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Glöckner von Notre Dame 1 - Der Tag der Narren
Bewertung:
(3.5)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 23.04.2013
Autor:Robin Recht (Autor) und Jean Bastide (Zeichnungen)
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Mittelalterliches Paris
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-570-0
Inhalt:48 Seiten, Hardcover
Preis:14,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Der alte Pierre Gringoire tröstet seine Enkelin Garance, die ihm ihr Leid mit ihrem Freund Gaspar erzählt. Um sie auf andere Gedanken zu bringen, versucht Gringoire sie mit der Geschichte von der Prinzessin der Bettler zu trösten.

 

So erzählt er ihr dann von Paquette La Cantefleure, einem jungen Mädchen, das den Männern in ihrem Dorf reihenweise den Kopf verdrehte. Es kam wie es kommen mußte und mit 20 Jahren brachte sie ein Kind zur Welt, welches den Namen Agnes bekam. Als Zigeuner in der Nähe des Dorfes rasten, entführen diese nachts Agnes und hinterlassen ihr dafür ein abscheuliches und missgestaltetes Kind. Sie stirbt kurze Zeit später aus Gram über ihr verlorenes Kind und das „Monster“ wurde als Findelkind nach Paris gebracht, wo sich der Erzdiakon von Notre Dame sich seiner annahm.

 

Dies vorausgeschickt, beginnt die eigentliche Geschichte im Januar des Jahres 1482, an dem Tag der Könige und dem Fest der Narren, zu dessen Höhepunkt inmitten des bunten Treibens die Wahl eines Papstes gehört. Doch zuvor soll ein Mysterienspiel aufgeführt werden, welches aus der Feder von Pierre Gringoire stammt. Viel Volk hat sich versammelt und wartet auf den Beginn des Schauspiels, doch der Einzug des Kardinals und einiger Gesandter lässt auf sich warten, so das der Pöbel langsam aber stetig unruhig wird. Ein Gesandter aus Gent bringt gemeinsam mit Clopin Trouillefou überraschend die gesamte Veranstaltung durcheinander und als dann noch in dem allgemeinen Tumult der körperlich missgestaltete Quasimodo unter viel Gegröle zum neuen Papst gewählt wird, interessiert sich niemand mehr für das Mysterienspiel.

 

Enttäuscht zieht es Gringoire nach der missglückten Aufführung in die nächtlichen Straßen von Paris, wo er mit anderen Schaulustigen der Vorstellung der wunderschönen und begehrenswerten Esmeralda beiwohnt, die mit Tanz und Kunststücken das Volk erfreut. Es ist an Claude Frollo, dem Erzdiakon von Notre Dame dem vermeintlich lästerlichen Schauspiel von Esmeralda ein Ende zu bereiten, um nur wenig später auf eine tobende Meute zu treffen, die Quasimodo als ihren Papst durch die Straßen trägt. Erneut ist es an Frollo das Treiben zu beenden und er nimmt Quasimodo, seinen Ziehsohn, mit sich, den die Leute wegen seines Äußeren als Papst missbrauchen und verspotten.

 

Gringoire hingegen ist beseelt von dem Gedanken der hübschen Esmeralda nachzustellen und folgt ihr tiefer in die Gassen von Paris. Nachdem er sich allerdings von dieser einen Korb einholen muss, wird er nur wenig später Zeuge, wie Quasimodo scheinbar versucht Esmeralda umzubringen. In letzter Sekunde trifft Hauptmann Phoebus de Chateaupers mit seinen Männern ein, um Esmeralda zu retten und den Buckligen von Notre Dame zu verhaften.

 

Doch dieser denkwürdige Abend ist für Gringoire noch lange nicht vorbei, ahnt er doch noch nichts von seinem unverhofften Wiedersehen mit Esmeralda und seiner Rettung vor dem sicheren Tod.

 

Schreibstil & Artwork:

Der Autor und Zeichner Robin Recht wurde am 03.11.1974 in Bourgogne geboren. Seine Familie besaß seit jeher ein Faible für Comics und für Kunst und wundert es nicht, wenn Robin zunächst in Paris Kunst studierte. Seine ersten Zeichnungen lieferte er für Rollenspiele, bald schon folgte allerdings sein erster Comic, den er mit seinem Komillitonen Grégory Makles veröffentlichte. Gemeinsam arbeiteten sie an „Le dernier Rituel“, der 2002 beim Verlag Soleil erschien.

 

Hochgelobt von den Kritiken für seine Gestaltung folgte die recht düster-romantische mittelalterliche Reihe „Totemdom“, bei der sich Gabriel Delmas für das Szenario verantwortlich zeigte und die 2005 bzw. 2007 vom Verlag Les Humanoïdes Associés veröffentlicht wurden. Robin Recht arbeitete aber auch an dem Projekt „Vampire“ in der Éditions Carabas mit und schuf nach dem Storyboard von Xavier Dorison und Alex Alice in 2010 das Prequel für die Reihe „Das Dritte Tesatament“ mit dem Titel „Julius“. In 2013 erschien der One-Shot „Devil may cry“ für die gleichnamige Action-Videospiel-Reihe des japanischen Entwicklers Capcom beim Verlag Glénat, bei dem Robin Recht das Storyboard entwickelte.

 

Der 1831 erschienene historische Roman des französischen Schriftstellers Victor Hugo (1802–1885) „Der Glöckner von Notre Dame“ beschreibt menschliche Schicksale im Schatten der Kathedrale Notre Dame und fügt sich zu einem umfassenden Panorama des mittelalterlichen Lebens in Paris zusammen. Was sich in diesem Klassiker der Weltliteratur zudem als eine Geschichte rund um Liebe, Gefühle und Gerechtigkeit entfaltet, nimmt Robin Recht als Vorlage für seine recht werkgetreue Umsetzung als Szenario. Ebenso wie Hugo beleuchtet er mit viel psychologischem Gespür die verschiedenen authentischen dargestellten Charaktere und bietet somit eine spannende und abwechslungsreiche Geschichte

 

Der Zeichner Jean Bastide wurde 1982 in Albi geboren. Nach seinem Studium in Frankreich machte er sich 2004 nach Brüssel, wo er am Institut Saint-Luc das Atélier Bande Dessinée besuchte. Seinen Einstieg in die kommerzielle Welt des Comics machte er mit Bernard Yslaire und Vincent Mézil, wo er als Zeichner in der Reihe „Krieg der Sambres“ (Carlsen) die Bände „Hugo & Iris“ eingesetzt wurde, die zwischen 2005 und 2009 erschien. Mit dem düster-romantischen Historien-Drama hat Yslaire einen modernen Klassiker des europäischen Comics geschaffen. In dem Zyklus „Krieg der Sambres“, der zeitlich vor der Hauptserie spielt, erzählt er von den Geschicken der ersten Generation derer von Sambre. Danach tat er sich mit Robin Recht zusammen, um gemeinsam eine Trilogie aus der Romanvorlage „Notre Dame de Paris“ von Victor Hugo zu erschaffen. Der erste Band dieser Reihe erschien 2012 beim Verlag Glénat.

 

Was Jean Bastide in diesem Band abliefert kann sich handwerklich sehen lassen: Abseits von allzu modernen Bestrebungen ordnet Bastide seine Panels fast durchgehend klassisch an und spielt ab zu mit dem Gutter, wenn Sprechblasen aus den Panels ragen. Seine semirealistischen Akteure können sowohl in Mimik als auch Gestik überzeugen, ohne in den Bereich Funny abzugleiten, auch wenn vielleicht manchmal einige Proportionen nicht ganz zu stimmen scheinen. Mit sicherem Gespür schafft es Bastide auf jeden Fall das mittelalterliche Flair von Paris einzufangen und geschickt mit Licht und Schatten zu spielen. So wohnt den oftmals dunkel gehaltenen Bildern auch immer wieder einmal gewisse Leichtigkeit inne.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Auch mit diesem Band legt der Splitter Verlag seine gewohnt gute Qualität vor: Ein solide gearbeiteter Hardcoverband in Großformat, der sowohl von der Druckqualität, dem verwendeten Papier und den Farben überzeugt. Die gelungene Gestaltung des Covers oblag Dirk Schulz, die tadellose Übersetzung stammt von Tanja Krämling. In Sachen Ausstattung gibt es keine Extras, was aber bei diesem Band durchaus zu verschmerzen ist. Allerdings wäre eine kurze biographische Notiz zu Victor Hugo sicherlich recht angenehm gewesen.

 

Fazit:

Das abenteuerliche und spannende Geschehen rund um die Kathedrale von Notre Dame im ausgehenden Mittelalter von Paris verstand Victor Hugo mit all seinen Facetten meisterlich in Szene zu setzen. Die Adaption dieses umfangreichen Werkes durch Robin Recht und Jean Bastide weiß durchaus mit seinen kulturhistorischen Schilderungen und feinen, psychologischen Charakterisierungen der Protagonisten zu überzeugen, selbst wenn vielen Lesern das Ende hinlänglich bekannt sein dürfte.

 

Der Leser fühlt mit Quasimodo und Esmeralda – beide Ausgestoßene der Gesellschaft auf Grund ihres Andersseins und ihrer Herkunft – als auch mit dem Erzähler Gringoire, der sich als großer Schriftsteller sieht, dem die Welt schon bald zu Füßen liegen wird.

 

Wer seine Freude an einem hinlänglich bekannten Szenario hat, welches hier gekonnt in Szene gesetzt wird, ein Faible für mittelalterliche Städte (nebst deren Sitten und Gebräuche), der dürfte hier auf seine Kosten kommen. Konnte man sich bislang noch nie für die tragische Geschichte von Quasimodo erwärmen, so dürfte auch diese Umsetzung nicht viel an dieser Einstellung ändern. Unterm Strich ein gekonnt inszeniertes Szenario von Robin Recht, welches neben seinen Dialogen zum Teil von einigen sehr schönen Panels lebt, die Zeichner Jean Bastide routiniert zu Papier bringt.