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A Song of Ice and Fire
Bewertung:
(4.1)
Von: Mathias Jäger
Alias: Hunter
Am: 11.04.2009
Autor:Robert J. Schwalb
Typ:Regelwerk
System:A Song of Ice and Fire
Setting:A Song of Ice and Fire / Westeros
VerlagGreen Ronin Publishing
ISBN/ASIN:978-1934547120
Inhalt:221 Seiten, Hardcover
Sprache:Englisch

Bereits vor mehr als einem halben Jahr hat Green Ronin das neue Regelwerk für „A Song of Ice and Fire“ (kurz SoIaF) angekündigt, bis es nun endlich, Ende Februar 2009, erschienen ist. Das Buch ist 219 Seiten stark und liefert alles, was man braucht um einen Charakter in den sieben Königreichen zu spielen und ein dazu passendes Haus zu erschaffen. Hintergrundmaterial zu Westeros und den Ländern jenseits des Meeres finden sich in dem Buch kaum. Diese werden in dem bald erscheinenden Kampagnenband zusammengefasst werden.

 

Inhalt

Das Buch besteht aus elf Kapiteln, wobei sich die meisten direkt mit der Erschaffung und Ausrüstung eines Charakters beschäftigen.

 

Kapitel 1 – A Westeros Primer – gibt einen kurzen Überblick über Westeros und die darin befindlichen Königreiche sowie über die Geschehnisse in der jüngsten Vergangenheit. Eine Karte des Kontinents, die man bereits aus dem d20-Regelwerk der Welt kennt, rundet dieses Kapitel ab.

Die Einführung ist recht kurz aber ausführlich genug, um Lesern der Serie die wichtigsten Ereignisse wieder in Erinnerung zu rufen und Quereinsteigern die Lage in den sieben Königreichen knapp zu skizzieren.

 

Kapitel 2 – Game Rules – führt in die recht einfachen und doch gut ausgearbeiteten Regeln ein. Im Grunde genommen gilt es immer, mit einer gewissen Anzahl an W6 einen vorgegebenen Schwierigkeitsgrad zu übertreffen. Dabei führt ein hoher Wert zu besonders guten Erfolgen. Da es sich bei SoIaF um ein klassenloses System handelt, hat man hier auch mehrere typische Charaktere untergebracht, wie man sie auf Westeros finden kann. Etwa einen Ritter, einen Maester, den Erben eines Hauses, einen Adeligen oder auch einen Knappen.

Das dargestellte System ist wie das d20-System einfach und sollte auch Neueinsteigern keine allzu großen Probleme bereiten. Die Tatsache, dass sich die Beispielcharaktere hier befinden erscheint zuerst etwas irritierend, wird jedoch nach dem Lesen des dritten Kapitels klar, denn hier werden sie bereits gebraucht.

 

Kapitel 3 schließlich – Charakter Creation – führt den Leser in neun Schritten zu einem fertigen Charakter. Nachdem man sich für ein Herkunftsland und ein Haus sowie für ein Charakterkonzept entschieden hat, verteilt man, je nach gewähltem Alter des Charakters, eine gewisse Anzahl an Rängen auf die 19 vorhandenen Abilities. Außerdem kann man sich auf Teilgebiete der einzelnen Abilities spezialisieren. Als nächstes werden die Destiny Points ermittelt, mit denen man sich – sofern man denn will – verschiedene Benefits kaufen kann – zu beiden später mehr. Je nach gewähltem Alter verfügt der Charakter auch über Flaws und Drawbacks. Diese stellen Verwundungen und Entbehrungen dar, die der Charakter bisher erleiden musste. Schließlich erhält der Charakter noch seine Startausrüstung; es werden Gesundheit, Kampf- und Intrigenwerte berechnet und damit ist der Charakter auch schon fertig. Informationen darüber, wie man seinen Charakter weiter entwickelt – Stufen gibt es nicht, nur unterschiedliche Belohnungen –, beenden das Kapitel.

Der schrittweise Aufbau des Charakters funktioniert sehr gut und ohne große Probleme. Störend ist natürlich das Blättern durch das gesamte Buch, aber das lässt sich wohl kaum vermeiden. Schade ist, dass in der *.pdf-Version des Buches keine Links zu den passenden Abschnitten gesetzt sind.

 

Kapitel 4 – Abilities & Specialties – informiert über die Anwendung der einzelnen Abilities und ihre Bedeutung im Spiel. Außerdem sind hier auch alle Gebiete der einzelnen Abilities aufgelistet, auf die man sich spezialisieren kann. Hier wird bereits klar, dass die meisten Abilities für Intrigen und das Aufdecken von Geheimnissen gedacht sind und nicht für den Kampf.

Die Bedeutung der Abilities, die auch zuvor schon relativ klar war, wird hier endgültig geklärt. Der Nutzen einzelner Spezialisierungen muss sich im Spiel aber erst beweisen. Trotzdem sie alle die gleiche Punktezahl kosten, bieten sie dennoch sehr unterschiedlich breit gefächerte Einsatzmöglichkeiten.

 

Kapitel 5 – Destiny & Qualities – führt nun in die Destiny Points ein. Mit Hilfe dieser Punkte kann man entweder einen einzelnen Würfelwurf verbessern oder auch den Verlauf der Handlung des laufenden Abenteuers bis zu einem gewissen Maße ändern. Man kann die zur Verfügung stehenden Punkte aber auch dazu verwenden, Qualities einzukaufen. Diese ähneln den Talenten in D&D und haben zum Teil auch Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen. Die Qualities decken praktisch alles ab, was das Herz begehrt: Steigerungen der Abilites, Hinweise auf das Schicksal und die Herkunft des Charakters, sowie natürlich Qualities, die den Kampf und soziale Interaktionen betreffen.

Die Destiny Points sind eine gute Idee, der Geschichte hin und wieder eine unerwartete Wendung zu geben. Zumal sie nicht nur den Spielercharakteren, sondern auch wichtigen NSCs zur Verfügung stehen. Die Qualities machen jeden Charakter wiederum einzigartig und bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie man ihn weiter entwickeln kann. Schön ist, dass bei den Qualities darauf geachtet wurde, dass man damit leicht alle Besonderheiten der Charaktere aus den Romanen nachbauen kann, wodurch sich die Spielercharaktere ebenfalls gut in die Welt aus den Büchern einpassen lassen.

 

Kapitel 6 – House & Lands – beschäftigt sich mit einem ganz anderen Teil des SoIaF RPGs. Der Erschaffung und dem Spielen eines Adelshauses in Westeros. Nachdem man sich eines der sieben Königreiche ausgesucht hat, kann man sich dort ein geringeres Adelshaus errichten. Indem mit W6 gewürfelt wird, werden die Größe, die Macht, der Reichtum und der Einfluss des Hauses ermittelt. Diese Werte können jedoch durch Ereignisse in der Geschichte des Hauses noch weiter verändert werden. Anschließend kann man mit den endgültigen Werten seine Ländereien ausrüsten: Burgen, Septen und Minen kaufen sowie Armeen aufstellen. Abgeschlossen wird die Erstellung des Hauses durch den Bau eines Wappens und das Kreieren eines Mottos. Zum Abschluss erfährt man noch, was man mit seinem Haus – zu dem im Idealfall alle Spieler gehören oder zumindest eine direkte Verbindung haben – eigentlich alles machen kann.

Dieses Kapitel hat mir ganz besonders gefallen. Zum einen macht es viel Spaß, gemeinsam ein Haus zu entwerfen, zum anderen erleichtert es dem Erzähler, zu erklären warum die Charaktere zusammenarbeiten. Den Charakteren wiederum steht eine Rückzugsmöglichkeit zur Verfügung und sie haben etwas, wofür sie gemeinsam kämpfen können. Die Geschehnisse, die das Haus jeden Monat betreffen können, bieten zudem gute Aufhänger für Nebenabenteuer, welche die Angehörigen des Hauses bestreiten müssen.

 

Kapitel 7 – Equipment – listet alles an Gütern, Waffen, Rüstungen und Handelsgütern auf, die man in Westeros erwerben kann. Außerdem listet es die Umrechnung von Kupfer zu Silber zu Gold auf.

Dieses Kapitel hat mich nicht sehr überzeugt. Die Umrechnung zwischen den einzelnen Währungen sind unnötig kompliziert (8 Pennies sind ein Star; 7 Stars ein Stag, 210 Stags ein Gold) und die dargebotenen Listen sind bei weitem nicht vollständig. Vor allem Kleidung scheint in den sieben Königreichen nichts zu kosten. Die Listen zu den Waffen und Rüstungen sind zwar sehr übersichtlich, doch wurden hier nur die Preise und das Gewicht angegeben; die Kampfwerte dafür muss man wieder extra in Kapitel 9 nachlesen. Sehr unnötig!

 

Kapitel 8 – Intrigue – und Kapitel 9 – Combat – widmen sich dem Kampf mit Wort und Schwert. Beide Systeme funktionieren auf sehr ähnliche Art und Weise, weil es beide Male darum geht, den Gegner zu besiegen. Dabei muss man vor dem Beginn einer Intrige jedoch bekannt geben, was das Ziel sein soll (Freundschaft, Information, Dienste, etc.). Seine Ziele kann man dabei auf unterschiedliche Art und Weise erreichen (etwa durch Einschüchterung oder Verführung). Um solche Intrigen nicht zu einem reinen Würfelspiel verkommen zu lassen, wird extra darauf hingewiesen, dass die Würfel nur das Resultat eines mehr oder minder ausführlichen Rollenspiels sein sollten. Der Kampf verläuft naturgemäß geradliniger ab. Es gilt, die Defense des Gegners zu überbieten – ihn praktisch zu treffen. Je nach Erfolg des Treffers erleidet der Gegner dann Schaden, von dem noch ein Teil durch die Rüstung absorbiert wird. Da jeder Charakter nur über wenig Health verfügt, ist das Kampfsystem sehr tödlich. Dies wird dadurch abgeschwächt, dass jeder Spielercharakter Injuries und Wounds einstecken kann. Diese vermindern direkten Schaden, führen aber zu Würfelmali. Außerdem können sie, wenn sie nicht richtig behandelt werden, später immer noch zum Tode führen.

Bereits beim Lesen juckte es mich, eine Intrige zu spinnen, einen Wildling zur Strecke zu bringen und anschließend auf einem Turnier zu feiern. Das System ist so einfach, dass man nach einem ersten Kampf / einer ersten Intrige nicht mehr in das Buch zu blicken braucht. Dabei gibt es aber genug verschiedene Möglichkeiten, so dass beide Konflikte so schnell nicht langweilig werden dürften.

 

Kapitel 10 – Warfare – setzt sich mit Massenschlachten und Belagerungsmaschinen auseinander. Die Regeln für das Aufeinandertreffen von ganze Einheiten – die man zuvor in Kapitel 6 mühselig ausgehoben hat – ähneln jenen des Einzelkampfes sehr stark. Allerdings kommen Regeln für Moral, Organisation und Befehle hinzu. Außerdem gibt es erweiterte Regeln, die sich mit speziellen Formationen und komplizierteren Befehlen beschäftigen. Die Regeln lassen wenig aus und decken sogar den Kampf einzelner Charaktere mit ganzen Einheiten ab. Nur der Kampf Schiff zu Schiff wurde vergessen.

Das System für große Schlachten ist nicht ganz so eingängig wie das Kampfsystem Mann zu Mann, da viel mehr Dinge beachtet werden müssen. Tabletoper werden hier jedoch keine großen Herausforderungen im Verständnis sehen. Hatte ich die alle Regeln aber einmal, vor allem mit Hilfe der als Beispiel durchgespielten Schlacht, durchschaut, jagte ich gleich einmal zwei rasch zusammen gebaute Armeen aufeinander.

 

Das letzte Kapitel 11 – The Narrator – beschäftigt sich mit der Rolle des Erzählers, der Erschaffung von NSCs, Häusern, die vom Erzähler geleitet werden, Magie in der Welt und verschiedenen Stilen, nach denen man spielen kann. Die Werte für gängige NSCs und die wichtigsten Tiere und Monster der Welt beenden das Kapitel und damit auch das Buch.

Auch wenn ein solches Kapitel eigentlich in keinem Regelwerk fehlen sollte, so ist doch zu betonen: gut, dass es hier aufgenommen wurde. Es macht dem Erzähler nämlich klar, wie er seine Welt und die offizielle aus den Büchern in Einklang bringt, und wie er rasch improvisieren lernt.

 

Fazit

Die großen Erwartungen in das neue Regelwerk wurden zum größten Teil erfüllt. Das System ist einfach und leicht zu durchschauen. Dabei bietet es aber genug Komplexität, um auch lange Zeit spielbar zu sein. Es beeindruckt ebenfalls, wie die Regeln hervorragend zur Welt passen, die George R. R. Martin erschaffen hat. Vor allem begeistert das ausgefeilte Intrigensystem, das geradezu dazu einlädt, um den Eisernen Thron und die Vormachtstellung auf Westeros zu kämpfen. Auch das schnelle, tödliche Kampfsystem mit seinem Verwundungssystem ist sehr faszinierend und spiegelt die furchtbaren Kämpfe aus den Büchern gut wieder. Das System der Schicksalspunkte hat mittlerweile ja in einigen Systemen Eingang gefunden und durchbricht sicherlich jedes Railroading eines Spielleiters. Zusätzlich können sie den plötzlichen Tod eines Charakters in letzter Sekunde abwenden und machen damit die Spielercharaktere etwas langlebiger, als sie ansonsten sicherlich wären.

 

Was mich am meisten begeistert hat, war die Tatsache, dass ich mit einem Buch praktisch zwei Spiele erhalte. Denn unabhängig vom Spiel mit den einzelnen Charakteren kann man sich noch in aller Ruhe der Entwicklung des eigenen Hauses widmen. Wie man diese vorantreibt – durch kämpferische Expansion oder Intrigen, Heirat oder Bestechung – bleibt einem selbst überlassen. Natürlich kann man die Erschaffung eines Hauses auch aus seiner Kampagne streichen und etwa eine Wildlingskampagne oder eine Kampagne der Nachtwache spielen.

 

Wie bei einem neuen Rollenspielsystem der ersten Auflage nicht anders zu erwarten, haben sich auch einige Fehler in das Regelwerk und den Druck eingeschlichen. Die wenigsten davon sind gravierend und die bisher gefundenen werden von einer kleinen, aber sehr fleißigen Community im Forum von Green Ronin gesammelt. Störend sind die verschieden angegebenen Werte für Boni einzelner Verteidigungseinrichtungen sowie die fehlenden Angaben zum Schiffskampf. Wirklich schlimm ist jedoch, dass beim Charakterblatt eine der Abilites schlichtweg vergessen wurde. So etwas sollte nun wirklich nicht passieren! Außerdem gibt es Unklarheiten bezüglich des Status eines Charakters. Als weiteren Negativpunkt sind die Zufallstabellen zu nennen – die alle mit mehreren W6 ausgewürfelt werden – bei denen die Ergebniswahrscheinlichkeiten der Würfelwürfe außer Acht gelassen wurden. Die möglichen Ergebnisse sind einfach nur alphabetisch sortiert. So ist es viel wahrscheinlicher, dass ein Haus dem Untergang geweiht ist, als dass es einen einfachen Sieg über einen beliebigen Gegner davon trägt.

 

Alles in allem ist es aber ein sehr schönes Regelwerk, welches mit viel Bedacht an die ursprüngliche Welt angepasst wurde. Mit Ausnahme der oben angemerkten Mängel ist es sicherlich einen Blick und für jeden Fan von George R. R. Martin sicherlich einen Kauf wert. Die Regeln lassen sich allerdings auch für jede andere mittelalterliche Welt ohne Magie verwenden.