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Descent - Die Reise ins Dunkel
Bewertung:
(4.2)
Von: Nico Bracht
Alias: Cut
Am: 25.12.2006
Autor:Kevin Wilson
Typ:Fantasy-Brettspiel
Setting:Die Welt von Runebound
VerlagHeidelberger Spieleverlag
ISBN/ASIN:
Inhalt:Siehe Text
Sprache:Deutsch

Das wichtige Vorwort:

Irgendwo habe ich gelesen, dass der amerikanische Spieleverlag Fantasy Flight Games sein Spiel Descent: Journeys in the Dark (so der englische Originaltitel) als das HeroQuest des 21. Jahrhunderts angekündigt hat. Diese Ankündigung hat mich zwar nicht überzeugt, aber dennoch hellhörig werden lassen. Geduldig behielt ich den Markt im Auge und wartete auf die Veröffentlichung der deutschen Übersetzung, denn ich selber bin seit Kindestagen an großer Fan des Fantasybrettspiels HeroQuest von MB.

In dem Zimmer, in dem ich meine Sammlung von Rollenspielen und ausgefallen Brettspielen aufbewahre, steht an einem warmen, trockenen Ort (genau, auf einem Ehrenplatz) mein gutes, altes HeroQuest mit allen vier europäischen Erweiterungen. In all den Jahren, die ich es nun besitze, habe ich nie auch nur im Traum daran gedacht, es zu verkaufen, auch wenn man mittlerweile dafür auf dem Markt ein stolzes Sümmchen bekommen würde. Nein, alle Jahre wieder hole ich das Spiel hervor und rufe die alten Freunde an und wir schlüpfen noch einmal in die lieb gewonnen Rollen des Barbaren, des Zwerges, des Zauberers, des Albs oder des Spielleiters (seinerzeit noch schlicht und ergreifend als „Der Böse“ betitelt).

Mich haben dieses Spiel und die „Einsamer Wolf“-Abenteuerbücher an das Fantasygenre herangeführt und mich dazu gebracht, den Roman „Der Herr Der Ringe“ zu lesen, noch ehe auch nur an eine Verfilmung im herkömmlichen Sinne gedacht wurde. Leider gibt es HeroQuest seit einer halben Ewigkeit nicht mehr neu im Laden zu kaufen und es gibt nur alle Jubeljahre den Versuch eines Spieleverlags ein Spiel zu entwickeln, welches den Geist des Klassikers erfolgreich aufgreift, mit dem Ziel das Spielsystem zu erweitern oder gar zu verbessern, ohne dabei den Charme und den Reiz, den das Original hat, zu zerstören. Die wenigsten haben auch nur annähernd Erfolg bei diesem Unterfangen und enden als Ersatzteillager oder als Quelle neuer, interessanter Spielmaterialen für das den Vergleich stets ungefährdet gewinnende Original.

Über meine „Beziehung“ zu HeroQuest möchte ich den Film „Casablanca“ zitieren: „Schon mein erstes Spiel bedeutete den Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“ 

Dieses Vorwort, so schwülstig es klingen mag, ist wichtig, um zu verstehen, wie ich in dieser Rezension werten werde. Ganz klipp und klar kommt von mir vorne weg folgende Ansage: Ich werde ein Fantasybrettspiel immer mit HeroQuest vergleichen.

Ein solches, das sich dazu noch als dessen Nachfolger bezeichnet, zwangsläufig sogar noch mehr. Denn bei allen Macken, die das alte System hatte, bin ich viel zu verbunden mit diesem Spiel, als dass ich hier absolut objektiv bewerten könnte. Gehen wir einfach mal von der hypothetischen Note 4,9 für den Genre-Klassiker aus.

Diese Rezension basiert übrigens auf der deutschen Version von Descent, erschienen 2006 im Programm des Heidelberger Spieleverlags.

Und hiermit wünsche ich nun „Descent – Die Reise ins Dunkel“ viel Glück in diesem ungleichen Rennen...

 

Charakterkarte
Inhalt
Zeichnung
Miniaturen
Zeichnung
Miniaturen
Spielkarten
Alle Miniaturen
Box
Von Spieler bemalte Minis
Von Spieler bemalte Minis

Der erste Eindruck:

Ich bin um die Spielkiste von Descent in meinem Stammspieleladen mehrfach herumgeschlichen, ehe ich mich dazu durchgerungen hatte, ca. 60 Euro in ein Spiel zu investieren, von dem ich nicht sicher wusste, ob es das Zeug haben würde, sich seinen Platz im Regal neben HeroQuest zu verdienen.

Doch eines schönen Freitagabends bin ich kurz vor Feierabend in den Laden gehuscht und kurz darauf mit der letzten Kiste, die sie noch auf Lager hatten, glücklich grinsend, ja so ein bisschen wie ein Kind an Weihnachten eben, wieder raus. Ich schleppte das in Zellophanpapier eingeschweißte Spiel ins Auto und düste nach Hause zum Auspacken.

Der erste Eindruck, den das Spiel vermittelt, ist beeindruckend und durchweg positiv.

Die Spielbox ist riesig und unglaublich schwer. Kein Wunder, denn schon auf der Rückseite des Kartons wird die unglaubliche Zahl von über 70 Miniaturen im Inneren versprochen.

 

Die Aufmachung:

Auf dem Titelbild sehen wir einen finster dreinblickenden Drachen in einer Höhlenlandschaft mitsamt einigem untoten Gefolge auf der linken Seite stehen und drei Helden rechts von dem Drachen. Darüber prangt mittig der Schriftzug Descent: Die Reise ins Dunkel. Eine nette Idee ist, dass im „D“ von Descent ein zur Hälfte heruntergelassenes Fallgitter zu sehen ist.

Auf der Schachtel findet sich der Hinweis, dass das Spiel für 2 bis 5 Spieler ausgelegt sei.

Eigentümlich finde ich, dass es kein Werbebild von der deutschen Box gibt. Selbst auf der Verlagshomepage vom Heidelberger Spieleverlag, gibt’s unter dem Link zur deutschen Version nur das Bild der amerikanischen Box.

Der direkte Vergleich: Von der Aufmachung des Basisspiels her, war HeroQuest kein echter Hammer, aber das Titelbild mit dem Barbaren im Vordergrund und den anderen Heroen in der Mitte der Halle und einer Vielzahl von Monstern, die sich mit den Helden kabbeln, strahlt dank der hellen Farbe etwas mehr aus. Obgleich die Aufmachung gelungen ist, geht - vielleicht aus Nostalgiegründen - diese Kategorie, wenngleich auch denkbar knapp, an das Original.

 

Die Box:

Die Box selber ist leider ein erster Kritikpunkt.

Der Inhalt ist so schwer, dass die Box überfordert scheint. Als ich meine zu Hause vom Zellophanpapier befreite, musste ich feststellen, dass sie gelitten hat. Der Inhalt ist zu schwer und im Vergleich dazu die Pappe aus der die Kiste besteht einfach zu dünn. Eine Ecke der Schachtel ist beim ersten Öffnen der Schachtel bereits eingerissen. Dies lässt absehen, welch niedrige Lebenserwartung auch der Rest der Pappschachtel haben wird. Dies ist für mich ein erster kleiner Kritikpunkt. In dem Preissegment in dem sich Descent bewegt, erwarte ich einfach, dass die Spielschachtel dem Inhalt ausreichend Platz bietet und stabil genug ist, ihn zu transportieren, ohne dass sie dabei selbst Schaden nimmt oder der Inhalt etwas abbekommt.

 

Der Inhalt:

Der Inhalt jedoch ist bombastisch.

Macht man die Schachtel auf, stellt sich einem gleich eine Frage: Wie bekomme ich sie nur jemals wieder zu? Die Box ist voll gepackt mit rund 80 unbemalten Miniaturen (Monster und Helden), Pappaufstellern für das Spielfeld (10 Türen), den Bodenplatten, die später das Verließ bilden werden, welches es zu erkunden gilt, Charaktertafeln (zwanzig an der Zahl), über 330 verschieden große und unterschiedlich geformten Pappmarker (vom Heiltrank über Glyphen bis zum Droh-Marker) und 180 Spielkarten verschiedener Art. Dazu kommen 12 Spezialwürfel für den Kampf und noch einiges mehr.

Ich kann nur sagen, dass ich selten ein Spiel mit so viel, ja solchen Unmengen an Material gesehen habe. Alleine das Herauslösen der einzelnen Bodenplatten und der Marker aus ihren Stanzbögen und das anschließende Sortieren auf verschiedene Briefumschläge und Behältnisse hat mich über eine Stunde beschäftigt.

Das zufrieden stellende Ergebnis: In dieser Box findet man so einiges für sein Geld! Soviel hat selbst HeroQuest nicht zu bieten gehabt. Zumindest nicht in der Basisbox. Der Inhalt ist ein dickes Plus für Descent.

 

Die Ausstattung:

Descent hat kein festes Spielbrett.

Vielmehr werden die Verließe modular gestaltet. Es gibt verschieden große Bodenplatten. Vom großen rechteckigen Raum, über schmale Verbindungswege, kleinere rechteckige Räume, ein Feld breite Verbindungswege und kleine Eckschlussstücke, mit denen man die rechteckigen Räume „abschließen“ kann, sind alle vertreten.

Diese Teile lassen sich kombinieren und aneinander fixieren. Jedes dieser Teile hat Pappnasen an den Rändern die zu den Gegenstücken der anderen Bodenplatten passen und aneinander gehakt werden können. Die Idee ist toll, weil somit das modulare Verließ stabil liegen bleibt, anders als es bei lose aneinander gelegten Platten der Fall gewesen wäre. Die Sache hat allerdings einen kleinen Haken: Die Pappnasen sind arg klein geraten und werden mit der Zeit bei normaler Nutzung so sehr leiden, dass man sie entweder wird verstärken oder abnehmen müssen. Noch dazu passen die Versatzstücke nicht immer sauber aneinander, sodass man eben keinen glatten, passenden Bodenplan erzeugen kann. Das ist schade.

Ein weiterer Nachteil ist, dass man eben nur eckige Verliese zaubern kann. Aber das System, das dieses Problem erfolgreich löst, muss meines Wissens nach erst noch erfunden werden.

 

Die 80 im Spiel enthaltenen Miniaturen teilen sich grob in zwei Lager.

 

Die Helden:

Die Heldenfiguren sind aus grauem Weichplastik gefertigt und deutlich kleiner als die vergleichbaren Helden von HeroQuest. Hier ist leider keine Kompatibilität gegeben. Dafür sehen sie aber recht ordentlich aus. Zu jedem Helden gibt es dann noch eine individuelle Charaktertafel. Die zwanzig Helden sind alle unterschiedlich. Es gibt männliche und weibliche und nicht alle Helden erwecken den Eindruck, prinzipiell nur Gutes tun zu wollen. Es gibt auch düstere Heldentypen.

Auf den Charaktertafeln finden sich die spielrelevanten Werte der einzelnen Helden. Zu finden sind:

Die Anzahl der Lebenspunkte, die Anzahl der Ausdauerpunkte, der Grundwert für Verteidigung und die Bewegungsweite in Feldern. Während die Anzahl für Lebenspunkte und Ausdauerpunkte Fixwerte sind, die während des Spiels im Regelfall nicht überschritten werden, können die Verteidigungswerte und die Bewegungsweite durch gefundene Gegenstände verbessert werden. Zusätzlich zu diesen Grundwerten hat jeder Spieler noch drei sog. Grundfertigkeiten: Kampffertigkeit, Täuschungsfertigkeit und Zauberfertigkeit.

Zu diesen drei Fertigkeiten steht auf der Charaktertafel eines jeden Helden eine bestimmte Zahl zwischen null und drei. Diese gibt an, wie viele Karten der jeweiligen Rubrik vor Antritt des Abenteuers vom Spieler gezogen werden dürfen. Die Gewichtung ist hier bei den verschiedenen Helden höchst unterschiedlich. In der Summe werden jedoch von jedem Spieler drei Karten gezogen.

Dann gibt es noch die drei Kampffertigkeiten, Nahkampf, Fernkampf, Zauberfertigkeit.

Auf der Charaktertafel sind neben den jeweiligen Symbolen für Nah- und Fernkampf und Zauberangriff Würfel abgebildet, die der Held würfeln darf, wenn er angreift. Durch den Einsatz von Ausdauerpunkten, können weitere Würfel (zur Erhöhung des Schadens oder der Reichweite) hinzugenommen werden. Es gibt unterschiedliche Arten von Würfeln, immerhin sind im Lieferumfang des Spiels 12 Spezialwürfel enthalten, die auch alle genutzt werden.

Abschließend finden sich auf der Charaktertafel noch die Beschreibungen der besonderen Fähigkeiten eines Helden.

 

Die Monster:

Die 60 Monster bilden noch mal zwei Untergruppen: Es gibt die klassischen Monster und die Elitemonster.

Die Formen der Miniaturen von klassischen Monstern und Elitemonstern sind gleich, einzig die Farbe des Materials ist unterschiedlich. Klassische sind aus schlichtem weißen, Elitemonster sind aus rotem Weichplastik. Die Monstertypen sind in beiden Gruppen gleich, es gibt allerdings weniger Elite- als normale Monster.

Folgende verschiedene Monsterfiguren sind enthalten. Es gibt zwei Drachen, einen Weißen und einen Roten, außerdem jeweils einen weißen und einen roten Manticore. Von den nachfolgenden Figuren gibt es in der Summe mehr als je zwei Figuren.

Riesen und Oger, Tiermenschen und Hexenmeister, Skelette und Höllenhunde, Nagas und Rasierklingenflügler, Mörderspinnen und Dämonen sind jeweils in beiden Farben vorhanden, wobei es im Regelfall mehr weiße Monster als rote Monster gibt. Viele der Figuren lassen sich auch für HeroQuest nutzen. Anzumerken ist, dass nicht alle Monster auf nur einem Feld stehen. Viele Figuren nehmen zwei oder sogar vier Felder in Anspruch.

Für jeden Monstertyp gibt es Monsterkarten, auf denen man die Stärke, Bewegungsweite und besondere Fertigkeiten ablesen kann. Diese Werte sind natürlich besser, wenn es sich um ein Elitemonster handelt. Weiterhin sind die Stärken der Monster von der Anzahl der Helden, die im Spiel sind, abhängig. Je mehr Helden im Spiel sind, desto stärker werden die Gegner. Auf den Monsterkarten sind kleine Zahlen angebracht, die sich auf die Anzahl der eingesetzten Helden beziehen. Die Karte, die die entsprechende Ziffer zeigt, wird dann zu Rate gezogen, wenn man die Werte eines Monsters bestimmen muss. Dies ist eine interessante Idee, das Spielgeschehen an die tatsächliche Spieleranzahl anzupassen.

Etwas störend ist zum einen die Verarbeitung mancher Figuren (die Nagas z.B. sind offensichtlich aus mehreren Teilen zusammengesteckt) und zum anderen die Sockel unter den Monsterfiguren, sie sind nicht immer eben und glatt, sondern hin und wieder verzogen. Dies ist schade, da hätte ich mir etwas bessere Qualität und mehr Sorgfalt bei der Herstellung gewünscht.

 

Nette Spielereien, wie die sehr schön gestaltete Chips für Heil- und Ausdauertränke, Fallen und Glyphen und vieles andere mehr, sowie eine große Schablone für den Feuerodem des Drachen runden die Spielmaterialien ab. Auf der Innenseite des Regelheftes, welches man vorab online begutachten kann (siehe recht und dem Infokasten die „Links zur Rezi“), findet man alle diese Marker abgebildet und erläutert.

Alle Marker sowie die Bodenplatten sind auf stabilem Karton gedruckt und versprechen eine lange Lebensdauer. Bei den Bodenplatten wird es aber mit der Zeit die eine oder andere Pappnase erwischen. Nur die Charaktertafeln sind auf dünnen Karton gedruckt. Dies ist schade, da hätte die Verwendung von zwanzig dickeren Pappbögen besser ins Bild gepasst.

Die zehn im Spiel enthaltenen Türen sind jeweils zwei Felder breit und kommen mit einem Plastikaufsteller.

Selten, wenn überhaupt, habe ich in einer einzelnen Spielekiste so viel Material bekommen, was auch noch sehr, sehr stylisch ausgesehen hat. Im Ergebnis kann man sagen, dass trotz der einen oder anderen Kleinigkeit die Zufriedenheit mit der Materialmenge und auch der Qualität sehr groß ist.

 

Die Spielidee:

Die Spielidee ist bei allen Spielen dieses Typs doch zumeist sehr ähnlich:

Eine Gruppe von Helden betritt ein Verließ oder eine sonst wie monsterverseuchte Umgebung, um einen bestimmten Auftrag zu erfüllen. Die Spieler gewinnen das Spiel, indem sie die einzelnen Herausforderungen, die bei Descent jetzt eben Szenarien heißen, und die Monster, die der Spielleiter ihnen entgegenstellt, überwinden und am Schluss des Szenarios eben zumeist ein besonders mächtiges Monster besiegen.

Meist wird dieser Auftrag noch sprachlich in einer Einführung nett aufbereitet und in den deutschen Anleitungen zum Spiel finden sich auch noch ein paar Anregungen, wie man das Spiel aufwerten kann, und zwar indem man nicht einfach nur die neuen Verließteile aufbaut, sondern als Spielleiter seinen Spielern auch noch etwas atmosphärisch angehaucht erzählen soll was sie sehen, riechen, schmecken usw. Rollenspielen lässt schön grüßen...

Während bei Spielen wie HeroQuest die Aufgabe des Spielleiters (zumindest in meiner Spielrunde) mehr darin bestand, die Spieler zu unterhalten und herauszufordern, ihnen aber letztlich zumindest eine faire Chance anzubieten, das Abenteuer zu bestehen, wurde vom Autoren Kevin Wilson für Descent eine neue Spielmechanik entwickelt, die es dem Spielleiter (bei Descent Overlord genannt) ermöglicht, sehr wohl auf Sieg zu spielen.

Der Heldengruppe wird zu Beginn eines jeden Abenteuers eine im Szenariotext vorgeschriebene Menge sog. Quest-Marker mitgegeben. Helden können im Verlaufe des Abenteuers, durch das Besiegen von bestimmten Monstern oder in Schatztruhen und dergleichen, neue Quest-Marker finden, verlieren aber auch welche, zum Beispiel wann immer ein Held der Gruppe das Zeitliche segnet.

Tote Helden sterben übrigens nicht dauerhaft, sondern kehren in den Tempel der Stadt zurück, die den Helden als Ausgangspunkt für Ihre Reise ins Dunkel diente. Dort werden sie wiedererweckt und können mittels einer sog. Transportglyphe wieder zu ihren Freunden ins aktive Abenteuerszenario zurückkehren. Wie gesagt kostet diese „Auferstehung“ allerdings Quest-Marker und den Helden Teile der angesammelten Ausrüstung. Sollten die Helden an einem Punkt während des Abenteuers einmal keine Quest-Marker mehr haben, oder aus einem Grund mehr abgegeben müssen als der Pool hergibt, so hat der Overlord es geschafft zu gewinnen.

Die bereits angesprochene Ausrüstung wird zu Beginn eines jeden Abenteuers aus dem jedem Spieler zugeteilten Startkapital zusammengekauft und durch die zufällig per Kartenzug zusammengestellten Fertigkeiten abgerundet. Während des Abenteuers wird die Ausrüstung der Helden dann möglicherweise durch gefundene Gegenstände ersetzt bzw. ergänzt.

Gegenstände und Artefakte werden aber nicht über ein Abenteuer hinaus behalten. Die Helden beginnen ein jedes mit einer neu jeweils den Angaben auf dem Charakterblatt entsprechenden Anzahl von Kartenzügen ausgestattet und bestimmt. Dies macht eine dauerhafte Identifikation mit einem Helden eher schwierig, aber würde man es anders handhaben, würden die Helden ruckzuck zu stark.

 

 

Das Spielgeschehen:

Das Spielsystem von Descent basiert auf dem ebenfalls von Fantasy Flight Games entwickelten und auf deutsch vom Heidelberger Spieleverlag vertriebenen Doom-Brettspiel. (Zur weiterführenden Lektüre: Hier findet ihr die Rezension zum Doom-Brettspiel Die Helden ziehen mit Ihren Figuren über die Felder der Bodenplatten. Dabei baut ihnen der Spielleiter progressiv auf, was sie sehen. Dies ist eine der vorgenommenen Änderungen, die die deutsche Ausgabe vom Original unterscheidet. Es wurde von den Spezialisten des Heidelberger Spieleverlags eine Art Errata erarbeitet und auf einem separaten Blatt dem Spielinhalt beigefügt.

Die meisten dieser Änderungen erhöhen in meinen Augen den Spielspaß im Vergleich zu den englischen Originalregeln. Die Originalregeln liegen aber übersetzt im Spiel mit vor, sodass man zum Beispiel problemlos die englischen Erweiterungssets anschaffen und in das Spiel einbauen kann, ohne auf die deutsche Übersetzung warten zu müssen.

Beim Ziehen ist neu, dass man sich nun auch diagonal bewegen darf und auch das Laufen unterbrechen kann, um eine Aktion vorzunehmen, bevor man weiter zieht. Diese Optionen waren bei HeroQuest beide nicht möglich, ja sogar strengstens verboten. Weiterhin gibt es eine Inventarkontrolle. Es ist nicht mehr möglich, dass ein Held (oder eine Heldin, denn diese gibt es auch) sich über und über mit Waffen und Gegenständen beladen kann und damit durchs Labyrinth torkelt.

Ist der Overlord am Zug, erhält er (wiederum abhängig von der Spieleranzahl) zu Beginn seines Zuges eine oder mehrere der sog. Overlord-Karten und sog. Droh-Marker.

Mit diesen Droh-Markern kann er die Kosten der verschiedenen Overlord-Karten bezahlen und mit diesen wiederum direkt auf das Spielgeschehen eingreifen, indem er etwa Fallen auslöst oder Monster entstehen lässt, die nicht auf dem Spielplan angegeben waren. Damit ist es im Prinzip so, dass kein Abenteuer zweimal exakt gleich verläuft. Hier ist kluges taktieren auf Seiten des Overlords von Nöten, da viele der reizvolleren Karten hohe Droh-Marker-Kosten haben und man auf sie hinsparen muss. Zeitgleich darf der Overlord aber nur eine bestimmte Anzahl von Karten auf der Hand haben. Er kann aber auch Karten, die er nicht vorhat zu benutzen, opfern und abwerfen und für sie ein paar weitere Droh-Marker kassieren. Allerdings deutlich weniger, als er hätte aufbringen müssen, um die Karte zu spielen.

Meine Erfahrungen bisher mit dem Spielsystem sind, dass Spieler, die mit weniger als 4 Helden antreten, kaum eine Chance gegen den Overlord haben, aber dass eine Gruppe, die in voller Stärke antritt, zumeist in der Lage sein wird, sich so lange im Spiel zu halten, bis genug neue Ausrüstungsgegenstände gefunden worden sind, um den Monstern Paroli zu bieten.

Die Idee mit den Droh-Markern, die dem Overlord-Spieler neue Optionen der Spielbeteiligung eröffnen ist eine nette Spielerei, auch wenn dadurch der Ehrgeiz beider Seiten angestachelt wird, das Spiel gewinnen zu wollen, während bei meinen HeroQuest-Gruppen doch zumeist der Spaß im Vordergrund stand.

Das Bewegungs- und Kampfsystem ist in Runden gegliedert.

Jede Runde hat jeder Held eine bestimmte Anzahl von Aktionen zur Verfügung. Im Kampf wird zwischen Fernkampf und Nahkampf unterschieden. Beim Fernkampf findet die Distanz zwischen Angreifer und Ziel endlich einmal Berücksichtigung. Dies fällt positiv auf, während ich von der Zauberei im Spiel absolut enttäuscht bin.

Sie ist einzig eine weitere Art einen Gegner aus der Ferne anzugreifen. Die Pendants zu den klassischen Zaubern aus HeroQuest, die sich nicht einzig und alleine auf den Kampf gegen Monster bezogen, ich will hier nur den „Durch Die Wand“-Zauber, den „Flaschengeist“ oder die diversen Heilzauber nennen, fehlen völlig! Dies finde ich sehr bedauerlich, hier geht Charme verloren.

Genauso fehlen die drei dimensionalen Aufbauten. Gab es bei HeroQuest noch jede Menge Möbelstücke, die man aus Pappe und Plastik zusammenbauen musste und dann auf dem Spielplan aufstellen konnte, sucht man diese bei Descent leider vergebens.

Den Vergleich fortsetzend, ist Descent in vielerlei Hinsicht variabler spielbar als Vorgängerspiele aus diesem Genre. Die große Anzahl von Helden (wie gesagt 20) und die vor jedem Spiel neu zufällig zusammengestellten Fertigkeiten machen jedes Spiel aufs neue spannend. Dank dem modularen Bodenplattensystem lassen sich auch äußerst kreative Verließideen umsetzen. Die ersten beiden Erweiterungen sind zumindest auf Englisch schon erhältlich oder stehen kurz vor der Veröffentlichung. Dies ist ein Vorteil, den jedes aktive System vor einem Spiel hat, was man nur noch gebraucht bekommen kann.

Dem gegenüber steht das Fehlen von interessanten, ausgefallen und nicht für den Kampf gedachten Zaubersprüchen sowie die Entscheidung gegen dreidimensionale Aufbauten.

 

Im Endeffekt kann man sagen, dass einige Schwächen, die die alten HeroQuest-Regeln hatten, zwar im Descent-Regelwerk behoben wurden, aber dass das neuere Spiel leider nicht den gleichen Charme entwickeln kann, den sein „Vorgänger“ hatte. Gerade auch was das Flair der Beschreibungen und Missionstexte in HeroQuest, gesprochen von Mentor an seine Heroen, angeht, können weder Descent, noch andere Spiele dieser Art, die ich gespielt habe, mithalten.

 

Das Fazit:

Descent: Die Reise ins Dunkel ist ein unterhaltsames und definitiv abendfüllendes Brettspiel vor einem fantastischen Hintergrund, das durchaus zu überzeugen und gefallen weiß. Nicht nur seine opulente Ausstattung macht das Spiel zu einem Eldorado für alle Freunde von fantastischen Spielen.

Auch wenn ich in Descent persönlich nicht die Neuerfindung des Genres der Fantasybrettspiele (und auch nicht den legitimen Nachfolger von HeroQuest) sehe, so macht das Spiel viel Spaß und wird sicherlich auch für die nächste Zeit durch schon zwei angekündigte bzw. schon veröffentlichte Erweiterung am Leben gehalten. Wer also ein paar Freunde an der Hand hat und noch nicht genau weiß, was man an langen, nass-kalten Winterabenden spielen soll, kann sich ruhig mit dem Gedanken befassen, hier zuzuschlagen.

Allerdings sollte man sich den mit ca. 60 € doch recht kostenintensiven Spielspaß nur nach Hause holen, wenn einem Spiele wie HeroQuest zusagen und man sollte den Mut und die Bereitschaft mitbringen, die eine oder andere Regel durch Hausregeln zu ersetzen (ich denke hier etwa an die ungünstig geregelte Art der Schatzzuteilung) und damit zum Beispiel die Geschwindigkeit der Heldenweiterentwicklung etwas zu drosseln.

In jedem Fall empfehle ich dem Leser dieser Rezension, der sich mit einem Kaufgedanken trägt, vorher einmal die Produktseiten des Heidelberger Spieleverlages zu besuchen und dort einen Blick in das online bereitgestellte Regelheft zu werfen (Direkter Link dazu unter „Links zur Rezi“).

Mir hat Descent viel Spaß gemacht und in meinen Augen einen Platz im Regal neben meinem HeroQuest verdient. Ich bedauere den Kauf nicht, aber verdrängen wird es mein HeroQuest von seinem Ehrenplatz sicher nicht. Ein legitimer Nachfolger für HeroQuest ist damit in meinen Augen also noch immer nicht in Sicht.

Dennoch kann man bei der Notenvergabe in die Vollen gehen und das Brettspiel Descent: Die Reise ins Dunkel mit einer guten Bilanz von 4,2 Punkten versehen.

 

Info:

Aktuell läuft auf der Homepage des Heidelberger Spieleverlages ein „Szenarien-Contest“.

Hierbei handelt es sich um ein Gewinnspiel bei dem eigens selbst kreierte Abenteuer von Spielern eingereicht werden können und bei dem es Preise zu gewinnen gibt, die vom Heidelberger Spieleverlag ausgelobt werden. Der „Contest“ läuft seit dem 6.12.2006 und ist bis zum 31.01.2007 offen. Neben dem Gewinnspiel finden sich außerdem auf den Seiten des Verlages auch schon ein paar eingereichte Fan-Szenarien zum kostenfreien Download (Link zur Verlagsseite unter „Links zur Rezi“).

Die erste Erweiterung „Well of Darkness“ ist auf Englisch schon erschienen und eine deutsche Übersetzung ist fürs Frühjahr 2007 bereits angekündigt. Die Veröffentlichung der zweiten Erweiterung „Altar of Despair“ steht (zumindest auf Englisch) unmittelbar bevor.