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Pathfinder Handbuch: Die Goblins Golarions
Bewertung:
(4.5)
Von: Andreas Miebach
Alias: Halvar
Am: 18.05.2013
Autor:James Jacobs, Hal Maclean & Richard Pett
Übersetzer:Ulrich-Alexander Schmidt
Typ:Quellenbuch
System:Pathfinder
Setting:Golarion
VerlagUlisses Spiele
ISBN/ASIN:978-3-86889-265-9
Inhalt:32 Seiten, Softcover
Preis:11,95 EUR
Sprache:Deutsch

Hier sein Goblins!

So ziemlich das erste, was man als interessierter Spieler im August 2007 von der damals brandneuen Kampagnenwelt Golarion gesehen hat, waren die "neuen" Goblins. Seinerzeit erschien der erste Teil des "Rise of the Runelords"-Adventure Paths und in diesem spielten Goblins eine tragende Rolle. Da Ulisses uns im Mai mit der Jubiläumsausgabe dieses Abenteuerpfads auf Deutsch beglücken wird ("Das Erwachen der Runenherrscher"), liegt es natürlich nahe, als kleinen Vorgeschmack "Die Goblins Golarions" zu veröffentlichen, bei dem es sich um die Übersetzung des amerikanischen Titels "Goblins of Golarion" handelt, der im August 2011 bei Paizo in der "Player Companion"-Reihe das Licht der Welt erblickt hat.

 

Traditionell dienen Goblins bei D&D seit jeher als Kanonenfutter für niedrigstufige Spielercharaktere, d.h. man begegnet ihnen in aller Regel auf der 1. bis 3. Stufe, erschlägt ein paar von ihnen, und danach tauchen sie im weiteren Abenteurerleben nicht mehr auf. Bei Pathfinder verhält es sich im Wesentlichen auch nicht anders, aber hier hat man sich erstmalig die Mühe gemacht, zumindest zu versuchen, Goblins ein wenig mehr Charakter zu geben und die Begegnung mit ihnen zu einem einprägsamen Erlebnis zu machen. Und das mit Erfolg: Mittlerweile sind die Goblins mit den footballförmigen Köpfen zu einem regelrechten Markenzeichen für Pathfinder und Golarion geworden - sogar entsprechende Plüschfiguren hat Paizo inzwischen im Angebot. Nichtsdestotrotz erschien mir die Neuausrichtung der Goblins damals ein wenig suspekt, und das gilt auch heute noch. Mal sehen, ob dieses Büchlein daran etwas ändern kann.

 

Aufmachung und Gestaltung

Zur Rezension lag mir leider nur die PDF-Version vor, ich gehe aber mal davon aus, dass Layout und Illustrationen mit der Printversion identisch sind (und der Inhalt natürlich sowieso). Das Layout ist betont schlicht: Die weißen Seiten wurden lediglich am Kopf und Fuß mit einem grauen Balken und einer grünen Linie verziert und der zweispaltige Text wird nur durch ein paar "Textkästen" aufgelockert, die im Stil angenagten Pergaments gehalten sind. Die natürlich ebenfalls vorhandenen Illustrationen im Inneren zeigen bis auf ein paar Stammesbanner samt und sonders nur Goblins, die tun, was Goblins eben so tun, und gleichen vom Stil her dem Coverbild. Alles in allem gewinnt dieses Handbuch damit sicherlich keinen Designpreis, aber zumindest wirkt es wie aus einem Guss.

 

Kapitel 1 und 2 - der "fluffige" Teil

Das erste Kapitel heißt genau wie das ganze Buch "Die Goblins Golarions" und enthält auf 15 Seiten so ziemlich alles, was man über Goblins wissen kann: Beginnend mit ihrer Entstehungslegende, über Kampftaktiken (beliebt: Schmutzige Tricks, Feuer und das Reiten auf Worgen), die Gründe für ihren besonderen Hass auf Hunde und Pferde, ihr unschönes Familienleben, ihren Aberglauben an die als Götter verehrten Bargheste, ihren Kleidungsstil, ihre Vorliebe für scharf gewürztes Essen, ihren ständigen Hunger, ihre Furcht vor dem geschriebenen Wort, ihre blutrünstigen Lieder und Spiele, ihr ständiges Aufmerksamkeitsdefizit, bis hin zu ihren eigenwilligen Bestattungsritualen wird hier alles abgehandelt. Des Weiteren werden besondere Ausrüstungsgegenstände vorgestellt, die ihre schmutzige Kampftaktik unterstützen, ihre mögliche Rolle in jeder Klasse besprochen, und eine erkleckliche Anzahl neuer Wesenszüge für Goblins (Region, Religion und Volk) befindet sich ebenfalls im Angebot.

 

Dieses Kapitel liefert weit mehr Informationen über Goblins als ich jemals wissen wollte - insofern bin ich mir ziemlich sicher, dass auch ein interessierterer SL hier nichts vermissen wird. Um Goblins als Monster mit etwas mehr Tiefgang auszustatten, reichen die hier enthaltenen Details jedenfalls allemal aus. So dürften die Spieler eine Begegnung mit einer Rotte aus Goblins, die mit Wespennestern oder giftigen Schlangen um sich wirft, kaum so schnell vergessen, und nach dem Kampf werden die hier vorgestellten "Goblinschätze" sicherlich für Heiterkeit sorgen. Aber auch für Spieler, die damit liebäugeln, einen Goblin-Charakter zu spielen, stellt dieses Kapitel eine außerordentlich ergiebige Fundgrube dar: Die Aversion gegen Pferde, Hunde und geschriebene Worte, die Vorliebe für in Salzlake eingelegte Nahrung, die Konzentrationsschwäche, die Neigung zu Gesang trotz des Fehlens jeglichen poetischen Talents - all dies sind Dinge, die auch für einen Goblin-SC übernommen werden können.

 

Das zweite Kapitel nennt sich "Goblinstämme" und enthält auf 7 Seiten (inklusive der ganzseitigen Karte) eine kurze Beschreibung eines jeden der 32 wichtigsten, auf Golarion heimischen Goblinstämme. Die Haupt-Ballungsgebiete sind dabei die Fesselinseln, Isger, Mediogalti und Varisia, jenseits davon gibt es nur ein paar vereinzelte Stämme. Jeder Stamm wird dabei mit ein bis zwei beschreibenden Absätzen bedacht, mit Ausnahme der zahlreichen Stämme Varisias, die sich mit nur je zwei bis drei Sätzen begnügen müssen.

 

Wer nun aber aufgrund der Kürze der einzelnen Einträge mit mangelndem Ideenreichtum rechnet, irrt sich gewaltig: Zwar bestehen innerhalb der jeweiligen Ballungsgebiete durchaus Gemeinsamkeiten zwischen den Stämmen, jedoch wurde annähernd jeder Stamm mit einer kleinen Besonderheit ausgestattet, die ihn von den anderen Stämmen unterscheidet und somit bei der Begegnung mit Goblins für Abwechslung sorgt. Seien es die Tintenfischpfeifer auf den Fesselinseln, die sich im Kampf auf die Unterstützung ausgebildeter Kopffüßer verlassen, die Funkensucher aus Isger, die sich selber in Brand setzen und dann auf ihre Gegner stürzen, oder die Dornensporne aus Mediogalti, die auf Dinosauriern dahergeritten kommen - um nur ein paar der schillerndsten Beispiele zu nennen.

 

Kapitel 3 bis 6 - der "crunchige" Teil

Mit Ausnahme des letzten beinhaltet jedes der vier anschließenden Kapitel regeltechnische Erweiterungen für das Pathfinder-System, die jeweils 2 Seiten umfassen.

 

In Kapitel 3 werden 10 Talente für Goblins vorgestellt, die sich allesamt auf deren außergewöhnliche Kampftaktik beziehen. Ein paar davon sind entsprechend schräg (z.B. um erlittenen Schaden in Bewegungsenergie umzuwandeln und sich somit wegschleudern zu lassen, anstatt den Schaden zu erleiden), die meisten gewähren jedoch wie gewohnt Vorteile bzw. Boni beim Ausüben der für Goblins typischen Kampftaktiken, und funktionieren damit im Grunde so wie Talente eben funktionieren.

 

Kapitel 4 beschreibt die "Goblingötter", namentlich die vier Bargheste, aus deren Blut die Goblins entstanden sein sollen: Hadregasch (Gott der Goblinherrschaft, der Sklaverei und des Reviers), Venkelvore (Göttin der Hungersnot, der Gräber und Folter), Zarongel (Gott des Tötens von Hunden, des Feuers und berittenen Kampfs) und Zognugot (Göttin des Ertrinkens, des Treibguts und des Müllsammelns). Passend dazu werden vier neue Unterdomänen präsentiert (Brandstiftung, Folter, Sklaverei und Treibgut). Für Goblin-Kleriker sind die Götterbeschreibungen natürlich essentiell, aber auch die Unterdomänen passen sehr gut zu ihren jeweiligen Gottheiten.

 

In Kapitel 5 ("Goblinmagie") werden 3 neue Zauber und 4 neue magische Gegenstände vorgestellt, allesamt von niedriger Stufe und selbstverständlich von Goblins entwickelt. Der [i]Müllsammelstein[/i] dürfte für die Besitzer eines Konstrukts sehr reizvoll sein (er kann Schaden an einem Konstrukt reparieren) und die [i]Sprengstofftasche[/i] für Charaktere, die gerne mit Alchemistenfeuer um sich werfen, alles andere ist jedoch tatsächlich fast nur für Goblins einigermaßen interessant.

 

Kapitel 6 ("Goblin-Spielercharaktere") fällt hier etwas aus dem Rahmen, da es kein "crunchiges" Kapitel ist. Hier werden die Schwierigkeiten besprochen, die damit einhergehen können, einen Goblin als Spielercharakter zu führen - vorausgesetzt natürlich, es handelt sich ansonsten um eine "normale" Abenteurergruppe und nicht eine Gruppe rein aus Goblins. Dankbar muss man für den Hinweis sein, dass man keinen Goblin spielen sollte, nur weil man sich mal ordentlich daneben benehmen möchte. Natürlich ist auch die Zustimmung des SL unbedingt vorher einzuholen. Auch auf die Problematik mit dem Umgang der Bevölkerung der Kampagnenwelt wird ausdrücklich hingewiesen, da diese ja in aller Regel Goblins eher feindlich gegenübersteht, und das schließlich auch aus gutem Grund.

 

Eine schöne Lösung für all diese Probleme hat der Autor hier aber leider nicht parat - wieder einmal lautet der einzige echte Ratschlag, sich mit seinem SL abzustimmen. Und was leider völlig vergessen wurde zu erwähnen: Dass man vielleicht auch erst mal die anderen Spieler fragen sollte, ob ihnen ein Goblin in der Gruppe recht wäre, denn auch ein "lieber" Goblin stellt für die Gruppe eine Belastung dar: Da er zunächst einmal bei jedem NSC Misstrauen erregen dürfte, wird jede soziale Herausforderung erschwert. Außerdem wird es vermutlich nicht jedem Spieler leicht fallen, sich einen Grund für seinen SC ausdenken zu müssen, warum er ein Monster als langfristigen Gefährten in der Gruppe akzeptieren sollte.

 

Für den anderen Fall, nämlich dass alle SC Goblin-Charaktere spielen, sind die meisten Pathfinder-Abenteuer leider nicht ausgelegt. Eines jedoch schon: Das von Paizo kostenlos downloadbare Modul "We Be Goblins!". Dieses wurde auch von Ulisses unter dem Titel "Wir sein Goblins!" - ebenfalls als kostenloser Download - passend zu diesem Handbuch angekündigt, allerdings ist es zum Zeitpunkt dieser Rezension leider noch nicht erschienen.

 

Übersetzung und Lektorat

An der Übersetzungsleistung gibt es wie bei fast allen Pathfinder-Produkten jüngeren Datums wenig auszusetzen. Zwar merkt man einigen Sätzen an, dass sie etwas zu wörtlich aus dem Englischen übernommen wurden, aber im Großen und Ganzen liest sich der Text flüssig und ist gut verständlich. Die Fehlerquote ist gegenüber den "Halblingen Golarions" deutlich zurückgegangen, auch wenn es die "Bösewichter" erneut in dieses Werk geschafft haben (die Mehrzahl von "Bösewicht" ist "Bösewichte"). Bei den Goblin-Reimen am Anfang eines jeden Abschnitts in Kapitel 1 handelt es sich allerdings teilweise um Reime nach dem "Reim dich oder ich fress dich"-Prinzip der allerschlimmsten Sorte. Da mir die englischen Originalreime aber nicht als Vergleichsmöglichkeit vorliegen, kann ich nicht sagen, ob das der Übersetzung anzulasten ist oder dem mangelhaften Poesie-Verständnis der Goblins - wahrscheinlich beidem ein bisschen. Im Grunde ist das aber auch egal, da es sich ohnehin nur um ein Detail am Rande handelt.

 

Fazit

Die Art und Weise, in der die Goblins Golarions gegenüber ihren früheren Inkarnationen neu ausgerichtet wurden, ist sicherlich mehr als alles andere Geschmackssache. Mich erinnern sie vom Verhalten her frappierend an die Gremlins aus den gleichnamigen Filmen von 1984 und 1990. Ihr Aussehen jedoch wurde auf karikaturenhafte Weise überzogen, bis weit ins Lächerliche hinein - eine Mischung, die auf mich sehr befremdlich wirkt. Die Absicht dahinter ist, dass man erst über die vermeintliche Harmlosigkeit dieser selbstzerstörerischen Witzfiguren lachen soll, bis man plötzlich mit ihrer Grausamkeit konfrontiert wird, so dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Das mag auch funktionieren, aber ob das wirklich eine Bereicherung für das eigene Rollenspiel ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. SL, die diese Frage mit einem Ja beantworten können, finden jedenfalls in diesem Band alles, was sie dazu brauchen (und noch mehr) - in diesem Sinne leistet das Buch einen sehr guten Job. Und falls es tatsächlich Spieler geben sollte, die ein Goblin-Charakter reizt, dann können auch sie hier fündig werden. Sie sollten sich nur darüber im Klaren sein, dass die daraus resultierenden Probleme auch mit Hilfe dieses Buches nicht gelöst werden. Das ist aber auch der einzige echte Makel, den man diesem Handbuch ankreiden kann.