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What Evil Lurks...
Bewertung:
(4.0)
Von: Andreas „Trøll“ Miebach
Am: 11.02.2004
Autor:Lance Hawvermale
Typ:
System:d20
VerlagNecromancer Games
ISBN/ASIN:1-58846-193-9
Inhalt:48 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

What Evil Lurks...

„What Evil Lurks“ (im Folgenden WEL) ist das zweite Abenteuer aus der G-Serie von Necromancer Games (wobei das „G“ übrigens für „Guest“ steht, also Abenteuer von Gastautoren) und war meines Wissens nach das erste eigenständige Modul von Lance Hawvermale, der vorher schon einige kleinere Side Treks und Abenteuer für den Dungeon geschrieben hat und später u.a. Co-Autor von „Raise the Dead“ und Autor des Moduls „A Lamentation of Thieves“ (beide ebenfalls von Necromancer Games) war bzw. noch ist. Das Abenteuer ist laut Herstellerangabe für Charaktere der 8. bis 10. Stufe geschrieben, was allerdings anhand der im Abenteuer vorkommenden Begegnungsstufen kaum nachzuvollziehen ist. Einige der Begegnungen - insbesondere im ersten und zweiten Teil - sind für eine Gruppe Neuntstüfler geradezu lachhaft einfach, während es sich bei dem Endgegner um einen satten BS 20-Klotz handelt. Letzten Endes ist das aber nicht so tragisch, da die meisten dieser Begegnungen nicht aggressiver Natur sind; WEL baut mehr auf investigative und rollenspielerische Elemente, gewürzt mit einigen knackigen Rätseln. Selbst der Endkampf kann mittels den richtigen Worten an der richtigen Stelle elegant vereinfacht werden, und wenn man sich den Endgegner so anschaut, dann sollte dies besser auch so geschehen. Die Stufenempfehlung muß man bei diesem Abenteuer also nicht so furchtbar genau nehmen.

Wenn man von den insgesamt 48 Seiten die 5 Seiten für Werbung, OGL und Credits abzieht, bleiben insgesamt 43 Seiten Nettoabenteuer übrig (die Innencover werden nicht genutzt). Davon entfallen 3 Seiten auf die Einleitung, 11 Seiten auf den ersten, 6 Seiten auf den zweiten und 15 Seiten auf den dritten Teil des Abenteuers, sowie 1 Seite auf den Anhang mit einem neuen Monster und einem Template, 6 Seiten auf Kartenmaterial und 1 Seite schlußendlich noch auf ein relativ nutzloses und zudem noch unschönes Handout. Das Layout ist wie bei Necromancer Games üblich zweispaltig und innen nur schwarz/weiß, wobei hier besonders die stellenweise doch sehr hohe Textdichte ins Auge fällt. Die eher spärlich gesäten Zeichnungen von Brian LeBlanc im Inneren sind allesamt recht stimmungsvoll und düster, und geben somit die gesamte Atmosphäre des Abenteuers treffend wieder. Auch das Cover von Kieran Yanner fängt die schaurig-groteske Stimmung von WEL hervorragend ein: Drei untote Wesen (Ghule) strecken ihre Klauen nach dem Betrachter des Bildes aus, während im Hintergrund eine alte Wassermühle im Wald von einem nächtlichen Blitz erhellt wird. Sämtliche Abbildungen (das Cover wie auch alle Illustrationen im Inneren) zeigen Szenen aus dem Abenteuer.

Obwohl es sich um ein Universal-Abenteuer handelt, das theoretisch in jede Fantasy-Kampagnenwelt eingebaut werden kann, so erscheint es mir doch wie geschaffen für eine „Masque of the Red Death“-Kampagne (dem „Gaslight-Ära“-Ableger von Ravenloft aus der 2. Edition, der auf unserer Erde in den 1890ern spielt und einen starken cthulhoiden Einschlag hat). Auch wenn die NSC’s und Monster in WEL für eine solche Kampagne sicherlich stark überarbeitet werden müßten, so passen Hintergrund und Plot doch hervorragend in diese Epoche. Hawvermale dagegen siedelt die Ereignisse in der Umgebung der Stadt Hawkmoon an, in der auch das später erschienene Modul „A Lamentation of Thieves“ des gleichen Autors handelt. Die Stadt selbst wird in WEL allerdings vollständig außen vor gelassen, wobei es mir ein Rätsel ist, warum der zweite Teil dieses Abenteuers nicht auch dort hätte stattfinden können.

Querverweise zu anderen Publikationen von Necromancer Games findet man bis auf eine einzige und relativ unerhebliche Ausnahme nicht (im Besitz eines der Haupt-NSC’s kann die Gruppe eine Karte finden, die eine Insel names Eliphaz zeigt, die im Abenteuerband „Vampires and Liches“ beschrieben wird. Hat man kein Interesse, die Kampagne in diese Richtung weiterzuführen, läßt man die Karte eben einfach weg). Ansonsten findet man häufiger bei bekannteren Monstern anstatt eines vollständigen Wertesatzes lediglich den Verweis auf die jeweilige Seite im Monster Manual (3.0). Darüber kann man geteilter Meinung sein - einerseits ist es unpraktisch, andererseits aber vielleicht sinnvoller als Platz mit dem Abdruck von Werten zu verschwenden, die man an anderer Stelle ohnehin schon parat hat. Der Preis dieses Moduls reicht von ca. 10,- bis 14,- Euro, wobei Ersteres sehr günstig und Letzteres ziemlich happig für dieses 48 Seiten-Modul ist.

 

Spätestens hier sollten alle potentiellen Spieler, die sich den Spaß nicht verderben wollen, aufhören zu lesen, denn es folgen massive Spoiler!

 

Wie oben bereits angedeutet besteht das Abenteuer aus drei Teilen („Acts“), die für rollenspielerische Abwechslung sorgen: Der erste Teil ist eine Spurensuche in der Wildnis, im zweiten Teil steht Ermittlungsarbeit durch Interaktion mit ziemlich extraordinären NSC’s auf dem Programm, und der dritte Teil schließlich ist ein Dungeoncrawl der originelleren Sorte, der sich aber ziemlich gewaschen hat - sensible Personen mit einem ausgeprägten Sinn für Political Correctness oder einem empfindlichen Magen seien hiermit vorgewarnt. Das Abenteuer bietet also genug Möglichkeiten, um alle Charakterklassen bei Laune zu halten.

Der Plot des Abenteuers dreht sich darum, den Machenschaften von Gilean Vel Einhalt zu gebieten. Gilean Vel ist als eine Mischung aus Marilyn Manson, Slash und einem bösen Dr. Snuggles sicherlich einer der schillerndsten Antihelden, die ich je in einem Kaufabenteuer gesehen habe, obwohl seine Hintergrundgeschichte reichlich nebulös und verworren und seine Motivation etwas fragwürdig ist. Aber der Reihe nach: Aus Gründen, auf die das Abenteuer leider nicht eingeht, lastet auf dem Familienclan der Vels schon seit jeher ein magischer Fluch, der dafür sorgt, daß das erstgeborene Kind jeder Generation geistig zurückgeblieben ist und für gewöhnlich früh verstirbt. Vor 300 Jahren hat aber einer der Vorfahren von Gilean Vel, Hanfred Vel, der Göttin Muir die Treue geschworen, in ihrem Namen eine Armee des Chaos bezwungen und außerdem dem Familienvermögen entsagt. Davon war Muir dermaßen gerührt, daß sie zwar den Fluch von der Familie genommen hat, jedoch war die Familie Vel dafür fortan zur Armut verdammt (Informationen zur Göttin Muir findet man übrigens in dem auf der Webseite des Verlages frei erhältlichen PDF-Dokument „Gods and Demons from the World of Necromancer Games“: Muir ist eine Göttin der Paladine, ähnlich wie Heironeous aus der D&D-Standardwelt Greyhawk oder Tyr aus den Forgotten Realms und kann bei Bedarf problemlos durch diese ersetzt werden).

Auch Gilean Vel hatte keine leichte Kindheit und mußte sich als zweitklassiger Zirkusartist mit einer Messerwerfer-Nummer durchs Leben schlagen. Frustriert darüber, daß ihm die Akrobaten und Löwenbändiger ständig die Show stahlen und alle nur auf ihn herabsahen, verließ er schließlich den Zirkus und schloß sich einem Wandermagier an, der ihn in die höchst geheime Schule der Schattenmagie einweihte. Gilean führte fortan ein ziemlich skrupelloses Abenteurerleben, wurde immer mächtiger und konnte durch seine Machenschaften endlich das ersehnte Vermögen anhäufen. Zu diesem Zweck verschmolz er sogar seine Seele mit der Essenz der Schattenebene und wurde dadurch zu einem Shade, einer Kreatur, die umso mächtiger wird, je schlechter die Lichtverhältnisse sind (siehe auch weiter unten das zugehörige Template im Anhang). Wie das Schicksal so spielt verliebte sich Gilean Vel kurz darauf in Anna Rosa und wünschte sich mit ihr zusammen ein Kind. Dies war jedoch leider nicht möglich, da Shades generell unfruchtbar sind. Also flehten sie die Götter um ein Wunder an und wurden prompt erhört: Anna Rosa wurde schwanger (ich hätte in einem solchen Fall ja eher den Gärtner als die Götter im Verdacht, aber das steht hier ja nicht zur Debatte). Bei der Geburt mußte Gilean Vel jedoch mit Schrecken feststellen, daß sich der alte Familienfluch wieder eingestellt hatte - Anna Rosa verstarb bei der Geburt und seine Tochter Katya kam als geistig zurückgebliebenes Kind zur Welt.

Gilean Vel, nunmehr voller Haß auf die Göttin Muir, die er als die Ursache für die erneute Inkraftsetzung des Fluches ansah, beschloß daraufhin, sich an ihren erbittertsten Gegner - Orcus - zu wenden und mit diesem einen Pakt zu schließen. Gilean erhoffte sich ein Wunder von Orcus, durch das seine Tochter geheilt werden sollte, und um Orcus die Gewährung dieses Wunders schmackhaft zu machen, wollte Gilean einen teuflischen Plan in die Tat umsetzen, nämlich ein Loch von der materiellen in die Schattenebene zu bohren, so daß sich die Essenz der Schatten ungehindert in die materielle Ebene ergießen und die nähere Region in ewige Dunkelheit stürzen konnte. Zu diesem Zweck hat Gilean Vel eine „Fabrik“ in einem Sumpfgebiet errichtet, in der ein riesiges, magisches Tunnelbohrgerät (die sogenannte „Soul Engine“) gerade im Begriff ist, eben jenes Loch zu bohren. Leider wird im Abenteuer nicht erklärt, warum Gilean der Überzeugung ist, daß gerade dieses Vorhaben für Orcus ein Gefallen sein soll, denn Orcus hat als Dämonenlord und Herrscher über die Untoten nicht unmittelbar etwas mit der Schattenebene am Hut. Aber wer wird schon so kleinliche Fragen stellen angesichts einer Person, die bereit ist, zum Wohle ihrer Tochter tausende von anderen Menschen zu opfern und/oder ins Unglück zu stürzen? Besagte Soul Engine benötigt nämlich zu ihrem Betrieb sogenannte „Essence Ingots“ - das sind die zu Briketts geformten Seelen unschuldiger Menschen, die in Gileans Fabrik hergestellt werden, indem tagein, tagaus zwei Efreet (dt.: Ifrit) damit beschäftigt sind, noch lebende, nackte Menschenleiber in riesige Krematoriumsöfen zu schaufeln. Aus den Seelen der verbrannten Opfer werden dann die Essence Ingots geformt, mit denen die Soul Engine betrieben wird. Dieser Anblick könnte für so manchen Spieler etwas schwer zu verdauen sein. Aber bis die SC’s erst einmal so weit sind, dürften sie durch die Erlebnisse davor wenigstens schon etwas abgehärtet sein.

Um seinen stetigen Bedarf an menschlichem Material zu sichern, hat Gilean Vel ein Netzwerk aus Menschenjägern geschaffen, die ständig nach neuen Opfern Ausschau halten, und deren wichtigster Knotenpunkt als Zirkus getarnt ist - mit Gilean Vel selbst als Direktor. Hinzu kommt noch, daß Siebkron, der Schüler Gilean Vels, seinen eigenen Pakt mit Orcus geschlossen hat und die Soul Engine nicht in die Schattenebene bohren lassen, sondern zur Ebene der Negativen Energie umleiten will - ein Vorhaben, das die Vernichtung allen Lebens im weiteren Umkreis zur Folge hat, und dessen Durchführung meiner (und Siebkrons) Ansicht nach einen Orcus schon eher zufriedenstellen könnte. Leider wird es in dem gesamten Abenteuer vollständig versäumt, irgendwelche Beweggründe für Siebkrons Handeln zu geben. Und das, obwohl sich in Siebkrons Tagebuch (das von den Spielern gefunden werden kann) ein Absatz befindet, der sinngemäß lautet: „Ich muß dies hier niederschreiben, damit eventuelle Überlebende des kommenden Holocausts unsere Motive verstehen können.“ Welche Motive bitte? Gileans Motive mögen ja mit viel Nachsicht nachvollziehbar sein (wenn auch kaum verständlich), aber Siebkrons Motive? Fehlanzeige.

Kommen wir nun endlich mal zum eigentlichen Plot des Abenteuers, denn bisher war ja alles nur Vorgeschichte. Als Aufhänger für die SC’s bietet der Autor nur eine einzige Option an, dafür wird diese aber mit ziemlicher Sicherheit funktionieren: Einer der SC’s erhält einen Brief von einem alten Bekannten namens Lothair, einem Landwirt aus dem kleinen Dorf Leafton nordwestlich von Hawkmoon, worin Lothair den SC bittet, bei der Suche nach seinem vermißten Sohn Mathfrid zu helfen. Der erste Teil des Abenteuers beginnt also damit, daß sich die Charaktere in Leafton, einem in wirklich jederlei Hinsicht vollkommen normalen Dörfchen, mit Lothair treffen und von ihm erfahren, daß Mathfrid bei der Instandsetzung einer Vogelscheuche verschwunden ist. Da die Vogelscheuche ursprünglich von Wölfen zerstört wurde, herrscht die allgemeine Meinung vor, daß diese Wölfe auch etwas mit dem Verschwinden von Mathfrid zu tun haben. Dies entpuppt sich aber schnell als Fehlannahme, da eine Untersuchung des Tatorts Spuren von Ghulen zu Tage fördert, die in den nahegelegenen „Gaunt Wood“ führen. Im Dorf können die SC’s dann noch auf „Cadyr the Culled“ treffen, einem einzelgängerischen Waldläufer, von dem sie erfahren können, daß solche Fälle mysteriösen Verschwindens in letzter Zeit häufiger in der näheren Umgebung aufgetreten sind, und der sich ihnen unter Umständen sogar anschließt, wenn die Gruppe zur weiteren Untersuchung in den Wald vordringt. Nach einigen Aufwärmbegegnungen mit einer Gruppe Oger, die sich auf der Jagd befinden und in deren Hinterhat die Gruppe läuft, einem Blitzeinschlag, einer Räuberbande, die sich als Holzfällergruppe auszugeben versucht, und einer alten Fallgrube, in die die SC’s hineinplumpsen können (bis vielleicht auf die Oger sind alle diese Begegnungen für eine Gruppe der 8.-10. Stufe ziemlich harmlos), treffen sie in dem unheimlichen Wald schließlich bei der Verfolgung einiger Wolfsspuren auf die Heimstatt von Daitha, dem Druiden und Hüter des Waldes, der gleichzeitig der Bruder von Gilean Vel ist und in dessen Obhut sich Gileans Tochter (und damit Daithas Nichte) Katya befindet.

Daitha ist einer der interessantesten Charakte und eine der Schlüsselfiguren in diesem Abenteuer, denn anfangs möchte er zwar seinen Bruder nicht in die Pfanne hauen und weiß mehr, als er den Abenteurern erzählt, später jedoch, wenn ihm Gileans Machenschaften voll und ganz bewußt werden, ändert er seine Meinung und schlägt sich auf die Seite der Gruppe, versucht aber nichtsdestotrotz, zwischen den SC’s und Gilean zu vermitteln. Durch die Handlungen von Daitha ist der Ausgang des Abenteuers also relativ ungewiß und hängt stark davon ab, inwieweit sich die SC’s auf die Vermittlung von Daitha einlassen. Im Moment jedoch will er die SC’s noch auf eine falsche Fährte locken und gibt vor, daß er die Banditen, die in einer Höhle am Flußufer hausen, als Ursache für das Verschwinden der Leute ansieht. Über seine Verwandtschaft zu Gilean verrät er natürlich nichts und erzählt den SC’s sogar, daß die Eltern von Katya verstorben sind. Von Katya selbst können die SC’s so gut wie nichts erfahren, da sie trotz ihrer etwa 20 Lenze den Verstand einer Vierjährigen besitzt. Beim anschließenden Aufmischen des Räuberlagers kann die Gruppe von deren Anführer Mealkuph erfahren, wo sich der Ursprung der Ghule befindet, nämlich in einer alten Sägemühle weiter flußaufwärts. Hoffentlich denken die Abenteurer auch daran, den Räuberhauptmann zu befragen und ihn nicht einfach blindlings zu erschlagen. Andernfalls ist es mir nämlich schleierhaft, wie sie auf die Spur zu der Sägemühle kommen sollen, außer durch puren Zufall oder andere Möglichkeiten, die sich der SL dann aus den Fingern saugen muß.

In der Sägemühle kommt’s dann faustdick: Drei Nekromanten der 7. Stufe und nicht weniger als 32 Ghule haben sich in dem alten Gebäude und dem darunter liegenden Minidungeon eingenistet und gehen dort der Beschaffung von menschlichem Treibstoff für Gileans Soul Engine nach. Beim Ausräuchern der Sägemühle können die SC’s 41 gelähmte, aber noch lebendige Gefangene befreien, darunter auch den gesuchten Mathfrid sowie einen gewissen Lord Esteban, der niemand Geringeres ist als ein celestischer Abgesandter Muirs, der den Auftrag hat, der Gruppe als Dank für seine „Errettung“ unter Rezitierung eines kryptischen Verses sein Schwert zu überreichen. Bei diesem Schwert handelt es sich in Wahrheit um einen mächtigen magischen Gegenstand: Die „Quill of Clemency“ („Feder der Vergebung“). Diese Feder kann sich auf Befehl in alle möglichen Gegenstände verwandeln, z.B. auch in eine beliebige Waffe +4. Außerdem trägt sie den Willen Muirs in Form des Zaubers Wunder in sich und ist der einzige Gegenstand, mit dem die Soul Engine gestoppt werden kann.

Hiermit endet Teil 1 des Abenteuers. Das Problem an der Sache ist, daß die Gruppe leicht auf den Gedanken kommen könnte, daß das gesamte Abenteuer hier ebenfalls beendet ist. Es lassen sich zwar bei den Nekromanten einige Hinweise finden, die vermuten lassen, daß hier mehr dahinter steckt, aber da der gesuchte Mathfrid ja gefunden wurde, hat die Gruppe ab diesem Zeitpunkt eigentlich keine weitere Motivation mehr, diesen Hinweisen nachzugehen, bis auf ihre eigene Neugier. Dazu kommt noch, daß die erwähnten Hinweise außerordentlich dürftig sind: Im Besitz der Nekromanten befinden sich einige Clownskostüme und Schminke (kein Witz!), und anhand derer und einem Werbe-Anschlag für einen Zirkus am Schwarzen Brett in Leafton sollen die SC’s darauf kommen, wo sie als nächstes suchen sollen: Im Zirkus von Gilean Vel, der gerade in einer größeren Nachbarstadt gastiert (es muß schon eine ziemlich große Nachbarstadt sein, denn sie muß sich im Besitz eines Amphitheaters befinden, das von der Art her - wenn auch bei weitem nicht von den Ausmaßen her - dem römischen Kolosseum ähnelt). Mal abgesehen davon, daß mir die Vorstellung von Nekromanten, die nebenberuflich als Zirkusclowns auftreten, außerordentlich lächerlich vorkommt, so wird der SL hier wohl nicht umhin kommen, den Abenteurern weitere Hinweise darauf zu geben, wo das Abenteuer weitergeht, und im Zweifelsfalle sogar, daß das Abenteuer überhaupt weitergeht.

Ist diese Hürde aber erst einmal genommen, wird es in Teil 2 erst so richtig interessant: Hier sollen die SC’s den Zirkus in Augenschein nehmen und treffen dabei auf eine Reihe von richtig schön durchgeknallten Freaks in einer völlig abgedrehten Umgebung. Die Gruppe hat die Wahl, ob sie sich die Show ansehen oder die Räumlichkeiten unter dem Zirkus untersuchen und mit den Artisten sprechen möchte. Absolut jeder dieser Artisten ist entweder ein Krimineller, verrückt oder beides. Die Gnomen-Akrobaten sind eigentlich eine Bande von Taschendieben, der Messerwerfer ein Giftmischer, der stumme Tierbändiger sammelt Zungen in Einmachgläsern, der Halbork-Feuerschlucker schluckt auch sonst alles von Rasiermessern bis Insekten, und die beiden Clowns haben eine besondere Vorliebe für Kinder, und zwar von der schlimmsten Art und Weise, die man sich vorstellen kann. Und schließlich und endlich kann die Gruppe hier auch erstmalig auf Gilean Vel selbst in seiner Inkarnation als tätowierter Marilyn Manson-Verschnitt treffen. Nebenbei können die SC’s es noch mit einer geheimnisvollen, alten Wahrsagerin und einem durchdrehenden Elefanten zu tun bekommen. Der SL wird ermutigt, sich weitere Begegnungen dieser Art auszudenken, aber was Hawvermale hier bereits im Angebot hat, dürfte auch vollkommen ausreichen, um den SL und die Spieler alle Register ihres rollenspielerischen Könnens ziehen lassen zu müssen. Der genaue Ablauf dieses Abschnitts ist zwar nicht vorhersehbar und hängt maßgeblich von der Vorgehensweise der Gruppe ab, aber letzten Endes müssen die Abenteurer Hinweise auf die Existenz der Fabrik in den Miasmoor-Sümpfen östlich von Hawkmoon bekommen. Dies können sie dadurch erreichen, daß sie sich mit Sneary, dem Messerwerfer und Giftmischer unterhalten, der ein schlechtes Gewissen bekommen hat und ihnen eine von ihm gefundene, codierte Notiz zukommen läßt, die den Befehl von Siebkron an Ilf enthält, die Wagen im Auge zu behalten. Ilf ist der Verwalter und Aufpasser des Zirkus und arbeitet heimlich als Spion für Siebkron. Haben die SC’s die Botschaft entschlüsselt (was schon nicht einfach ist, aber nur ein kleiner Vorgeschmack von dem, was die Spieler noch an Coderätseln erwartet - für Kenner: es handelt sich um eine „Cäsar-Chiffrierung“ bzw. „Cäsarverschiebung“), können sie in einigen der Wagen weitere Gefangene befreien, eine Karte mit dem Weg zu Gileans Fabrik finden und Ilf nach Informationen über die Fabrik ausquetschen.

Der dritte und letzte Teil dieses Abenteuers schließlich beschreibt die Fabrik Gileans, wobei es sich hierbei im Prinzip um ein sehr außergewöhnliches und groteskes Dungeon aus 2 Ebenen mit insgesamt 30 Räumen handelt. Auf dem Weg zur Fabrik möchte sich Daitha der Gruppe anschließen, da er inzwischen Schlimmes vermutet und noch Schlimmeres verhindern möchte. In der Fabrik hat die Gruppe zwar auch einige knackige Kämpfe gegen Trolle, einen Steingolem und weitere Schüler Gileans zu bestehen, aber hauptsächlich müssen sich die Abenteurer hier mit einigen sehr tödlichen Fallen und einem extrem schwierigen Coderätsel herumschlagen. In der ersten Ebene der Fabrik geht es eigentlich nur darum, den Zugang zur zweiten Ebene zu öffnen, der durch ein sogenanntes „Heartlock“ gesichert ist. Hierbei handelt es sich um eine lebensechte Statue, deren Brustkorb geöffnet ist, und in dem sich kein Herz, sondern vier metallene Schalen befinden, in die die zugehörigen vier Komponenten gelegt werden müssen, um den Zugang freizugeben. Diese vier Komponenten befinden sich allesamt ebenfalls auf dieser Ebene der Fabrik, drei davon werden durch sehr bösartige Fallen gesichert, die vierte Komponente liegt in Siebkrons Safe, der durch ein Codewort geöffnet werden kann, das in Form eines Polybios-Quadrats chiffriert ist. In bin mir ziemlich sicher, daß Spieler, die sich nicht zumindest ein klein wenig mit Kryptographie oder dieser Art der Textchiffrierung auskennen, an diesem Rätsel gnadenlos scheitern werden. Hier wird der SL also wohl nicht umhin kommen, den Spielern wenigstens ein paar kleinere Hinweise auf die Natur des Rätsels zu geben.

Auf der zweiten Ebene befinden sich neben ein paar Wächtern dann nur noch die bereits erwähnten Krematoriumsöfen mit den beiden Ifrit, sowie die Kammer mit der Soul Engine, die gleichzeitig der Schauplatz des großen Showdowns mit Gilean und Siebkron ist. Ablauf wie auch Ausgang dieses Kampfes sind absolut nicht vorhersagbar, da sie voll und ganz davon abhängen, wie die Gruppe vorgeht. Im optimalen Fall kann Gilean in die Schattenebene flüchten (wo er stärker ist), während Siebkron sich in seine Kammer teleportiert. Die Gruppe sollte dann Gilean in die Schattenebene folgen und ihn mit Hilfe Daithas von Siebkrons Verrat überzeugen, woraufhin sie gemeinsam in die materielle Ebene zurückkehren und gegen Siebkron kämpfen, der in der Kammer der Soul Engine inzwischen einen Hinterhalt vorbereitet hat. Ist dieser überwunden, kann die Soul Engine mittels der Quill of Clemency, die einfach in ihr Getriebe gesteckt werden muß, zum Stillstand gebracht werden, und Katya kann durch das in der Quill enthaltene Wunder geheilt werden. Im schlimmsten Fall stürmt die Gruppe ohne Daitha direkt mit gezückten Waffen in die Kammer und liefert sich einen heftigen Kampf mit Gilean und Siebkron, den sie wahrscheinlich nicht überstehen wird. Die Soul Engine bohrt sich in die Ebene der Negativen Energie und die Hawkmoon-Domäne ist Geschichte. Zwischen diesen beiden Extremen ist so ziemlich alles möglich.

Im Anhang des Abenteuers findet sich dann noch als neues Monster der SoulNibbler (eine Ratte, die sich ein bißchen zu sehr von Essence Ingots ernährt hat und deren Biß nun Erfahrungsstufen entziehen kann und die immun gegen nekromantische Effekte ist) sowie als neues Template der Shade (der sich aber leider in vielen Einzelheiten von dem gleichnamigen Template im Forgotten Realms Campaign Setting unterscheidet, obwohl es sich quasi um die gleiche Art von Kreatur handelt. Der FRCS-Shade ist aufgrund seiner vielen Special Qualities jedenfalls um einiges mächtiger als sein WEL-Pendant). Des weiteren kann man im Abenteuer noch ein neues metamagisches Talent vorfinden („Anchored Spell“), bei dem man sich die für einen bestimmten Zauber notwendige Materialkomponente auf den Körper tätowiert und den Zauber daraufhin ohne den Einsatz der jeweiligen Komponente wirken kann.

Des weiteren findet sich im hinteren Teil des Abenteuers noch umfangreiches Kartenmaterial: Je eine ganzseitige Karte für die Umgebung der Stadt Hawkmoon mit allen wichtigen Abenteuer-Schauplätzen und für das Dorf Leafton, zwei kleinere Übersichtskarten für den Oger-Hinterhalt und Daithas Hain, eine sehr schöne isometrische Ansicht der Sägemühle und des Dungeons darunter, eine Übersicht über das Amphitheater mit dem Zirkus und die unterirdischen Räume darunter, sowie last but not least natürlich die beiden Ebenen von Gileans Fabrik. Bis auf die Karte für den Oger-Hinterhalt ist das gesamte Material absolut brauchbar und schön gestaltet - da kann man nicht meckern. Schlußendlich folgt noch eine Seite mit zwei Handouts für die Spieler (nun ja, zumindest vermute ich, daß es sich um Handouts handeln soll), auf der einerseits das Heartlock in der Frontalansicht und andererseits ein Polybios-Quadrat abgebildet sind. Der Sinn dieser Handouts will sich mir nicht so ganz erschließen.

Auch für dieses Abenteuer bietet Necromancer Games kostenlose Downloads auf der verlagseigenen Homepage an: Zum einen die unvermeidliche, zweiseitige Errata-Liste, zum anderen eine 10-seitige „Domain of Hawkmoon Expansion“, die einen NSC namens „Yevgenni  Noro“ vorstellt, der mit diesem Abenteuer aber auch überhaupt nichts zu tun hat, sowie Siebkrons „Vex Box“, einem weiteren, mit einem Coderätsel verschlossenen Gegenstand, den man in Siebkrons Safe platzieren kann, wenn man von dieser Art Rätsel noch immer nicht die Nase voll hat (die Kryptographie scheint mir eines der liebsten Steckenpferde von Lance Hawvermale zu sein). In der Vex Box befindet sich ein sehr schöner magischer Gegenstand - ein kleines Vögelchen, das bei seiner Freilassung aus der Box immer den schnellsten Weg an die frische Luft findet (sehr hilfreich, wenn man sich in einem tiefen Dungeon verlaufen hat) - aber da diese Box mittels eines Vigenère-Quadrates verschlüsselt ist und die Spieler schon das nötige Schlüsselwort kaum erraten werden, weil sie wohl vermutlich gar nicht erst wissen, daß sie so etwas wie ein Schlüsselwort überhaupt benötigen, sind die Chancen, daß sie jemals das Vögelchen heil zu Gesicht bekommen, quasi gleich Null. Schade eigentlich. So sehr ich auch die Politik von Necromancer Games schätze, kostenlose Downloads für die eigenen Produkte auf ihrer Webseite zur Verfügung zu stellen - diesen hier braucht man wirklich nicht unbedingt.

 

Fazit:

Ich muß gestehen, daß mir dieses Abenteuer trotz der vielen Schwächen und Ungereimtheiten in der Hintergrundgeschichte und im Plot ganz gut gefällt, da es sich wohltuend aus der Masse der Dungeoncrawl-Module abhebt. Hier können die Spieler wirklich mal einen originellen Plot erleben, der ihnen sicherlich noch länger im Gedächtnis haften bleibt. Ein kreativer SL, der die Lücken in der Geschichte füllen kann, und Spieler, die die Motivation ihrer Gegner nicht immer allzu genau hinterfragen, können hier sicherlich jede Menge Spaß haben und die schaurige Atmosphäre, die dieses Modul hervorragend transportiert, voll auskosten. Vielleicht sollte man noch erwähnen, daß dieses Abenteuer angesichts der Thematik nicht unbedingt für jüngere und/oder unerfahrene Spieler bzw. SL’s geeignet ist, und daß Personen mit moralischen Bedenken besser ganz die Finger davon lassen sollten. Aber das sind meiner Meinung nach nur Nebensächlichkeiten, die den guten Gesamteindruck nicht schmälern.