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World of Darkness: Ghost Stories
Bewertung:
(3.8)
Von: Nicolas Hohmann
Am: 12.03.2005
Autor:Rick Chillot, Matt Forbeck, Geoff Grabowski and Chuck Wendig
Typ:
System:Storytelling System
Setting:World of Darkness
VerlagAdamant Entertainment
ISBN/ASIN:1-58846-483-0
Inhalt:128 Seiten, Hardcover
Sprache:Englisch

Ghost Stories ist eine Anthologie von fünf Szenarien für das Storytelling System, die sich alle um das Thema Geister drehen. Das Buch hat 130 s/w – Seiten und kommt im Hardcovereinband daher. Ich muss zugeben, dass ich zunächst skeptisch war, als WW ankündigte alle kommenden Bücher als Hardcovers zu produzieren, bei einer Seitenanzahl von etwas über 100 Seiten sollte doch Softcover reichen. Durch den Einband macht Ghost Stories aber richtig was her, ist stabil und sieht im Regal einfach toll aus.

Eine kleine Geschichte versetzt, wie bei WoD – Büchern heute üblich, den Leser in Stimmung auf mehr. Die Kurzgeschichte ist nicht herausragend, aber recht nett und passt ins Gesamtkonzept des Buches. Dann folgen etwa 15 Seiten allgemeiner Einleitung über das Erzählen und Schreiben von Geistergeschichten – sprich: Szenarien, in denen Geister die tragende Rolle spielen. Der Focus liegt dabei auf dem Geist. Man wird angewiesen die Hintergrundgeschichte des Geistes, seine Geistwerdung sowie die Motivation, die ihn noch auf dieser Welt hält, genau zu definieren, da davon das Erscheinen und Handeln des Geistes geprägt ist. Werte und Kräfte von Geistern werden angenehm wenig behandelt, es geht mehr um den Hintergrund und die Geschichte, die sich um den Geist spinnt. Danach geht es ans Eingemachte: Es folgen die fünf Geistergeschichten.

 

Vorsicht! Wer die Abenteuer in dem Band selbst spielen möchte, sollte hier nicht weiterlesen, denn es folgt eine Beschreibung der Szenarien.

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Dust to Dust

Das erste Abenteuer beginnt gleich mit einer Überraschung, denn es handelt nicht vom Geist eines Menschen sondern von dem einer Stadt. Die Spieler verkörpern, wie bei allen Abenteuern dieses Bandes, gewöhnliche nichtsahnende Menschen. Zufällig verfahren sich die Spielercharaktere und landen in einer verlassenen Geisterstadt, Fort Assumption, aus dem frühen 20. Jahrhundert, und prompt erleidet das Auto dann auch noch eine Panne. Merkwürdige Dinge geschehen bald, als die Stadt nämlich die Nähe von Lebenden bemerkt und die Spielercharaktere für ihre Zwecke gewinnen will. Selbstverständlich spielen die Handynetze verrückt, das Auto lässt sich nicht so leicht reparieren und außerhalb der Stadt lauern seltsame Koyoten. Man begegnet Menschen, die im nächsten Augenblick verschwinden, es sind Geräusche ohne offensichtliche Quelle zu hören und ähnliches. Außerdem haben der Geistersheriff von Fort Assumption, der diese bekämpft, und ein lebendiger Diener der Stadt Jagd auf die Spielercharaktere eröffnet. Allerlei Hinweise liegen in den alten Gebäuden herum, die die Geschichte des Forts beleuchten und hoffentlich die Spieler auf die richtige Fährte bringen. Um zu entkommen, muss Fort Assumption entweder zur Ruhe gebracht werden oder ihre Ankerpunkte, die für die Existenz von Geistern in unserer Welt essentiell sind, müssen zerstört werden. Insgesamt ein recht stimmungsvolles Abenteuer, eine Geisterstadtgeschichte, die auf unsere Zeit geupdated wurde.

 

The Terrifying Tale of James Magnus

Hierbei handelt es sich um eine klassische, düstere Spukhausgeschichte. Der Autor legt einem Kings „The Shining“ als Inspirationsquelle sehr zu Herzen, die Atmosphäre, die aufgebaut wird, ist genau dieselbe. Worum geht es? In einer abgelegenen Kleinstadt gibt es das Magnus – Anwesen, von dem jeder sagt, dass es spukt und dass schon seit Jahren leer steht. Die SC haben nun irgendeine Motivation dieses Haus doch zu untersuchen, sei es nun Neugier, sei es die Tatsache, dass sie das Haus geerbt haben. Die zwei Geister der ehemaligen Bewohner sind an das Haus gebunden, und es waren üble sadistische Menschen. Man erhält eine detaillierte Beschreibung von Haus, Handlung der Geister und Ereignissen, zusätzlich wurde auch die Kleinstadt beschrieben. Die Handlung ist frei. Idealerweise sollte sie sich natürlich steigern, also zunächst nur Gruseleffekte, dann die Geister der Hunde, die angreifen, bis hin zu den alten Bewohnern, die Eindringlinge besessen machen, um zu morden. Von Atmosphäre und Stimmung her ist es das beste Szenario aus dem Band.

 

No Way Out

Es ist die Geschichte eines Mannes, der als Geist zurückkehrt, um sich an jenen die ihm unrecht getan haben, zu rächen. Ein Mann namens Richardson führt ein Doppelleben, er unterhält zwei Familien, die nichts voneinander wissen. Um dieses Leben zu finanzieren, betrügt er die Firma, in der er arbeitet. Eines Tages wird fliegt der Betrug auf und Richardson nimmt sich das Leben. Nun sucht er seinen alten Arbeitsplatz und die Anwaltskanzlei, die die Buchprüfung durchgeführt hat, heim. Außerdem versucht er seine Familien zu beschützen, was diese jedoch mehr erschreckt als tröstet. Dem Spielleiter sind eine Vielzahl von Gründen an die Hand gegeben, wie die Spielercharaktere in den Fall involviert werden können. Auch hier findet sich das Muster, dass sich die Ereignisse langsam zuspitzen: Zunächst kommt es zu ein paar mysteriösen Vorfällen, später sterben Menschen. Die Charaktere werden Zeuge einiger dieser Vorfälle, sollten die Geschichte um den Geist ausmachen und dann einen Weg finden, den Geist Richardsons zur Ruhe zu bringen. Alles in allem ein mittelmäßiges Abenteuer.

 

Root & Branches

Der Industrielle Moth erwischt seine Frau mit dem Gärtner im Bett. Außer sich vor Wut tötet er Frau und Kinder, von denen er herausfinden musste, dass es nicht die eigenen sind. Den Gärtner hängt er am höchsten Baum seines Anwesens auf. Vor den Behörden behauptet er, der Gärtner habe die Morde begangen und sei geflohen. Bald verschlechtert sich Moths geistiger Zustand, er geht pleite und sein Anwesen wird an die Stadt verkauft... das war vor 100 Jahren. Heute ist das Anwesen ein Park, der Moth Park, der von den Bürgern zur Erholung genutzt wird. Eines Tages taucht eine Leiche auf, die schon seit einiger Zeit tot ist. Dabei haben die Spielercharaktere sie gerade gestern im Park gesehen. Es ist ein Geist, der sie nun verfolgt und um Hilfe anfleht. Im Laufe der Ermittlungen finden die Charaktere mit Hilfe eines verrückten Priesters heraus, dass der Baum mit der Essenz des Bösen verseucht ist. Nun tötet er nachts Menschen und hält ihre Seelen gefangen. Nach einem Gespräch mit dem letzten Blutsverwandten von Moth wird klar, was zu tun ist: Der Baum muss zerstört oder exorziert werden. Roots & Branches ist das zweite hervorragende Szenario aus dem Band vor allem aufgrund der ausdrucksstarken Bilder, die es zu beschwören schafft.

 

Holy Ghost

Das letzte Abenteuer ist auch das schlechteste. Es handelt von einem Priester eines heruntergekommenen Stadtviertels, der von einer Bande ermordet wurde. Diese Bande hält das ganze Viertel im Würgegriff. Der Priester kehrt als Geist zurück, um Rache zu nehmen, leider ist er verblendet und straft nun jegliche Verfehlung gegen die 10 Gebote mit dem Tod. Dies führt zu einer Reihe seltsamer Unfälle im Viertel. In ihren Ermittlungen erfahren die Charaktere die Geschichte des Priesters und müssen einen Weg finden, den Geist zur Ruhe zu bringen oder aus dieser Welt zu zwingen.

 

Fazit:

Im Allgemeinen ist zu den Abenteuern zu sagen, dass sie sehr frei gestaltet sind. Es findet sich kein einziges darunter, dass linear zu spielen wäre. Vielmehr werden die Ereignisse beschrieben, die Hintergrundgeschichte wird beleuchtet, Personen und Orte werden dargestellt. Wie sich die Geschichte nun entwickelt, liegt an Spielern und SL. Ich finde das sehr gut, doch dies führt dazu, dass ich Ghost Stories Anfängern nicht empfehlen kann, da sich die Ereignisse als sehr verwirrend darstellen können. Die Geschichten sind gelungen und durchdacht, einzige Schwäche ist Holy Ghost. Hier finde ich das Thema zu abgedroschen, außerdem gelingt es nicht, Spieler zu fesseln und in Grauen zu versetzen. Weiterhin habe ich zu bemängeln, dass alle Abenteuer nach demselben Schema ablaufen: Seltsame Ereignisse – Es ist ein Geist – Wie ist seine Geschichte? – Austreibung, entweder durch Zerstörung der Anker oder durch Taten, die ihn zur Ruhe kommen lassen. Spielt man alle Geschichten mit denselben Leuten, können sie schnell dahinter kommen, und das langweilt.

Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum die Abenteuer als ideale Präludien für die anderen WoD – Spiele angepriesen werden. Es sind nette Geistergeschichten, aber als Präludium sind sie so geeignet, wie jede andere Geschichte auch. Zusammenfassend ist zu sagen, dass es sich bei Ghost Stories um eine schöne Sammlung von „One-Shots“ handelt, die jeder WoD – Spielleiter zu hause haben sollte, falls sich mal die Gelegenheit zu spontanem Spiel ergibt.