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Roland, Ritter Ungestüm 6
Bewertung:
(3.9)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 18.06.2013
Autor:François Craenhals (Autor und Zeichner)
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Mittelalter
VerlagCross Cult
ISBN/ASIN:978-3-941248-76-2
Inhalt:160 Seiten, Hardcover A4
Preis:29,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Der sechste Band der Gesamtausgabe beinhaltet drei bislang auf Deutsch unveröffentlichte Abenteuer aus dem Leben des wehrhaften Ritters Roland: „Der Goldene Bogen", „Yama, Prinzessin von Alampur" und „Die Rückkehr nach Rotteck".

 

Der Goldene Bogen

Zum Schluss des letzten Abenteuers „Die Fall“ hält Roland nichts mehr auf und er macht sich auf eine weitere, weite Reise. Bis hin zur legendären Seidenstraße verschlägt es ihn, wo er beschließt eine Karawanserei für Händler und Reisenden zu errichten. Allerdings treibt ihn sein Tatendrang in einen Sumpf, wo er nur knapp dem Tod entrinnt und von einem seltsamen Kauz namens Hiong gerettet wird, der die Gegend kennt und wie ein Geist erscheint, um ebenso schnell wieder zu verschwinden, als sei er vom Erdboden verschluckt. Zudem gibt es auch ein Wiedersehen mit Oljuscha, die Roland den ganzen Weg über gefolgt ist und nun an seiner Seite bleibt.

 

Das Glück scheint Roland jedoch fernab der Heimat weiterhin nicht gnädig zu sein, werden doch er und Oljuscha von den Männern eines Beg gefangen wird, der direkt dem Qaghan, dem König, untersteht. Dieser Beg ist auf der Suche nach dem Grab von Saka, dem Gründers der Dynastie der Aparnier und dessen Bogen, der mit ihm beigesetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt kennt Roland noch nicht die Legende des Goldenen Bogen des Saka, von dem es heißt, das sein Besitzer sich zum Herrscher der Völker der Steppe erheben wird. Und so wundert es nicht, das der Beg Roland verspricht ihm bei seiner geplanten Karawanserei behilflich zu sein, wenn dieser ihm bei seiner Suche nach dem Bogen hilft. Als mehr oder weniger Gefangener begibt sich Roland auf die Suche und auch der kauzige Hiong spielt eine nicht unbedeutende Rolle bei der Grabsuche.

 

Yama, Prinzessin von Alampur

Nach den abenteuerlichen Geschehnissen bei der Suche nach dem Goldenen Bogen und dank der Unterstützung durch den Qaghan, konnte sich Roland seinen Traum einer eigenen Karawanserei erfüllen. Eigentlich sollte Roland sein nunmehr ruhiges Leben genießen, doch eines abends wird eine junge Frau aus seinem geschützten Lager von mehreren Männern entführt. Als Roland dies erfährt, zögert er nicht lange und macht sich umgehend an die Verfolgung der Frevler, die es gewagt haben, den Frieden seiner Karawanserei zu stören, zumal es sich bei der jungen Frau um Yama, die Prinzessin von Alampur, handelt. Doch nicht nur Roland heftet sich an die Fersen der Entführer, ebenso hat sich Sundju, der Reitknecht der Prinzessin an die Verfolgung der Flüchtigen gemacht. Gemeinsam folgen sie den Entführern bis hin zu den Hügeln und Tälern von Kaschmir, um schließlich Indien zu erreichen. Von Sundju erfährt Roland die Hintergründe der Entführung von Yama, die von dem Herrscher der benachbarten Provinz verschleppt wurde, damit er sie heiraten und sich ihrer Ländereien bemächtigen kann.

 

Der Weg zum Palast von Alampur ist allerdings nicht ohne Gefahren und erneut ist Oljuscha Roland gefolgt, um ihn auch bei dieser Mission zu beschützen. Zum Glück gibt es aber auch noch eine Reihe von Verschwörern im Palast, die Roland bei seine Mühen im Kampf unterstützen, als auch eine überaus denkwürdige Entdeckung, als Oljuscha gefangen wird.

 

Die Rückkehr nach Rotteck

Nach dem tragischen Erlebnis mit Oljuscha in Indien, zieht es Roland nach langer Zeit wieder in seine Heimat zurück. Beladen mit gewaltigen Reichtümern, die selbst die Schatzkammer des Königs in den Schatten stellen, wird er von seinen Freunden Gaudin, Bradoc und Wolsung auf Rotteck begrüßt und gemeinsam feiert man die Rückkehr von Roland. Doch die Gedanken von Roland sind bei Gwendoline und keine Reichtümer der Welt können seinen Schmerz lindern.

 

Als König Artus von der Rückkehr von Roland erfährt, bittet er diesen an seinen Hof. Hier scheint es jedoch, als diene Roland lediglich dem Getuschel des Hofstaates und auch der König lässt ihn nicht zur Audienz vor. Die Verärgerung von Roland über das Verhalten des Königs weicht erst, als er seinen alten Freund Yuri Turov trifft, mit dem er lange über Gwendoline spricht. Am Hof sieht Roland aber auch Gwendoline und ihr Kind. Für Roland zerbricht endgültig eine Welt und er ahnt noch nichts von dem Plan den König Artus ersonnen hat, um Roland und Yuri zu entzweien, fürchtet er sich doch vor der möglichen Rache von Roland und dem Einfluss von Yuri. Und so nimmt nicht nur der perfide Plan von Artus seinen Lauf, auch die Verbittertheit von Roland setzt alten Freundschaften zu, so das selbst Gaudin und Bradoc sich gegen ihn wenden.

 

Schreibstil & Artwork:

Der belgische Comiczeichner François Craenhals wurde am 15.11.1926 in Ixelles, einem kleinen Vorort südlich von Brüssel, geboren. Der leidenschaftliche Zeichner gab nach dem Besuch verschiedener Kurse an der Akademie der schönen Künste (L'Académie des Beaux-arts) in Brüssel seinen Beruf als technischer Zeichner auf und konnte schon recht bald einige Karikaturen an das Magazin „Vrai“ und eine Agentur verkaufen. Sein erster Comic erschien 1948 im Wochenmagazin „Le Soir Illustré“. Wenig später lernte er Fernand Cheneval kennen, der als Herausgeber für das recht erfolgreiche belgische Comic-Magazin „Héroïc-Albums“ verantwortlich war. Cheneval war es, der Craenhals, als großer Fan der amerikanischen Comics von Alex Raymond und Hal Foster, ermunterte, seinen ersten größeren Comic „Karan“ im Stile von Tarzan zu entwickeln.

 

Bereits zu dieser Zeit schuf er für die „Le Soir Illustré“ einen Comic mit einem Ritter als Protagonisten, den er allerdings dem Magazin „Tintin“ vorstellte, worauf man ihn umgehend einstellte. Craenhals entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Produzenten von Comics für Magazine und Zeitungen und so konnte er ein eigenes Studio eröffnen. Craenhals war auch einer der ersten Comiczeichner, dem sich Hergé später beim Verlag Casterman angeschlossen hat, wo, inspiriert von der Figur des „Prince Valiant“ („Prinz Eisenherz“) aus der Feder des Amerikaners Hal Forster, 1966 sein „Chevalier Ardent“ entstand, der später in Deutschland unter dem Namen „Roland - Ritter Ungestüm“ bekannt werden sollte.

 

In den 1990er Jahren zog es Craenhals nach Rivières-de-Theyrargues in Südfrankreich, wo er bis zu seinem Tod am 02.08.2004 in Montpellier arbeitete, es bedauerlicherweise aber nicht mehr schaffte seine Saga um den ungestümen Ritter Roland zu einem Ende zu bringen.

 

Noch nie zuvor hat Craenhals seinen ritterlichen Helden so weit von Rotteck weg in ferne Länder geschickt, um dort aufregende Abenteuer zu erleben. Dabei betätigt sich Craenhals in seinen Szenarien immer wieder sehr umsichtig, um seinen Helden möglichst realistisch diese neuen Handlungsorte zu erleben zu lassen. Atmosphärisch dicht und mit jeweils mit einem gut durchdachten Spannungsbogen führt es Roland zunächst auf die Suche nach dem Goldenen Bogen, die zwar sicherlich die schwächste Geschichte in diesem Band sein dürfte, doch dient sie nicht von ungefähr dem Zweck, Roland mit seiner weiterhin unerfüllbare Liebe zu Gwendoline noch weiter in die Ferne zu treiben. Mit Oljuscha gibt es zudem einen weiblichen Charakter, der Roland unter Umständen für sich gewinnen könnte, aber dieser Figur ist ein anderes Schicksal vorbestimmt.

 

Mit der unerwarteten Jagd nach den Entführern der Prinzessin Yama bis nach Indien gelingt Craenhals wahrscheinlich der größte Coup, verschlägt es seinen Ritter doch an einen wahrlich fremden und exotischen Ort, an dem Roland nicht nur bei dem Anblick von Elefanten seine Nerven bewahren muss. Etwas unsicher hingegen schien Craenhals mit der Beziehung von Roland und Oljuscha gewesen zu sein, deren Ende sicherlich absehbar war, hier aber etwas eleganter hätte gelöst werden sollen, um Roland letztlich den Antrieb zur Heimreise nach Rotteck zu geben. Zudem bleibt dem Leser die Beziehung der beiden unklar, gibt es doch niemals Liebeserklärungen oder dergleichen.

 

Mit der Rückkehr nach Rotteck taucht auch König Artus wieder im Leben von Roland auf. Was Craenhals in diesem Szenario präsentiert, verknüpft die drei Geschichten indirekt miteinander, waren sie doch zum einen die Möglichkeit für Roland lange genug von Hofe weg zu sein, um die Geburt eines männliches Thronfolgers zu versäumen und zudem eine gute Gelegenheit einiges an Reichtümern anzusammeln. Mit dem Ränkespiel von Artus, der selbst seine alten Freunde in seinen durchtriebenen Plan einbindet, bietet Craenhals ein absolut hervorragendes und stimmiges Szenario.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Auch der sechste Band der Gesamtausgabe besticht als solide Hardcoverausgabe, deren Titel das überarbeitete Cover der von Castermann produzierten Originalausgabe von 1989 zu „Yama, Prinzessin von Alampur“ ziert. Ebenso können wiederum die gute Druck- und Papierqualität überzeugen, die gelungene und angenehm zu lesende Übersetzung von Uli Pröfrock als auch das Lettering von Jaqueline Stumpf und Filipe Tavares. Der redaktionelle Teil dieses Bandes, der wiederum unter der Mitarbeit von Volker Hamann und Michael Hein entstanden ist, widmet sich unter dem Titel „Ein wechselvolles Abenteuer“ einem umfassenden Blick auf das Wirken von François Craenhals in Deutschland. Neben einem lesenswerten und überaus informativen Text gibt es zahlreiche Illustrationen und Bilder aus „Tintin“, „Pfadfinder Jim“ oder „Zack“ als auch die Covergalerie der französischen Castermann-Ausgaben.

 

Fazit:

Die drei im sechsten Band der „Ritter Roland Gesamtausgabe“ enthaltenen Abenteuer sind allesamt deutsche Erstveröffentlichungen des zeitlosen Klassikers von François Craenhals. Somit kommt nach vielen vergeblichen Jahren des Wartens nunmehr der deutsche Leser endlich in den Genuss einer Gesamtausgabe, die diesen Namen auch vollends verdient, handelt es sich doch zudem bei diesem Band um einen wunderschön aufgemachten und hervorragend ausgestatteten Hardcoverband, der mit sehr lesenswertem zusätzlichen Material im redaktionellen Teil aufwarten kann. Die restaurierten Zeichnungen und die erneut hervorragende Kolorierung machen den Band ohnehin zu einem Lese-Erlebnis.

 

Natürlich dürften für den Geschmack des heutigen Publikums die Geschichten etwas angestaubt und antiquiert erscheinen, doch möchte ich hier lieber von einer zeitlosen Eleganz sprechen, die sich mit ihrem rastlosen Protagonisten Roland wohltuend von der inflationären Reihe von psychisch gebrochenen Anti-Helden abhebt und ganz selbstverständlich traditionelle Werte wie Freundschaft, Treue und Mut in den Vordergrund stellt. Für mich auch weiterhin eine absolute Leseempfehlung, die in keinem gut sortierten Comic-Regal fehlen sollte.