Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Lied und Stille
Bewertung:
(2.0)
Von: Jan Stetter
Am: 06.11.2003
Autor:David Noonan, John D. Rateliff
Typ:
System:Dungeons & Dragons 3E
VerlagAMIGO Spiel + Freizeit GmbH
ISBN/ASIN:3933171490
Inhalt:96 Seiten, Hardcover
Sprache:Deutsch

Lied und Stille

Kurzbeschreibung

"Lied und Stille" ist das vierte Quellenbuch mit Erweiterungsregeln für die Basisklassen der 3. Edition von Dungeons & Dragons und beschäftigt sich speziell mit den Schurken und Barden. Es ist für Spielleiter wie auch für Spieler gedacht und bietet zahlreiche Informationen über neue Prestigeklassen, Fertigkeiten und Talente, Fallenbau, Gegenstände und magisches Equipment, Zauber, Gilden und Organisationen sowie über das Leben, die Motivationen und die Weltsicht von Schurken und Barden.

 

Auf den ersten Blick

"Lied und Stille" ist ein sehr gut verarbeitetes Hardcover. Die Umschlagsillustration ist wieder ein stimmungsvolles Bild von Todd Lockwood und zeigt die D&D-Ikonen Lidda und Devis beim Rauben eines kostbaren Edelsteins, wobei beide den hinterhältigen Assassinen in einem Schatten des Gewölbes noch nicht bemerkt zu haben scheinen. Das Layout der 96 Hochglanzseiten ist bewährt zweispaltig und allgemein übersichtlich, wobei zusätzliche Informationen oftmals in kleinen Textkästchen am Rande zu finden sind. Die schwarzweißen Innenillustrationen von Wayne Reynolds und David Roach sind zwar durchgängig ziemlich gut, sie hätten aber ab und zu noch etwas mehr Schattierungen gebrauchen können (Bsp.: Kontrast zw. S. 14 und 20). Der Schreibstil ist leider wieder recht sachlich und stilistisch wenig ansprechend. Geschichten, Anekdoten und Hintergründe kommen oft zu kurz oder werden gar nicht eingearbeitet. Dafür muss man sich stellenweise durch sehr trockene Beschreibungen von z.B. Gegenständen oder Fallen quälen, was den Lesespaß doch sehr in Grenzen hält.

Auf den zweiten Blick: Inhalt und Struktur des Buches

 

Einleitung (4)

In der kurzen Einleitung folgt auf einen wenig stimmungsvollen und eher mit spieltechnischen Allgemeinplätzen angehauchten Abschnitt über Schurken, Barden und deren Platz in einer Abenteurergruppe ein deutlicher und sinnvoller Hinweis zum Gebrauch des Buches: Die Inhalte sollen als Option und Anregung dienen und nicht das Spiel einschränken. Das vermittelte Wissen soll nach individuellen Wünschen umgesetzt werden und kein unumstößliches Dogma darstellen, auch wenn die Regeln als "offiziell" deklariert werden. Schließlich wird noch die Gliederung des Buches kurz erläutert.

 

1. Prestigeklassen (5-23)

Warum das Buch quasi medias in res mit den Prestigeklassen beginnt und das eigentlich zur ersten Orientierung und Beschreibung viel bessere Kapitel über die Welt der Barden und Schurken erst am Ende kommt, wird wohl ein Geheimnis der Autoren bleiben. In dieser Form wirkt die Gliederung aber ziemlich undurchdacht.

 

Insgesamt werden zehn Prestigeklassen vorgestellt, von denen sich aber nur eine speziell auf Barden bezieht. Der Hintergrund jeder Prestigeklasse wird jeweils kurz beschrieben, bevor sie mit spieltechnischen Werten und Details sowie einer Illustration genauer erläutert wird. Zusätzlich finden sich ab und zu weitere Informationen in gesonderten Textkästchen am Seitenrand. Der Beschreibungsstil ist gewohnt sachlich und bietet wenig Erfreuliches für Freunde atmosphärisch dichter Texte.

 

Der "Bandit des Blutroten Weges" ist eigentlich ein profaner, unrasierter Straßenräuber, der einem profanen Banditenkodex folgt und hauptsächlich in der Gegend rumräubert. Es fragt sich, welcher Spieler sich dafür begeistern kann, aber mit ein wenig Nacharbeit kann ein findiger Spielleiter einige nette NSC aus dieser Prestigeklasse machen, welche mal über die normalen Räuber zum Warmkämpfen für SC hinausgehen.

 

Der "Fassadenkletterer" ist ein Meister der Akrobatik und der Balance. Keine Kletterstelle, die er nicht zu erreichen vermag. Mehr steckt aber leider nicht dahinter. Was man von Talenten wie dem "Radschlagenden Sturmangriff" halten soll, mag jeder selbst entscheiden - ich sehe jedenfalls wenig spannende Verwendungsmöglichkeiten für SC wie auch für NSC.

 

Beim Anblick des "Gefürchteten Piraten" konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, wird man doch beim Ergreifen diese Prestigeklasse anscheinend automatisch zu einem gar gefürchteten Böselump. Im Grunde genommen handelt es sich aber um einen ganz normalen Seeräuber, wie es sich auch weiter oben um einen ganz normalen Banditen handelt. Die vielen mit dem Meer und der Seefahrt zusammenhängenden Talente machen diese Prestigeklasse darüber hinaus nur sehr speziell verwendbar.

 

Der "Gewölbespezialist" ist ein Profi beim Erkunden von unterirdischen Anlagen, Gebäuden und Krypten. Er entschärft Fallen, entwickelt ein Gespür für Schätze und einen verbesserten sechsten Sinn für Gefahren. Für Spieler, deren Meister eine Schwäche für Gewölbeabenteuer haben, ist diese Prestigeklasse durchaus eine nette Spezialisierung.

 

Der "Königliche Entdecker" ist der klassische Forscher, Scout und Kartograf (JS: Kartograph). Unbekannte Gefilde üben auf ihn einen enormen Reiz aus, und er erkundet furchtlos alles, was seine Neugier zu wecken vermag. Wenn man ihn vom speziellen "Königlichen Entdecker" einfach nur zu einem "Entdecker" macht, erhält man eine allgemein brauchbare und recht nette Prestigeklasse.

 

"Lolths Fang" ist die einzige Prestigeklasse, die mal ein wenig Innovation aufweisen kann. Wenn jemand einen gefährlichen Gegenstand, einen sog. Fangskarabäus, benutzt, geht er mit diesem eine Verbindung ein und erhält viele Vorteile einer Spinne. Allerdings mutiert er auch mit der Zeit zu einem entsprechenden Hybridwesen. Da die Gesinnung dabei eher in die bösartige Richtung tendiert, bietet sich diese Prestigeklasse perfekt für garstig-böse NSC und NSC-Gruppen an.

 

Der "Meisterspion" ist bewandert in der Intrige, im Hinterhalt, in der Diplomatie und im Annehmen falscher Identitäten, was ihn besonders als Informationsbeschaffer und Infiltrator interessant macht. Insgesamt eine der schöneren Prestigeklassen in diesem Buch.

 

Der "Tempelräuber von Olidammara" hat sich auf das Einbrechen in fremde Tempel und deren anschließende Plünderung spezialisiert. In Anbetracht des Fassadenkletterers und des Gewölbespezialisten ist er allerdings völlig überflüssig, worüber auch die paar Zauber nicht hinwegtäuschen können, die er im Laufe der Zeit erhält.

 

Der "Vigilant" ist eine Art Detektiv, Kopfgeldjäger und Justizverfolger in Personalunion. Obwohl er einige Zauber erhält und außerdem gutes Potential zum individuellen Ausbau besitzt, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hier wieder nur halbherzig gearbeitet wurde. Das Talent "Den Schuldigen bestrafen" (Charismabonus zählt zum Angriff dazu) ist ein gutes Beispiel dafür. Diese Prestigeklasse ist für SC wie auch für NSC geeignet, bedarf aber noch einer stimmungsvollen Vertiefung.

 

Der "Virtuose" ist... nun, ja... ein Virtuose eben, eine Art Popstar, der trefflich fiedeln, singen oder jonglieren kann und damit alle in seinen Bann zieht bzw. die Gruppe deutlich mit Hilfe seiner Magie verstärken kann. Diese Prestigeklasse kann ziemlich mächtig werden und bietet sich natürlich hauptsächlich für Barden an.

 

Zu den meisten Prestigeklassen fällt mir zusammenfassend leider nur eine treffende Beschreibung ein: bemüht, einfallslos und ereignislos - besonders, wenn man sie mit ihren gelungenen "Verwandten" in "Zauberbuch und Drachenblut" vergleicht. Bandit, Pirat und Tempelräuber kann man getrost vergessen, und der nette Gewölbespezialist sollte mit dem Fassadenkletterer zusammengelegt werden. Entdecker, Meisterspion und Vigilant sind durchaus ansprechend, der Virtuose ist für Barden perfekt, und Lolths Fang ist eine sehr schöne NSC-Klasse. Die Prestigeklassen erscheinen dennoch überwiegend recht lieblos zusammengebastelt und lassen den so wichtigen Esprit vermissen, der auf den Leser und Spieler inspirierend und motivierend wirkt. Auch stehen die meisten Fertigkeiten und Talente der Prestigeklassen in diesem Buch nicht im Verhältnis zu jenen von Prestigeklassen in verwandten Büchern aus gleichem oder anderem Hause. Ob man das begrüßt oder bemängelt, sei zur Diskussion gestellt, aber in jedem Fall fehlt fast allen Prestigeklassen in "Lied und Stille" die atmosphärische Tiefe, die aus dem Ergreifen einer solchen Klasse ein wirkliches Erlebnis für den Spieler und seinen Charakter machen sollte.

 

2. Fertigkeiten und Talente (24-40)

Dieses Kapitel beginnt mit einem sehr kurzen, aber nichtsdestoweniger sehr brauchbaren Leitfaden für Gifte und deren Herstellung inkl. zugehöriger Tabelle für den schnellen Überblick. Darauf folgen lange zwölf Seiten über Fallen: Konzept, Selbstbau, Kosten, Beispielfallen. Diese Sektion ist zu meinem größten Bedauern eine der langweiligsten und unwichtigsten im gesamten Buch. Es werden zahlreiche Detailregeln aufgestellt, die kein Rollenspieler je brauchen wird. Danach folgen 90 Beispielfallen, die zum größten Teil an Einfallslosigkeit nicht zu überbieten sind: Getarnte Fallgrube 1, Tiefere Fallgrube, Fallgrube mit Speerspitzen, Getarnte Fallgrube 2, Gut getarnte Fallgrube, Weit geöffnete Fallgrube etc. pp. Darüber hinaus liest sich das ganze so spannend wie ein Fachbuch für Mechanik im Grundstudium. Anstatt einige ausgetüftelte, verzwickte Fallen mit Text und Bild zu präsentieren, wird der Leser lieber mit fader Masse behelligt. Anstatt Bauzeit, Konstruktionsschwierigkeit und Kosten schnell und effektiv am Herausforderungsgrad zu bemessen und den Rest der Phantasie zu überlassen, wird mit einer unverhältnismäßig großen Menge von Regeln selbst die geringste Motivation zur näheren Beschäftigung mit Fallen im Ansatz erstickt. NSC haben in diesem Bezug ohnehin stets die Fallen, die der Spielleiter sich gerne wünscht, und SC wird man wohl zu 98% eher beim Entschärfen dieser feisten Spielleiterinstrumente antreffen. Das einzig wirklich Nützliche an dieser Sektion ist vielleicht der schnelle Zugriff auf zumeist banale Fallen ohne Phantasie und Tiefgang, die Regelvariation zum Ausschalten eines Mechanismus sowie das Beispiel einer Fallenkonstruktion auf Seite 30. Allerdings relativiert die Bezeichnung eines Krankenbettes als "Hilfreiche Falle" wieder so einiges. Schade, gerade von diesem Kapitel mit seinem enormen Potential habe ich mir viel versprochen.

 

Daran anschließend werden einige sehr gute Hinweise zum Einsatz der wichtigen Diebesfertigkeiten "Verstecken", "Verborgene Waffen" (Taschendiebstahl) und "Turnen" vermittelt, bevor auf drei Seiten brauchbare, weniger brauchbare und sogar bedenkliche (Arterienschlag, Kniesehne durchtrennen) neue Talente vorgestellt werden.

 

Abschließend bleibt ein mehr als schales Gefühl. Die wenigen guten Parts können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die nutzlosen Fallenpassagen und einige weitere lieblose Elemente, z.B. bei den Talenten, viele Seiten mit wenig Inhalten füllen. Darüber hinaus wird nicht einmal etwas Interessantes zur Technik, zur Motivation und zur Anspannung eines Diebes bei der Konfrontation mit einer kniffligen Falle gesagt. Ein kleiner Blick in andere D20-Bücher zum Thema "Fallen" offenbart diesbezüglich schon ganz andere Welten.

 

3. Ausrüstung für Schurken und Barden (41-58)

uerst werden in diesem Kapitel viele Instrumente für Barden vorgestellt, nachdem zunächst spezielle Tipps zur Auswahl eines solchen gegeben werden. Deren Inhalte erinnern allerdings eher an eine Satire: Man möge ein robustes Instrument wählen, da Musikkritiker es evtl. zu Feuerholz verarbeiten könnten. Ein nicht bewegliches, weil großes oder schweres Instrument könne nicht mit auf Reisen genommen werden. Das Instrument sollte nicht einzigartig sein, weil es ja Gefahr liefe, mit dem Zauber "Auflösung" vernichtet zu werden usw. Solchen banalen Weisheiten liegt entweder die Verpflichtung zugrunde, irgendwie die Seiten füllen zu müssen, oder die Auffassung, man habe es mit komplett stupiden Lesern zu tun. Beides schätze ich persönlich nicht allzu sehr...

 

Daraufhin folgen jedenfalls seitenlange Beschreibungen (42-50!) von bekannten Allerwelts-Musikinstrumenten jeder Art, was beweist, dass es nicht immer gut ist, Autoren nach Wörtern zu bezahlen. Zwei Drittel jeder Beschreibung sind nämlich sterbenslangweilig und könnten einem musiktheoretischen Führer entstammen. Das letzte Drittel beschäftigt sich dann jeweils mit einigermaßen brauchbaren Spezialregeln und spieltechnischen Vorzügen eines jeden Instrumentes, was allerdings wieder die potentielle Gefahr des Werteschacherns entstehen lässt. Unter den Instrumenten sind dabei solche Klassiker wie Alphörner (wirklich!), Standharfen, Kesselpauken, Wasserpfeifen, Pfeifenorgeln, Cembali etc. Was fällt einem dazu noch ein? Diese Bardentruppe möchte ich gerne mal bei einer der zahlreichen Gewölbeerkundungen sehen - das könnte sehr interessant werden. Das humoristische I-Tüpfelchen in dieser Sektion ist allerdings die Anmerkung über untote Barden, die z.B. als Skelette Probleme mit der (bekanntlich fehlenden) Zunge haben würden und deshalb wohl auf Trommeln umsteigen müssten. Und den Zombiebarden fehle beispielsweise die Luft für Blasinstrumente - also ran an die Harfe. Der Meister solle daher stets beachten, welche Schwächen die Untoten in einer Band haben würden, um alles stimmig zu gestalten. Ich denke, weitere Kommentare kann ich mir zu diesen Albernheiten getrost sparen.

 

Im Rest dieses Kapitels werden auf 8 Seiten Waffen, Diebesausrüstungen und magische Gegenstände dargestellt. Leider muss man auch hier wieder mehr schmunzeln, als dass man brauchbares Neues oder wenigstens vernünftige Anregungen findet. Über das Bajonett für den Lautenhals kann ich als aktiver Gitarrist nur den Kopf schütteln, denn bei einem solchen "Kampf" mit einer Laute würde der Hals des kostbaren Instrumentes mindestens verbiegen, wenn nicht sogar brechen. Die folgenden Lieder mit fehlender Bundreinheit würde ich mir dann nicht anhören wollen - und die Kritiker warten ja bekanntlich nur darauf, die Bardeninstrumente zu zerschmettern. Die langen Ausführungen zu Garotten sind unnötig, die Hakenarmbrust ist ein schweres Ungetüm mit beschränktem Nutzen, und die "Gewichteten Ärmel" haben mich laut auflachen lassen bei der Vorstellung, ein damit Attackierter würde bei der Wache einen hinterhältigen Angriff mit Hemdsärmeln anzeigen.

 

Die Diebeswerkzeuge sind nicht ganz so lächerlich, aber ebenfalls nicht sehr überzeugend. Die automatischen Füße der Gnome z.B. sollen eine Wache durch simulierte Schritte ablenken - und zeigen eben dieser Wache dann natürlich sofort, dass gerade ein Dieb anwesend sein muss, da sie sich ja nicht in Luft auflösen. Aber zum Fallensuchen sind diese Füßchen gar nicht so schlecht. Als weiteres Beispiel ist dagegen die Wendekleidung recht praktisch, aber auch sie verdient nicht gerade einen Innovationspreis.

 

Die magischen Gegenstände sind ebenso von durchwachsener Qualität. Ich bin mir z.B. sicher, dass jeder Barde nach Erhalt des nervtötenden "Singenden Schwertes" seinen Spielleiter früher oder später mit dem Würfelbecher bewerfen wird. Einige magische Instrumente, das Auge der dunklen Aura oder das Konstrukt, sind aber ganz gut gelungen.

 

Unter dem Strich bleibt der Eindruck, dass in diesem Kapitel die falschen Schwerpunkte gesetzt wurden. Viele Gegenstände sind nutzlos, langweilig und ebenso beschrieben. Nach wirklichen Innovationen und Anregungen sucht man zumeist vergeblich. Das ist besonders schade, da sich einer regen Phantasie gerade für Barden und Schurken so viele spannende und außergewöhnliche Gegenstände förmlich aufdrängen.

 

4. Organisationen für Barden und Schurken (59-76)<

In diesem Kapitel werden zehn Diebesgilden und sieben Bardenakademien bzw. -verbindungen vorgestellt: die traditionelle Diebesgilde, die Bandengilde, Straßenbande, Assassinengilde, die Diebe hinter dem Thron, das Spionagenetzwerk, das Schmugglerkartell, Krieg der Diebe!, die monsterbasierende Diebesgilde und Gildenüberreste sowie neue Gilden. Als Bardenakademien werden genannt: Akademie des versammelten Wissens, der Bund der Geschichtenerzähler, die Akademie der arkanobiologischen Studien, der Wehklagende Orden, die Wächter des kommenden Abendrotes, die Musikakademie des unbeschreiblichen Akkords und der Bund von Stiefel und Weg.

 

Zu jeder Gilde erhält der Leser umfassende Informationen zu Organisation, Gildenregeln, Aufstiegsmöglichkeiten, Orten, Kapital, Zielen, Konflikten und Einstiegsmöglichkeiten. Weiterhin erfährt man Einiges über Beispielgilden und typische NSC. Die Bardenakademien werden mit Studiengebiet, Organisation, Aktivitäten, Besonderheiten, Zulassung, Vorteilen der Mitgliedschaft, Beiträgen und Beziehungen vorgestellt.

 

Die in diesem Kapitel dargestellten Organisationen und Informationen sind überwiegend gut bis sehr gut und sogar interessant zu lesen, auch wenn man sich etwas veralbert vorkommt, wenn so manche Diebesgilde mit "verstrickt in kriminelle Machenschaften und verwickelt in Verbrechen" eingeführt wird. Soso... diese Schurken! Vor allem die politischen Infiltratoren der "Diebe hinter dem Thron", das Spionagenetzwerk und die Assassinengilde haben mir ausgezeichnet gefallen und bieten so manche Anregung für Abenteuersettings und überregionale Organisationen.

 

Besonders inspirierend sind darüber hinaus die Bardenakademien. Trotz ihrer teilweise etwas merkwürdigen Namen wecken sie mehr als alles andere in diesem Buch das Interesse am Spiel eines Barden. Ob der Bund der Geschichtenerzähler mit seinen philosophischen Ansätzen, der Wehklagende Orden unter Führung des Herren der Leichentücher oder die Wächter des kommenden Abendrotes mit ihren apokalyptischen Studien - sie alle bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten für stimmungsvolles Rollenspiel und tiefgehende Charakterentwicklungen.

 

Ausnehmend schön an einer Mitgliedschaft in diesen Organisationen ist dabei, dass die Gilden und Akademien zwar keine Prestigeklassendimensionen erlangen, dafür aber mit ihren Aufnahmeprüfungen Spannung und kleine Nebenplots garantieren. Insgesamt betrachtet ist dieses Kapitel daher das beste, brauchbarste und interessanteste des ganzen Buches. Schade, dass die Autoren nicht auch in den anderen Bereichen so viel Mühe und Kreativität aufgebracht haben.

 

5. Du und die Welt (77-87)

In diesem Kapitel werden Schurken und Barden in ihren Kampagnenwelten und ihre Beziehungen zu anderen Charakteren genauer betrachtet. Außerdem werden hier erweiterte Ausführungen zu den bevorzugten Kampfstilen dieser beiden Klassen gegeben.

 

Zunächst werden die speziellen Fähigkeiten und (Klassen-) Fertigkeiten eines Schurken eingehender erläutert, was aber im Endeffekt nur eine lahme Wiederholung und Zusammenfassung der jeweiligen Hinweise aus dem Spielerhandbuch ist. Die Rolle im Spiel wollte man anscheinend mit einigen Gesetzmäßigkeiten locker und trotzdem relativ verbindlich zugleich darstellen, aber Hinweise wie "Hüte dich vor Fernkampfwaffen" oder "Turne früh und häufig" richten sich wohl eher an Rollenspielneulinge, weniger an erfahrene Spieler. Ebenso sind auch die dargestellten Motivationen und die Verhältnisse zu anderen Klassen zu betrachten: Für Neulinge sehr gut, für Fortgeschrittene, die sich eh die Hintergründe, Motivationen und Eigenschaften ihrer SC selbst basteln, getrost überlesbar. Gleiches gilt auch für das entsprechende Teilkapitel über Barden. Da ich allerdings immer regelferne Informationen über Möglichkeiten zum atmosphärischen, "richtigen" Rollenspiel schätze und der Ansicht bin, dass man Anfängern diese Möglichkeiten gar nicht oft genug näher bringen kann, halte ich diese Passagen für gelungen und der Sache dienlich. Alte Hasen werden allerdings nur wenig Neues finden.

 

Die Kampfoptionen behandeln Spezialregeln zum "In die Zange nehmen", "Hinterhältigen Angriff" und zum "Garotten-Angriff", der es den Autoren mitsamt "Waffe" anscheinend besonders angetan hat. Die bekannten Brettspieldarstellungen zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Kampfsituationen dienen zwar zum besseren Verständnis, erwecken aber nicht gerade den Eindruck, einen dynamischen, schnellen und spannenden Kampf realisieren zu können. Ich persönlich halte von diesen statischen Kämpfen zwar wenig und möchte im Rollenspiel keine Figuren auf kleinen Quadraten herumschieben, aber da kann man geteilter Meinung sein. Die Details zu dem Angriff mit einer Garotte sind allerdings gut, wenn mich auch mal wieder der Verdacht beschleicht, dass die Autoren ihre Leser auf dem Kindergartenniveau vermuten, wofür der erste Absatz von "Die Garotte in Position bekommen" exemplarisch ist: "Um mit einer Garotte anzugreifen, musst du sie zuerst über den Kopf deines Gegners schlingen und sie dann an ihren Platz an seinem Hals bringen. Um dies zu bewerkstelligen, musst du den Kopf deines Gegners erreichen können. [...]" Und ich dachte schon, dass ich eine Garotte als feiste Fernkampfwaffe einsetzen muss und damit dann dem grimmigen Haderlump die Beine wegziehen kann...

 

6. Zauber (88-96)

Die an dieser Stelle vorgestellten neuen Bardenzauber bewegen sich von albern (Folge dem Anführer) über witzig (Schlagzeug, Heimtückischer Rhythmus, Chor, Entkommen) bis hin zu sehr brauchbar (Umgebungsgeräusch, Scharfschützenauge). Barden mit Hang zum Lauten-Bajonettkampf sollten sich dabei unbedingt den Zauber "Feinstimmen" zulegen, mit dem ihr Instrument stets wieder wohlklingend ist wie eine wahre Meisterarbeit. Auf jeden Fall lacht der Schelm aus so manchem Zauber und garantiert einer Gruppe mit einem gewitzten Barden(spieler) eine Menge Spaß.

 

Was ist besonders gut?

 

  • Die Diebesgilden und Bardenakademien sind zum größten Teil interessant, inspirierend und sehr motivierend. Sie können als Basis für eine intensive Charaktergestaltung und als Heimstatt bzw. Schutzorganisation ebenso dienen wie als gefährliche Gegner mit überregionaler Reichweite.
  • Viele Zauber sind originell und haben eine merkbar humoristische Note.
  • Für Rollenspielanfänger finden sich im Kapitel "Du und die Welt" zahlreiche hilfreiche Informationen zum Rollenspielen eines Schurken- oder Bardencharakters.
  • Einige Prestigeklassen sind durchaus interessant und eine Bereicherung für das Spiel, ebenso manche Talente.
  • Das Buch ist erstklassig verarbeitet. Übersetzung und Orthographie sind weitgehend in Ordnung.

 

Was könnte besser sein?

  • Die Schwerpunkte hätten viel besser gesetzt werden können. Anstelle der schier endlosen Aufzählung unspektakulärer Gegenstände und Fallen und der absolut unwichtigen Erweiterung zahlreicher Regeln hätte man viel mehr über den Hintergrund und das Rollenspiel der beiden Charakterklassen schreiben sollen. Wie planen Diebe ihre Aktionen? Wie werden detailliert Fallen gesucht, umgangen oder entschärft? Welche Techniken gibt es zum Öffnen für Schlösser oder für das Konstruieren mechanischer Instrumente? Was bewirken Kontakte? Welche davon braucht man? Wie bewegen sich Barden mit zunehmender Bekanntheit in der Welt? Wie ist ihr Zugang zu den Höfen und Adelshäusern? Etc. pp. Auch das Equipment (besonders das magische), die Talente und Fertigkeiten wären sehr ausbaufähig gewesen, und Rassenspezialitäten fehlen sogar vollständig.
  • Viele Prestigeklassen sind farblos, lieblos und motivationslos.
  • Es grenzt teilweise schon an Frechheit, wie mit völlig belanglosem Geschwafel so manche Seite gefüllt wird und auf welchem Niveau einige Details beschrieben werden. Das ist ein Klassenbuch für D&D 3E, keine Spielanleitung für Zehnjährige.
  • Die Texte sind, abgesehen von den Kapiteln 4 und 5, viel zu trocken-sachlich und oftmals schlichtweg nur langweilig. Besonders die Bardeninstrumente und Fallen sind stilistisch und sprachlich eine Quälerei.

 

Fazit

Auf "Lied und Stille" habe ich mich als ausgewiesener Freund von Dieben und Schurken am meisten gefreut. Zu meinem allergrößten Bedauern ist es aber eine große Enttäuschung. Abgesehen vom sehr guten Kapitel über Organisationen, von ein paar brauchbaren Prestigeklassen und einigen Zaubern nebst Kleinigkeiten wie z.B. der Gifttabelle findet sich für den erfahreneren Rollenspieler nichts Wesentliches, was der Erwähnung und des Lobes wert wäre. Nicht einmal Inspirationen und Motivationen zum kreativen Ausbau des häufig unspektakulären Materiales erhält man in den meisten Passagen. Dazu kommt ein Schreibstil, der in seiner Sachlichkeit dem Lesevergnügen nicht gerade dienlich ist und stellenweise inhaltlich wie auch stilistisch an Lesebücher für Kleinkinder erinnert. Unter dem Strich bleibt daher leider nur ein farbloses Klassenbuch ohne tiefergehende Substanz. Schade.