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Milo Manara Werkausgabe 11: Click! Außer Kontrolle
Bewertung:
(3.7)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 21.07.2014
Autor:Milo Manara (Szenario und Zeichnungen)
Übersetzer:Michael Leimer
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Gegenwart
VerlagPanini Comics
ISBN/ASIN:978-3-86201-497-2
Inhalt:148 Seiten, Hardcover mit SU
Preis:29,95 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Der mittlerweile elfte Band der Werkausgabe beinhaltet die beiden Erzählungen „Click! – Außer Kontrolle 1" und „Click! Außer Kontrolle 2":

 

Click! – Außer Kontrolle 1

Claudia, die wunderschöne und ergebene Ehefrau des Commendatore Aleardo Cristiani, muss sich der stetigen Annäherungsversuche von Dr. Fez erwehren, der nicht nur in sie verliebt, sondern mehr noch ihren körperlichen Reizen verfallen ist. Es trifft sich gut, als Dr. Fez, den man bereits vor geraumer Zeit aus dem Ärzteverband ausgeschlossen hat auf Dr. Contini, einen Kollegen, trifft, der ihm von einem Apparat erzählt, den ein gewisser deutscher Arzt namens Dr. Kranz entwickelt hat und es ermöglicht, nervlich bedingte Impotenz mittels einer ausgeklügelten Technik durch einen ins Gehirn eingepflanzten Empfängers zu steuern. Dr. Fez ist von dieser Technik sehr angetan und entwickelt einen Plan, um Claudia einen solchen Empfänger zu implantieren.

 

Als Freund von Commendatore Aleardo Cristiani hat Dr. Fez engen Kontakt zu Claudia und sein Gerät scheint nach ersten erfolgreichen Tests hervorragend zu funktionieren. Stets in der Nähe von Claudia bringt Dr. Fez diese in etlichen Situationen in Bedrängnis, indem er ihre sexuelle Lust mittels eines kleinen Senders steuert. Egal ob es der örtliche Pfarrer ist, den sie auf einer abendlichen Gesellschaft in Bedrängnis bringt oder aber den Kammerdiener ihres Mannes. Selbst der Besuch in einem Kino endet in einem ausschweifenden sexuellen Abenteuer mit einem Fremden.

 

Da Dr. Kranz zwischenzeitlich den Verlust seiner Erfindung vermelden muss und auch Claudia und ihr Mann nunmehr Bescheid wissen, bleibt ihnen nur eine Chance: Den Dieb zu finden, den Sender zu zerstören und so lange dies noch nicht geschehen ist, sich an einem unbekannten Ort zu verstecken.

 

Aber auch die Flucht von Claudia in sonnige Gefilde ans Ende der Welt scheint ihr keine Erlösung zu bringen, findet Dr. Fez sie doch auch hier. Dr. Kranz ist verzweifelt und schlägt ein ruhiges Hotel in den Alpen vor, um dem Peiniger von Claudia eine Falle zu stellen. Dies ist allerdings einfacher gesagt als getan und so folgen noch eine ganze Reihe voller erotischer Verwicklungen. Und der Sender? Der gelangt in andere Hände, aber mehr sei hier nicht verraten.

 

Click! Außer Kontrolle 2

Claudia arbeitet zwischenzeitlich als erfolgreiche Moderatorin für eine TV-Talkshow, als sie in einer Live-Sendung ein Anruf eines Mannes erreicht, der ihr erzählt, er habe in den Alpen einen kleinen Sender gefunden und er kenne mittlerweile die Geschichte, die sich hinter diesem Objekt befindet.

 

Wenig später trifft Claudia im Sendehaus auf diesen Unbekannten, der sie mittels des Senders völlig unter seiner Kontrolle zu haben scheint. Nach sexuellen Exzessen auf einer Herrentoilette, in deren Verlauf sich der Unbekannte als „Faust“ bezeichnet, gesteht dieser Claudia, dass während ihrer Eskapaden der Sender überhaupt nicht eingeschaltet war. Claudia schwört Rache für diese Erniedrigung, ohne allerdings zu wissen, dass der Fremde scheinbar für ihren Mann arbeitet.

 

Die Eskapade auf der Herrentoilette bleibt ihrem Vorgesetzten nicht verborgen und beileibe nicht ohne Folgen für Claudia, da sich der Direktor des Fernsehsenders mit dem Senator in Verbindung setzt, dessen Nichte Claudia ist, und ihn über die Geschehnisse auf der Toilette im Sendehaus unterrichtet.

 

Der Senator will Claudia noch am selben Abend anlässlich eines Empfangs in seinem Haus über diesen empörenden Zwischenfall zur Rede stellen. Und während der Senator Claudia ins Billardzimmer bittet, wo auch der Direktor wartet, hat sich unbemerkt Faust bereits unter dem Billardtisch versteckt. Der über das Benehmen von Claudia erzürnte Senator züchtigt Claudia mit seinem Gürtel, doch Faust hat den Sender zwischenzeitlich aufgedreht, so das Claudia anstatt Reue für ihre Taten zu zeigen, Lust an den Schlägen bekommt. Die Situation droht zu eskalieren, aber die beiden Männer verlassen vollkommen verstört durch das Verhalten von Claudia das Zimmer. Alleine, zeigt sich Faust Claudia, die ihn anfleht den Sender auszumachen. Da das Personal allerdings gesehen hat, wie Faust ins Haus eingedrungen ist, hält man ihn für einen Dieb und nur durch eine rasche Flucht aus dem Billardzimmer kann er entkommen.

 

Zehn Tage später befindet sich Claudia als Reporterin auf einem Greenpeace-Schiff um mit einer besonderen Aktion auf hoher See gegen die Jagd von Meeresschildkröten zu protestieren. Hierzu will sie sich mit zwei Kollegen auf einer Plattform aussetzen lassen, doch diese scheint in einem Sturm verschwunden zu sein und taucht erst nach einigen Tagen wieder auf. Faust verfolgt die Berichterstattung über diese Aktion im TV, ebenso wie die Berichte, als die Plattform wiedergefunden wird.

 

Faust zögert nicht lange, als Claudia nach ihrer Rettung live auf Sendung geht und begibt sich in eine Kneipe, wo er stolz seine „Fernbedienung“ zeigt und Claudia sich vor laufender Kamera auszieht und sich einem Millionenpublikum zeigt. Als Faust den Sender ausmacht, nutzt Claudia die Gelegenheit und flüchtet auf das Dach des Fernsehstudios, wo Faust sie bereits erwartet. Es kommt nicht nur zu einem denkwürdigen Gespräch zwischen den beiden, in deren Verlauf Faust Claudia den Sender anbietet, sondern es gibt sogar noch eine Erklärung für den Namen „Faust“..

 

Schreibstil & Artwork:

Milo (eigentlich: Maurilio) Manara wurde am 12.09.1945 in Lüsen, einem Ort nahe Bozen in Südtirol, geboren und gehört heute unumstritten zu den weltweit renommiertesten Comic-Künstlern, obwohl er als Zeichner für Comics erst in den späten 60er Jahren in Erscheinung getreten ist. Mit regelmäßigen Zeichnungen für zwei in Italien sehr populäre, zum Teil pornografische Comicmagazine des Genres „fumetti neri“ (ital.; zu Deutsch „schwarze Comics“) finanzierte er zwischen 1968 und 1971 sein Architekturstudium an der Universität in Venedig. Sein Erstlingswerk „Genius“ aus dem Jahr 1969 ist der erste Schritt in eine außergewöhnliche Comic-Karriere. Zwischen 1971 und 1973 zeichnete er die billig produzierte erotische Piratenstory „Jolanda de Almaviva“ und fertigte etliche Comicstrips für die italienischen Magazine „Telerompo“ und „Corriere dei Ragazzi“.

 

Der Durchbruch gelang Manara 1978 mit seiner Comicadaption des chinesischen Literaturklassikers „Der Affenkönig“, dem in unregelmäßigen Abständen ab 1978 die nach den Vorlagen von Hugo Pratt und Federico Fellini geschaffene Reihe um die Figur des Giuseppe Bergmann folgte. Sein besonderes Faible für Erotik (gemischt mit gediegenem Humor) führte Manara 1983 in der Reihe „Click!“ fort. Weitere internationale Erfolge stellten sich allerdings auch ein – so erschienen beispielsweise „Mann aus Papier“, „Der Schneemensch“, „Candid Camera“ oder aber Ende der 90er Jahre „Kamasutra“. Zu den Höhepunkten seines Schaffens im Bereich des anspruchsvollen erotischen Comics dürften zweifelsohne „Außer Kontrolle“ und „Der Duft des Unsichtbaren“ gehören.

 

In den 80er-Jahren begann Manara damit, verstärkt mit anderen großen Künstlern wie Hugo Pratt, Federico Fellini oder aber auch Luc Besson zusammenzuarbeiten. Gemeinsam mit Pratt schuf er die beiden Bände „Ein indianischer Sommer“ und „El Gaucho“, mit Fellini entstanden „Die Reise nach Tulum“ und „Die Reise des G. Mastorna, genannt Fernet“. Doch Manara zeigt sich auch in anderen Genres recht umtriebig. So schuf er mit dem französischen Regisseur Luc Besson zwei Werbespots für die Parfum-Marke „Chanel No. 5“, arbeitete an der Visualisierung verschiedener Spots für Autofirmen mit oder schuf CD-Cover für diverse Interpreten. Seine Leidenschaft für das Medium Comic ist jedoch ungebrochen. Zu seinen letzten Arbeiten gehört die gemeinsam mit dem Szenaristen Alexandro Jodorowsky entstandene historische Comic-Reihe „Die Borgia“, die zwischen 2006 und 2010 auf deutsch bei „Kult Editionen“ erschien und der Band „X-Men – Frauen auf der Flucht“, den er mit Chris Claremont, dem wichtigsten und einflussreichsten Autor in der Geschichte von Marvels X-Men, schuf.

 

Für viele Männer sicherlich ein Traum der Wirklichkeit wird – eine mysteriöse Maschine, die ihrem Besitzer die Macht verleiht, das erotische Verlangen einer Frau auf Knopfdruck nicht nur ein- und auszuschalten, sondern auch in seinem Umfang einzustellen. Was auf den ersten Blick wie eine Macho-Fantasie längst vergessener Tage erscheint, verwandelt Manara in seinen Szenarien in eine ironische Komödie voller unerwarteter Wendungen. Mit den Zeichnungen seiner Protagonistin Claudia wandelt Manara auf der dünnen Grenze zwischen Erotik und Pornografie, deren wahren Unterschied er selbst in den Grenzen des guten Geschmackes definiert. Doch die Art und Weise, wie er den weiblichen Körper in seinen Bildern verwendet führt weniger zu einer anrüchigen Erzählung, sondern zu einer Darstellung der Heuchelei, die hinter dem allgemeinen Schamgefühl steht, das die offizielle Moral bestimmt. Und so wird die schöne Claudia unversehens zum Zündstoff, der den Berg von Unrat explodieren lässt, auf dem ihr Leben als untergebene, in der bürgerlichen Gesellschaft verankerte Ehefrau basiert.

 

Zeichnerisch weiß Manara auch in diesen beiden Szenarien zu überzeugen und beschert dem Leser in einem dreizeiligen Seitenaufbau seinem feinen, aber dennoch markant-präzise Strich beim Gestalten seiner Figuren in einem klassischen Seitenaufbau ohne aufwendige experimentelle Ansätze, wie man sie vielleicht aus der Reihe „Giuseppe Bergmann“ kennt. Ursprünglich in Schwarz-Weiß als Fortsetzungsgeschichte in dem Erotikmagazin „Playmen“ erschienen, kann die spätere Kolorierung mit ihrem recht dezenten Spiel von Licht und Schatten durchaus überzeugen.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Auch der elfte Band der Werkausgabe erscheint als stattlicher Hardcoverband von 148 Seiten, den ein passender Schutzumschlag mit dem Bild von Claudia, der Protagonistin der Abenteuer ziert. Aber auch unverhüllt ist dieser Band recht hübsch anzuschauen, befindet sich doch unter dem Schutzumschlag ein in geschmackvollem Rot gehaltener Hochglanzband, den die Rückenansicht eine leicht bekleideten Dame ziert, wie man sie aus dem Oeuvre von Manara kennt. Wie bereits bei den anderen Bänden Reihe macht den ein überaus kurzweiliges Vorwort, welches sich mit den Hintergründen der Entstehung, zusätzlichen Informationen als auch Deutungsversuchen der Szenarien beschäftigt und einigen zusätzlichen Bildern garniert ist.

 

Als Bonus gibt es am Ende des Bandes noch das Portfolio Nr. 5 „Click! Außer Kontrolle 1 und 2“ von Manara, welches mit großformatigen kolorierten Entwürfen und Detailzeichnungen zu „Click!“ aufwarten kann und wieder einmal die große Bandbreite und das Können von Manara zeigt.

 

Fazit:

Es ist schon erstaunlich, das „Click! – Außer Kontrolle“ eine der meistgelesenen Comic-Reihen überhaupt ist, die es seit ihrem Erscheinen auf eine Auflage von mehr als eine Millionen Exemplare in den unterschiedlichsten Sprachen gebracht hat. Die Reihe „Click!“ ist natürlich wieder einmal geprägt vom Zeitgeist der 70er-und frühen 80er-Jahre, wobei es Manara weniger darum ging einfach nur einen Auftrag von 48 Seiten in Episoden zu jeweils sechs Seiten für das Magazin „Playmen“ abzuwickeln. Er wollte sich vielmehr beweisen, das er nicht nur dazu in der Lage ist, das abenteuerliche Leben von Giuseppe Bergmann mit beeindruckenden Bildern und modernen Szenarien zu konzipieren, sondern auch ein Werk, welches von Luis Bunuel inspiriert ist, und in dem er die starren Konventionen als auch die Doppelmoral der spießbürgerlichen Gesellschaft bloßstellen kann.

 

Wer sich ernsthaft mit mehr oder weniger erotischen Comics befasst, der dürfte an diesem Band nicht vorbeikommen, präsentiert er doch nicht nur die beiden ersten „Click!“-Comics, sondern weiß auch mit zusätzlichem Material und Hintergründen zur Entstehung und der Arbeit von Manara zu überzeugen. Das die Leseempfehlung auf der Rückseite des Bandes mit „ab 18 Jahren“ angegeben ist, dürfte wahrscheinlich den Reiz so manchen neugierigen Lesers nur steigern.