Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Runenklingen Teil 1 - Klingensucher
Bewertung:
(3.8)
Von: Nico k. Bracht
Alias: Cut
Am: 20.12.2007
Autor:Dirk Richter
Typ:Neueinsteiger-Buch mit Spielregeln und dem ersten Abenteuer
System:Das Midgard Rollenspiel-System
Setting:Die Welt Midgard
VerlagVFSF / Midgard Press
ISBN/ASIN:3924714797
Inhalt:176 Seiten. Hardcover
Sprache:Deutsch

Klingensucher

Die auf drei Teile angelegte Reihe „Runenklingen“ ist ein weiterer Versuch, ein gelungenes Rollenspiel Starter-Set an den Markt zu bringen. Dieses Mal für das Midgard Rollenspiel System.

 

Das Buch:

Band Eins der Reihe trägt den Titel Klingensucher und ist ein kleines, fest gebundenes Hardcover Buch mit 176 Seiten.

Das Buch ist in Schwarz-Weiß gedruckt und hat ein äußerst gelungenes Cover. Es ist außerdem sehr handlich. Das Buch ist nicht viel größer als das DIN A 5 Format. Aufgrund der guten Verarbeitung und der hochwertigen Materialien wirkt das Produkt sehr edel.

Der innere Aufbau ist optisch gut gemacht: Man kann klar zwischen Regeleinschub, Vorlesetext und Hintergrundinformationen für den Spielleiter unterscheiden.

 

Einzig der Comic, mit dem Klingensucher beginnt, der den Spielern als Einstimmung und Hintergrundlieferant dienen soll, überzeugt mich nicht.

Die Geschichte ist arg konfus dargestellt und in einem Einführungsprodukt, das sich an eine jüngere Käuferschicht richtet, ist eine (halb-)nackte Frau vielleicht nicht unbedingt sinnvoll.

 

Die Idee:

Die Idee hinter der Runenklingen-Reihe ist folgende:

Man möchte einen Einstieg ins Rollenspiel ermöglichen, ohne dass weiteres Hintergrundmaterial vorhanden sein muss. Die Regeln sollen direkt dort vermittelt werden, wo sie das erste Mal gebraucht werden. Dieser Ansatz ist gut.

 

Da man die Regeln an der Stelle lernt, an der man sie auch gleich einsetzen muss, bringt das System eine sofortige Einübung der Spielmechanik (Prüfwürfe, Erfolgswürfe, Kampf etc.) mit sich.

 

Neben den eigentlichen Spielregeln und dem Ablauf des Abenteuerplots stehen auch Tipps und Tricks für den Spielleiter an passender Stelle, denn bei Runenklingen soll auch ein unerfahrener Spielleiter erste Leitungserfahrungen sammeln können.

 

Das Abenteuer:

 

Wer das Abenteuer als Spieler noch spielen will, sollte hier aufhören zu lesen und bei der nächsten Überschrift wieder einsteigen.

 

Die in den drei Bände der Reihe enthaltenen Abenteuer werden auf die drei typischen Rollenspiel-Szenarien ausgerichtet: Dungeon, Wildnis und Stadt.

 

Klingensucher ist ein Dungeon-Abenteuer.

 

Die Abenteurer, die aus den unterschiedlichsten Gründen auf Wanderschaft sind, kehren in der Gastschänke „Zum Schlauen Fuchs“ ein. Sie sind dem Ruf eines alten Mannes (eines Gelehrten) gefolgt, der ihnen einen Auftrag anzubieten hat. Zugegebenermaßen hatte ich gehofft, einmal einen anderen Ansatz zu sehen als „Die Helden finden sich mehr oder weniger zufällig alle zur gleichen Zeit in einem Wirtshaus ein“.

Aber da dieser Klassiker einfach immer gut zu funktionieren scheint, und man sich auch als neuer Rollenspieler ohne Probleme in diese Situation hinversetzen kann, findet er auch hier Verwendung.

 

Bevor der Gelehrte die Gruppe anspricht ist es an der Zeit, die ersten Regeln zu lernen: Es gibt in der Schankstube die Möglichkeit zum Glücksspiel (Wetten) und zu Geschicklichkeitsübungen (Fingerstechen). Hier werden die ersten Grundzüge des Systems wie Prüfwürfe und Erfolgswürfe vermittelt.

 

Nachdem die Gruppe sich ein wenig an das Charakterspiel gewöhnt und die ersten Spielmechaniken ausprobiert hat, beginnt das Abenteuer.

 

Der alte Gelehrte spricht die versammelten Helden an und bittet sie, für Ihn einen Folianten aus einer von den Bewohnern mittlerweile verlassenen Zwergenbinge zu bergen.

Der gebeugte Mann sagt, er brauche dieses Buch, sei aber selber nicht mehr rüstig genug, um die lange Reise auf sich zu nehmen. Die Binge liegt mehrere Tagesreisen entfernt in der Wildnis.

 

Die Zeiten seiner Abenteuer seien vorbei. Er bietet den Helden einen Geldbetrag an und verspricht ihnen, dass sie alle Schätze, die sie in der alten Binge oder unterwegs finden, behalten dürften. Er habe einzig und allein Interesse an dem alten Folianten der Zwerge.

 

Der Weg zur Binge führt durch die Wildnis. Auf der Reise gibt es dann eine erste Kampfbegegnung für die Gruppe neuer Spieler, als des Nachts das Lager der Gefährten von Wölfen überfallen wird.

An dieser Stelle werden im Buch die Regeln für den Kampf eingeführt und deren Umsetzung gleich in der Auseinandersetzung mit dem Wolfsrudel eingeübt.

Ich verrate schon mal soviel: Diese neuen Fähigkeiten werden die Spieler sicherlich noch häufiger im Verlauf des weiteren Abenteuers einsetzen können.

 

Ist diese Begegnung überstanden, kommt es alsbald zu einem „Solo“-Abenteuer.

 

Einer der Spieler wird sich von der Gruppe absondern und erlebt eine kurze Sequenz alleine, ehe die Geschichte die anderen Figuren wieder zu ihm führt.

 

Ich finde diesen Kunstgriff für ein Rollenspiel-Abenteuer eigentlich in Ordnung. Es folgt am dieser Stelle jedoch das große Aber.

 

In einem Einführungsabenteuer sollte man es meiner Meinung nach bei einem einfachen Spielstil belassen. In jedem Fall würde ich vermeiden, die Gruppe zu trennen, oder gar einen einzelnen Spieler aus der Gruppe herauszuheben. Ich sehe sonst die Gefahr, dass sich durch das Privilegieren einer einzelnen Figur manche der Mitspieler etwas ausgeschlossen oder aber schlecht behandelt fühlen könnten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es Spieler gibt, die dann davon ausgehen, dass die Auswahl aufgrund von Sympathien getroffen wurde. Zumal in diesem Abenteuer die Figur (die das Abenteuer den „Solist“ nennt) auch noch mit dem Fund eines besonderen Gegenstandes belohnt wird!

 

Ausserdem sehe ich die Gefahr, dass eine neue Gruppe noch nicht mit der nötigen Spieldisziplin ausgestattet ist, ein solches Intermezzo klaglos über sich ergehen zu lassen, während nur einer von ihnen spielt. Noch dazu rät der Autor, dass der Spielleiter und der Solist das Zimmer verlassen und in einem anderen Raum spielen.

Dies würde ich als Leiter einer Beginner-Gruppe in jedem Falle anders handhaben.

Die Trennung dauert jedoch nur wenige Minuten, dann erkunden die anderen Helden ebenfalls das Hügelgrab und machen ihren ersten kleinen Mini-Dungeon-Crawl mit.

 

Dort finden sie alles, was dazu gehört: Fallen, Schätze, gefährliche Wesen, untote Monster und giftige Insekten. An dieser Stelle werden die Regeln für Gift, untote Monster und Geister-Wesen eingebracht.

 

Überstehen die Abenteurer diese Erkundung, nähern sie sich bald der Zwergenbinge.

Doch verlassen ist diese nicht: Orcs haben sich dort angesiedelt.

 

An dieser Stelle beginnt eigentlich die richtige Herausforderung des Abenteuers.

Das Abenteuer ist so angelegt, dass es ab diesem Punkt zwei unterschiedliche Spielstile unterstützt:

Die vermeintliche „Denker-Variante“, in der mehr geschlichen und taktiert wird, und die - wahrscheinlich beliebtere - „Augen-Zu-Und-Durch-Variante“.

 

Der Löwenanteil des Abenteuers spielt sich in der mittlerweile fast ausschließlich von Orcs bevölkerten Zwergenbinge ab. Diese ist räumlich in drei Segmente unterteilt.

Jedes dieser Segmente wird mittels einer Karte und Erläuterungen Raum für Raum dargestellt. Spielen sich die Helden durch die Wohnanlage der Orcs, kommen sie in die tiefer gelegeneren alten Mienen. Dort befinden sich weniger Orcs, dafür andere unangenehme Sachen. Die tiefsten Räume der Binge sind von den Orcs nach ihrem Sieg über die letzten verbliebenen Zwerge aus Angst verschlossen worden. Was mag dort nur lauern? Und können sich die Spieler dieser Gefahr aussetzen?

 

Nun, die Antwort ist klar: Sie müssen, da sie dort den gesuchten steinernen Folianten der Zwerge finden - und, wenn sie sich einigermaßen clever anstellen, auch noch einiges über die Runenklingen und die Geschichte der Binge erfahren können.

Es findet sich auch noch ein geborstenes Schwert, welches eine weitere der fünf verlorenen Klingen darstellt. Nach dem das Abenteuer beendet ist, sind die Heldenfiguren also im Besitze von einer intakten und den Bruchstücken einer zweiten Klinge und müssen sich im folgenden Runenklingen-Band Wolfswinter auf die Suche nach der Drachenschmiede machen, wo das geborstene Schwert der Erde wieder neu geschmiedet werden kann.

 

Der letzte und größte Teil des Abenteuers ist recht vielversprechend.

Er ist als Dungeon-Crawl sehr actionlastig spielbar, aber gerade Gruppen, die etwas spielerischer und bedachter die Zitadelle durchqueren wollen, kommen hier auf ihre Kosten.

Extra Erfahrungspunkte werden für eine umsichtige Lösung des Abenteuers ausgelobt.

 

Der Handlungsbogen um den Aufstand der Wolfsreiter unter den Orcs ist auch interessant und spielt den Gefährten bei ihrer Mission gut in die Karten.

 

Mir persönlich endet das Abenteuer aber dann in den Tiefen der Binge doch zu abrupt.

Hier hätten einige Seiten mehr Inhalt, dem Abenteuer sicherlich gut getan. Die Rückkehr aus den Tiefen der Höhlen durch die Orcsiedlung hätte es verdient gehabt, noch etwas ausgearbeitet zu werden. Um diese Lücke, zumindest die Rückreise zur Gaststätte „Zum schlauen Fuchs“, zu füllen, gibt es aber das kostenfreie Abenteuer „Kinder des Ogers“ auf der Webseite der Runenklingen, das hier Abhilfe schaffen kann.

 

Den letzten Teil des Buches nehmen zwei kurze Kapitel für die Spieler und den Spielleiter mit diversen Regelzusammenfassungen ein. Abschliessend findet man dort noch die äußerst schlichten Spielerbögen und ein kurzer Index.

 

Der Stil des Autors:

Mir persönlich liegt der Schreib- und Erzählstil von Dirk Richter nicht.

Richter schreibt gerne gekünstelt, dabei wirkt das Ergebnis dann aber eher konstruiert. Mal möchte er locker flockig klingen, mal ist er einfach vulgär und hin und wieder hat er das Bedürfnis, besonders gewählt zu klingen. Das wirkt überkandidelt und sprachlich nicht gekonnt.

Mich hätte es mehr überzeugt, wenn er einfach nur in einem Stil die Geschichte erzählt, die Begebenheiten beschrieben und die Regeln erklärt hätte.

Dies ist aber sicherlich abhängig vom persönlichen Geschmack des jeweiligen Lesers.

 

Die Materialien:

Nach der Einführung und der eigentlichen Abenteuer-Beschreibung kommen nur noch die zwei Kapitel mit den Einführungsmaterialien für Spieler und Spielleiter.

Erst eines mit Erläuterungen der Regeln für die Spieler und dann noch eines mit Spielleiterinformationen und den Spielerbögen zum herauskopieren oder abschreiben.

 

Leider liegen die Karten der einzelnen Segmente der Binge nicht großformatiger vor.

Eine zusammengefaltete Posterversion dieser Karten wäre ein schöner Bonus gewesen.

 

Die Online-Unterstützung:

Ein dickes Plus dieser Reihe ist die bisher vorbildliche Unterstützung des Produktes im Internet.

 

Die Einsteiger-Reihe Runenklingen hat auf der Website von Midgard-Online eine eigene Rubrik bekommen.

 

Dort gibt es neben einem kostenfreien Abenteuer „Kinder des Ogers“, welches als Überleitung zwischen Klingensucher und dem zweiten Band Wolfswinter gedacht ist, viel Material für Spieler und Spielleiter, das man kostenlos herunterladen kann.

 

Hier finden sich die auch im Buch enthaltenen schwarz-weißen Spielerbögen, aber auch farbige Versionen derselben. Auch Spielleiterversionen der Spielerbögen, der Karten und der Spieler-Handouts, die der Spielleiter während des Abenteuers ausgeben kann, gibt es. Das gefällt.

 

Ich habe unter Links zur Rezension einmal die interessanten Links aufgedröselt und nach Interessantem für Spieler und Spielleiter zusammengestellt.

 

Wenn auch die weiteren Veröffentlichungen so unterstützt werden, wäre das vorbildlich.

 

 

Das Fazit:

Klingensucher ist ein gelungenes Produkt.

Es ermöglicht unerfahrenen Spielern den Einstieg in die Welt des Midgard Rollenspiels und hat auch ein spannendes Abenteuer zu bieten. Der etwas konstruiert wirkende Einstieg ist schnell vergessen, wenn die Spieler unterwegs zur Zwergenbinge die ersten richtigen Gehversuche mit ihren Figuren machen. Das Abenteuer selbst ist spannend und gut spielbar. Die Materialen sind im Internet alle noch Mal kostenfrei zum Herunterladen und Ausdrucken bereit gestellt.

 

Nicht alle Regeln sind bereits in Band Eins enthalten: Die Entwicklung von Figuren kommt bspw. erst in den folgenden Bänden der Reihe zur Sprache. Das Buch macht Lust auf den zweiten Teil der Reihe.

 

Ich kann also jedem an Midgard interessierten, den bisher die Stärke der drei Grundregelwerke abschreckt hat, dieses Buch ans Herz legen.

 

Ich vergebe 3,8 Punkte.