einem überaus informativen und angenehm zu lesenden redaktionellen Teil fortgesetzt, der sich der Geschichte und den Hintergründen von François Craenhals und seinem „Ritter Ungestüm“ widmet. Das Ganze wird zudem aufgelockert mit etlichen Illustrationen und Bildern, sodass hier letztlich keine Wünsche offen bleiben dürften.

 

Fazit:

Der Cross Cult-Verlag hat sich angeschickt, eine umfassende Gesamtausgabe der Geschichten von Roland vorzulegen und dürfte zweifelsohne damit nicht nur Fans und Sammlern eine große Freude gemacht haben. Die bisher erschienenen Bände versammeln nicht nur am Ende alle einzelnen Geschichten um Roland in einer behutsam restaurierten Form und ihrer korrekten chronologischen Erscheinung, sondern bieten mit ihrem redaktionellen Teil auch sehr lesenswertes zusätzliches Material.

 

Mit den vorliegenden drei Abenteuern des Sammelbandes beginnt Craenhals eine neue Facette seines ungestümen Protagonisten zu beleuchten, der durch einige Missgeschicke und Intrigen beim König in Ungnade fällt und letztlich sogar seine inniglich verehrte Gwendoline aus der Hand eines Schurken befreien muss, der nicht von dieser Welt zu sein scheint. Das mag für den Leser zunächst etwas ungewohnt sein, doch besitzen auch diese Geschichten ein hohes Maß an gediegener Spannung, die nach wie vor hervorragend zu unterhalten weiß.

 

Die Reihe ist für mich sowohl in Sachen Aufmachung, Ausstattung als auch durch ihr sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis eine absolute Empfehlung für Freunde klassischer Ritter- und Abenteuergeschichten, die selbst bei einigen Schwächen in den vielleicht antiquiert wirkenden Erzählungen in keinem gut sortierten Comicregal fehlen darf.