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Comicgate Magazin 6 – Erotik in Comics
Bewertung:
(3.8)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 13.03.2012
Autor:Frauke Pfeiffer, Thomas Kögel (Redaktion)
Typ:Magazin
VerlagComicgate
ISBN/ASIN:978-3-9813729-2-2
Inhalt:128 Seiten, schwarz-weiß, Softcover
Preis:6,50 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Seit 2006 veröffentlicht die Redaktion des Online-Magazins „Comicgate“ einmal im Jahr ein Printmagazin mit größtenteils exklusiven Inhalten, die sich rund um das Thema Comic drehen. Dass der Inhalt scheinbar recht gelungen ist, konnten sie bereits 2009 erfahren. Hier erhielten sie den "ICOM-Preis für eine besondere Leistung oder Publikation" als Auszeichnung. Wer sie nicht kennen sollte, bei der ICOM handelt es sich um den „Interessenverband Comic, Cartoon, Illustration und Trickfilm e.V.“. Doch nun zur aktuellen Ausgabe, die sich ausschließlich mit Artikeln, Interviews und Kurzcomics zum Thema „Erotik in Comics“ beschäftigt.

 

Den Einstieg macht Gastautor Gaijinjoe, den Betreiber der etablierten Website eroticcomic.info, der sich mit dem Beginn, den Höhepunkten, der Weiterentwicklung und der Zukunft des Genres „Erotischer Comic“ beschäftigt. Über schlüpfrige Kupferstiche und Gemälde des 18. und 19. Jahrhunderts nimmt er den Leser auf eine überaus unterhaltsame Reise durch die unterschiedlichen Epochen mit und weiß einiges über die zum Teil höchst unterschiedlichen Vorlieben der einzelnen „Epochen“ zu berichten.

 

Wie man den richtigen Porno-Comic für sich finden kann, verrät keine geringere als Colleen Coover, die mit ihren „Girly Porno Comic Book“ Small Favors bekannt wurde und die in einem überaus kurzweiligen Artikel mehr oder weniger „a lady´s guide to reading comic book porn“ bietet, dem sich ein Interview rund um das Thema Erotik, Zielgruppe für lesbische Pornos und einiges mehr mit ihr anschließt.

 

Die Redaktion hat sich auch mit dem britischen Autor Tim Pilcher unterhalten, der ein zwei Bände umfassendes Kompendium namens Erotische Comics verfasst hat. Überaus kurzweilig geht es hier um historische Ursprünge erotischer Bilddarstellungen, den oft diskutierten Unterschied zwischen Erotik und Pornografie, Zensurprobleme sowie prüde und nicht ganz so prüde Nationen.

 

Einem durchaus ernsten Thema wendet sich Thomas Kögel in seinem Artikel „Alles erlaubt?“ zu, in dem er der Frage nachgeht, wie freizügig ein Comic sein darf und wie es um Zensur, Recht und Gesetz in diesem Genre steht.

 

Schon immer gefragt, wie der amerikanische Superheldencomic mit Sex umgeht? Andreas Völlinger und Björn Wederhake starten eine Reise durch die amerikanische Comicgeschichte in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts und berichten von offenen Zensur, subtilen Andeutungen bis hin zur verkrampften Befreiung und der beginnenden Normalität, die sich schließlich in den 90er Jahren einstellte. Ein interessantes und lesenswertes Stück Zeitgeschichte von einem Land, welches den größten Pornomarkt der Welt vorweisen kann, sich in seinen Ansichten und Moralvorstellungen aber überaus konservativ gibt.

 

In der Rubrik „Comics für die Insel“ gibt es einige Rezensionen, die sich (wie sollte es auch anders sein) mit ihrem Schwerpunkt rund um das Thema Sex drehen. Aber es ist natürlich längst nicht alles Gold was glänzt und so ist nicht jeder Comic unbedingt empfehlenswert. Eine nette Ergänzung zum bestehenden Online-Angebot des „Comicgate“.

 

Ein kleines Autorenporträt von Andreas Fisch gibt es zu dem von mir hochgeschätzten Milos Manara, dem wohl bekanntesten Zeichner erotischer Geschichten. Thomas Kögel hingegen widmet sich einer intensiven Betrachtung der deutschsprachigen Veröffentlichung von „Lost Girls“ von Alan Moore und seiner Ehefrau Melinda Gebbie, die zwar bereits im Sommer 2008 erschien, in der deutschsprachigen Presse aber für einiges Aufsehen sorgte.

 

Zu guter Letzt gibt es einem Blick hinter die Kulissen der japanischen Erotikcomics und dem breiten Spektrum von Mangas. Ergänzt wird dieser Artikel durch ein Interview mit Tamara Kastl, die sei 2008 als verantwortliche Redakteurin bei den Egmont Verlagsgesellschaften arbeitet und die Labels Egmont Manga & Anime (EMA) und Ehapa Comic Collection (ECC) betreut. Hier gibt es einiges über Shonen Ai, Schönheitsideale und skurrile Sex-Phantasien zu lesen.

 

Es gibt aber auch einige Künstler, die einen von der Redaktion vorbereiteten Fragebogen zum Thema „Erotik“ bekamen und dessen Antworten einige interessante neue Aspekte auf die Arbeit der Antwortgeber geben. Zu den Künstlern, die sich dem Fragebogen angenommen haben, gehören unter anderem Geier (u. a. Horst, Arsinoe), Toni Greis (u. a. Alraune), Benjamin Marquardt (u. a. White Trash Girls, Lesyamina und der grüne Kristall) und Steven Bagatzky.

 

Die Comicbeiträge der vorliegenden Ausgabe stammen diesmal von Ulrich Scheel (bekannt durch Die sechs Schüsse von Philadelphia), David Füleki (unter anderem Struwwelpeter bei Tokyopop und Entoman im Selbstverlag), Bastian „Lapinot" Baier, Steven Bagatzky (der auch für die Covergestaltung verantwortlich war) und Andrea Williams.

 

Qualität und Ausstattung

Ein Softcover im Format A 5 mit farbigem Einband, welches ansonsten mit seinem Inhalt gänzlich in Schwarz-Weiß gehalten ist, dürfte auf den eiligen Käufer im Vorbeigehen im Regal oder auf der Ladentheke nicht unbedingt Eindruck schinden. Das Layout ist aber ordentlich gelungen, einheitlich in seinem Erscheinungsbild und grobe Schnitzer im Lektorat sind nicht zu erkennen.

In Sachen Ausstattung gibt es (wie bereits erwähnt) einige Erstveröffentlichungen von deutschen Comcizeichnern, die sich alle mehr oder weniger mit dem Thema „Erotik“ auseinandersetzen. Das macht Spaß und zeigt auch einige neue Facetten dieser Zeichner.

 

Fazit:

Jeder Mensch hat zweifelsohne seine eigenen Vorstellungen von Erotik und Pornografie. Das bunte Spektrum der zahlreichen Artikel, Interviews und Hintergrundberichte nimmt sich überaus sachlich und offen dem Thema an und gibt auch dem wissensbegierigen Laien einen durchaus fundierten ersten Einblick (als auch Ausblick). Selbst wenn es sich hier um ein semiprofessionelles Fanzine handelt, welches optisch vielleicht nicht mit teuer produzierten Hochglanzmagazinen mithalten kann, so merkt man dieser Ausgabe doch auf jeden Fall ein hohes Maß an Engagement, Kenntnisreichtum und augenzwinkernden Humor an.

 

Für mich auf jeden Fall eine gelungene weitere Ausgabe, die sowohl durch ihren guten Inhalt als auch durch das absolut faire Preis-Leistungsverhältnis besticht. Wer sich etwas näher mit dem Thema „Erotik im Comic“ beschäftigen möchte, dem sei auf jeden Fall diese Ausgabe empfohlen, in der man sich nicht nur Informationen, sondern auch einige Anregungen holen kann.