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Android Netrunner
Bewertung:
(4.5)
Von: Matrix
Alias: Matrix
Am: 24.06.2014
Autor:Richard Garfield
Übersetzer:Sandra Schmidt
Typ:Kartenspiel
VerlagHeidelberger Spieleverlag
ISBN/ASIN:4015566012509
Inhalt:Ca. 250 Karten, Marker, Spielanleitung
Preis:24,99 EUR
Sprache:Deutsch

Bereits 1996 wurde die ursprüngliche Fassung von „Android: Netrunner“ von Richard Garfield, dem verehrten Vater von Magic: The Gathering entwickelt und damals noch unter WotC auf den Markt gebracht. Fantasy Flight Games hat das Spiel neu aufgelegt und damit einen großen Hype losgetreten, der nach wie vor anhält. Auf der bekanntesten und einflussreichsten Brettspielseite „Board Game Geek“ rangiert das Spiel auf den höchsten Rängen. Zeit, auch im Gate einen Blick auf dieses Living Card Game zu werfen.

Spielmaterial

Das Spiel kommt für ein Kartenspiel wahrhaftig imposant daher, ist es doch in einer normalen Brettspielverpackung verpackt. Der ersten Überraschung folgt jedoch rasche Ernüchterung, als sich der Karton mit vornehmlich Luft gefüllt entpuppt. In dem Karton sind lediglich zwei Kartenstapel, die Spielanleitung und ein paar Pappmarker vorhanden. Hier hätte es auch ein wesentlich kleinerer Karton getan. Natürlich wurde auch nicht die Chance genutzt, ein sinnvolles Aufbewahrungssystem in einen solch großen Karton zu integrieren, aber das erwartet man als alteingesessener FFG-Veteran sowieso nicht mehr.

 

Das Kartenmaterial, Herzstück des Spieles, ist gut verarbeitet. Die Karten haben ein hübsches Layout und bringen die Cyberpunk-Stimmung gut ins Spiel. Im Vergleich mit einigen Magic-Karten, die ich noch herum liegen hatte, fühlen sich die Karten jedoch etwas dünn an. Eine stabilere Pappe hätte für ein Kartenspiel durchaus drin sein können.

 

Die Illustrationen auf den Karten sind ok bis schick, leider ist der Stil etwas inkonsistent, einige Male kommt sogar der wildeste Mangastil zu Tage, ein kleiner Wermutstropfen.

 

Zu den Tokens gibt es nur wenige Worte zu verlieren. Sie lassen sich einfach aus dem Bogen lösen und erfüllen ihren Zweck in netter Aufmachung hervorragend.

 

Ein anderer Fall ist in dieser Hinsicht die Spielanleitung, die ein wahrer Brummer ist. Auf ganzen 36 Seiten werden die Regeln mit all ihren Sonderfällen erklärt. FFG hat auf YouTube ein Tutorial veröffentlicht, welches die grundlegenden Spielprinzipen äußerst anschaulich wiedergibt. Ein solch professionelles Video findet man in diesem Bereich selten, mit zwanzig sehr kurzweiligen Minuten hat es auch eine erträgliche Länge. Jedem Spieler sei dieses Video vor der eigentlichen Lektüre angeraten, Englischkenntnisse vorausgesetzt.

Die Spielanleitung könnte an einigen Punkten genauer sein, da „Android: Netrunner“ ein Spiel ist, welches besonders viel auf Synergien aufbaut, entstehen allein dadurch jedoch schon viele Situationen, die in der Spielanleitung nur schwerlich abzudecken sind.

LCG

Android: Netrunner ist ein sogenanntes Living Card Game (LCG). In regelmäßigen Abständen kommen Erweiterungen auf den Markt, die das Spiel weiter ausbauen und flexibler machen. Im Gegensatz zu regulären Sammelkartenspielen sind die Erweiterungen jedoch nicht zufällig zusammengestellt, man muss also kein Vermögen ausgeben, um alle gewollten Karten aus den Boostern zu ziehen. „Android: Netrunner“ wird in sogenannten Zyklen ausgebaut, jeder Zyklus beinhaltet sechs „Datensätze“ à 20 neuen Karten (mit je 3 Kopien, ergo 60 Karten pro Erweiterung). FFG hat im März den zweiten Zyklus beendet, der dritte ist bereits angekündigt. Zwei große Erweiterungen mit je über 160 neuen Karten sind ebenfalls bereits erschienen.

Spielregeln

„Android: Netrunner“ spielt in der nahen Zukunft und ist im Cyberpunk-Genre angesiedelt. Konzerne haben einen Großteil der Macht an sich gerissen, Hacker im Untergrund kämpfen gegen diese Übermacht an. Ziel des Spieles ist es, sieben sogenannte Agenda-Punkte zu sammeln. Das besondere an „Android: Netrunner“ ist der Weg, wie beide Spieler dieses Ziel erreichen können. Diese Asynchronität ist das Hauptfeature dieses Kartenspieles. Ein Spieler schlüpft in die Rolle des Konzerns, welcher bemüht ist, seine bestehenden Anlagen und Server mit sogenannten ICE-Programmen (nicht mit dem Zug zu verwechseln) zu schützen und neue Technologien aus ihrer Research und Development-Abteilung zu zaubern, während die Hacker versuchen, in dieses System einzudringen, Daten und Agenda-Punkte zu stehlen und möglichst großen Schaden anzurichten. Durch diese Grundausrichtung des Spieles gestalten sich die Spielweisen vollkommen unterschiedlich. Zusätzlich gibt es insgesamt sieben Fraktionen, welche in sich nochmals große Unterschiede aufweisen und das Spiel nochmals abwechslungsreicher machen.

Der Konzern-Spieler baut, wie gerade schon erwähnt, ein Verteidigungsnetz aus ICE-Programmen aus, um seine Operationen, Agenden und Aktivposten zu beschützen. Viele der Karten werden dabei verdeckt gespielt, entsprechend dem vorsichtigen und listigen Konzern, der die Hacker womöglich in eine Falle locken möchte.

Die Hacker-Spieler hingegen sind von der Neugier getrieben, sie scharen Programme, Hardware und Ressourcen um sich, um durch die Systeme der Konzerne zu kommen. Sie müssen Vorausdenken, sich in den Konzern(-spieler) hineinversetzen und kluge Wege finden.

Spielerlebnis

Gemeinsam mit einem anderen Wagemutigen sind wir mit dem oben erwähnten Video in das Spiel eingestiegen. Die Spielanleitung hat den Einstieg nicht leichter gemacht, da die Struktur etwas wirr ist und es viele Einzelfälle und Funktionen gibt, die man vor dem Losspielen erstmal kennenlernen sollte. Das anschließende Spiel war jedoch äußert spannend und ein wildes Kopf-an-Kopf-Rennen. Andere LCG hatten oftmals das Problem, das man mit dem Starter-Set nicht allzu viel anfangen konnte. Dieses Gefühl kommt bei „Android: Netrunner“ nicht auf. Durch die Asynchronität gewinnt das Spiel einen ganz eigenen Drive, die Wiederspielquote ist, neben dem ganzen Sammel- und Deckbuildung-Aspekt, allein durch die verschiedenen Fraktionen sehr hoch.

Fazit

„Android: Netrunner“ kann den Hype, den es umgibt, gerecht werden. Durch die Asynchronität im Spielaufbau werden die Spiele, je nach Seite und Fraktion, äußerst abwechslungsreich. Beide Seiten müssen grundunterschiedliche Strategien verfolgen um erfolgreich zu sein.

Abstriche gibt es bei der Qualität des Spielmaterials und der Verpackung, welche noch Potenzial nach oben hätte, sowie der Spielanleitung, die an einigen Stellen nicht deutlich genug ist und durch die wirre Struktur manchmal mehr verwirrt, als hilft. Dies sind aber alles nur marginale Anmerkungen. Wer das Spiel in seiner ganzen Tiefe genießen möchte, muss jedoch noch einiges mehr an Geld in die Hand nehmen, um bei den Erweiterungen mithalten zu können. Wer weniger ambitioniert ist, findet bereits in diesem Grundset alles was er zum Spielen benötigt.