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Der Zerbrochene Stern 1 – Scherben der Sünde
Bewertung:
(3.0)
Von: Jan Wysocki
Alias: Grashüpfer
Am: 14.10.2013
Autor:Greg A. Vaughan
Typ:Abenteuer
System:Pathfinder
VerlagUlisses Spiele
ISBN/ASIN:978-3-86889-694-7
Inhalt:Softcover, 96 Seiten
Sprache:Deutsch

Die deutsche Übersetzung der Pathfinder Abenteuerpfade hat vor kurzem mit dem Jubiläumsband „Das Erwachen der Runenherrscher“ einen kleinen Höhepunkt erreicht und kann sich damit weiter über eine große Popularität in der deutschen Community freuen. Da kommt der nächste Pfad gerade um die Ecke und greift das Setting der „Runenherrscher“ wieder auf, um die Geschichte des untergegangenen Imperiums Thassilon weiterzuerzählen.

Die sechs Abenteuer des ersten APs konnten sich damit rühmen, einiges an Abwechslung zu bieten, was die Schauplätze und den Stil der Kampagne angeht. Der reichte von kleineren und größeren Dungeons über detektivartige Mystery- und Horror-Einlagen hin zu Stadtabenteuern und Reisen durch die Wildnis Varisias. Der AP „Der Zerbrochene Stern“ geht dagegen in eine andere Richtung und vielleicht auch zurück zu den Wurzeln von D&D: dem Dungeoncrawl. Wenn die SC mit der Kampagne fertig sind, werden sie schon fast vergessen haben, was Sonnenschein ist und wie die Welt ohne eine ständig anwesende Decke über dem Heldenkopf aussieht. Hier geht es um Kerker, Höhlen, Verliese, Laboratorien, Lagerhallen, Tempel und andere verwinkelte Gemäuer, die sich über viele Ebenen erstrecken können. Dementsprechend müssen die Spieler sich auf lange, auszehrende Ausflüge in abgeschlossene Räumlichkeiten einstellen. Dazu braucht es Ausdauer, Vorsicht und die Fähigkeit über seine Ressourcen akribisch Buch zu führen.

 

 

Inhalt

 

(Vorsicht: Spoiler!)

 

Das Land Varisia wurde vor einiger Zeit vor dem Wiedererstarken seiner früheren tyrannischen Meister, der Runenherrscher, von einigen tapferen Helden bewahrt. Mit diesem teilweisen Erwachen der alten Mächte des Reiches Thassilon kam ein neues Interesse für dieses jahrtausendalte Imperium auf. Die Loge der Kundschafter in Magnimar hat dabei bei ihren Erkundungen einen Teil eines thassilonischen Artefakts gefunden, jedoch schnell wieder verloren, als eine Kundschafterin, Natalya Vancaskerin, dem Fluch des Artefakts erlegen ist. Scheila Heidmark, die Anführerin der Kundschafter in Magnimar, bittet die Abenteuerfrischlinge also, nach der desertierten Natalya zu suchen und das Artefaktstück sicherzustellen. So begeben sich die SC auf eine kurze Nachforschung in der Stadt und finden nach einigen Begegnungen mit den örtlichen Verbrecherbanden und Stadtwachen das Versteck Natalyas. Diese hat sich in einer alten Lagerhalle verschanzt und ist dem Wahn verfallen, die mächtigste Bandenanführerin Magnimars zu werden. Diese megalomanischen Vorstellungen werden durch das entwendete Artefakt verursacht: die Scherbe des Hochmuts. Einst Teil des siebenzackigen Sihedron-Sterns, wurde diese Scherbe, wie die übrigen sechs, über das Land verteilt. Eben diese sollen nun von den SC nacheinander aufgespürt werden. Dabei hilft es ungemein, dass eine gefundene Scherbe immer zu der nächsten Scherbe in der Reihenfolge zeigt.

Genau das ist die große Aufgabe der SC, die ihnen von Heidmark zugetragen wird. Eine besonders vielschichtige Geschichte kann man dabei aber nur bedingt erwarten, zumindest, was das erste Abenteuer angeht. Intrigen und plotrelevante NSC mit unterschiedlichen Motivationen sind eher rar gesät. Scheila Heidmark bleibt dabei der wichtigste tragende NSC. Die SC haben eher wenig Gelegenheit sich mit anderen Charakteren auseinanderzusetzen. Das Abenteuer will dabei viel mehr die Erkundung von Gewölben in den Vordergrund rücken und die kleinen und großen Herausforderungen, denen sich die SC stellen müssen. Das ist soweit auch ganz gut gelungen. In diesem ersten Abenteuer dient ein überdimensionierter Brückenpfeiler, die Krähe, als Dungeon und erstreckt sich im Gesamten über 4 Stockwerke im Pfeiler, ein Laboratorium und eine Ebene der Kanalisation. Wenn die Story also bewusst eher spärlich ausgestaltet ist, wie schlägt sich das Fleisch des Abenteuers: das Dungeonsetting, die Räume, die Fallen, die zu bewältigenden Herausforderungen und die Monster?

 

Es ist nicht ganz einfach einen langen Dungeoncrawl für Level Eins-Charaktere zu designen. Die größten Probleme dabei sind unter anderem die mickrige HP-Zahl der SC. In einem Dungeon gibt es keine gemütlichen Herbergen, keine heilenden Tempel und Ausrüstungshändler sieht man auch eher selten. Mit jedem Schritt muss man also darauf achten, seine Gesundheit nicht zu verspielen und Kämpfe kurz und schmerzlos zu halten oder am besten so gut es geht zu umgehen. Denn wenn man ausgemergelt ist, der Kleriker im Fieberwahn und die Heiltränke beim Sprung über eine Grube in selbiger gelandet sind, dann ist das nicht sehr vorteilhaft für das Abenteurerleben. Ich finde, dass der erste Dungeon es dabei ganz gut hinbekommt, für Stufe-Eins SC nicht allzu tödlich zu verlaufen. Vor allem die ersten vier relativ kleinen Stockwerke der Krähe sind noch gut zu bewältigen, da es nur eine begrenzte Anzahl von Gegnern gibt, die auch nach einer kleinen Pause seitens der SC in der Stadt nicht „aufgefüllt“ werden. Fallen gibt es praktisch auch keine und die Situationen, in denen die SC sich z.B. eine behelfsmäßige Brücke bauen müssen, sind auch fair gelöst. Mit etwas Vorsicht und Planung kann man es vermeiden, in metertiefe Gruben zu stürzen, in Wasserbecken zu ertrinken und ähnliche Schicksale zu erleiden. Wenn die Spieler sich also auf ein schrittweises, bedachtes Vorgehen einigen können, sollten nur wenige ihr Leben lassen müssen. Dafür ist die Gegnerauswahl demenstprechend dürftig und auf Stufe-Eins-Gruppen zugeschnitten: einige Banditinnen mit ihren Rattenhaustieren und anderes Ungeziefer stellt sich den SC in den Weg. Im letzten Abschnitt des Pfeilers hausen einige Winzlinge und deren fast schon knuffiger König Zuuga, den man in einen Kampf verwickeln oder dem man auch bei der Suche nach seiner Ersatzkrone helfen kann.

Auf der nächsten Ebene, dem alten thassilonischen Laboratorium wird die Sache ein klein wenig ernster. Die Teufel, die sich dort eingenistet haben, sind etwas härtere Brocken. Hier läuft man auch gerne mal in eine Feuerballfalle, die mit 6W6 Schaden so manchen Charakter aus den Socken hauen wird. Wer etwas Rollenspiel betreiben möchte, kann sich auch mit einer oder beiden Parteien der Teufel verbünden und sie gegeneinander ausspielen. Ein reines Hack & Slay muss also nicht zwangsläufig durchgepeitscht werden.

Auf der letzen Ebene, der Kanalisation, erwartet die SC auch ein Untoter, mit dem sie sich teilweise verbünden können, wenn sie erwarten, dass sie der Kampf gegen ihn zu sehr schwächen würde. Schließlich haben sich weiter südlich einige Duergar verschanzt, die Experimente an Verschleppten ausführen und die sich mit etwas Geschick auch einzeln bekämpfen lassen können.

Der Crawl wird durch den Fund der nächsten Scherbe, der Scherbe der Gier, abgeschlossen, die man zu Scheila Heidmark bringen sollte.

 

 

Fazit:

 

Ich bin nicht unbedingt der größte Fan von reinen Dungeoncrawls. Manchmal können sie zäh sein und der Spaßfaktor kommt durch die Übervorsicht der Spieler nicht so ganz raus, wie man es sich vielleicht erhofft. Wenn die SC aber zu unvorsichtig in das Gewölbe hineinstürzen, werden schnell die ersten Toten zu beklagen sein. Ein solches Abenteuer muss also herausfordernd aber auch schaffbar sein. Ich für meinen Teil meine, dass „Scherben der Sünde“ dieser Aufgabe gerecht wird und einen soliden, ausreichend balancierten Crawl bietet. An einigen Stellen können die SC auf Brunnen mit heilendem Wasser zurückgreifen, anderswo müssen Gegner nicht unbedingt besiegt werden, um weiterzukommen. Der Dungeon ist auch nur mäßig mit Fallen ausgestattet – was des einen Freud, des anderen Leid sein kann. Weniger Mördergruben oder elektrisierte Fußböden bedeuten zwar weniger Stress mit dahin schmelzenden HP. Aber wenn Fallen gut designt sind, kann ihr Bezwingen eine große Bereicherung für das Spiel sein. So sind die Räume also recht konservativ ausgestattet, manchmal mit Geheimtüren, mit versteckten Gegnern, mit wackeligen Holzkonstruktionen und anderen Besonderheiten. Richtige Wow-Effekte erzielt das eher wenig. Rätsel gibt es auch nur zwei Mal im gesamten Abenteuer. Die dabei aufzulösenden Anagramme sind leider wegen der verkrampften Übersetzung nicht nur etwas seltsam anzuschauen, sondern auch recht witzlos. Was nicht heißen soll, die Übersetzung von Ulisses wäre insgesamt schlecht – im Gegenteil: Der Band lässt sich flüssig lesen und überträgt die manchmal etwas pathetisch wirkenden englischen Ausdrücke die meiste Zeit über souverän und natürlich wirkend ins Deutsche. Da verschmerzt man auch das etwas laxe Lektorat: manche Wörter sind falsch dekliniert und ab und zu werden Namen von Gegenständen durcheinandergewirbelt. Was ich auch sehr schade finde, ist die großflächige Abwesenheit von Illustrationen. Textwüste wohin man nur blickt, die von ein paar ganz gut gemachten Karten aufgebrochen wird. Da hätte Paizo doch etwas mehr liefern können.

Alles in allem ist „Scherben der Sünde“ ein sehr solider, an vielen Stellen gut gelungener, wenn auch oft etwas phantasieloser Dungeoncrawl. Mehr ausgefallene Räume mit z.B. besonderen Fallen hätten das Ganze noch versüßt und hie und da ein Rätsel (aber bitte keine Anagramme) hätte der Abwechslung gut getan. Eigentlich lädt das Setting mit seinen alten thassilonischen Ruinen und deren mysteriösen Laboren förmlich dazu ein. Mal sehen, wie sich die nächsten Dungeons im Abenteuerpfad schlagen.