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A Magical Medieval Society: Western Europe
Bewertung:
(3.2)
Von: Patrick Pricken
Am: 13.05.2004
Autor:Joe Browning, Suzi Yee
Typ:
System:d20
Setting:Universell
VerlagExpeditious Retreat Press
ISBN/ASIN:0-9729376-0-9
Inhalt:144 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

A Magical Medieval Society: Western Europe

Erster Eindruck

Der Buchrücken von "A Magical Medieval Society: Western Europe" (MMS:WE) verspricht in großer Schrift: "No new spells - No new feats - No new classes - 100% Open". Das Buch hat 144 Seiten eng geschriebenen Texts; es gibt nur kleine Illustrationen auf der oberen Hälfte des Seitenrands, die wie alle anderen Bilder schwarzweiß gehalten sind. Die Autoren des Buchs sind nicht vermerkt, der Verlag besteht jedoch nur aus zwei Personen. Das Buch kostet 25$. Für einen Eindruck des Buches gibt es auf der Website von Expeditious Retreat Press zwei Kapitel zum download (etwa 30 Seiten).

 

Die Schrift ist gut lesbar. Die Kapitelüberschriften sind nicht in einheitlicher Schriftgröße gehalten, wodurch manchmal das Ende eines Abschnitts nicht ganz klar wird. Der Stil gleicht einem Lexikon über historische Phänomene, ist also eher trocken. An manchen Stellen sind jedoch auch ironische oder witzige Bemerkungen zu finden (es gibt sogar einen Smilie), ein durch seine Seltenheit zu vermeidender Stilbruch. Ansonsten gibt es leider viele Rechtschreib- und Grammatik- aber auch gröbere Fehler, in denen z.B. ein Verb im Satz fehlt. Grundsätzlich gibt es immer Fehler in einem Rollenspielwerk; hier aber sind doch einige durch das Raster gerutscht, genug, um mir negativ aufzufallen.

 

Die spärlichen Illustrationen sind zum Großteil Holzschnitte o.ä., die mittelalterliche Szenen zeigen, selten Zeichnungen von Rüstungen o.ä. Insgesamt sind die Bilder nicht besonders schmückend oder phantasievoll. Das Buch gleicht als mehr einer wissenschaftlichen Abhandlung als einem Quellenbuch der Küstenmagier (die mit Illustrationen und Farbdruck selten sparen). Mir selbst ist dieser Punkt nicht ganz so wichtig, weshalb das karge Design nur zu geringem Abzug in der Benotung geführt hat; wer jedoch Wert auf Illustrationen legt, könnte zu einem anderen Urteil kommen.

 

Auf den zweiten Blick

MMS:WE besteht aus einer Einführung, acht Kapiteln und fünf Anhängen sowie Glossar, Bibliographie und einem Examen. Ich werde die Abschnitte nicht einzeln durchgehen, sondern kurz zusammenfassen, da abgesehen von der Zielsetzung der Kapitel ähnlich aufgebaut sind.

 

Introduction: On Setting Concepts - Die Einführung erläutert die Zielsetzung des Buches, nämlich eine realistische Fantasy-Welt nach historischen Vorbildern aufzubauen, ohne Vorgaben von D&D zu vernachlässigen (Gleichberechtigung der Geschlechter, Gesinnungen, Magie). Eine Zielsetzung, die nicht völlig erfüllt wird.

 

Chapter One: On Those Who Toil - Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Landbevölkerung und deren Gutsherren. Welche Rechte, Pflichten, und Aufgaben gibt es in kleinen Dörfern? Welches Personal wird auf einem herrschaftlichen Anwesen benötigt? Wie wird Recht gesprochen, wann wird gesät oder geerntet? Diese und ähnliche Fragen werden hier beantwortet. Ebenso wird beschrieben, welche Arten von Magie in kleinen Dörfern bekannt sein könnten, und welche Auswirkungen Zauber wie "Pflanzenwachstum" haben können.

 

Chapter Two: Generating Manors - MMS:WE hat zwei verschiedene Arten von Kapiteln. Einerseits gibt es Einführungskapitel (wie Kapitel Eins), die eine Thematik erläutern, andererseits dann Kapitel, in denen das Objekt der Thematik erschaffen werden kann. Im zweiten Kapitel wird daher beschrieben, wie man Landgüter und Anwesen erschafft, und welche Kosten und Profite aus verschiedenen Elementen entstehen. Beispielsweise könnte man sich einen Falkner anstellen, oder aber Olivenöl anbauen bzw. mit ein wenig Glück eine Erzmine in seinem Landstrich haben. Wie viele Goldmünzen dabei verdient oder ausgegeben werden, kann man hier nachlesen.

 

Chapter Three: On the Magical Medieval City - Dieses sehr umfangreiche Kapitel beschäftigt sich mit den Städten einer mittelalterlich geprägten Fantasywelt. Die Entstehung und Macht von Gilden, Stadtteile, die Macht des Herrschers über eine Stadt, und weitere Reize und Eigenarten von Städten werden hier beschrieben. Hier wird auch auf die Stellung von Abenteurern eingegangen, die ja üblicherweise wenig sesshaft sind und damit so gar nicht dem üblichen Bewohner einer mittelalterlichen Welt gleichen. Die Auswirkungen von Magie sind natürlich ebenfalls Teil der Beschreibung.

 

Chapter Four: Generating Towns and Cities - In dem Erschaffungskapitel werden Details wie Bevölkerungsdichte, Anzahl von Gebäuden, und Einkommen in Gold für den Stadtfürsten behandelt. Auch wird dem in Spielleiterhandbuch gefundenen Machtzentrum einer Stadt eine Anzahl von Gefolgsleuten zugeordnet, die man nach Klassenstufen einordnet. Eine recht komplexe Arbeit, die sicherlich viel Zeit in Anspruch nimmt.

 

Chapter Five: Economic Simulator - Dieses kurze Kapitel ist sehr einfallsreich, versucht es doch, eine fluktuierende Wirtschaft anhand der im Spielerhandbuch angegebenen Preise zu simulieren. Grundsätzlich muss man einen w20 würfeln, um herauszufinden, ob ein bestimmter Gegenstand in der betreffenden Stadt zu kaufen ist, und wie viel teurer er ist.

 

Chapter Six: On Those Who Pray - Das sechste Kapitel handelt von der Religion in einer fantastisch-mittelalterlichen Welt. Dies ist ein Thema, dass nur sehr grob durch reale Hintergründe unterstützt werden kann, da in unserer Vergangenheit eben kein polytheistischer Pantheon angebetet wurde, sondern nur der eine wahre Gott der katholischen Kirche. Bewegungen wie Hexenverbrennung, Kreuzzüge o.ä. sind daher in fantastischen Welten nicht so leicht zu erklären. Grundsätzlich nimmt das Buch den Standpunkt ein, dass jeder Bürger einen Hauptgott hat, zu dem er dauerhaft betet, und nicht jeweils den Gott anruft, der gerade am besten zu passen scheint.

 

Chapter Seven: On Those Who Rule - Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Adel eines Landes. Der Adel ist streng hierarchisch geordnet, und wer wem Treue schwört, ist zumindest in der Theorie klar geregelt. Es wird also beschrieben, welche Rechte und Pflichten sich aus einem Treueschwur ergeben, aber auch darauf eingegangen, dass die Verhältnisse sehr oft viel komplizierter sind, als sie sein sollten. Auch wird hier beschrieben, wie eine mittelalterlich geprägte Regierung aussieht, und wie die Rechtsprechung eines solchen Landes. Eine Tabelle mit Verbrechen und ihren üblichen Strafen darf da nicht fehlen, und tut sie auch nicht.

 

Chapter Eight: Generating Kingdoms and Aristocracy - Dieses Kapitel setzt dann wieder um, was zuvor besprochen wurde. Wie groß ist ein Königreich, welches Einkommen wirft es ab, zu welchen Teilen geht das Gold an König, Hoch-, und gemeinen Adel? Die Erschaffung von Reichen baut außerdem auf den vorherigen Erschaffungskapiteln auf, insofern, als dass z.B. Einkommen von Landgütern eine Rolle spielen.

 

Appendix I - Demographics liefert in Tabellenform eine Übersicht für die Anzahl an NSC einer bestimmten Stufe für die verschieden großen Siedlungen, sowie die entsprechende Menge an Einfluss, die dadurch entsteht (Einfluss und Einflusspunkte sind für die Erschaffung von Städten recht wichtig; siehe Machtzentren).

 

Appendix II - Generating Magical Ressources beschäftigt sich mit der Menge an Magie, die einem Adeligen zur Verfügung steht. Wie viel seines Einkommens steckt er in Magie, und wie viel davon behält er am Ende eines Jahres über?

 

Appendix III - Magical Medieval King Template: In einer Welt, in der Magie und Götter Wirklichkeit sind, haben auch die Könige besondere Fähigkeiten, die ihnen von eben diesen Göttern verliehen werden. Das Template ist ganz nett um zu erklären, warum man König nicht einfach ausspioniert und ihnen besondere Fähigkeiten zu geben.

 

Appendix IV - Building System ist ein System, um die Kosten und Dauer eines Bauvorhabens zu ermitteln. Natürlich werden dabei auch Zauber in Betracht gezogen. Ein umfangreicher Anhang, der von kleinen Hütten bis zu großen Burgen alles abzudecken scheint.

 

Appendix V: A Magical Medieval Miscellany: Hier haben die Autoren einige "Quellen" fabriziert, sodass man mögliche Gildenregeln, Stadtbriefe oder Zölle auf magische Gegenstände einmal spezifisch und nicht wie sonst im Buch generell sehen kann. Auch eine kleine Sammlung von Abenteuerideen ist dabei.

 

Es folgen noch ein umfangreiches, wenn auch nicht lückenloses Glossar, eine relativ lange Liste an Buchempfehlungen und ein kleiner Wissenstest, ob man die Informationen aus dem Buch denn auch verstanden und sich gemerkt hat. An diesem "Magical Medieval Exam" kann ich nur aussetzen, dass manche Fragen im Buch nicht erklärt werden, oder so versteckt, dass ich, obwohl ich die Fragen vor der Lektüre kannte, die Antworten nicht gesehen habe.

 

Bewertung

Kommen wir also endlich zum wichtigsten Teil der Rezension: ist die Ausführung gelungen? Leider muss ich feststellen, dass die Zielsetzung des Buches nur zum Teil erfolgreich umgesetzt wurde. MMS:WE bietet einen umfangreichen und interessanten Blick auf die mittelalterliche Welt, wie er in diesem Umfang nur sehr schwer in anderen Quellen zu finden ist (wenn man nicht gänzlich in die Wissenschaft abgleiten will). Auch die Verknüpfung mit der D&D-Wirtschaft funktioniert sehr gut. Ich hatte immer Probleme, reale Beispiele von Einkommenszahlen in Goldmünzen umzusetzen, und diese Arbeit hat das Buch mir abgenommen. Auch das Problem, eine historisch monotheistische Gesellschaft durch einen Pantheon aus Göttern zu ersetzen, wird hier gut angegangen.

 

Aber es gibt auch Schwächen. Die Rolle der Magie, die im D&D-System ja sehr prominent ist, wird hier zwar besprochen. Allerdings erfolgt diese Besprechung zumeist mit Sätzen wie "Das wäre sehr nützlich, wird aber selten gemacht.", oder "Natürlich ist Magie ebenfalls wichtig". Mir fehlte z.B. eine Angabe, welchen Rang der Hofmagier des Königs innehat (nachdem eigentlich alle Posten am Hofe aufgeführt werden). Wie wird verhindert, dass man "Personen bezaubern" auf einen Händler spricht, und wie wird eine solche Tat bewiesen, wenn sie zur Anklage kommt? Auch die Anwendung von Magie im Gerichtsaal wird abgehandelt, indem Gerichte nicht zwangsläufig nach Gerechtigkeit streben und man den Zaubernden dann vertrauen müsse. Aber was ist z.B. mit dem RG Gott der Gerechtigkeit und Gerichtsbarkeit? Oder mit Paladinen und "Böses entdecken"?

 

Ebenso verhält es sich mit der bei D&D angenommenen Gleichberechtigung der Geschlechter. Es wird analog zur Magie das historische Vorbild bemüht, um dann im Nebensatz zu erwähnen, dass man für Gleichberechtigung einfach "Sohn" in "Kind" ändern könne. Andere Rassen bleiben erst recht unbenannt, was aber zu Beginn des Buches erwähnt wird und ebenso wie Anreden für verschiedene Adelige nicht ganz dem Fokus des Buches entspräche (letzteres wendet sich eher an Spieler). Auch die Auswirkungen von Gesinnungen auf die Welt bleiben nahezu unberührt (Würde ein NG König einem RB Kämpfer ein Lehen geben?).

 

Dennoch ist das Buch empfehlenswert; schon allein, weil es zumindest versucht, Magie und andere D&D-typische Annahmen in ein umfassendes Essay über das Mittelalter einzubringen. Es sind Ansätze, und in der Tat könnte man Magie zu einer nicht sehr interessanten und meistens teuren Alternative für Problemlösungen machen, wie sie hier zumeist beschrieben wird. Andererseits bieten dem geneigten SL die hier beschriebenen Rechtfertigungen auch als Begründung für Spieler, die allzu viel mit Magie lösen wollen.

 

Abschließend muss ich noch sagen, kann ich die Formulierung "magical medieval irgendwas" nicht mehr lesen. Die kommt so oft im Buch vor und erscheint mir jedes Mal als umständlich, dass sie mich im späteren Verlauf des Buches richtiggehend störte - ohne in die Bewertung einzufließen.

 

Fazit:

A Magical Medieval Society: Western Europe ist ein sehr schmuckloses Buch, das aber als sehr umfassendes Nachschlagewerk fungiert und zudem bei der Erschaffung von eigenen Welten, Königreichen oder Siedlungen gute Hilfestellungen bietet. Die Einbindung von Magie und anderen D&D-spezifischen Dingen ist nicht immer gelungen; ansonsten bietet das Buch interessante und nützliche Informationen auch für diejenigen, die einer Bestehenden Kampagnenwelt etwas mehr Leben einhauchen wollen. Die wenigen und nicht sehr fantasievollen Bilder und die vielen Fehler haben aber einen leicht negativen Anstrich hinterlassen. Grundsätzlich würde ich jedem SL empfehlen, einen Blick zu riskieren. Die relativ verhaltene Note stammt auch durch die selbst vorgegebene Zielsetzung, die leider nicht ganz erfüllt wurde.