Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Cthuloide Welten 12
Bewertung:
(4.5)
Von: Ralf Schemmann
Alias: Uthoroc
Am: 29.07.2007
Autor:Frank Heller (Hrsg.)
Typ:Magazin
System:Cthulhu
Setting:Cthulhu
VerlagPegasus Press
ISBN/ASIN:1610-5362
Inhalt:98 Seiten, Softcover
Sprache:Deutsch

Fhtagn!

Die Zeitschrift „Cthuloide Welten“ ist seit einigen Jahren fester Bestandteil der deutschsprachigen Cthulhu-Rollenspielszene. Sie erscheint halbjährlich und hat sich den Ruf erstklassiger Qualität erworben. Mit der Ausgabe Nr. 12 ist nun das erste Dutzend Hefte voll und ich war gespannt, was das Magazin diesmal dem engagierten Cthulhu-Spielleiter (oder Spieler) zu bieten hat.

 

Der äußere Eindruck

Zu Cover, Grafiken, Illustrationen und Layout brauche ich an dieser Stelle nicht viel zu sagen, denn sie entsprechen dem hohen Standard von Pegasus Spiele und den Cthuloiden Welten, den ich schon in früheren Rezensionen hoch gelobt habe. Zum Cover, das wie üblich nicht meinem Geschmack entspricht, werde ich später mehr sagen – denn in diesem Heft gibt es ein Interview mit dem Designer Manfred Escher.

 

Der Inhalt

An das Vorwort des Herausgebers Frank Heller (gleichzeitig Chefredakteur der ganzen Cthulhu-Linie bei Pegasus Spiele) schließen sich die Cthuloiden Nachrichten an, d.h. die Verlagsneuigkeiten aus den Häusern Pegasus und Chaosium sowie Hinweise auf andere Publikationen und Verlage, die mit dem Thema Cthulhu zu tun haben. Wie üblich hat Pegasus eine beachtliche Menge Material in Planung. Es ist schön, zu sehen, welchen umfangreichen Support die deutsche Szene erfährt. Daran kann sich der englische Verlag Chaosium ein Beispiel nehmen.

 

Dann geht es ans Eingemachte: Das Abenteuer des Heftes, Disharmonien, führt die Spielrunde ins Nürnberg der 1920er Jahre. Auf 30 Seiten präsentiert sich ein sehr stimmungsvolles, toll aufbereitetes Abenteuer, das sich meiner Meinung nach hinter keinem Szenario eines Kampagnenbandes oder einer Szenariensammlung verstecken muss. Es hat ein klares Thema - „Musik“ -, das konsequent beibehalten wird, und die rasante Handlung verspricht zwei bis drei kurzweilige und spannende Spielabende. Besonders gut gefällt mir ein weiteres Mal der enthaltene Ablauf eines Testspiels, der viele Hinweise auf den möglichen (und variablen) Verlauf des Abenteuers gibt.

 

Typisch für die Cthuloide Welten sind die Regionalia-Artikel, die eine Region oder Stadt vor dem Hintergrund der 20er Jahre schildern. In dieser Ausgabe ist Köln („Klüngel, Kölsch und Karneval“) an der Reihe. Die Beschreibung des „Millionendorfs am Rhein“ nimmt satte 28 Seiten in Anspruch und kommt mit einem Stadtplan und vielen zeitgenössischen Fotos daher. Der Informationsgehalt ist hoch, so dass der Spielleiter fast alles finden wird, was er für eine Beschreibung der Stadt braucht. Irritierend ist allerdings, dass es keinerlei explizite Anknüpfungen an den Cthulhu-Mythos gibt. Es werden zwar ein paar lokale Legenden aufgeführt, deren Namen allein schon Ideenlieferanten sein könnten (z.B. „Die Heilige Ursula und ihre 11.000 Jungfrauen“), aber konkrete Vorschläge sucht man vergebens. Beim zweiten Nachdenken erscheint mir das allerdings kaum als Nachteil, denn ich ziehe es vor, Mythos-Bezüge selten und vage zu halten und sie selbst zu wählen, aber andere Spielleiter mögen hier vielleicht etwas enttäuscht sein.

 

Nachdem Köln nicht sehr viele Überraschungen bereit hielt (ich wohne nicht weit davon entfernt), war der nächste Artikel über das Voynich-Manuskript dann sehr spannend für mich. Wenn man die einleitenden Abschnitte nicht genau liest, mag man denken, es handele sich nur um ein weiteres, frei erfundenes Mythos-Buch. Dann läge man jedoch falsch, denn dieses geheimnisvolle und bis heute nicht entschlüsselte Buch gibt es wirklich (Link zum Wikipedia-Artikel). Der Artikel schildert seine (bekannte) Geschichte und bietet faszinierende Möglichkeiten, es in eine Kampagne oder ein Szenario einzubauen.

 

Der folgende Artikel über Ernst Gennat, „Der Dicke von der Mordinspektion“, war eine nette Überraschung für mich. Denn zufälligerweise spielt dieses Berliner Original, das vielleicht den Urtyp des deutschen „Fernsehkommissars“ geprägt hat, eine gewisse Rolle in meiner laufenden Cthulhu-Kampagne. Gennat war der berühmteste Kommissar der noch jungen Berliner Mordkommission (Link zum Wikipedia-Artikel), der schon zu Lebzeiten in Berlin zur Legende wurde. Neben den Informationen zur Person finden sich hier viele nützliche Hinweise zur Polizeiarbeit im Berlin der 20er Jahre. Eine unschätzbare Fundgrube für Szenarien, die detektivische Themen beinhalten.

 

Für Cthulhu Now gibt es in diesem Heft nur ein paar kurze (genau gesagt drei) Seiten über ein abgründiges Musiklabel namens „Black Magic Music“. Im Prinzip handelt es sich nur um eine skizzierte Idee für eine Organisation mit ein paar Anknüpfungspunkten für Szenarien. Nicht schlecht, aber auch nichts Besonderes.

 

Das Interview mit dem Designer und Grafiker Manfred Escher, der die meisten Cover für die deutschen Cthulhu-Publikationen entworfen hat, war für mich nur mäßig interessant. Ich habe schon in früheren Rezensionen keinen Hehl daraus gemacht, dass die Arbeit von „Cthulhus Lieblingsdesigner“ meinen Geschmack nicht trifft, aber die Professionalität kann man ihm ganz sicher nicht absprechen. Wem Eschers (der übrigens nicht mit dem berühmten Maler und Zeichner gleichen Namens verwandt ist) Arbeiten gefallen, wird wahrscheinlich seine Freude an dem Interview haben.

 

Der letzte umfangreichere Artikel, „Abenteuerwerkstatt“, von Frank Heller selbst verfasst, gibt Anregungen und Tipps für das Niederschreiben eigener Abenteuer. Nicht so sehr für den grundlegenden Entwurf, sondern dafür, wie man seine Ideen in eine für andere verständliche und veröffentlichungsreife Form bringt. Die enthaltenen Hinweise waren eingängig, für mich allerdings auch nicht sehr überraschend. Dass Rollenspiel-Szenarien keine Romane oder Kurzgeschichten sind, ist nicht sonderlich neu und dürfte eher für Neulinge im Genre interessant sein.

 

Ein nettes Highlight zum Schluss – sozusagen das Betthupferl – bietet dann die Namenlose Seite mit einer kleinen, amüsanten Kurzgeschichte, die zumindest mir viel Spaß gemacht hat. Den Comic von Francois Launet auf der Innenseite des rückwärtigen Covers kannte ich schon von seiner Webseite „Unspeakable Vault (of Doom)“. Wer diese Comics noch nicht kennt, sollte sich umgehend auf diese Website begeben und das Archiv von hinten bis vorne durchlesen. Ein Muss für jeden Cthulhu-Fan!

 

Fazit:

Bei einem Magazin hat man immer Artikel, die dem jeweiligen Leser bzw. Rezensenten mehr oder weniger zusagen, aber diese Ausgabe der Cthuloide Welten war wirklich ein Leckerbissen für mich. Ein ausgezeichnetes Abenteuer und gute Hintergrundartikel (mit einer Mischung aus Bekanntem und Unbekanntem) verbinden sich mit dem guten Layout und Design und dem akzeptablen Preis (6 Euro), zu einem echten Schnäppchen. Ich kann die Nr.12 jedem Cthulhu-Interessierten nur empfehlen und gebe ihr daher eine satte 4.5 – minimale Abzüge gibt es für die fehlenden Mythosbezüge im Artikel über Köln und den eher sehr durchschnittlichen „Cthulhu Now“-Beitrag.