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Die Bestie 1 - Präludium
Bewertung:
(3.9)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 28.07.2014
Autor:Keith Herber, Sam Johnson, Gary O’Donnel, Lucya Szachnowski, Bernhard Bühler, Heiko Gill, Benjamin Lutz, Moritz Röder, Tim Scharnweber und Carsten Schmitt
Übersetzer:Robert Maier
Typ:Abenteuerband
System:Cthulhu
Setting:Amerika – 20er Jahre
VerlagPegasus Press
ISBN/ASIN:978-3-941976-73-3
Inhalt:272 Seiten, Hardcover
Preis:39,95 EUR
Sprache:Deutsch

Die Kampagne „Die Bestie“ kann auf eine recht lange Publikationsgeschichte zurückblicken, die mit dem Band „The Funghi from Yuggoth" als erste Fassung im Jahre 1984 begann. 1990 folgte eine mehr oder weniger unveränderte Neuauflage unter dem neuen Titel „Curse of Cthulhu" zusammen mit drei Einzelszenarien, die auch als Vorlage für die 1991 erschienene deutsche Ausgabe des Laurin Verlages diente, die unter dem Titel „Bruderschaft des Tieres" erschien. 1998 folgte dann mit „Day of the Beast" die überarbeitete und erweiterte dritte englische Veröffentlichungsvariante der Kampagne. Auch wenn der englische Band sich zur Ursprungsfassung im Umfang fast verdoppelt hat, so ist dies immer noch nur ein Bruchteil dessen, was den Spielleiter bzw. die Spieler nunmehr bei Pegasus unter dem Titel „Die Bestie" erwartet. Ob sich die auf nunmehr insgesamt drei Bände konzipierte Kampagne lohnt, mögen die folgenden Zeilen verraten.

 

Der äußere Eindruck

Die Konzeption und das Design des Umschlags stammen von Ralf Berszuck und Marc Freier. Das Cover ziert einen im Stil der 20er Jahre gekleideten, rauchenden Mann, der vor einen amerikanischen Straßenzug montiert wurde und mich eigentlich nicht so recht ansprechen mag. Ich finde die eher etwas abstrakt gehaltenen Umschläge ohne Fotomontagen für wesentlich interessanter, aber das ist letztlich Geschmackssache. Ansonsten bleibt der gewohnte Schriftzug des Pegasus Verlages für die „Cthulhu“-Reihe nebst stilisierter Randverzierung auf dem Cover erhalten und führt die Produktlinie fort.

 

Das Innenleben des 272 Seiten umfassenden Abenteuerbandes gestaltet sich gänzlich in Schwarz-Weiß, wobei hier das Grunddesign Christian Hanisch oblag, welches von Ralf Berszuck überarbeitet wurde. Ein Blick auf die Innenseite bietet sowohl im vorderen als auch im hinteren Vorsatzblatt jeweils großformatig das Logo von „New World Industries“. Eine nette Idee, aber auch hier gab es schon interessantere Einfälle, wie sie beispielsweise mit den Schiffsplänen im Quellen- und Abenteuerband „Reisen – Passagen in den Tod“ gezeigt wurden.

 

Der Aufbau der Texte ist durchgehend zweispaltig und mit sinnvoll hervorgehobenen Überschriften als auch mit zusätzlichen Textkästen, die zum Teil vertiefende Informationen geben, versehen. Ergänzt werden die Texte durch zeitgenössische Fotografien, zusätzliche Informationskästen mit Werten von Nichtspielercharakteren und natürlich Karten von Örtlichkeiten als einer Fülle von Handouts, die von Julia Silbermann gestaltet wurden. Die Illustrationen als auch die Fotos sind jeweils gut auf die Texte abgestimmt und auch bei den für die NSC verwendeten Fotos hat die Bildredaktion wieder einmal gute Arbeit geleistet. Auf dem linken Rand befindet sich auf jeder Seite ein symbolisierter Reiter nebst „Überschrift“, der beim Blättern im Band einen schnellen Überblick gibt und neben dem Lesebändchen bei der Orientierung gute Dienste leistet.

 

Bei diesem Band bzw. der kompletten Kampagne handelt es sich bei weitem nicht nur um eine Übersetzung der Ausgabe von „Day of the Beast“ von Chaosium durch Robert Maier, sondern eine komplett überarbeitete, ergänzte und erweiterte deutsche Ausgabe und enthält im ersten Band zudem zwei völlig neue Abenteuer aus deutscher Feder sowie als Bonusmaterial die ebenfalls neue „Regionalia Cthuliana: Indien“. Die Qualität der Texte ist insgesamt gut und lässt sich ziemlich flüssig und angenehm lesen. Zudem sind sie, trotz der hohen Anzahl an Akteuren und Handlungsplätzen, gut aufeinander abgestimmt. Grobe Fehler im Lektorat sind wie so oft nicht zu vermelden, hier hatten Heiko Gill und Thomas Michalski alles im Griff. Was das äußere Erscheinungsbild als auch die innere Gestaltung angeht, so zeigt sich mir wiederum die sehr hohe Produktionsqualität der Produkte von Pegasus im Bereich „Cthulhu“, welche die amerikanischen Veröffentlichungen ziemlich blass aussehen lässt.

 

Der Inhalt

Wie bereits erwähnt handelt es sich bei „Die Bestie 1 – Präludium“, um den ersten Band einer auf drei Bände konzipierten Kampagne. Insofern wartet dieser Band mit einer recht umfangreichen Einführung auf und schildert die entsprechenden Hintergründe. Wer diese Kampagne als Spieler noch vor sich hat, sollte an dieser Stelle besser nicht weiterlesen, da man sich ansonsten den Reiz mit allzu viel Wissen über die Antagonisten und deren Absichten zerstört.

 

Einleitung und Hintergrund

Die Einleitung beginnt mit der dunklen Geschichte des ägyptischen Priesters Nophru-Ka und seinen Anhängern, deren vermeintlichen Untergang und Wiederentdeckung. So macht der Leser Bekanntschaft mit zwei recht ungleichen Antagonisten, welche dreitausend Jahre nach dem Verschwinden von Nophru-Ka die „Bruderschaft des Tieres“ gründen, um sich auf die Suche nach nach „verheißenen Kind“ zu machen. Die finsteren Pläne des Chinesen Lang-Fu und Karl Hauptmann sehen nichts Geringeres vor, als Nyarlathotep selbst zu beschwören. Natürlich gibt es auch einen direkten Nachfahren von Nophru-Ka, Edward Chandler, den die Bruderschaft als zukünftigen Herrscher der Welt erzogen hat. Was es mit Chandlers Persönlichkeit, seinem Leben und Auftreten hat, erfährt man hier ebenso, wie einiges über den Konzern „New World Incorporated“, an dessen Spitze Chandler steht.

 

Doch das ist bei weitem nicht alles – für den Spielleiter gibt es noch einiges an Informationen über subversive Elemente, die in Diensten von Karl Hauptmann oder von Lang-Fu stehen, eine komplette Zeitlinie der kompletten Kampagne als ebenso die übersichtliche Darstellung des Handlungsbogens in den einzelnen Kapiteln. Einige brauchbare, als auch wichtige Hinweise über die Bildung einer Gruppe von Charakteren, deren Überlebenschancen in einer langen und anstrengenden Kampagne und alternative Lösungen, wie beispielsweise der Einsatz der Janusgesellschaft, bieten gute Möglichkeiten mögliche Verluste besser zu kompensieren

 

Kapitel 1: Das Geisterhaus

Die drei ersten Kapitel des Bandes sind mehr oder weniger unabhängig voneinander zu spielen und dienen letztlich dazu, den Charakteren einige nützliche Kontakte zu verschaffen, die sich im laufe der eigentlichen Kampagne als wichtig und wertvoll erweisen.

 

Den Einstieg macht das Abenteuer „Das Geisterhaus“ und hat weniger einen cthuloiden Hintergrund, als das es sich vielmehr um das „Tannerhill House“ in einem kleinen Ort in Neuengland dreht, welches die Charaktere besuchen, um die Natur der tatsächlich dort anzutreffenden Geister zu erforschen und an einer Séance teilnehmen, die von Paul LeMond, einem Medium, geleitet wird. Hier gilt es zwischen den Charakteren und LeMond, als auch Robert Carrington, dem wohlhabenden und einflussreichen Eigentümer des Geisterhauses, Kontakte aufzubauen, die für den weiteren Verlauf der Kampagne wichtig sind, als auch natürlich unter Umständen die Verfluchten des Hauses zu erlösen.

 

Kapitel 2: Der Vorfall in den Black Hills

Dieses Abenteuer kann sich mit zeitlichem Abstand an „Das Geisterhaus“ anschließen und verschlägt die Charaktere in die Black Hills nach South Dakota. Hier gilt es in einem abgelegenen Bergarbeiterlager in Windypoint seltsamen Vorkommnissen und Todesfällen auf die Spur zu kommen, als auch eine erste Begegnung der Charaktere mit New World Industries aufzubauen. Folgen die Charaktere den Spuren, so stoßen sie auf einige dunkle Geheimnisse in den Stollen und es Bedarf einiger Hilfe und nicht nur Dynamit, um der Lage Herr zu werden.

 

Kapitel 3: Das Heiligtum

Das dritte und letzte Einstiegsabenteuer kann zwar ebenfalls mit den bisherigen Charakteren gespielt werden, doch sollten hier Motivation und die jeweilige Ausgangslage gut aufeinander abgestimmt sein. Ansonsten empfiehlt es sich, andere Charaktere einzusetzen, welche zumindest Kontakt zu den bisherigen Protagonisten haben.

 

Ausgehend von der Hafenstadt Bombay in Indien führt ein Auftrag die Charaktere in den Fürstenstaat Jaipur, wo sie im Rahmen ihrer Tätigkeit bei den Verhandlungen über den Ankauf eines Grundstückes die Bekanntschaft mit Rhon-Paku, einem weisen Mann und Eremiten machen, der zugleich auch Anführer einer Sekte ist, die ihn verehrt. Was auf den ersten Blick als harmloses Lokalkolorit erscheint, verbirgt aber weitaus mehr hinter sich. Niemand anderes als der Chinese Lang-Fu hat Rhon-Paku ins Jalta-Tal gebracht, damit er von dort aus als „Anführer“ über eine stetig wachsende Schar von Anhängern befehlen kann. Nach dem Tod von Rhon-Paku hat Augusta Widdrington, die Tochter eines hochrangigen britischen Offiziers, mehr oder weniger die Führung über die Gefolgschaft von Rhon-Paku übernommen, die allerdings ebenfalls unter dem Einfluss von Lang-Fu steht. Je nach Geschick können die Charaktere bis zum verborgenen Heiligtum der Jünger gelangen, wo sie tief unter der Erde eine furchtbare Entdeckung machen. Aber selbst, wenn die Charaktere nicht so weit kommen sollten, so erhalten sie doch einige brauchbare Informationen für die weitere Entwicklung der Kampagne.

 

Kapitel 4: Der Träumer

Im ersten Kapitel haben die Charaktere Freundschaft mit dem Medium Paul LeMond schließen können. Insofern sollte es nicht verwundern, wenn die Charaktere über das plötzliche Verschwinden ihres Freundes informiert werden und sie Nachforschungen in New York über den Verbleib von LeMond anstellen müssen. Unversehens geraten die Charaktere bei ihren Ermittlungen in einen Bandenkrieg der Mafia und auch Herbert Whitefield, der Agent von LeMond, scheint nicht mit offenen Karten zu spielen. Zumindest sollten die Charaktere mit der letztlichen Rettung von LeMond ihre Freundschaft bewiesen haben.

 

Kapitel 5: Guy Fawkes‘ Erben

Das nächste Abenteuer verschlägt die Charaktere durch eine Vision von LeMond nach London, wo es gilt, den Tod eines angesehenen Politikers des Unterhauses zu untersuchen und einer weiteren Verschwörung auf die Spur zu kommen. Ihre Tätigkeit in London führt die Charaktere mitten hinein in die politischen Umtriebe von zwei recht unterschiedlichen Extremistengruppen, aber auch in einige Konfrontationen mit Wesen, die nicht menschlichen Ursprungs sind, sowie einen explosiven politischen Komplott.

 

Kapitel 6: Der Sohn des Horus

In diesem Kapitel bekommt der Leser das Siegerabenteuer des Ägypten-Wettbewerbes des Pegasus Verlages präsentiert: Durch ihre Bekanntschaft mit einem wohlhabenden ägyptischen Kunsthändler in London, führt dieses Abenteuer die Charaktere geradewegs nach Ägypten, wo sie einen uralten Kult daran hindern müssen, einen dunklen Priester zu neuem Leben zu erwecken. Pikanterweise haben die Charaktere keine andere Wahl, als sich in dieses Abenteuer zu stürzen, hängt doch ihr eigenes Leben bzw. Überleben vom Gelingen ihrer Mission ab.

 

Regionalia Cthuliana: Indien

Den Abschluss in diesem Band bildet mit rund 60 Seiten der überaus kurzweilige und lesenswerte Regionalteil „Indien“ mit einer gelungene Mischung aus Geschichte, Kultur, Land und Leute, als auch einem Blick auf die großen Städte Dehli und Neu-Dehli, Bombay, Kalkutta und Benares. Immer noch geprägt durch die britische Kolonialherrschaft, gibt es in diesem bislang für cthuloide Zwecke recht unberührten Landstrich einige an brauchbaren Ideen für eigene Szenarien. So kann man das Land der leuchtenden Farben, exotischer Gewürze, Gerüche mit seiner uralten Kultur hervorragend für eigene kreative Ideen nutzen, handelt es sich bei Indien doch um ein Land harter Gegensätze und atemberaubender Schönheit, welches sich fast schon ideal für cthuloide Umtriebe nutzen lässt.

 

Im Anhang 1 gibt es noch zur authentischen Übersicht einen Kalender für die Jahre 1927 und 1928 und im Anhang 2 einen kleinen Vorgeschmack auf Band 2 der Reihe.

 

Fazit:

Insgesamt kann man der Redaktion zu ihrer gelungenen Neuauflage eines „Klassikers“ unter den Cthulhu-Kampagnen nur gratulieren. Der große Handlungsfaden mit seinen Antagonisten ist zwar geblieben, aber man hat merkbar der bereits etwas angestaubten und manchmal auch sperrigen Story neues Leben eingehaucht. Natürlich birgt so eine lange und umfangreiche Kampagne auch einige Gefahren in sich, sei es die unter Umständen hohe Mortalitätsrate der Charaktere oder aber auch deren geistige Stabilität. Hier gibt es für den Spielleiter einige nützliche Hinweise, wie alternative Charaktere ins Spiel gebracht werden können oder aber auch Anregungen, wie man die Janus-Gesellschaft sinnvoll einbinden kann.

 

Wie sollte es anders sein, so kommt eine Kampagne ohne ein gewisses Maß an „Rail-Roading“ nicht aus. So auch in diesem Band, dessen Abenteuer spätestens mit Kapitel 4 endgültig miteinander verwoben sind. Da gibt es immer wieder Ereignisse und Begegnungen, die einfach geschehen müssen, selbst wenn sie erst in späteren Kapiteln zum tragen kommen sollen. Hier muss man als Spielleiter ziemlich sorgfältig die gesamte Story im Auge behalten, damit man nicht durcheinander kommt und den Charakteren das Gefühl belässt, die Entwicklung des Abenteuers beruhe auf deren Entscheidungen.

 

Auch wenn es sich um eine weltumspannende Kampagne handelt, so ist der Besitz bzw. der Einsatz der Quellenbände wie beispielsweise „London – Im Nebel der Themse“ nicht unbedingt notwendig. Die Abenteuer sind hinsichtlich der Handlungsorte detailliert genug, aber mit mehr Hintergrundwissen macht es natürlich auch entsprechend mehr Freude sich an manchen Orten auszutoben.

 

Für den Regionalteil kann ich eigentlich nur meine mittlerweile recht häufig gebrauchte Aussage vorbringen: Man mag zwar einwenden, die Ausführungen der Quellenbände von Cthulhu könne man auch selbst im Internet recherchieren und sich zusammenstellen, ob man dieses doch recht zeitaufwendige Unterfangen ebenso überzeugend und schlüssig hinbekäme, wage ich allerdings zu bezweifeln. Insoweit bietet dieser Regionalteil neben einigen geschichtlichen Allgemeinplätzen eine ganze Fülle von Informationen und Facetten eines Landes, welches es erst noch für die Rollenspielwelt von Cthulhu zu entdecken gibt.

 

Insgesamt mehr als nur eine gelungene Neuauflage eines Klassikers der „Cthulhu“-Kampagnen, der nicht optisch sondern insbesondere inhaltlich überzeugen kann. Selbst wenn man nicht unbedingt die Absicht hat, die komplette Kampagne zu spielen, so eignen sich doch etliche der zum Teil in sich abgeschlossenen Abenteuer auch ohne größeren Aufwand fürs Spiel.