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Creatures of Freeport
Bewertung:
(4.8)
Von: Stephan Schobloch
Alias: Talwyn
Am: 16.10.2006
Autor:Graeme Davis, Keith Baker
Typ:Supplement
System:d20 v3.5
Setting:Freeport: The City of Adventure
VerlagGreen Ronin Publishing
ISBN/ASIN:1-932442-19-7
Inhalt:96 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

Creatures of Freeport

„Monster kann man eigentlich nie genug haben.“ So oder so ähnlich lautet eine weit verbreitete Weisheit unter D&D-Spielern, und gegen diese Aussage lässt sich grundsätzlich nichts einwenden. Aus diesem Grund war auch mein erster Blick auf die Beschreibung von „Creatures of Freeport“ zunächst recht skeptisch. Nur 17 neue Monster sowie eine Handvoll neuer Tiere und Ungezieferarten bietet das 96 Seiten starke Softcover aus dem Hause Green Ronin. Wie der Titel weiterhin verrät, handelt es sich bei dem Werk um eine Sammlung von Kreaturen, die speziell für das verlagseigene Mini-Setting um die Piratenstadt Freeport entwickelt wurden. Ob das Buch sein Geld trotzdem wert ist, und ob auch Spielleiter außerhalb von Freeport Nutzen aus diesem Werk ziehen können, soll in dieser Rezension geklärt werden.

Beginnen wir mit den technischen Details, die ja teilweise schon genannt wurden: Creatures of Freeport (CoF) ist ein Softcover-Band mit 96 Seiten. Als Autoren konnte Green Ronin Graeme Davis (u.a. World of Darkness) und Keith Baker (u.a. Eberron Campaign Setting) verpflichten. Das Titelbild von Wayne Reynolds ist farbig, während der gesamte Innenteil des Buchs in schwarz-weiß gehalten ist. Bei der Qualität von Illustrationen scheiden sich bekanntlich die Geister, ich persönlich bin jedoch der Ansicht, dass die textbegleitenden Zeichnungen in CoF sehr ansprechend und professionell gestaltet sind. Das Layout ist – wie bei Green Ronin üblich – zweispaltig gehalten, wobei die Schriftgröße etwas größer ist als bei anderen Publikationen des Verlags. Die Seitenränder sind gewohnt schmal und verzichten auf verschwenderische Ornamente. Die erste Seite teilen sich Respektblatt und Inhaltsverzeichnis, Seite zwei beinhaltet die obligatorische Open Gaming License (hierzu später noch mehr) und auf der dritten Seite schließlich findet man eine kurze Einleitung. Ab Seite vier geht es dann aber gleich mit dem eigentlichen Inhalt los, der sich bis einschließlich Seite 94 erstreckt. Auf der vorletzten Seite findet sich ein Kreaturenregister, sortiert nach dem Challenge Rating (= CR, enthalten sind Kreaturen von CR 1/6 bis CR 20). Bei gerade einmal 17 neuen Monstern ist so ein Register vielleicht nicht zwingend notwendig, aber trotzdem allemal nützlich. Die letzte Seite schließlich ist eine Werbeanzeige.

Sämtliche Spielwerte in Creatures of Freeport sind Open Content, wobei der Begriff „Spielwerte“ hier über den reinen Statistikeintrag hinausgeht und auch die Informationen zum Kampfverhalten und zur Verwendung der Monster im Spiel einschließt, sowie den Abschnitt „Knowledge“, der sich bei jedem Kreatureneintrag findet und angibt, was die Charaktere mit den einschlägigen Fertigkeiten über ein bestimmtes Monster herausfinden können.

Nun soll es aber tatsächlich um die vorgestellten Kreaturen gehen, und um die Frage, ob es sich lohnt, für 17 Monster knapp 18 Euro auszugeben. Beim Durchblättern des Buches fällt zunächst auf, dass die Kreaturen vom Ansatz her durchwegs recht originell sind, ohne dabei abstrus zu wirken, wie das bei vielen Monsterbüchern leider der Fall ist, die den Spielleiter mit einer Schwemme von fliegenden, dreibeinigen, rosafarbenen, Feuer speienden, untoten Drachen mit grünen Punkten versorgen, bei denen schon alleine die Illustrationen im besten Fall ein müdes Lächeln hervorrufen können.

Was also bietet Creatures of Freeport? Auszugsweise seien hier drei der enthaltenen Kreaturen kurz vorgestellt:

Das „Dead Man’s Brain“ ist eine merkwürdige Korallenart in Form eines übergroßen menschlichen Gehirns, die bevorzugt auf alten Schiffswracks wächst und sich von der Energie verstorbener intelligenter Lebewesen „ernährt“. Das „Totenmannshirn“ (Anm. d. Red.: freie Übersetzung) verfügt über einige psionische Fähigkeiten, mit denen es potenzielle Opfer dazu bringt, sich ihm zu nähern und es zu berühren. Wenn das Opfer dies tut, injiziert die Koralle dem verwirrten Ziel eine Ladung von Sporen, aus denen dann innerhalb von nur wenigen Tagen ein neues Totenmannshirn wächst, was zum Tod des Opfers führt. Nur mächtige Magie kann ein Opfer des Totenmannshirns retten, wenn es von den Sporen infiziert wurde.

Neben diesen rein regeltechnischen Informationen enthält der Eintrag Informationen darüber, was man mit Fähigkeiten wie Bardenwissen oder den einschlägigen Wissensfertigkeiten über das Totenmannshirn herausfinden kann. Ein niedriges Wurfergebnis enthüllt zum Beispiel nur einen kleinen Informationshappen, nämlich dass man, mit der richtigen Technik, die in der Koralle gefangenen Seelen zum Sprechen bringen kann. Allerdings ist für den Spieler hier nicht klar, ob es sich dabei um die Wahrheit oder um frei erfundenes Seemannsgarn handelt. Ein besserer Wurf bringt mehr Informationen und ein sehr gutes Würfelergebnis verrät Details, die in einem Kampf einen entscheidenden Vorteil bringen könnten.

Darüber hinaus enthält der Eintrag jede Menge „Fluff“, wie z.B. Abenteuerideen oder Möglichkeiten, ein Totenmannshirn zu Zauberkomponenten oder magischen Gegenständen zu „verwursten“. Angereichert wird das Ganze durch einen Flavour-Text im Stil der Erzählung eines nach Rum stinkenden Seemanns mit Holzbein und Augenklappe (unter dem schönen Titel „Beastes of Ye Farre Lands“).

Weiter hinten in CoF stolpern wir über den „Wereshark“ (Werhai), der, wie man erwartet, in der Tradition des Werwolfs steht, nur eben einen Hai als „Tierkomponente“ verwendet. Wer glaubt, dass es sich hierbei um ein schnell und billig entworfenes Monster handelt – denn Werhaie gab es schon in anderen Publikationen und außerdem bedienen sich die Designer hier ja eines etablierten Kreaturenkonzepts, was den eigenen Aufwand verringert – der täuscht sich gewaltig. Der Eintrag des Werhais erstreckt sich über ganze acht Seiten und beinhaltet neben den obligatorischen Spielwerten und den oben genannten weiterführenden Informationen auch einen kompletten Beispiel-NSC samt Hintergrundgeschichte und eigenen Abenteueraufhängern.

Allein dieser Charakter ist detaillierter ausgearbeitet als so mancher Oberschurke in einem typischen d20-Abenteuermodul. Es handelt sich bei ihm um einen seeelfischen Priester des Meeresgottes, der von einem Werhai mit Lykanthropie infiziert wurde und als Folge von seiner Kirche verstoßen wurde. Nun zieht er einsam und verbittert durch die Welt und ist hin und her gerissen zwischen seinem Glauben und dem Wunsch nach Anerkennung, Vergeltung und Gerechtigkeit.

Als drittes und letztes Beispiel soll der/die/das „Malkin“ dienen, eine Art intelligenter Wesen, die rein äußerlich an besonders große Hauskatzen erinnern, tatsächlich aber über telepathische Fähigkeiten und vor allem den wahren Blick verfügen, der ihnen die Welt zeigt, wie sie tatsächlich ist. Malkins schließen sich hin und wieder Menschen an, allerdings sind sie unberechenbar und sprunghaft und machen sich wieder aus dem Staub, sobald sie das Interesse an ihrem zweibeinigen Gefährten verloren haben, was von einem Tag auf den anderen geschehen kann. In Freeport gibt es gar einen Malkin, der sich in der örtlichen Universität eingenistet hat und dort von den Studenten scherzhaft als „Professor Tibbs“ bezeichnet wird – ohne dass irgendjemand wüsste, dass die vermeintliche Katze nachts tatsächlich das Wissen des Instituts an ihre pelzigen Artverwandten weitergibt.

Anhand dieser drei Beispiele erkennt man recht gut, dass die Wesen in Creatures of Freeport nicht nur originell sind, sondern auch ausgesprochen detailliert beschrieben werden. Sowohl Crunch als auch Fluff sind reichlich und auf hohem Niveau vorhanden – bleiben nur noch wenige Fragen offen.

Wie sieht es beispielsweise mit dem Nutzwert des Buches aus, wenn man seine eigene Kampagne nicht in Freeport angesiedelt hat? Diese Frage ist leicht zu beantworten. Der Fluff-Anteil bezieht sich teilweise auf die Piratenstadt, meist kann man hier den Namen Freeport aber durch den einer beliebigen Hafenstadt ersetzen, ohne dass dadurch ein Verlust entstehen würde. Der Crunch-Anteil ist selbstverständlich vollkommen generisch und kann in jeder Spielwelt unverändert eingesetzt werden (es gibt keine Verweise auf andere Regelwerke jenseits der D&D Core Rules).

Ein letzter Punkt ist die Frage nach der Ausgewogenheit der vorgestellten Regeln. Sieben Jahre nach der Veröffentlichung von D&D 3.x hat sich herausgestellt, dass das CR-System allenfalls als grobe Richtlinie taugt, und die Liste der Monster mit völlig unpassendem CR in verschiedenen Publikationen ist lang und unübersichtlich. Bei einem ersten Test von CoF musste ich leider feststellen, dass das CR des „Dead Man’s Brain“ mit 2 fast etwas niedrig angesetzt ist. Meine Gruppe, bestehend aus fünf Charakteren der Stufen 4 bis 5, musste beinahe alle ihre Zauber verbrauchen, um mit drei der mysteriösen Korallen fertig zu werden – wobei der Aufbau der Begegnung zugegebenermaßen den Totenmannshirnen einen deutlichen Vorteil verschaffte. Insgesamt ist es sicherlich schwierig, das Challenge Rating eines Wesens korrekt einzuschätzen, weshalb ich hier auch nur vorsichtige Kritik üben möchte. Abgesehen von diesem Erlebnis mit den „Hirnen“ scheinen die Monster zumindest auf dem Papier recht passend eingeordnet zu sein, vor allem wenn man bedenkt, dass ein CR von 2 heute nicht mehr dasselbe ist, wie vor fünf oder sechs Jahren (bedingt durch eine Spirale von immer mehr, immer stärkeren Klassen und Prestigeklassen auf der Seite der Spieler).

 

Fazit:

Kurzum: Ich bin begeistert! Creatures of Freeport zeigt, dass auch bei Monsterbüchern das Konzept „Klasse statt Masse“ zu hervorragenden Produkten führt. Creatures of Freeport bietet alles, was ein gutes Monsterbuch meiner Meinung nach haben sollte, und hebt sich wohltuend von der Masse der trockenen Statistik-Sammlungen ab. Mit dem Monster Manual IV hat ja jüngst auch Wizards of the Coast wieder den Weg zu mehr Fluff in Monsterbüchern eingeschlagen. Wenn das Ganze dann auf einem so hohen Niveau umgesetzt wird wie bei Creatures of Freeport, dann ist dieser Trend sicherlich zu begrüßen. Einzig für kleinere Unklarheiten bei den Challenge Ratings gibt es einen kleinen Punktabzug für das vorliegende Werk.

Wer hier im DnD-Gate auch im Forum aktiv ist, weiß, dass ich selbst ein großer Fan des Freeport-Settings bin. Aus diesem Grund möchte ich mich gleich prophylaktisch davon distanzieren, dass ich hier eine „Fanboy-Bewertung“ vorgenommen habe. So sehr ich auch danach gesucht habe, das Haar in der Suppe war einfach nicht zu finden – Creatures of Freeport ist vielmehr eine gute Begründung, warum es sich lohnt, ein Freeport-Fanboy zu sein ;-)