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Cyann – Tochter der Sterne 1 - Der sterbende Planet
Bewertung:
(4.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 09.04.2013
Autor:François Bourgeon (Autor und Zeichnungen) und Claude Lacroix (Szenario)
Übersetzer:Harald Sachse
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Science-Fiction
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-549-6
Inhalt:144 Seiten, Hardcover
Preis:26,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Der Leser schließt Bekanntschaft mit der jungen und ungestümen Cyann, die sich dank des gesellschaftlichen Status ihres Vaters keine sonderlich großen Sorgen um finanzielle Dinge machen muss und immer wieder versucht ihr eigenes Leben zu leben und dem großen Schatten ihrer Familie zu entkommen. Ihr Leben scheint eine beständige Abfolge von Regelverstößen und Festen zu sein, die sie gemeinsam mit ihrer Freundin Nacarra erlebt.

 

Doch eine geheimnisvolle und tödlich verlaufende Krankheit hat den Planeten Olh heimgesucht, die unter dem Namen „Purpurfieber“ ausschließlich die männliche Bevölkerung infiziert. Bislang hat man kein Mittel gegen diese Krankheit gefunden und auch das Oberhaupt der Familie Olsimar, der Vater von Cyann, ist von dieser Krankheit betroffen. Es war eigentlich der Bruder von Cyann, der sich mit einer Expedition auf den Planeten Ilo aufmachen sollte, um dort nach einem Heilmittel zu forschen – aber auch ihn raffte das Purpurfieber dahin.

 

Es liegt nun an der quirligen, aber auch intelligenten Cyann das Erbe ihres Bruders anzutreten und die Leitung der Expedition zu übernehmen. An ihrer Seite Nacarra, die zwar einer geringeren Kaste angehört, die jedoch als beste Freundin von Cyann diese nicht alleine ziehen lassen würde.

 

Allerdings scheint es auch einige Interessengruppen auf Olh zu geben, die kein Verlangen daran haben eine Expedition nach Ilo zu schicken und alles daran setzen dieses Vorhaben zu durchkreuzen. Als Cyann und Nacarra in einem Simulator die Landungsprozedur auf Illo simulieren, kommt es zu einem dramatischen Zwischenfall, der einen Einblick in die Verschlagenheit der Verschwörer gibt.

 

Schreibstil & Artwork:

Der französische Comiczeichner François Bourgeon wurde am 05.07.1945 in Paris geboren und wurde an der Pariser Ecole des Métiers d'Art zum Glasmaler ausgebildet. Bereits 1971 musste er allerdings seinen Beruf aufgeben, da die schlechte Auftragslage bei weitem nicht für seinen Lebensunterhalt reichte. Anfang der 70er Jahre gelangte er eher zufällig in Kontakt mit der Jugendzeitschrift „Lisette“, für die er 1972 die Serie „L´Ennemie vient de la mer“ erschuf, die mit ihren stark schematisierten Zeichenformen noch deutlich Bourgeons Prägung durch die Glasmalerei erkennen ließ. Nach dem Konkurs von „Lisette“ folgten weitere kleinere Arbeiten für Magazine wie „Fripunet“, „J2“ und „Pif Gadget“.

 

Einen ersten, wenngleich auch kurzen Ausflug ins Mittelalter unternimmt Bourgeon 1973 mit dem Comic „Brunelle et Colin“ (dt. „Britta und Colin“, Carlsen). Die von Robert Génin für das Comicmagazin „Djinn“ geschriebene Serie um eine tollkühne Prinzessin und ihren Pagen gibt er allerdings bereits nach zwei Bänden wieder auf, die Genin dann aber ab 1982 mit Didier Convard fortsetzt. Im Jahr 1979 gelingt Bourgeon mit dem historischen Zyklus „Reisende im Wind“ der Durchbruch in der frankobelgischen Comicszene. Dies allerdings nicht unbedingt durch seinen Zeichenstil, sondern vielmehr durch seine Neuerungen auf dem Gebiet der Bilddramaturgie des Comics. Doch den durchaus umtriebigen Bourgeon zog es auch mit der Reihe „Gefährten der Dämmerung“ ins Mittelalter und so war es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis er sich der Science-Fiction zuwandte. 1993 begann er mit seinem Freund Claude Lacroix an einer Geschichte zu arbeiten, an die er sehr hohe Erwartungen hatte – der Grundstein für „Cyann“ wurde gelegt.

 

Wieder einmal ist es eine außergewöhnliche Frau, die im Mittelpunkt eines atemberaubenden Szenarios voll von phantastischen Bildern ihren eigenen Weg einem ungewissen Schicksal entgegen geht. Dabei geht es Bourgeon nicht um aufdringliche Emanzipationsbestrebungen, sondern um einen überaus ganzheitlichen Ansatz für sein Szenario, welches mit seinen absolut beeindruckenden Bildern und überzeugenden Charakteren ein weiteres Meisterwerk ist. Sicherlich mag ich Bourgeon für seine manchmal etwas hölzern wirkenden Akteure tadeln, aber dennoch versteht er es mit großer Hingabe Mimik, Gestik und Dynamik seiner Handelnden bis ins letzte Detail überzeugend darzustellen.

 

Unterstützung sowohl im Konzept als auch im Szenario erhielt Bourgeon durch den französischen Zeichner und Szenaristen Claude Lacroix, der auch unter dem Pseudonym „Tartempion“ bekannt ist. Seine ersten humoristischen Zeichnungen veröffentlichte der 1944 geborene Lacroix ab 1964 in französischen Magazinen wie „Elle“ oder „Hara-kiri“. Als Comiczeichner und Szenarist wirkte er erst an Comics für Kinder und Jugendliche mit. Später zeichnete er sechs Alben der Weltraum-Fantasy-Serie „Yann le migrateur“ für den französischen Markt, deren Texte von Robert Génin stammten. Sein großer Erfolg wurde die humoristische Comicserie „L´homme au capeau mou“ (dt.: „Der Mann mit dem weichen Hut“), deren skurrilen Episoden in Deutschland in den Magazinen „Pilot“ und „U-Comix“ erschienen. Daneben war Lacroix aber auch als Szenarist überaus aktiv und war für Bourgeon deshalb nicht nur durch seine Freundschaft, sondern dank seiner SF-Erfahrung erste Wahl, als es um die Gestaltung der Reihe „Cyann – Tochter der Sterne“ ging.

 

Fiel es Bourgeon mit seinen großen Arbeiten „Reisende im Wind“ oder „Gefährten der Dämmerung“ noch leicht auf historische Vorlagen zurückzugreifen, so galt es bei Cyann nicht nur eine komplette Welt zu erschaffen, wie sie bislang schlicht und ergreifend nicht existierte, sondern mehr oder weniger ein ganzes Universum. Gemeinsam mit Bourgeon beginnt eine erstaunliche Forschungsarbeit für die Erschaffung des geheimnisvollen Planeten Ohl. Seine Menschen, ihre Kleidung, Architektur, Flugmaschinen, Objekte, Flora, Fauna, Sprache, Ernährung – alles ist bislang ohne Beispiel und wird aus der Phantasie von François Bourgeon und Claude Lacroix geboren.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Der Splitter Verlag bietet dem Leser auch mit diesem schwergewichtigen Band in Sachen Qualität sowohl eine tadellose Verarbeitung als auch ein einwandfreies Druckbild auf angenehm schweren Papier. In Sachen Ausstattung darf sich der Leser freuen, da es im Anhang ein umfangreiches Sketchbook gibt, in dem es zahlreiche Skizzen, Entwürfe und Erläuterungen über die Welt von Cyann zu erfahren gibt. Die ebenfalls tadellose Übersetzung stammt von Harald Sachse und lässt sich überaus angenehm lesen.

 

Fazit:

Mit der Reihe „Cyann – Tochter der Sterne“ präsentiert Bourgeon wesentlich mehr als nur einen einfachen SF-Comic. Hier gibt es ein Szenario, welches sich weitab von gängigen Hightech-Klischees bewegt und mit seiner unverblümten Detailverliebtheit bei seinen Akteuren als auch der Darstellung einer phantastischen Welt die schlicht und ergreifend einen weiteren Meilenstein im Bereich der Comics bildet.

 

Es ist natürlich auch keine einfache Kost, die Bourgeon hier seinem Leser zumutet. Neben exotischen Schauplätzen, technischen Spielereien und zahlreichen Antagonisten und Namen gibt es auch die von ihm unverblümt dargestellte weibliche Sexualität, allerlei Symbolik und damit ein sehr intensives Szenario. Selbst wenn man seine bisherigen Arbeiten liebt, so ist der Zugang zu dieser Reihe nicht ganz so einfach, wird man doch als Leser ziemlich unvermittelt in diese Welt gestoßen, in der man sich erst einmal orientieren muss.

 

Insgesamt für mich die absolut gelungene Neuauflage eines Klassikers, der nicht nur durch seine Verarbeitung, sondern auch durch sein umfangreiches zusätzliches Material im Anhang überzeugt. Ein Meisterwerk der besonderen Art, welches in keinem gut sortierten Comic-Regal fehlen sollte!