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Ravenloft: Gazetteer Vol. V
Bewertung:
(4.7)
Von: Andreas „Trøll“ Miebach
Am: 28.03.2006
Autor:Andrew Cermak, John W. Mangrum, Steve Miller, Ryan Naylor & Andrew Wyatt
Typ:
System:D20 3.5
Setting:Ravenloft
VerlagSword & Sorcery
ISBN/ASIN:1-58846-964-6
Inhalt:176 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

Gazetteer Vol. V: Nova Vaasa, Tepest, Keening, Shadow Rift

Im fünften und leider auch letzten Teil der Gazetteer-Reihe werden die vier noch fehlenden Domänen des Kerns von Ravenloft einer eingehenden Betrachtung unterzogen: Nova Vaasa, Tepest, Keening und das Shadow Rift. Wie bei den anderen Gazetteers auch handelt es sich bei den einzelnen Kapiteln um die Reiseberichte der geheimnisvollen Gelehrten „S.“, die im Auftrag Azalins diese vier Domänen bereist und ihre Erlebnisse und Beobachtungen zu Protokoll gibt. Gewürzt wird das Ganze dann noch mit Azalins bissigen Kommentaren, wodurch die Gazetteers zu einem wahren Lesevergnügen werden und auch der streckenweise etwas unspektakuläre Stoff ansprechend vermittelt wird. Spieltechnische Werte und Informationen, die über das hinausgehen, was ein Charakter aus der Welt von Ravenloft wissen kann, wurden weitgehend in den umfangreichen Anhang sowie in separaten „Textfeldern“ (die eindeutig zu groß sind, um sie noch „Seitenbalken“ zu nennen) untergebracht, so dass sie den Lesefluss nicht stören und man klar unterscheiden kann, welche Informationen nur für die Augen des SL bestimmt sind, und welche man ggf. auch den Spielern zugänglich machen kann.

 

Aufmachung, Gestaltung und Verarbeitung

Natürlich hat der Verlag nicht für den letzten Band der Reihe das gewohnte Design und Layout über den Haufen geworfen, und so gleicht Vol. V in allen Belangen seinen Vorgängern (und auch allen anderen Softcover-Werken aus dem Ravenloft-Fundus): Nur das Cover ist farbig (und zeigt den bekannten roten Edelstein, in dem man den Ausschnitt einer Karte der Domänen, die in diesem Band enthalten sind, erkennen kann), der ganze mit Klebebindung zusammengehaltene Rest ist schwarz-weiß. Der Text ist zweispaltig, die Seitenverzierung zeigt wie üblich das angefressene Papier mit den gotisch verbogenen Metallspitzen und den beiden Raben oben und der Seitenzahl unten. Jedes Kapitel beginnt mit einer Seite, auf der sich in einem steinernen Relief, das einem Bilderrahmen ähnelt, die Bezeichnung des Kapitels und ein kurzes Zitat aus einem passenden literarischen Werk befinden, um den Leser auf das Nachfolgende einzustimmen; außerdem findet man für jede Domäne noch eine rudimentäre Übersichtskarte (die aber keine weiteren Details enthüllt als bereits aus den Grundregelwerken bekannt sind).

Gleich fünf Künstler „zeichnen“ sich für die nicht sonderlich zahlreichen Innenillustrationen verantwortlich: Talon Dunning, Jeremy McHugh, Claudio Pozas, Richard Thomas und Beth Trott, wobei die meisten Bilder von McHugh stammen und von Dunning beispielsweise lediglich die Portraits der NSC im Anhang. Außerdem hat jeweils immer ein Zeichner die Illustrationen eines Kapitels übernommen, wodurch für jede der Domänen eine eigene visuelle Atmosphäre entsteht. Die Qualität der gebotenen Werke reicht dabei von mittelmäßig bis überdurchschnittlich, wobei mir die Bilder von McHugh für Tepest und Pozas für Keening am besten gefallen.

Vol. V ist der bislang umfangreichste Gazetteer und seine 176 Seiten teilen sich in jeweils 1 Seite für Credits und Inhaltsverzeichnis, 6 Seiten für Kapitelüberschriften (je ein Kapitel für jede Domäne plus Vorwort und Anhang), 3 Seiten Werbung, 2 Seiten für zwei Übersichtskarten des Kerns von Ravenloft (auf der einen sind zusätzlich zu den Namen der Domänen noch die Städtenamen verzeichnet, auf der anderen die Namen von Flüssen, Straßen, Wäldern, Gebirgen, usw.) und 163 Seiten Inhalt auf.

 

Vorwort (5 Seiten) und Aufbau der Kapitel

Wie bei den „Doomsday Gazetteers“ üblich richtet im Vorwort die Gelehrte S. zunächst das Wort an ihren Auftraggeber Azalin und berichtet über ihre jüngsten Erlebnisse seit dem letzten Gazetteer. Dieses Mal wurde sie auf ihrer Reise von Sithicus nach Nova Vaasa von einem kleinen Trupp Vistani überfallen, der offensichtlich über ihren Auftrag und die Absichten ihres Schutzpatrons im Bilde gewesen ist und sie aufhalten wollte. Sie konnte den Vistani zwar entkommen, diese gaben ihr aber noch eine Botschaft für Azalin mit: „That which is hidden must not be found; that which is chained must remain bound!“. Den genauen Grund, warum Azalin die Doomsday Gazetteers verfassen lässt, erfahren wir leider auch in diesem Band nicht (und das werden wir wohl auch nie erfahren, da Arthaus ja inzwischen die Lizenz für Ravenloft zurückgegeben hat), aber zumindest lässt sich hieraus schlussfolgern, dass Azalin irgend etwas sucht. Etwas, das nach Meinung der Vistani besser nicht gefunden bzw. befreit werden sollte.

Danach erläutert die Autorin die Struktur ihrer Reiseberichte: Nach einem einführenden Text beginnt jeder Report mit einer ausführlichen Beschreibung der Landschaft der jeweiligen Domäne, inklusive geographischen Merkmalen, Fauna und Flora, Wasserwegen, Handelsrouten und des vorherrschenden Architekturstils.

Im nächsten Abschnitt wird die Geschichte der jeweiligen Domäne detailliert wiedergegeben, wobei S. sich hier allerdings etwas schwer tut: Als Einheimische Ravenlofts weiß sie nichts von anderen Welten oder Ebenen und nimmt nur die geschichtlichen Ereignisse der jeweiligen Domänen seit deren Auftauchen in Ravenloft als Tatsache an. Alles, was davor geschehen ist (bzw. sein soll), bezeichnet sie als „False History“ und stellt deren Wahrheitsgehalt in Frage – sie kennt zwar auch die Theorien von anderen Ebenen, geht aber davon aus, dass die Domänen bei ihrem Auftauchen in Ravenloft quasi aus dem Nichts erschaffen werden und dabei die Erinnerung an eine Vorgeschichte den Einwohnern in den Kopf gepflanzt wird.

Es folgt ein Abschnitt über die Bevölkerung, in dem es um Aussehen, Kleidungsstil, Verhalten, Sitten und Bräuche, die Küche, die vorherrschende Religion, Lebensstil und Ausbildung, die Einstellung gegenüber Magie und die Sprache geht. Letzteres sorgt immer mal wieder für unfreiwillige Komik, da die amerikanischen Autoren – wohl, um eine fremdländische Atmosphäre zu erzeugen – gerne Wörter aus einem Mischmasch diverser europäischer Sprachen bilden, scheinbar ohne deren genaue Bedeutung zu kennen oder sich darum zu scheren (so werden die alten Einwohner Nova Vaasas beispielsweise „Gammel Vaasi“ genannt und der Sohn der Lady of the Lake heißt „Madchen“...).

Der folgende Abschnitt beschreibt die Staatsform der jeweiligen Domäne, was die Machtverteilung, die Regierung, die Strafverfolgung und die vorherrschende Haltung der Bevölkerung gegenüber den Machthabern beinhaltet, aber auch die wirtschaftliche Macht, Währung, natürliche Ressourcen, relevante Industriezweige und die diplomatische Situation mit den Nachbardomänen. Nicht zuletzt stellt S. hier sogar Vermutungen über die Identität des jeweiligen „Dread Lords“ an.

Im letzten Abschnitt folgen dann die „Sites of Interest“: Eine genaue Beschreibung aller erwähnenswerten Stationen der Reiseroute der Gelehrten S., wobei es sich hauptsächlich um die größeren Städte der Domäne handelt, aber auch um bestimmte, einzelne Bauwerke wie z.B. Festungen – inklusive Hinweisen über die Qualität der Gasthäuser vor Ort. Jeder Bericht endet dann mit ein paar abschließenden persönlichen Anmerkungen über die Domäne.

Auch an SL-Informationen wird einiges geboten: Jeder Report beginnt mit einem „Datenblatt“ der entsprechenden Domäne, auf dem die kulturelle und wirtschaftliche Stufe, Klima/Terrain, das Entstehungsjahr, die Gesamtbevölkerung, die Aufteilung in Völker und ethnische Gruppierungen nach Prozenten, verbreitete Sprachen, ausgeübte Religionen, die Regierungsform, der formelle Herrscher und der Darklord aufgeführt sind. Im Abschnitt über die Landschaft findet man eine Auflistung aller in der Domäne lebenden Kreaturen, aufgeteilt nach Wildtieren und Monstern, aufsteigend sortiert nach Herausforderungsgrad. Bei den Monstern wird sich hier nicht nur auf das „Monster Manual“ und die „Denizens of Dread“ beschränkt, sondern man bedient sich auch im „Monster Manual II“ und im „Fiend Folio“. Im Abschnitt über die Bevölkerung findet man Hinweise darüber, wie man einen Spielercharakter aus der jeweiligen Domäne aufbauen kann, was sich in Empfehlungen für Volk, Klasse, Fertigkeiten und Talente, sowie eine Liste typischer Frauen- und Männernamen widerspiegelt. Im Abschnitt über die Regierung werden die Spielwerte typischer Vertreter der Staatsmacht geliefert, für den Fall, dass die SC mit diesen kollidieren. Bei den „Sites of Interest“ gibt es für jede Stadt einen Werteblock, wie man ihn auch aus anderen Modulen kennt, mitsamt einer Liste von Autoritätspersonen und wichtigen Charakteren. Schließlich und endlich gibt es noch die sogenannten „Dread Possibilities“ – Abenteuerideen, die sich aus dem Text des Reiseberichts herleiten (wovon sich in diesem Band aber leider nur ganze drei Stück befinden), und jedes Mal, wenn die Autorin in ihren Berichten auf die „Attached Notes“ verweist, finden sich weitere Informationen im umfangreichen Anhang.

Wie man anhand dieser Aufzählung bereits erahnen kann, ist die Fülle der hier gebotenen Informationen immens und übertrifft bei Weitem alles, was man bisher aus den offiziellen Kampagnen-Sets oder einzelnen Abenteuern zu den jeweiligen Domänen erfahren konnte. Für Ravenloft-SL, die auf der Suche nach Hintergrundmaterial für diesen Bereich der Kampagnenwelt sind, dürfte hier kaum ein Wunsch unerfüllt und kaum eine Frage unbeantwortet bleiben.

 

Report One: Nova Vaasa (34 Seiten)

Nova Vaasa zählt zu jenen Domänen, die bis auf die Einträge in den diversen Ravenloft-Kampagnen-Sets bisher wohl mehr oder weniger ein Schattendasein geführt haben. Es gibt lediglich ein einziges offizielles Abenteuermodul, das hier angesiedelt war („The Awakening“ aus dem Jahr 1994), jedoch war dieses nur wenig populär, und somit dürfte wohl auch nur eine geringe Anzahl von Abenteurergruppen bis hierher vorgedrungen sein. Zwar existiert auch ein Ravenloft-Roman über den Herrscher dieser Domäne („The Enemy Within“, ebenfalls von 1994), dieser wurde jedoch inzwischen als „nicht kanonisch“ eingestuft. Nova Vaasa stammt ursprünglich aus den Vergessenen Reichen – es handelt sich um einen Teil von einem der „Kalten Lande“: Vaasa. Allerdings hat es nicht (mehr) viel mit diesem gemein.

Weite, grasbedeckte Ebenen bestimmen das Landschaftsbild Nova Vaasas, und so ergeht sich der Bericht in einer Beschreibung der verschiedenen Grasarten, die dort vorzufinden sind. Bevölkert wird diese Steppe hauptsächlich von Pferden, die hier sehr erfolg- und ertragreich gezüchtet werden. Fünf verschiedene Pferdearten werden ausführlich vorgestellt, vom Ackergaul bis zum Rennpferd. An Wildtieren verdient die „Plains Cat“, eine Art Panther, der auch Menschen gefährlich werden kann, besondere Erwähnung. Die Geschichte Nova Vaasas erzählt davon, dass ursprünglich mehrere Familienclans in diesem Land gelebt haben, die sich erst gegenseitig bekämpft, dann aber unter einem Herrscher zusammengerauft und das Land unter sich aufgeteilt haben. Künftig sollte jeder der fünf großen Familienclans abwechselnd herrschen, indem der amtierende Prinz nach einer bestimmten Zeit das Zepter an einen Nachfolger aus einer bestimmten anderen Familie überreicht. Prinz Othmar Bolshnik weigert sich aber nun schon seit mehreren Jahrzehnten beharrlich, sein Amt niederzulegen, und knechtet das Volk mit erdrückenden Steuern. Aus diesem Grund besteht die gesamte Bevölkerung eigentlich nur noch aus zwei Klassen: Den bettelarmen Bauern und den stinkreichen Adligen. Die fünf großen Familien Bolshnik, Chekiv, Hiregaard, Rivtoff und Vistin werden hier mitsamt ihren Beziehungen untereinander ausführlich beschrieben. Das Volk erträgt die Steuerlast ohne großes Murren, da die Kirche des „Lawgivers“, die in Nova Vaasa Staatsreligion ist, genau dies predigt (obwohl die beengten Städte vor Bettlern und Strolchen nur so überquellen). Bei den „Sites of Interest“, werden die Städte Arbora, Bergovitsa, Kantora, Egertus, Ehrendton, Liara und die Burg Faerhaaven genauer unter die Lupe genommen.

Nova Vaasa ist sicherlich keine besonders angenehme Domäne, andererseits taucht beim Lesen aber auch unwillkürlich die Frage auf, wo denn nun der spezielle Horror liegt, durch den sich eine Ravenloft-Domäne gemeinhin auszeichnet – hohe Steuern und Armut gibt es schließlich auch anderswo. Um es kurz zu machen: Ein spezielles Horror-Element besitzt Nova Vaasa nicht – es ist lediglich die Kulisse für die Untaten des wahnsinnigen Serienmörders Malken. Somit ist dieser Bericht leider etwas unspannend, nichtsdestotrotz erhält man mit den hier gegebenen Informationen natürlich immer noch eine Menge Hintergrundmaterial, das sich in einer Ravenloft-Kampagne in Nova Vaasa hervorragend einsetzen lässt.

 

Report Two: Tepest (38 Seiten)

Auch das kleine Tepest hat sicherlich in den meisten Ravenloft-Kampagnen eher eine Nebenrolle gespielt, zumindest bis 1998 die Abenteuer “Servants of Darkness” und dessen Nachfolger “The Shadow Rift” erschienen sind, in denen die Domäne weitgehend ausgearbeitet und zu einem der Haupt-Schauplätze dieser Kampagne erkoren wurde. Ich hatte Tepest bis dato immer ein bisschen belächelt, da es für mich das Ravenloft-Äquivalent eines verwunschenen Märchenwaldes war und ich mir immer vorgestellt hatte, dass die drei Hexen in so einer Art Knusperhaus leben würden.

Ganz so schlimm ist es zwar nicht, aber Tepest enthält durchaus einige märchentypische Elemente: Tiefe, bedrohliche Wälder, in denen unzählige Gefahren lauern, eine bäuerliche, abgeschieden lebende und extrem abergläubische Gesellschaft, Feenwesen, die versuchen, die Menschen zu verführen, und nicht zuletzt die bösen Hexen. Die Geschichte Tepests dreht sich, ähnlich wie die Nova Vaasas, um verschiedene Familienclans, die um die Oberherrschaft stritten. Das wichtigste Ereignis in der Vergangenheit Tepests war aber wohl die Grand Conjunction und das damit verbundene Auftauchen der Schattenkluft an dessen Westgrenze. Denn seit diese geheimnisvolle Schlucht erschienen ist, wird die Bevölkerung unablässig von marodierenden „Shadow Fey“ geplagt, die ausgerechnet hier einen Ausgang aus ihrem finsteren Refugium gefunden haben. Als Reaktion auf diese Bedrohung hat die Kirche des Belenus eine Inquisition ins Leben gerufen, die mit Personen, die im Verdacht stehen, mit den Fey gemeinsame Sache zu machen, nicht gerade zimperlich umgeht – als Nichtmensch oder Magieanwender landet man schnell nach einem unter der Folter erzwungenen Geständnis auf dem Scheiterhaufen. Sich in die Wälder zu flüchten, ist auch keine gute Idee: Hier warten zahlreiche Goblinstämme darauf, dass irgendetwas in ihre heimtückischen Fallen tappt. Und wenn sie eine Abenteurergruppe erwischen, dann kann es leicht passieren, dass sie sie zu ihren Herrinnen, den „Dark Mothers“, bringen – und dann wird’s erst richtig unangenehm. Unter den „Sites of Interest“, die von der Gelehrten S. besucht werden, befinden sich neben den Ortschaften Kellee, Viktal, Linde (bekannt aus dem Ravenloft-Roman „Hort des Bösen“) und Briggdarrow auch das „Castle Island“, eine Taschendomäne im Lake Kronov, die von der „Lady of the Lake“ beherrscht wird (stammt ursprünglich aus dem Abenteuer „Servants of Darkness“), und die „Cottage of the Sisters Three“ – die Hütte, in der die Darklords von Tepest hausen. Das „Castle Island“ und die „Cottage“ werden von der Gelehrten S. allerdings nur mehr oder weniger aus der Ferne beobachtet, was nicht nur Azalin, sondern auch mich etwas enttäuscht hat, da dadurch leider auch die gebotenen Informationen in Mitleidenschaft gezogen werden. Hier hätte ich mir eine andere Lösung gewünscht, auch wenn es zweifelsohne problematisch gewesen wäre, eine nähere Inspektion dieser Schauplätze vor dem Hintergrund eines Reiseberichts storytechnisch umzusetzen.

Nach der Lektüre dieses Berichts muss ich unumwunden zugeben, dass sich Tepest zu einer Domäne entwickelt hat, die sich ganz hervorragend als Hintergrund für gruselige Abenteuer eignet. Nicht nur die Atmosphäre ist dem sehr zuträglich, auch entsprechende Aufhänger finden sich hier fast wie von selbst.

Bemerkenswert ist eine Begegnung, von der S. in den „Final Thoughts“ berichtet: Ein charismatischer Gentleman rettet sie aus einer Goblinfalle, und dieser entpuppt sich offenbar als Machtfigur. Er will wissen, was sie mit seinen Kindern vor hat, denn in ihren Berichten würden sich fünf davon wiederfinden. Wer damit gemeint ist, wird zwar nicht explizit erwähnt, aber es kann wohl angenommen werden, dass er mit „Kinder“ die Darklords meint, die bis hierhin erwähnt wurden: Die drei Hexen, Malken und die Lady of the Lake. Bisher standen die „Dark Powers“ von Ravenloft immer über dem Geschehen und wurden aus gutem Grund nie genauer definiert. Anscheinend hatte Arthaus vor, dies zu ändern.

 

Report Three: Keening (13 Seiten)

Keening zählt wohl zu den unwirtlichsten Domänen des Kerns. Kaum ein Abenteurer wird es hier lange aushalten – zumindest nicht, solange er noch lebt – und so gestaltet sich auch der Besuch der Gelehrten S. nur relativ kurz. Selbst diese kurze Zeit muss sich S. (unfreiwillig) mit dem Leben des Babys erkaufen, dass sie bereits in Nova Vaasa in einem Waisenhaus erworben und seither zur Tarnung mit sich geführt hatte. Die Herrin der Domäne, Tristessa, ist nämlich ständig auf der Suche nach ihrem Kind, und mit einer entsprechenden Opfergabe kann man sie für eine gewisse Zeit gnädig stimmen.

Landschaftlich hat Keening nicht viel zu bieten. Die Domäne besteht hauptsächlich aus dem Berg Mount Lament, der „City of the Dead“ und einem kleinen Landstreifen ringsherum. Tierisches und pflanzliches Leben fehlt völlig, die Domäne wird lediglich von Untoten und einigen Wahnsinnigen, die aus anderen Domänen hierher geflohen sind, bevölkert. Der Himmel ist immer bedeckt und ein unaufhörlicher, heulender Wind zerrt an den Nerven eines jeden sterblichen Besuchers. Neben der Stadt der Toten, in der die skelettierten Einwohner ihrer alltäglichen Beschäftigung nachgehen (sie durchleben jeden Tag ihre Vernichtung erneut), wagt S. tatsächlich den gefährlichen Aufstieg auf den Mount Lament und findet sogar einen Eingang in dessen unterirdisches Labyrinth. Dort trifft sie auf einige Überreste der Zivilisation, die früher in dieser Gegend existiert hat, und auf „Rutternettle“, einen Untergebenen Tristessas, der ihr nach einem kurzen Plausch empfiehlt, sich schnellstmöglich aus dem Staub zu machen, da Tristessas Gunst sich ihrem Ende nähert.

Ein Satz aus den „Final Thoughts“ von S. über diese Domäne trifft es eigentlich auf den Punkt: „Keening is best left to Tristessa and her undead minions“. Möchte man Abenteuer in Keening leiten, dann muss man seine SC schon mit Gewalt oder mit einer speziellen Mission dorthin zwingen (wie in dem Abenteuer „Servants of Darkness“). Bleibt noch anzumerken, dass Tristessa kein Banshee mehr ist (wie noch in der 2nd Edition), sondern eine „Sith Widderribhinn“ vom Volk der Arak – die gleichen Arak, die nun im Shadow Rift hausen.

 

Report Four: The Shadow Rift (26 Seiten)

Die Schattenkluft zählte lange Zeit zu den mysteriösesten Dingen in Ravenloft. Nach der Grand Conjunction klaffte an der Stelle, an der sich zuvor G’Henna und Markovia befunden hatten, plötzlich nur noch ein großes, offenbar bodenloses Loch, angefüllt mit schwarzem Nebel. Erst 1998 erschien das Abenteuer „The Shadow Rift“ und brachte Licht in dieses Dunkel – allerdings nur im übertragenen Sinne. In diesem Buch besucht die Gelehrte S. die Kluft übrigens nicht selbst (da sie keinen Zugang findet – einfaches Reinklettern funktioniert nämlich nicht), sondern erstellt ihren Bericht auf der Grundlage von Zeugenaussagen und anderen Hilfsmitteln.

Wenn man die Besonderheiten des Shadow Rifts aufzählen möchte, dann weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Im Großen und Ganzen ist alles wie gewohnt – es gibt Erde, Steine, Pflanzen, Tiere und von einzelnen Ausnahmen abgesehen gelten auch hier die Naturgesetze. Im Detail aber ist alles ein wenig anders: Flüsse bestehen nicht zwangsläufig aus Wasser und fließen auch nicht immer bergab, herabfallendes Laub versucht wieder, auf den Baum zu kriechen und sich wieder anzuheften, das Gras schreit, wenn man auf es tritt – und dies sind nur einige der Absonderlichkeiten, auf die man in der Schattenkluft treffen kann. Weniger vergnüglich sind sicherlich andere Effekte, z.B. dass es im gesamten Shadow Rift kein Tageslicht gibt, oder dass hier die Zeit wesentlich schneller läuft als im Rest der Welt. Das Tal teilt sich in zwei Regionen, nämlich die nördlichen „Greenlands“ und die südlichen „Stonedowns“, die noch einmal ein ganzes Stück tiefer liegen und von den Hauptbewohnern der Schattenkluft, den Shadow Fey, gemieden werden. Wie ihre Domäne sind auch die Schattenfeen zweigeteilt: Zum einen in den „Seelie Court“, einer eher neutralen politischen Fraktion unter der Führung von Maeve, und zum anderen in den „Unseelie Court“, der finsteren Seite unter Führung des Schattenprinzen Loht. Für die genauen Ausführungen zum Volk der Schattenfeen und den zahlreichen Unterarten, die dieses hervorgebracht hat, wird hier glücklicherweise nicht noch einmal Platz verschwendet, denn zu diesem Zweck gibt es ja bereits den „Van Richten’s Guide to the Shadow Fey“ (siehe auch die Rezension dazu hier im Gate). Die Geschichte dieses Volkes wird hier aber ausführlich erzählt, von ihrem langen Leben in Sklaverei unter einem mächtigen cthulhoiden Wesen auf der Schattenebene, über ihre gelungene Flucht nach Ravenloft, den Begebenheiten, die zur Entstehung Tristessas und Keenings geführt haben, bis hin zu den Ereignissen des Abenteuers „The Shadow Rift“. Bei den „Sites of Interest“ finden wir die Städte Anvolee, Esmerth und Beliviue, sowie den „Malachite Palace“, „Arak’s Tomb“, das „Obsidian Gate“, den „Midnight Garden“ und die „Shifting Sands“. Erfreulich ist, dass es zwischen den hier und den im Anhang des Abenteuers „The Shadow Rift“ beschriebenen Orten nur wenige Überschneidungen gibt, wodurch sich die beiden Werke hervorragend ergänzen.

Die Schattenkluft zählt sicherlich zu den fremdartigsten Domänen von Ravenloft – die Spieler werden sich hier vorkommen wie Alice in einem ziemlich düsteren Wunderland. Für einen kurzen Abstecher ist dies sicherlich interessant, aber ob man auch längere Kampagnen in der Schattenkluft erleben möchte, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich habe jedenfalls die Befürchtung, dass diese ganzen Absonderlichkeiten irgendwann an Reiz verlieren und sogar regelrecht ermüdend werden. Nichtsdestotrotz hat man mit diesem Bericht natürlich eine hervorragende Grundlage für Abenteuer, die in einer mal wirklich ungewöhnlichen Gegend spielen.

 

Attached Notes: DM’s Appendix (47 Seiten)

Wie bereits erwähnt enthält der Anhang jede Menge Spielleiter-Material. Er beginnt mit einer ausführlichen Beschreibung der Religion des „Lawgivers“, einschließlich Doktrin, Hierarchie und Entstehungsgeschichte – sehr schön! Es folgen zwei 10-stufige Prestigeklassen – „Tepestani Inquisitor“ (besonders effektiv im Kampf gegen die Shadow Fey) und „Zelldrow“ (Shadow Fey, die zum Glauben der Spinnenkönigin konvertiert sind, und die dabei das Aussehen von Drow annehmen), die beide gut ausgearbeitet und hauptsächlich auf Kleriker ausgelegt sind. Der Zelldrow besitzt jedoch einige Fähigkeiten, die im „Book of Vile Darkness“ beschrieben sind (und zwar nur dort, nicht hier). Unter dem Abschnitt „New Magic“ finden sich dann drei neue klerikale Domänen für den Lawgiver und Hala sowie neun neue Zauber, die allerdings sehr speziell und für SC kaum von Nutzen sind (die drei Hexen von Tepest verwenden z.B. einige davon, um ihre Goblins zu buffen). Weiter geht’s mit zwei Gruppen von Artefakten, und zwar zum einen den „Hands of Power“ (abgetrennte Leichenhände, die zu Kerzen umfunktioniert wurden und beim Anzünden bestimmte Effekte auslösen) und zum anderen den „Regalia of Arak“ (die Insignien des ehemaligen Herrschers der Arak, wobei es sich um diverse Kleidungs- und Schmuckstücke sowie einige Waffen und andere Gegenstände handelt – jedes einzelne von ihnen ein mächtiges Artefakt). Neue Monster dürfen natürlich auch nicht fehlen, und so findet man hier eine neue Form von Arak („Gwytune“, Humanoide mit Ziegenhörnern, welche die arkanen Magiebegabten unter den Arak sind), den Avanc (das krokodilähnliche Monster, das im Lake Kronov lebt), das Goblin Beast (eine Art Goblin-Schablone für Tiere), die Scourged (eine Schablone für Zombies, die aus normalen Zombies jene besondere Form macht, die in der Stadt Marbh-Cathair in Keening vorkommt) und die Widderribhinn (eine Schablone für untote Shadow Fey – körperlose Wesen, die als Augen und Ohren für Tristessa fungieren).

Der letzte und größte Abschnitt des Anhangs beinhaltet jedoch die Beschreibungen für die folgenden NSC: Othmar Bolshnik (offizieller Regent von Nova Vaasa), Gwydion the Sorcerer-Fiend (das cthulhoide Wesen, das der eigentliche Darklord des Shadow Rifts ist), Sir Tristen Hiregaard/Malken (Darklord von Nova Vaasa), die Lady of the Lake (Darklord von Castle Island), Loht (Prinz der Schatten aus dem Shadow Rift), Maeve (Die „Faerie Queen“ aus dem Shadow Rift), die Three Hags (Darklords von Tepest), Tristessa (Darklord von Keening), und Wyan of Viktal (Kopf der Inquisition in Tepest). Für sämtliche NSC findet man einen Werteblock und ausführliche Beschreibungen ihres Hintergrunds, der momentanen Situation, ihres Kampfverhaltens und ihres Domizils, genau so wie man es bereits aus dem Band „Secrets of the Dread Realms“ kennt. Bei den Einträgen für Sir Tristen Hiregaard und die Three Hags handelt es sich sogar um wortgetreue Abschriften aus diesem Werk, Tristessa jedoch wurde überarbeitet (die Werteblöcke haben aber natürlich alle ein Update auf die 3.5E erfahren).

 

Fazit

Ich gebe unverhohlen zu: Ich liebe die Gazetteers – und dieser hier zählt zweifelsohne zu den besseren aus dieser Reihe. Für jeden Ravenloft-SL kann man Vol. V uneingeschränkt empfehlen, für SL, die Abenteuer in dieser Ecke der Kampagnenwelt leiten oder dies planen, ist er sowieso ein absoluter Pflichtkauf. Umfangreichere Informationen über den südöstlichen Kern findet man nirgends, erst recht nicht so ansprechend präsentiert. Inhaltliche Wiederholungen wurden auf ein Minimum reduziert, so dass man sein 2nd-Edition-Material nicht zum Altpapier geben muss; widersprüchliche Angaben aus alten Modulen, Romanen und Quellenbänden wurden ausgeräumt und klarifiziert. Gäbe es ein paar mehr „Dread Possibilities“ und nähere Informationen zu den Orten, die S. nur aus der Ferne beobachtet hat (insbesondere Castle Island), hätte ich an diesem Buch nicht das Geringste auszusetzen gehabt. Nichtsdestotrotz haben die Autoren hier hervorragende Arbeit geleistet und die Reihe zu einem würdigen Abschluss gebracht.

 

Anmerkung der Redaktion:

Leider gibt es die Ravenloft-Reihe nicht mehr, d.h. sie wurde eingestellt, weswegen es sein kann, daß dieses Buch ebenfalls schwerer zu bekommen ist. Aber es gibt sicherlich noch Restbestände und bei Ebay kann man auch noch Glück haben. Eventuell gibt es auch eine PDF-Variante.